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Nur das Verfas­sungs­ge­richt kann über Nicht­ein­stel­lung in den Öffent­li­chen Dienst entscheiden

Brief der Humanistischen Union an Innenminister Maihofer

aus: vorgänge Nr. 16 (Heft 4/1975), S. 111-12

Sehr geehrter Herr Minister,                                        12. Juni 1975

Nach wie vor wird die Auseinandersetzung über die Beschäftigung sogenannter Radikaler im Öffentlichen Dienst bestimmt: einerseits durch die Formel „Keine Verfassungsfeinde in den Öffentlichen Dienst” oder „Weg mit den Berufsverboten”, andererseits durch den Streit der Bonner Koalitionsparteien darüber, ob allein die Mitgliedschaft in einer für verfassungswidrig gehaltenen Organisation ausreicht, um die Aufnahme in den Öffentlichen Dienst zu verweigern.

In diesen von stärkeren politischen Kräften als der Humanistischen Union bestimmten Kontroversen bleiben die entscheidenden Fragen einer rechtsstaatlichen Verteidigung der Demokratie unbeachtet:

1. Wer stellt fest, daß ein Staatsbürger seine Rechte zum Kampf gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung mißbraucht und deshalb in seinen Rechten beeinträchtigt werden darf?
2. Wie, das heißt in welcher Form, wird ein Mißbrauch der Grundrechte zum Kampf gegen die Verfassung festgestellt?

Die Humanistische Union ist der Auffassung, daß nur die ausschließliche Entscheidungskompetenz des Bundesverfassungsgerichts darüber, wer staatsbürgerliche Rechte zum Kampf gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung mißbraucht und deshalb in seinen staatsbürgerlichen Rechten beeinträchtigt werden darf (den Begriff des „Verfassungsfeindes” kennt das Grundgesetz bekanntlich nicht), dem Grundgesetz entspricht und gewährleistet, daß die Einschränkung staatsbürgerlicher Rechte auch in der Form des Verfahrens nicht rechtsstaatlichen Prinzipien widerspricht.

Wer sich damit begnügt, allein auf eine erst nachträgliche verwaltungsgerichtliche Überprüfung ablehnender Entscheidungen von Verwaltungsinstanzen zu achten, verkennt, daß schon der administrative Bescheid den Betroffenen nicht nur abstempelt, sondern auch für Jahre seine wirtschaftliche Existenz zu gefährden vermag.

Die Entscheidungskompetenz des Bundesverfassungsgerichts für den Fall der mit „Verfassungsfeindschaft” begründeten Nichtaufnahme in den Öffentlichen Dienst wäre auch gegen den Widerstand der von der CDU/CSU regierten Länder durchzusetzen, Zugleich würden die aus propagandistischen Gründen in diesen Tagen besonders aktivistischen Unionsparteien endlich wieder einmal in die Defensive gedrängt.

Wir wären dankbar, wenn Sie unseren Vorstellungen Ihre Aufmerksamkeit schenken könnten. Es läge uns sehr daran, daß Sie Vertreter des Bundesvorstandes in dieser Frage anhören.

Mit vorzüglicher Hochachtung

Dr. Charlotte Maack

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