vorgänge Nr. 168: Ungleichheit als Schicksal?

vorgänge Nr. 168: Ungleich­heit als Schicksal?

Ungleich­heit als Schicksal?

vorgänge. Zeitschrift für Bürgerrechte und Gesellschaftspolitik, 43. Jahrgang, Heft 4 (Dezember 2004)

 

Im Zeichen der Krise kehrt die Ungleichheit in die öffentlichen Debatten zurück. Lange Jahre war sie von der Agenda wahrgenommener gesellschaftlicher Probleme verschwunden; selbst ernstzunehmende Soziologen wähnten die Deutschen im immerwährenden Fahrstuhl nach oben. Diese Illusion ist mit den gegenwärtigen Abstiegsängsten und -erfahrungen der Mittelschichten endgültig zerstoben: Die fetten Jahre sind vorbei — so lautet der passende Titel eines Kinofilms in diesem Winter. Der 32. Soziologentag in München versammelte sich Anfang Oktober unter dem Motto Soziale Ungleichheit — kulturelle Unterschiede; einstige Fachbegriffe wie Inklusion, Exklusion, Marginalisierung, Ausschluss, Fragmentierung halten Einzug in Leitartikel und Feuilletons. Viele Indikatoren verweisen auf veränderte Realitäten: Der Armutsbericht der Bundesregierung belegt, dass sich unter Rot-Grün die Ungleichheit verschärft hat. Konnte man 1998 noch 12,1 Prozent der Bevölkerung nach EU-Kriterien als arm bezeichnen, so sind es gegenwärtig 13,5 Prozent. Wer hat, dem wird gegeben: 10 Prozent der Haushalte verfügen über 47 Prozent des Vermögens im Land – vor sechs Jahren besaßen sie noch 45 Prozent. Doch selbst diese Zahlen können die künftigen Spaltungslinien innerhalb der Gesellschaft kaum widerspiegeln. Die Tatsache, dass gegenwärtig 50 Prozent der Berliner Einwanderer arbeitslos sind, lässt diese Konflikte wenigstens erahnen.

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