Themen / Innere Sicherheit

Mindest­an­for­de­rungen an eine rechts­s­taat­liche Reform der Geheim­dienst­ge­setze

19. April 2015

aus: vorgänge Nr. 208 (Heft 4/2014), S. 200-201

(SL) Mit einer gemeinsamen Erklärung haben mehrere Bürger- und Menschenrechtsorganisationen (darunter auch die Humanistische Union), die Stiftung Neue Verantwortung sowie ein Berliner Rechtsanwalt eine umfassende Aufklärung der Überwachungsvorwürfe gegen BND und NSA gefordert. Ein Jahr nach dem Einsetzen des NSA-Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestags zeige sich immer mehr, dass die Bundesregierung die parlamentarischen Bemühungen um eine Aufklärung der Überwachungsvorgänge blockiere, indem sie beispielsweise das Untersuchungsrecht des Bundestags niedriger bewerte als die Geheimhaltungsinteressen ausländischer Geheimdienste wie dem GCHQ. Die bisherige Arbeit des Untersuchungsausschusses habe hingegen gezeigt, dass die
Kontrolle der Geheimdienste völlig unzureichend sei und die gesetzlichen Grundlagen für die Geheimdienste zahlreiche Lücken aufwiesen. Die Initiatoren der Erklärung fordern deshalb eine Reform der Geheimdienstgesetzgebung ein, bei der folgende Mindestanforderungen zu berücksichtigen seien:

• „Es darf keine Überwachungsmaßnahmen ohne gesetzliche Grundlage geben, weder im Inland noch im Ausland. Die Gesetze müssen verhältnismäßig und angemessen ausgestaltet sein und die Voraussetzungen, die Anordnung und das Verfahren sowie die Rechtsschutzmöglichkeiten klar benennen. Die Ungleichbehandlung von In- und Ausländern in den einzelnen Überwachungsvorschriften ist zu beenden. Die Bundesregierung hat sicherzustellen, dass die deutschen Dienste die gesetzlichen, grund- und menschenrechtlichen Verpflichtungen wie die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte oder die von Deutschland mit-initiierte UN Resolution zum „Right to Privacy in the Digital Age“ auch bei Einsätzen im Ausland einhalten.

• Sämtliche Übermittlungen von Kommunikationsdaten an ausländische Stellen sind der G10-Kommission anzuzeigen und in deren jährliche Berichte aufzunehmen, unabhängig davon, ob es sich um Inhalts- oder Metadaten handelt. Eine Übermittlung personenbezogener Daten an ausländische Stellen oder die Entgegennahme solcher Daten von ausländischen Stellen ohne gesetzliche Regelung ist auszuschließen.

• Der Bundestag muss das Parlamentarische Kontrollgremium finanziell und personell so ausstatten, dass es die Kontrolle der Nachrichtendienste auch tatsächlich gewährleisten kann. Dem PKGr ist gesetzlich ein direkter Zugriff auf alle Vorgänge in und Zeugen aus den Diensten einzuräumen. Alle Mitarbeiter der Dienste müssen dem Gremium stets für eine vollständige Auskunft über ihre Tätigkeit zur Verfügung stehen.

• Die faktische Aussetzung des individuellen gerichtlichen Rechtsschutzes gegen geheimdienstliche Überwachungsmaßnahmen (§ 13 G10) ist aufzuheben, damit (potenziell) Betroffene unabhängige Gerichte auch dann anrufen können, sofern (noch) keine Benachrichtigung über die Maßnahmen erfolgte.

• Wir schlagen die Einrichtung eines Geheimdienstbeauftragten des Bundestages vor, der das PKGr in seiner Arbeit unterstützt.
* Das Sekretariat der G10-Kommission ist personell und fachlich so auszustatten, dass es beantragte Maßnahmen technisch und juristisch in ihrer gesamten Tragweite beurteilen kann. Das Genehmigungsverfahren vor der G10-Kommission ist so auszugestalten, dass ein Ombudsmann die Rechte der Betroffenen vertritt.

• Aufgrund der fehlenden öffentlichen Kontrolle ist es im Bereich der Nachrichtendienste besonders wichtig, einen funktionierenden Mechanismus für Whistleblower einzurichten. Insbesondere ist die Möglichkeit einzuräumen, dass sich Mitarbeiter der Geheimdienste ohne Einhaltung des Dienstweges jederzeit uneingeschränkt an die parlamentarischen Kontrollgremien sowie die Datenschutzaufsicht wenden dürfen.

• Das Informationsfreiheitsgesetz muss auch für die Nachrichtendienste gelten, damit abgelehnte Auskunftsbegehren von Gerichten überprüft werden können.

• Das Bundesdatenschutzgesetz muss auch im Bereich der Nachrichtendienste für alle Datensammlungen uneingeschränkt angewendet werden. Der Bundesdatenschutzbeauftragten (BfDI) ist – wie das Gesetz es vorsieht – uneingeschränkter Zugang zu gewähren. Datensammlungen dürfen nicht ohne Genehmigung der BfDI betrieben werden.“

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