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Trauer um Günter Grass

Mitteilungen22606/2015Seite 6

aus: HU-Mitteilungen Nr. 226 (2/2015), S. 6

Die Humanistische Union trauert um Günter Grass, ihren Preisträger des Fritz-Bauer-Preises 1998. Zum Tod des Nobelpreisträgers erklärt Helga Lenz vom Bundesvorstand der Humanistischen Union: „Mit Günter Grass verliert die Bundesrepublik nicht nur einen bedeutenden Literaten, sondern auch einen herausragenden Intellektuellen und kritischen Zeitgenossen, der sich sein Leben lang in die drängenden Fragen seiner Zeit eingemischt hat – stets mit wachem Geist, unter Einsatz seiner ganzen Reputation, und stets ohne Scheu davor, dass ihm auch einmal ein Fehlurteil unterlaufen könnte.“ Günter Grass hat seine Bekanntheit und seinen literarischen Ruhm für diejenigen eingesetzt, die in unserer Gesellschaft am Rand stehen: für das Verständnis der kulturellen und sozialen Lage der Sinti und Roma; für einen Anspruch auf Asylrecht, der diesen Namen wirklich noch verdient; für einen humanen Umgang mit den hier lebenden Flüchtlingen. Mit kräftigen Worten etwa klagte Grass die Inhaftierung von Flüchtlingen in Deutschland an, die hinter Schloss und Riegel auf ihre Abschiebung warten müssen. „Ihm selbst war jene Obsession zu eigen, die er einst an Yasar Kemal gewürdigt hatte: ‚der Zeit gegenläufig zu schreiben und jene Geschichten zu erzählen, die nicht in Staatsakten geadelt worden sind, weil sie von Menschen handeln, die nie erhöht saßen und herrschten, denen aber allzeit Herrschaft widerfuhr‘.

Neben dem Einzelschicksal hat sich Günter Grass immer auch mit den strukturellen, menschenrechtswidrigen Auswüchsen der Politik befasst: den Protest gegen die atomare Aufrüstung unterstützte er mit seiner Teilnahme an der Blockade des Atomwaffenlagers in Mutlangen 1983; er prangerte die Waffenlieferungen an jene Türkei an, die von der damaligen Bundesregierung ob ihrer Menschenrechtsverletzungen öffentlich gescholten wurde (1997); die deutsche wie europäische Flüchtlingspolitik geißelte er bis zuletzt als „demokratisch abgesicherte Barbarei„. Für sein bürgerrechtliches Engagement zeichnete die Humanistische Union Günter Grass 1998 mit dem Fritz-Bauer-Preis aus. Mit dem Preis würdigt die Bürgerrechtsorganisation besondere Verdienste um die Demokratisierung, Liberalisierung und Humanisierung der bundesdeutschen Rechtsordnung. „Günter Grass hat bewiesen, dass man auch als Literat wichtige Beiträge zur Demokratisierung und Humanisierung unserer Gesellschaft leisten kann“, so Helga Lenz.

Berlin/Lübeck am 13. April 2015

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