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Der Bischof residiert, das Volk bezahlt

aus: vorgänge Nr. 203 (3-2013), S. 92-94

Der Bischof residiert, das Volk bezahlt

Der Erzbischof von München und Freising und seine Diözese residieren in einem stattlichen barocken Adelspalais in der Münchner Altstadt. Die jährlichen Unterhaltungskosten für den gesamten Komplex, Sanierungen, Verwaltungsangelegenheiten bezahlt jedoch nicht das eher wohlhabende Erzbistum – sondern der bayerische Staat bzw. seine Steuerzahler_innen.

Nein, hier geht es nicht um den Prunkbau des Limburger Bischofs Franz-Peter Tebartz-van Elst, dessen Gehabe die Katholik_innen der hessischen Diözese seit Monaten so in Wallung bringt, nicht um seine Flugreisen, den bischöflichen Privatpark, die bischöfliche Privatkapelle, die bischöfliche Badewanne für 15.000 Euro. Nicht um den veritablen Aufstand des Kirchenvolkes, nachdem die Kosten des Diözesanen Zentrums von anfänglichen 5,5 Mio. Euro auf 31 Mio. Euro (Stand: Oktober 2013) gestiegen ist.

Dies alles ist – jedenfalls in erster Linie – ein innerkirchliches Problem. Wer mit seiner Kirchenobrigkeit nicht zufrieden ist, kann ihr und der Kirche jederzeit den Rücken kehren, kann die Zahlungen einstellen. Und davon haben offenbar in den vergangenen Jahren viele Katholik_innen der Diözese Limburg reichlich Gebrauch gemacht.

Nein, es geht um einen sehr viel ärgerlicheren Fall eines staatlich finanzierten Kirchenprunks. In der Münchner Altstadt, in der Kardinal-Faulhaber-Straße, befindet sich das wunderschöne Palais Holnstein, das bedeutendste der noch erhaltenen Adelspalais aus der Barockzeit in München. Erbaut wurde es vom Münchner Hofbaumeister François de Cuvilliés im 18. Jahrhundert im Auftrag des bayerischen Kurfürsten Karl Albrecht für seine Mätresse, Sophie Caroline von Ingelheim. Das Publikum kann nur die straßenseitige Rokokofassade bestaunen, das prunkvolle Innere ist nicht zugänglich. Das Gebäude gehört dem Freistaat Bayern und wurde vom Freistaat in den vergangenen Jahren aufwendig saniert; man spricht von 8,7 Mio. Euro. Dieses Gebäude wird aber von der Erzdiözese München und Freising genutzt für die Verwaltung des Erzbistums: Büros, Archiv, Empfangsräume, Gästezimmer, Kapelle, Galerie der Erzbischöfe sowie Wohn- und Arbeitsräume für Kardinal Reinhard Marx. Nun gehört das Erzbistum München sicherlich zu den wohlhabenderen Bistümern in Deutschland.

Allein der Verwaltungshaushalt beläuft sich auf 664 Mio. im Jahre 2013. 55 Mio. Euro konnte das Bistum als kurzfristige strategische Investitionsreserve zurücklegen, etwa für Bauvorhaben. Das Erzbistum besitzt und verwaltet 5.800 Gebäude, ihm gehören 5.000 Hektar Wald, es ist Hauptgesellschafter des Katholischen Siedlungswerks (Bilanzsumme: 174 Mio. Euro). Es hält – sehr umstritten – eine 13-prozentige Beteiligung an der Verlagsgruppe Weltbild (Umsatz 1,6 Mrd. Euro). Erwähnenswert sind des Weiteren die Beteiligung an einem Reisebüro („Pilgerbüro“) und an der Medienholding Tellux. Bei all dem kirchlichen Reichtum: der Verwaltungssitz im Palais Holnstein gehört dem Erzbistum München nicht. Und das ist auch gut so – für die Kirche; denn für die Nutzung dieses kostbaren Gebäudes braucht sie keinen Cent zu zahlen, keine Miete, keine Unterhaltungskosten, nichts. Ein Zustand, von dem angesichts der Mietpreise in München viele nur träumen können. Für das Palais Holnstein kommt der bayerische Staat, also der Steuerzahler auf. In vollem Umfang. Wie das? Eine Anfrage beim Bayerischen Finanzministerium ergab:

„Nach Rückfrage bei dem ressortverantwortlich für Kirchenangelegenheiten zuständigen Staatsministerium für Unterricht und Kultus kann ich Ihnen Folgendes mitteilen: 1817 hat das Königreich Bayern zur Bereinigung der Folgen aus der Säkularisation von 1802/1803 mit dem Heiligen Stuhl ein Konkordat geschlossen, in dem es in Art. IV u. a. heißt: ‚Sowohl den Erzbischöfen und Bischöfen als den Dignitarien, den älteren Canonikern und den älteren Vicaren wird eine ihrer Würde und ihrem Stande entsprechende Wohnung angewiesen werden. Für die erzbischöfliche und bischöfliche Curie, für das Capitel und das Archiv werden Seine Majestät ein geeignetes Gebäude bestimmen.‘ Zu diesem Zweck wurden zahlreiche, meist ehemals kirchliche Gebäude unter Vorbehalt des staatlichen Eigentums den genannten Geistlichen und kirchlichen Rechtsträgern zur Nutzung überlassen. Der Staat blieb Eigentümer und kam für den baulichen Unterhalt auf. In München hat das Königreich Bayern ebenfalls zu diesem Zweck 1818 das Palais Holnstein gekauft (der Bischofssitz war vorher in Freising), und seit 1821 den jeweiligen Erzbischöfen von München und Freising zur Nutzung bereit gestellt.

Das aktuell geltende Bayerische Konkordat von 1924 bestimmt in Art. 10 § 1 Satz 2 Buchst. e): ‚Sowohl den Erzbischöfen und Bischöfen als den Dignitäten, den 5 bzw. 4 älteren Kanonikern und 3 älteren Vikaren wird eine ihrer Würde und ihrem Stande entsprechende Wohnung angewiesen.‘ Art. 10 § 1 Satz 2 Buchst. g) lautet: ‚Für die erzbischöflichen und bischöflichen Ordinariate für das Kapitel und das Archiv wird ein geeignetes Gebäude überlassen …‘.“

Beinahe alle anderen ehemals staatlichen Gebäude in kirchlicher unentgeltlicher Nutzung sind nach Mitteilung des Ministeriums inzwischen „abgelöst“ – was immer das auch konkret die Steuerzahlerin gekostet haben mag. Für das Palais Holnstein aber bleibt es beim status quo. Will heißen: Dort dürfen auch weiterhin auf Kosten der Allgemeinheit, ohne dass ein Ende absehbar ist, der Erzbischof von München und Freising und seine Diözese residieren. Und anders als im Bistum Limburg können die Zahlungspflichtigen, nämlich alle Bürger_innen, sich ihrer Belastung nicht durch Austritt entziehen.

JOHANN-ALBRECHT HAUPT   ist Verwaltungsbeamter im Ruhestand und war ehemals im Niedersächsischen Kultusministerium tätig. Er war langjähriges Mitglied im Bundesvorstand der Humanistischen Union und Autor von verschiedenen Aufsätzen über Fragen des Religionsverfassungsrechts.

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