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Racial Profiling – ja / nein / vielleicht?

aus: vorgänge Nr. 203 (3-2013), S. 105-106

Die Frage, ob die (Bundes-)Polizei bei verdachtsunabhängigen Personenkontrollen die zu Kontrollierenden nach „Rasse, Herkunft oder Religion“ auswählen darf, beschäftigte in den vergangenen Jahren mehrere Gerichte (s. vorgänge 201/202, S. 134 ff.). Die Bundesregierung verhielt sich dazu bisher indifferent: einerseits versicherte sie, dass racial oder ethnic profiling nicht mit einer demokratisch-rechtsstaatlichen Polizeiarbeit vereinbar sei (so noch in BT-Drs. 17/6778 v. 9.8.2011). Ein Jahr später, als das OVG in Koblenz über eine solche Kontrolle zu befinden hatte (bei der die Polizeibeamten genau diese Vorgehensweise bestätigten), verleugnete sie das Problem und verwies darauf, dass die Polizeibeamt_innen in derartigen Situationen allein auf „polizeiliche Erfahrungswerte und aktuelle Lageerkenntnisse“ zurückgreifen würden (s. BT-Drs. 17/10007 v. 14.6.2012).

Die Polizei sieht das offenbar anders: In einem am 30. Oktober 2013 veröffentlichten Interview der „tageszeitung“ mit dem Vorsitzenden der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, bestätigte dieser, dass die Bundespolizei auf Grundlage ihres gesetzlichen Auftrags Menschen wegen unveränderlicher Merkmale wie der Hautfarbe überprüft. Wolle man diese Praxis ändern, müsse die Politik den gesetzlichen Auftrag der Polizei verändern. Bislang hat die Bundesregierung eine solche Kontrollpraxis der Bundespolizei stets verneint.

Das Deutsche Institut für Menschenrechte forderte daraufhin, die Abschaffung rassistischer Personenkontrollen durch die Bundespolizei im Koalitionsvertrag zu verankern. „Bestehende Regelungen zu anlasslosen Personenkontrollen zur Bekämpfung illegaler Migration wie in Paragraf 22 Absatz 1 a) Bundespolizeigesetz verstoßen gegen das grund- und menschenrechtliche Diskriminierungsverbot“, erklärte Beate Rudolf, Direktorin des Instituts. „Die neue Regierung sollte durch eine Streichung dieser Regelungen sicherstellen, dass die Polizei nicht weiterhin Menschen aufgrund unveränderlicher Merkmale wie Hautfarbe überprüft“, so Rudolf weiter.

Hendrik Cremer, Autor einer Studie zum Racial Profiling durch die Polizei, betonte: „Der Grund für die menschenrechtswidrige Praxis ist nicht allein im Verantwortungsbereich und Handeln der Polizei zu suchen. Der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft kommt insoweit zum gleichen Ergebnis wie unsere Studie. Es sind die gesetzlichen Ermächtigungsgrundlagen der Polizei, die auf diskriminierendes Handeln angelegt sind. Gesetzesbestimmungen wie Paragraf 22 Absatz 1a) müssen daher gestrichen werden.“

Der Göttinger Rechtsanwalt Sven Adam, der bereits die Musterklage vor dem OVG in Koblenz vertreten hatte, reichte im Dezember 2013 zwei neue Klagen gegen rassistische Personenkontrollen vor den Verwaltungsgerichten Stuttgart und Köln ein. In beiden Fällen waren die Betroffenen von Bundespolizist_innen ohne Anlass, sondern offenbar allein aufgrund ihrer Hautfarbe zur Kontrolle ausgewählt worden. Die Kontrollen fanden im Zug bzw. auf einem Bahnhof statt. RA Adam erklärte, dass er beide Verfahren notfalls bis vor das Bundesverfassungsgericht führen will: „Das Bundespolizeigesetz selbst schafft die Voraussetzungen für den sich in den deutschen Bahnhöfen und Zügen immer wiederholenden Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz. Wir streben deshalb nun auch die gerichtliche Klärung der Frage an, ob § 22 Abs. 1a BPolG mit dem Grundgesetz noch vereinbar ist.“

Hendrik Cremer (2013): „Racial Profiling“ – Menschenrechtswidrige Personenkontrollen nach § 22 Abs. 1a Bundespolizeigesetz. Empfehlungen an den Gesetzgeber, Gerichte und Polizei. Deutsches Institut für Menschenrechte, Berlin, abrufbar unter www.institut-fuer-menschenrechte.de/de/publikationen/.

Sven Adam, Neue Verfahren gegen die Bundespolizei zu „racial profiling“ in Zügen und Bahnhöfen. Pressemitteilung v. 18.12.2013 (Göttingen), s. http://www.anwaltskanzlei-adam.de/

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