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Natio­nal­so­zi­a­lis­ti­sches Strafrecht

Mitteilungen24012/2019Seite 16

In: Mitteilungen 240 (3/2019), S. 16

Anfang dieses Jahres erschien die Studie „Nationalsozialistisches Strafrecht. Kontinuität und Radikalisierung“ von dem Göttinger Strafrechtler Herrn Prof. Dr. Dr. h.c. Kai Ambos. Am 22. Juli war Ambos in der Tacheles-Vortragsreihe der Humanistischen Union Baden-Württemberg zu Gast und stellte sein Buch vor. Als weiterer Referent war Dr. Frank Bleckmann eingeladen, Richter am Landgericht Freiburg und Sprecher des baden-württembergischen Landesverbands der Neuen Richtervereinigung. Er beschäftigt sich seit vielen Jahren mit der Juristenausbildung, den Justizstrukturen sowie dem NS-Justizunrecht. In der Veranstaltung unternahmen die beiden Referenten den Versuch, einen Bogen vom NS-Strafrecht bis zur Behandlung des NS-Justizunrechts in der heutigen Juristenausbildung zu schlagen.
Den Auftakt machte Ambos. Er versteht das NS-Strafrecht in seiner Studie als rassistisch, völkisch und totalitär ausgerichtete Fortschreibung der autoritären und antiliberalen Tendenzen des deutschen Strafrechts der Jahrhundertwende und der Weimarer Republik. Insoweit sei hier eine „Kontinuität“ auszumachen. Dies belegt Ambos durch die Analyse von Texten zahlreicher einflussreicher Autoren. Ambos stellte insbesondere die Texte von Vertretern der zwei akademischen Hauptrichtungen der NS-Zeit, der „Kieler Schule“ und der „Marburger Schule“ vor. Die von Ambos festgestellte Kontinuität bestehe allerdings nicht nur rückwärtsgewandt, sondern auch zukunftsgerichtet, also nach 1945. Elemente des NS-Strafrechts finden sich, so Ambos, auch noch heute – etwa in einem Gesetzesentwurf der AfD „zur Strafschärfung bei Rückfall“, der die Grundidee des NS-Gewohnheitsverbrechergesetzes wieder aufgreift und nicht vor nationalsozialistischem Vokabular (etwa „besonders sozialschädliche Gewohnheitsverbrecher“) Halt macht.
Während sich Ambos in seinem Buch den Kennzeichen des NS-Strafrechts widmet, thematisierte Dr. Frank Bleckmann die Frage, welche Lehren für die Juristenausbildung aus dem Befund gezogen werden können, dass zur NS-Zeit hochqualifizierte Juristen an der Pervertierung einer Rechtsordnung und seiner verbrecherischen Anwendung mitgewirkt haben – und nach 1945 als Hüter und Gestalter einer neuen, demokratischen und rechtsstaatlichen Ordnung eingesetzt wurden. Bleckmann machte verschiedene Felder aus, die für die juristische Ausbildung relevant sein können: Zum einen die Fähigkeit, „Nein“ sagen zu können und seine Überzeugungen auch gegen Widerstände durchzuhalten, zum anderen die Vermittlung eines kritisch-reflektierten Berufsethos und einer juristischen Ethik.
Eine Aufzeichnung des Vortrags ist auf YouTube und zum Download verfügbar:
YouTube: https://youtu.be/Dz5mRhXGeiEion.de/index.php/s/znK0DJWwAJUxFD8
Audio-Download: http://cloud.hum-union.de/index.php/s/K5ZrInBAoDz1Kku

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