Publikationen / vorgänge / vorgänge Nr. 208: Europas Abschottung

Änderung des ZDF-Staats­ver­­­trages – Stellung­nahme der HU

aus: vorgänge Nr. 208 (Heft 4/2014), S. 198-200

(SL) Die Ministerpräsidenten der Länder haben sich im Januar 2015 auf den Entwurf eines neuen ZDF-Staatsvertrags geeinigt, mit dem vor allem die Zusammensetzung der beiden Aufsichtsgremien des öffentlich-rechtlichen Senders neu geregelt wird.(1)Die Reform war notwendig geworden, nachdem das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in einer Entscheidung vom 25. März 2014 (1 BvF 1/11 und 1 BvF 4/11) zwei Normenkontrollanträgen der Länder Rheinland-Pfalz und Hamburg in Teilen statt gegeben hatte.(2) Die Kläger hatten u.a. die Zusammensetzung der ZDF-Aufsichtsgremien (Fernsehrat und Verwaltungsrat) kritisiert; in ihnen sei der Anteil staatlicher bzw. staatsnaher Vertreter_ innen zu hoch, was gegen das Gebot der Staatsferne des Rundfunks (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG) verstoße.

In seiner Entscheidung benannte das BVerfG zwei Kriterien, denen die Besetzung der ZDF-Gremien Genüge leisten muss: Die Zusammensetzung der Gremien habe erstens sicher zu stellen, dass die Vielfalt gesellschaftlicher Interessen(-gruppen) angemessen berücksichtigt werde. Dazu sei es geboten, neben größeren Verbänden und Interessengruppen (wie Kirchen oder Gewerkschaften) auch kleinere Organisationen sowie „nicht kohärent organisierte Perspektiven“ zu beteiligen (Leitsatz 1a). Darüber hinaus sei das Gebot der Staatsferne des Rundfunks zu beachten. Um dies durchzusetzen, beschränkte die Mehrheit der Richter/innen den Anteil der staatlichen bzw. staatsnahen Mitglieder in den ZDF-Gremien auf 1/3 und legte fest, dass die übrigen Mitglieder „konsequent staats­fern“ zu besetzen sind, was durch gesetzliche Inkompatibilitätsregeln sowie dadurch sicherzustellen ist, dass die Exekutive keinen bestimmenden Einfluss auf die Auswahl jener staatsfernen Mitglieder haben dürfe (Leitsatz 2). Der Verfassungsrichter Paulus forderte in seinem abweichenden Votum zur Entscheidung eine weitergehende Staatsferne durch einen kompletten Ausschluss von Vertretern der Exekutive aus den ZDF-Gremien. Der Fernsehrat und damit das entscheidende Gremium für die Programmaufsicht sei in der Vergangenheit zum „Spielfeld von Medienpolitikern aus den Ländern“ geworden, die „ihre medienpolitischen Konzepte in Fernseh- und Verwaltungsrat zu verwirklichen suchen“. (Rn. 119)

Der Entwurf des Siebzehnten Staatsvertrags zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge will diese Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts umsetzen. Er schlägt konkret folgende Änderungen in der Zusammensetzung des Fernsehrates vor:

  • die Zahl seiner Mitglieder wird von 77 auf 60 reduziert
  • die Bundesregierung entsendet nur noch zwei, statt wie bisher drei Mitglieder in das Gremium
  • das Gleiche gilt für Landkreise, Städte und Gemeinden, die gemeinsam nur noch zwei Sitze haben
  • die bisherigen 12 Vertreter der Parteien entfallen
  • der Arbeitgeberverband, der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger und die Journalistenverbände entsenden künftig nur noch einen statt zwei Vertreter
  • bei den sonstigen Vertretern entfallen einige Themenbereiche (etwa: Erziehungs- und Bildungswesen, Jugend- und Familienarbeit, Kinderschutz, Freie Berufe und Tierschutz), dafür werden andere Bereiche benannt (Jugend, Musik, Senioren/Familie und Frauen, Bürgerschaftliches Engagement, Ehrenamtlicher Zivil- und Katastrophenschutz, Digitales, Internet, Menschen mit Behinderungen, Migranten, Muslime, Heimat und Brauchtum, Regional- und Minderheitensprachen)
  • während die Verbandsvertreter bisher von den Organisationen vorgeschlagen und von den Ministerpräsidenten ernannt wurden, werden sie künftig direkt von den Verbänden und Organisationen in die Gremien entsandt.

Beim Verwaltungsrat fallen die Änderungen noch geringfügiger aus: er setzt sich künftig aus 12 anstatt wie bisher aus 14 Mitgliedern zusammen, davon 4 Vertretern der Länder sowie 8 weiteren Mitgliedern, die vom Fernsehrat gewählt werden. Die bisherige Regelung, wonach diese 8 Mitglieder weder einer Regierung noch einer gesetzgebenden Körperschaft angehören dürfen (§ 24 (1) b) wurde ersatzlos (!) gestrichen. Nach der Reform könnte der Anteil von Regierungsvertretern im Verwaltungsrat also sogar steigen!

Die Rheinland-Pfälzische Staatskanzlei führte zu dem Entwurf des Staatsvertrags ein Konsultationsverfahren durch, an dem sich auch die Humanistische Union (HU) beteiligte. In ihrer Stellungnahme vom 27.2.2015 kritisiert sie den Entwurf als völlig unzureichend, weil er die gebotene Staatsferne in der Kontrolle des öffentlich-rechtlichen Senders keineswegs umsetze: „Zwar wird die Anzahl der staatlichen VertreterInnen im Fernsehrat reduziert, aber die Präsenz der beiden größten Parteien bleibt gesichert. Nach Auffassung der HU sorgt die im neuen Staatsvertrag getroffene Lösung für die Gremienbesetzung nicht für weniger ‚Staatsnähe’ und auch nicht für mehr politische Vielfalt.“ (S. 4) Die Bürgerrechtsorganisation fordert deshalb (in Anlehnung an das abweichende Votum des Verfassungsrichters Paulus), keine Vertreter der Exekutive in den Gremien des ZDF zuzulassen. Alternativ sollte der ZDF-Fernsehrat nach dem Vorbild der Rundfunkräte von WDR und NDR gestaltet werden, in denen Vertreter_innen des Parlaments, nicht aber der Landesregierung sitzen. Schließlich spiegle auch die Zusammensetzung der sonstigen Interessengruppen nicht die gesellschaftliche Pluralität wieder, wenn etwa die Vereinigung der Opfer des Stalinismus  einen festen Sitz im Fernsehrat behalte, der Lesben- und Schwulenverband (LSVD) jedoch nicht. Zudem seien die Kirchen und Religionsgemeinschaften überproportional vertreten, während atheistische Gruppierungen nach wie vor fehlten. Der starre Schlüssel bei der Besetzung der Interessenvertreter_innen im Fernsehrat lasse zudem jene Flexibilität und Beteiligung kleiner Gruppen vermissen, die das Bundesverfassungsgericht zur Gewährleistung der Vielfalt gefordert hatte. Die HU schließt sich in ihrer Stellungnahme deshalb dem Vorschlag der Bundestagsabgeordneten Tabea Rößner (Bündnis 90/Die Grünen) an, die eine unabhängige Kommission fordert, welche geeignete Kriterien für die Besetzung der Interessensgruppen-Sitze entwickeln soll.

Zum Entwurf des ZDF-Staatsvertrags gingen bei der bis Ende Februar befristeten Konsultation laut der zuständigen Mainzer Staatskanzlei insgesamt 29 zum Teil sehr kritische Stellungnahmen von Parteien, Verbänden und Medieneinrichtungen ein.(3) Dennoch einigten sich die Ministerpräsidenten der Länder bereits vier Wochen später, am 26. März 2015, in einer Telefonkonferenz auf die endgültige Fassung des ZDF-Staatsvertrags,(4) die bei nur minimalen Änderungen jetzt den Landesparlamenten zur Ratifizierung vorliegt.

Werner Koep-Kerstin, Stellungnahme der Humanistischen Union zum Entwurf des überarbeiteten ZDF-Staatsvertrages vom 27.2.2015, abrufbar unter https://www.humanistische-union.de/ fileadmin/hu_upload/doku/2015/HU2015-02-28_ZDF-Staatsvertrag.pdf.

Anmerkungen:

(1) Siebzehnter Staatsvertrag zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge – Sieb­zehnter Rundfunkänderungsstaats­vertrag (Stand: 28.01.2015), Kopie abrufbar unter https://www.humanistische-union.de/filead min/hu_upload/doku/2015/17-RAEStV_ Stand2015-01-28.pdf.

(2) BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 25.3.2014 – 1 BvF 1/11 u. 1 BvF 4/11 – http://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2014/03/fs20140325_1bvf000111.html.

(3)   S. http://www.rlp.de/ministerpraesidentin/ staatskanzlei/medien/stellungnahmen/.

(4)   S. Pressemitteilung der Ministerpräsidenten­konferenz v. 26.3.2015, unter http://mpk-brand enburg.de/pressemeldung-mpk-26-03-2015/; endgültige Fassung des 17. Rundfunkänderungsstaatsvertrag (vom 27.3.20915) abrufbar unter http://www.rlp.de/ministerpraesidentin/staatskanzlei/medien.

Dateien

nach oben