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Die Beschnei­dungs­de­batte auf dem HU-Ver­bandstag

Mitteilungen12/2012Seite 6

Mitteilungen 218/219 (III/IV) – Dezember 2012, Seite 6

Die Debatte um das zu erwartende Beschneidungsgesetz nahm beim diesjährigen Verbandstag breiten Raum ein. Den Teilnehmern lagen zahlreiche Stellungnahmen vor, neben den veröffentlichten Texten auch ein Antrag der Regionalgruppe Köln/Bonn sowie Stellungnahmen von Burkhard Hirsch und Kirsten Wiese.

Die Diskussion konzentrierte sich auf drei Themenkreise:

  • (bürger)rechtliche Dogmatik und Abwägung zwischen strafrechtlichem Verbot oder begrenzter Zulassung der Beschneidungen: An der Bewertung als Körperverletzung solle festgehalten werden. Zugleich sei das Strafrecht jedoch kein geeignetes Instrument, um das Problem zu lösen (kontraproduktive Wirkung eines Verbots). Weitgehender Konsens besteht auch darüber, dass der Staat der Religionsausübung Grenzen setzen kann und muss. Das vermutlich niedrigere Gefährdungspotential der Beschneidung rechtfertigt nach Einschätzung vieler keinen Eingriff in das elterliche Sorgerecht.
  • Kriterien für eine begrenzte Zulassung von Beschneidungen: Es wurde darüber gestritten, ob die derzeit diskutierte Beschränkung auf religiös motivierte Beschneidungen zu erweitern sei, auch andere Gründe akzeptiert werden müssten (da sich das Recht auf Beschneidung der Kinder aus dem elterlichen Sorgerecht ableite).
  • politische, historische, und religionsrechtliche Aspekte, die die HU bei einer Stellungnahme berücksichtigen sollte: Gegenüber den bisherigen Texten wird eine stärkere Berücksichtigung des historischen Kontextes der Debatte und der Verantwortung für religiöses, insbes. jüdisches Leben in Deutschland eingefordert. Auch wenn wir uns mit Blick auf die Kinderrechte (Grundsatz der Beteiligung und Mitbestimmung) und der Gleichberechtigung (Warum werden nur Männer beschnitten?) Religionen wünschen, die ohne Beschneidungsritual auskommen – die HU sollte genauso wenig wie der Staat versuchen, in die Religionen „hineinregieren“ zu wollen. „Sozialadäquates Handeln“ (wie die Beschneidung in Judentum und Islam) sei in der Regel nicht strafrechtlich sanktioniert; in dieser Frage könne nicht allein auf rechtliche Mittel gesetzt werden, sondern ebenso auf diskursive Einwirkung und die langsame Weiterentwicklung der Religionsgesellschaften und communities. Ebenso wurde gefordert, den Schutz religiöser Minderheiten nicht zu vernachlässigen.

Angesichts des zu erwartenden Gesetzentwurfs plädieren mehrere Mitglieder für eine klare, bürgerrechtlich fundierte Positionierung der HU. Von den Teilnehmern wurde die Diskussion als sehr differenzierte Auseinandersetzung gewürdigt. Zum Abschluss ergab ein Meinungsbild aller TeilnehmerInnen: Drei Mitglieder stimmten dem Urteil des Kölner Gerichts und der daraus folgenden Strafbarkeit der Beschneidung zu; die überwiegende Mehrheit des Verbandstages vertrat dagegen die Ansicht, dass der Konflikt um die Beschneidung nicht mit einer Strafvorschrift zu lösen sei.

Sven Lüders
nach dem Protokoll des Verbandstages
(siehe auch Bericht auf Seite 19ff.)

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