Publikationen / vorgänge / vorgänge Nr. 203: Religiöse Sonderrechte auf dem Prüfstand

Reform­be­mü­hungen im Bestat­tungs­recht

aus: vorgänge Nr. 203 (3-2013), S. 104-105

Mit den Staatsverträgen ist in den vergangenen Jahren auch verschiedentlich Bewegung in die Bestattungsgesetze der Länder gekommen. Bislang haben diese islamische Bestattungen erschwert, weil christliche Bestattungsrituale (von denen die deutschen Gesetze geprägt sind) von muslimischen Bestattungsritualen abweichen.

Die islamischen Gesetze schreiben u.a. die Bestattung in einem Leinentuch, die Beisetzung am Tag des Todes und sehr genau festgelegte rituelle Waschungen vor. Eine Feuerbestattung ist nicht erlaubt. Dagegen ist in deutschen Bestattungsgesetzen die Bestattung in einem Sarg oder einer Urne vorgeschrieben. Eine ewige Ruhe des Leichnams wird im Islam zwar nicht ausdrücklich vorgeschrieben; die Ruhefrist eines Grabes auf einem deutschen Friedhof von in der Regel 25 Jahren ist aber häufig zu kurz und ein Argument für Muslim_innen gegen eine Beerdigung auf einem deutschen Friedhof.

Mittlerweile haben Berlin und Hamburg einzelne Bestattungsregelungen zugunsten von Muslim_innen geändert. So ist es hier erlaubt, den Transport des Leichnams im Leinentuch auszuführen; die Bestattung selbst muss aber weiterhin im geschlossenen Sarg stattfinden; zwischen Tod und Bestattung müssen 48 Stunden liegen. Im Bochumer Hauptfriedhof gibt es eine Möglichkeit, die rituellen Waschungen durchzuführen.

Bremen kündigte im September 2013 eine Reform seines Bestattungsgesetzes an. Auch in Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen wird zur Zeit über eine Lockerung des Bestattungsgesetzes gesprochen.

In Deutschland leben rund 3,2 Millionen Muslime. Entsprechend ihrem Anteil an der Gesamtbevölkerung gibt es jährlich etwa 30.000 Todesfälle. Nach wie vor werden die meisten Leichname verstorbener Muslime in ihre Herkunftsländer überführt. Nur etwa jede_r zehnte Muslim_in, die/der in Deutschland stirbt, wird auch hier beerdigt. In Deutschland gibt es bisher keinen islamischen Friedhof. Inzwischen haben aber etliche deutsche Großstädte eine muslimische Abteilung auf ihren Friedhöfen eingerichtet. Diese stoßen aber auf räumliche Grenzen – in Berlin wird gegenwärtig um die erforderliche Erweiterung des muslimischen Bereiches des Friedhofes am Columbiadamm gestritten.

(Geplante) Gesetzesänderungen:

Hamburg: s. Regelungen im Vertrag zwischen der Freien und Hansestadt Hamburg, dem DITIB-Landesverband Hamburg, SCHURA – Rat der Islamischen Gemeinschaften in Hamburg und dem Verband der Islamischen Kulturzentren v. 13.11.2012 (= Drs. 20/5830 v. 13.11.2012)

Berlin: Gesetz zur Regelung von Partizipation und Integration in Berlin v. 15.12.2010, GVBl v. 28.12.2010, abrufbar unter http://www.berlin .de/imperia/md/content/lb-integration-migra tion/publikationen/recht/partintg_bf.pdf.

Bremen: Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen und der SPD der Bremischen Bürgerschaft, Bremer Bestattungsrecht novellieren und individuelle Bestattungsformen ermöglichen (Antrag), Drs. 18/950 v. 12.6.2013

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