Publikationen / vorgänge / vorgänge Nr. 201/202: Verfassungsschutz in der Krise?

Ein sensibler Humanist und ein kluger, skeptischer Beobachter seiner Zeit. Achim von Borries

aus: vorgänge Nr. 201/202 (1/2-2013), S. 171-172

„Dem Egoism kann nur der Pluralism entgegengesetzt werden, d. i. die Denkungsart: sich nicht als die ganze Welt in seinem Selbst befassend, sondern als einen bloßen Weltbürger zu betrachten und zu verhalten.“
Immanuel Kant (mitgeteilt durch Achim von Borries von seinem Krankenlager)

Am 14. Januar 2013 starb 85jährig Dr. Achim von Borries. 1973 bis 1979 war er zusammen mit Gerd Hirschauer Redakteur der vorgänge (vgl. auch den Nachruf auf Hirschauer in den vorgängen 2007). Beide hatten bereits zuvor in der Redaktion der linkskatholischen Werkhefte zusammengearbeitet. Seither lebte er als freier Publizist in Bremen.
1928 in Hamburg geboren, legte Achim von Borries nach kurzer Kriegsdienstzeit und Gefangenschaft 1948 das Abitur ab. Seit 1950 engagierte er sich gegen Adenauers Wiederbewaffnungs- und Deutschlandpolitik in der von Gustav Heinemann und Dieter Posser gegründeten „Notgemeinschaft für den Frieden Europas“. Er studierte Philosophie, Geschichte und deutsche Literatur in Hamburg, Basel und Zürich, wobei er sich immer stärker mit der Geistes- und Sozialgeschichte des deutschen Judentums befasste. 1957 promovierte er in Zürich bei Hans Barth mit der Arbeit „Deutschtum und Judentum: Studien zum Selbstverständnis des deutschen Judentums 1879/80“. Aus ihr ging sein nachfolgendes Buch „Selbstzeugnisse des deutschen Judentums“ hervor (Erstausgabe als Fischer-Taschenbuch 1962, überarbeitete und erweiterte Neuausgabe 1988).

Von 1959 bis 1965 gehörte Achim von Borries der Redaktion der Blätter für deutsche und internationale Politik an, stritt dort wiederum für eine alternative Deutschlandpolitik und gegen neo-autoritäre Tendenzen in der Bundesrepublik. Ehe er zu den vorgängen stieß, war er als Mitarbeiter Prof. Christian Graf von Krockows an der Universität des Saarlandes beteiligt am Aufbau des Instituts für Theorie und Soziologie der Politik.

1979 gründete er zusammen mit dem Widerstandskämpfer und zeitweiligen Vorsitzenden der Humanistischen Union, Hans Robinsohn, sowie Pastor Joachim Ziegenrücker die Hamburger Gruppe der 1977 entstandenen Gustav Heinemann-Initiative. Im Jahr darauf wirkte er zusammen mit Klaus Staeck, Günter Wallraff, Günter Grass und anderen bei der wiederbelebten Boykottaktion „Wir arbeiten nicht für Springer-Zeitungen“ mit, die Günter Grass bereits 1967 initiiert hatte (siehe nebenstehende Abbildung).

Seine Werke „Selbstzeugnisse des deutschen Judentums“ (1962/1988); John Stuart Mills „Über Freiheit“, neu übersetzt und herausgegeben 1969; „Anarchismus: Theorie, Kritik, Utopie“ (Mithrsg., 1970/ 2007); „Preußen und die Folgen“ (1981) sowie „Rebell wider den Krieg: Bertrand Russell“ (2006) beschreiben zusammen mit zahlreichen einschlägigen Aufsätzen und Rundfunksendungen die Hauptthemen, um die sein Denken kreiste. Achim von Borries wird seinen Lesern und Freunden in Erinnerung bleiben als sensibler Humanist und als kluger, skeptischer Beobachter seiner Zeit.

RAINER EISFELD   Jahrgang 1941, war von 1974 bis zu seiner Emeritierung 2006 Professor für Politikwissenschaft an der Universität Osnabrück. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählten Politische Theorie, die Geschichte der Politikwissenschaft und die Verantwortung der Wissenschaftler im Nationalsozialismus.

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