Publikationen / vorgänge / vorgänge Nr. 203: Religiöse Sonderrechte auf dem Prüfstand

Gutachten III: CDU-Antrag in NRW zu „Kirchen als Diener am Gemeinwohl“

aus: vorgänge Nr. 203 (3-2013), S. 109

Die CDU-Fraktion im nordrhein- westfälischen Landtag wollte die Landesregierung mit einem Entschließungsantrag (Drs. 16/2632 v. 16.4.2013) dazu auffordern, „die Kirchen weiterhin im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten und auf Grundlage der bestehenden gesetzlichen Regelungen in ihrem Engagement für Gesellschaft und Gemeinwohl zu unterstützen“ und ferner „die Besonderheiten des kirchlichen Arbeitsrechts als einen verfassungsrechtlich verbürgten und angemessenen Ausgleich der kirchlichen Selbstbestimmung und des notwendigen Arbeitnehmerschutzes anzuerkennen.“ ebd., S. 5) Zu dem Antrag fand am 21. November 2013 eine Anhörung des Hauptausschusses im NRW-Landtag statt, an der Till Müller-Heidelberg für die Humanistische Union (HU) teilnahm und eine Stellungnahme abgab. Er konzentrierte sich dabei auf die Fragen des kirchlichen Sonderarbeitsrechts.

Bezüglich der staatlichen Finanzzuschüsse, die mit dem großen ehrenamtlichen und caritativen Engagement der Kirchen begründet wurden, merkte er lediglich an, dass: 1. diese Angebote in vielen Teilen des Landes inzwischen die (ehemals) staatlichen Angebote der Daseinsvorsorge ersetzen; 2. die Einrichtungen – wie bei anderen Trägern auch – größtenteils bis vollkommen aus Mitteln der öffentlichen Hand und der Sozialversicherungsträger finanziert werden und 3. die Kirchen durchschnittlich 5 bis 10% ihres Kirchensteueraufkommens caritativ verwenden – und 90 bis 95% für ihre eigenen Angelegenheiten.

In Bezug auf das individuelle wie kollektive Sonderarbeitsrecht, dass die Kirchen aus Art. 137 Abs. 3 der Weimarer Reichsverfassung (WRV) ableiten, setzt sich das Gutachten kritisch mit der herrschenden Auslegung und der aktuellen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes auseinander. Im Kern geht es dabei um die Frage, ob sich aus den Verfassungsbestimmungen wirklich ein weitgehender „Selbstbestimmungsanspruch“ der Kirchen ableiten lässt, hinter den etwa das Betriebsverfassungsgesetz, das Kündigungsschutzgesetz, das Tarifvertragsgesetz und zahlreiche Grundrechte (u.a. Religions-, Meinungs- und Glaubensfreiheit) automatisch zurücktreten müssen. Dieser Automatismus ist nicht zuletzt deshalb fragwürdig, weil die WRV davon spricht, dass diese kirchliche Selbstverwaltung „innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes“ zu erfolgen habe. Sowohl beim Grundgesetz als auch bei den genannten arbeitsrechtlichen Vorschriften handelt es sich zweifelsfrei um solche für alle geltenden Gesetze. (Zu den weiteren, detaillierten Argumenten siehe die Beiträge von Frings und Müller-Heidelberg in diesem Heft).

Die Stellungnahme der Humanistischen Union ist abrufbar unter http://www.humanistische– union.de/fileadmin/hu_upload/doku/2013/HU2013-10-16_TMH_NRW-Kirchenarbeitsrecht.pdf.

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