Themen / Innere Sicherheit

Die verkehrte politische Botschaft

06. Mai 2015

Gesetzentwurf zur „Verbesserung“ des Verfassungsschutzes und der Ausweitung geheimdienstlicher Überwachungsbefugnisse lässt jegliche Konsequenzen aus der NSA-Überwachungsaffäre vermissen

Heute berät der Innenausschuss des Deutschen Bundestags über einen Gesetzentwurf zur Reform des Verfassungsschutzes, mit dem auch die Befugnisse zur geheimdienstlichen Kommunikationsüberwachung durch den Bundesnachrichtendienst (BND) erweitert werden sollen (BT-Drs. 18/4654). Angesichts der in den letzten Wochen bekannt gewordenen Spionagevorwürfe gegen den BND fordert die Humanistische Union die Abgeordneten auf, den Gesetzentwurf zurückzuweisen oder mindestens zurückzustellen, bis die aktuellen Vorwürfe aufgeklärt und die bestehenden Kontrolldefizite der Geheimdienste behoben sind.

In einem Schreiben an die Mitglieder des Innen- und Rechtsausschusses weist die Bürgerrechtsorganisation darauf hin, dass der seit über einem Jahr tagende NSA-Untersuchungsausschuss zahlreiche Rechtslücken und offene Rechtsbrüche der Geheimdienste bei der Kommunikationsüberwachung zutage befördert habe. Dazu erklärt der Geschäftsführer der HU, Sven Lüders: „Die Kontrolle der deutschen Geheimdienste – sei es durch das Parlament, die Gerichte oder die Datenschutzaufsichtsbehörden – weist zahlreiche Lücken und Defizite auf. Es wäre deshalb die vorrangige Aufgabe des Gesetzgebers, die bisherigen Versäumnisse zu korrigieren, für mehr Rechtssicherheit zu sorgen und den staatlichen Schutzauftrag für sichere Kommunikationsbedingungen in Deutschland ernst zu nehmen. In dieser Situation ein Gesetz zu verabschieden, das keine dieser Probleme aufgreift und stattdessen diesen Behörden neue Überwachungsbefugnisse einräumt, finden wir schlicht verantwortungslos und nicht hinnehmbar.

In einer schriftlichen Stellungnahme zum Gesetzentwurf, die von Rechtsanwalt Dr. Müller-Heidelberg erarbeitet wurde, kritisiert die Bürgerrechtsorganisation zudem die vorgeschlagenen Regelungen zum Einsatz sogenannter V-Leute und Verdeckter Ermittler durch den Verfassungsschutz. Entgegen den öffentlichen Beteuerungen des Innenministers schaffe der Entwurf keine engeren rechtlichen Grenzen für die Zusammenarbeit mit solchen Personen als bisher, im Gegenteil: Im Vergleich zur bisherigen Rechtslage würden die vorgeschlagenen §§ 9a und 9b des Gesetzesentwurfs vielmehr kriminelle Machenschaften der V-Leute und verdeckten Ermittler legalisieren und sie in weiten Teilen davor schützen, dass sie wegen der von ihnen begangenen Straftaten belangt werden können. Auch die Vorgaben zur Finanzierung von V-Leuten (und damit die staatliche Finanzierung mutmaßlich krimineller Organisationen) sowie zum Ausschluss der Zusammenarbeit mit Kriminellen erweisen sich bei genauerem Hinsehen als Placebos. „Dies ist für einen Rechtsstaat schlicht unerträglich„, so die Stellungnahme der Humanistischen Union.

Für Rückfragen steht Ihnen der Geschäftsführer der Humanistischen Union, Sven Lüders, unter Tel. 030 / 204 502 56 sowie info@humanistische-union.de zur Verfügung.

Umfassende Informationen zu den bisherigen rechtspolitischen Defiziten, die im Zuge der NSA-Überwachungsaffäre bekannt wurden, bietet die Ausgabe 206/207 der Zeitschrift vorgänge zum Thema „Geheimdienstliche Kommunikationsüberwachung außer Kontrolle“.

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