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Verhand­lungen um Dublin III: Entwick­lungs­­­li­nien und Wider­sprüche der europä­i­schen Asylpolitik (vollständig)

aus: vorgänge Nr. 208 (Heft 4/2014), S. 25-49

(Red.) Die Dublin-Verordnung regelt die Bestimmung des zuständigen Staates für die Prüfung eines in einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft sowie weiteren europäischen Staaten gestellten Asylantrages. Es gehört zu den Grundlagen der Europäischen Union, denn die Öffnung der Grenzen zur Erleichterung des „freien Verkehrs von Waren, Kapital, Personen und Dienstleistungen“ ging von vornherein mit Maßnahmen einher, die unerwünschte Migrationsbewegungen verhindern sollten. Das Dublin-System ist höchst umstritten, weil es für einen Großteil der innereuropäischem Abschiebungen – in zum Teil äußerst fragwürdige menschenrechtliche Zustände – verantwortlich ist. In diesem Artikel soll der Prozess der Verhandlungen um die Dublin III-Verordnung geschildert werden. Er beginnt mit einer kurzen Schilderung der Geschichte der Verordnung und einer Darstellung der vorangegangenen Dublin II-Verordnung.*

*Für eine detailliertere und ausführlichere Darstellung der Forschungsergebnisse zur Verhandlung um Dublin III siehe Lorenz 2013.

Geschichte der Dublin Verordnung

Das sogenannte Schengener Abkommen war Ausdruck des gemeinsamen Interesses der damals beteiligten Akteure: den „freien Verkehr von Waren, Kapital, Personen und Dienstleistungen“(1) zu gewährleisten und die unterschiedlichen nationalen Regelsysteme einander anzugleichen. Das von Deutschland, Frankreich, Belgien, den Niederlanden und Luxemburg verhandelte Schengener Durchführungsübereinkommen (SDÜ) wurde 1990 vereinbart und trat im Dezember 1994 in Kraft. Innerhalb der EU sollte durch das SDÜ ein Raum entstehen, in dem Menschen ohne routinemäßige Grenzkontrollen von einem Mitgliedstaat in den anderen reisen können. Die Lockerung der Grenzkontrollen innerhalb des Schengenraums würde aber, so befürchteten die Unterzeichnerstaaten, zu Sicherheitsmängeln und zu aus ihrer Perspektive unerwünschten Migrationsbewegungen führen. Deshalb wurden im Schengener Abkommen Maßnahmen vereinbart, die diese ungewollten Nebeneffekte ausgleichen oder eindämmen sollten. Diese Maßnahmen umfassten neben vereinheitlichten und verstärkten Kontrollen an den EU-Außengrenzen auch die Vereinheitlichung der Visa- und der Einreisepolitik der Schengenstaaten. Außerdem wurde versucht, sich auf einen gemeinsamen Mechanismus der Zuständigkeitsverteilung für im Schengenraum gestellte Asylanträge zu einigen.(2)Die entsprechenden Artikel 28-38 aus dem SDÜ wurden weitgehend in ein anderes Übereinkommen übernommen, das dem gleichen Zweck dienen sollte – in das Dubliner Übereinkommen.

Das DÜ wurde am 15. Juni 1990, also vier Tage vor dem SDÜ vom 19. Juni 1990, von den damals zwölf EG-Mitgliedstaaten unterschrieben. Das DÜ oder genauer gesagt, das „Übereinkommen über die Bestimmung des zuständigen Staates für die Prüfung eines in einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft gestellten Asylantrags“, war ein internationaler Vertrag, der von jedem beteiligten Staat unterzeichnet und in nationale Gesetze und Verfahren umgesetzt werden musste. Dieser Vorgang der Ratifizierung des Übereinkommens in den einzelnen Staaten dauerte so lange, dass das 1990 verabschiedete Übereinkommen erst am 1. September 1997 in Kraft trat (Kloth 2000: 7).

Für das DÜ wurden drei grundlegende Ziele genannt.(3)

(1) Es sollte garantieren, dass jeder Asylantrag, der innerhalb des Anwendungsbereichs des Übereinkommens gestellt wird, von einem Staat bearbeitet wird. Staaten sollten sich nicht mehr gegenseitig die Verantwortung für die Bearbeitung der Asylanträge zuschieben können und die betroffenen Asylsuchenden endlos von einem Staat in den nächsten abschieben. Dieses Ziel wurde „no refugees in orbit“ genannt und in der Präambel des Übereinkommens erwähnt.

(2) Asylsuchende sollten davon abgehalten werden, gleichzeitig oder aufeinander folgend mehrere Asylanträge in verschiedenen Ländern zu stellen. Auf diese Weise sollte verhindert werden, dass Asylsuchende selbstbestimmt ihre Chance auf eine Flüchtlingsanerkennung erhöhen oder durch die aufeinander folgenden Aufenthaltsgestattungen während der laufenden Asylverfahren ihren legalen Aufenthalt im Schengenraum verlängern. Für diesen Vorgang der Mehrfachantragsstellung hat sich die befremdliche und abwertende Bezeichnung des „asylum shopping“ eingebürgert.

(3) Selbstbestimmte Migrationsbewegungen von Asylsuchenden innerhalb des Schengenraums – sogenannte sekundäre Migrationsbewegungen – sollten verhindert werden. Es sollte ihnen also verwehrt werden, sich in den Mitgliedstaat ihrer Wahl zu begeben, um dort einen Asylantrag zu stellen.
Zentral für das DÜ war das sogenannte „Verantwortungsprinzip“. Ein Asylantrag soll von dem Staat bearbeitet werden, der durch z. B. ein Visum die Einreise des Asylsuchenden ermöglicht oder sie z. B. durch Lücken in der Grenzkontrolle nicht verhindert hat. Nach zwei Jahren Anwendung stellte die Kommission fest, dass das DÜ nicht funktionierte wie erhofft:

On the basis of over two year’s experience of implementing the Convention, there seems to be widespread agreement that it is not functioning as well as had been hoped. (SEC(2000)522)

Es gab vor allem zwei große Probleme:

(1) Der Intention nach sollte der zentrale Artikel des DÜ Artikel 6 sein, in dem die Verantwortung für die Durchführung des Asylverfahrens dem Staat zugeschoben wird, dessen Grenze von der asylsuchenden Person als erste unerlaubt überschritten wurde. Eine gelungene unerlaubte Einreise lässt sich aber nicht ohne Weiteres nachweisen, wenn die klandestin reisende Person sich darum bemüht, entsprechende Nachweise zu vernichten. Das Übereinkommen sah vor, dass Mitgliedstaaten neben Beweisen auch überzeugende Indizien für ihre Zuständigkeit akzeptieren sollten. Ein Beweis für ein unerlaubtes Überschreiten einer Grenze wäre beispielsweise ein Einreisestempel in einem gefälschten Pass. Dagegen wären Zugtickets, Hotelrechnungen oder die Aussage der asylsuchenden Person nur Indizien. Die an dem DÜ beteiligten Staaten mit Außengrenzen hatten kein Interesse, die Verantwortung für Asylverfahren zu übernehmen. Deshalb akzeptierten sie in vielen Fällen nur Beweise und keine Indizien. Da es bei unerlaubten Grenzübertritten solche Beweise aber in der Regel nicht gab, konnte Artikel 6, als zentraler Artikel des DÜ, nicht wie geplant angewendet werden.(4)

(2) Das zweite große Problem bestand in der vergleichsweise geringen Zahl von Überstellungen, also Abschiebungen, zwischen den Mitgliedstaaten(5). Die Zahlen sind ungenau und fehlerhaft, aber Größenordnungen lassen sich erkennen. So schwanken die Angaben für die Überstellungen auf Grundlage des DÜ im Jahr 1998 zwischen 3000 und 4500. Im Vergleich zu der Gesamtzahl der Asylsuchenden in den Unterzeichnerstaaten des DÜ wurden nur 2 Prozent der Asylsuchenden in diesem Jahr von einem Staat in einen anderen geschoben (SEC(2000)522). Dies war ein viel kleinerer Anteil, als bei der Konzeption intendiert.
Durch das Inkrafttreten des Vertrags von Amsterdam musste das DÜ von einem internationalen Vertrag zu europäischem Gemeinschaftsrecht umgewandelt werden. Vor allem ein Vorschlag galt als Alternative zu dem bisher zentralen „Verantwortungsprinzip“: Es sollte jener Staat zuständig sein, in dem Asylsuchende ihren ersten Asylantrag stellen. Dadurch hätten sich Asylsuchende den Ort der Bearbeitung ihres Asylantrags aussuchen können, und es hätte ein klares und einfaches Verfahren der Zuständigkeitsverteilung gegeben. Dieser Vorschlag stieß auf großen politischen Widerstand.
Im Juni 2001 legte die Kommission einen Vorschlag für ein überarbeitetes Dublin-System vor, welcher die Grundsätze des DÜ weitestgehend übernimmt (KOM(2001)447 endg.: 6). Bei einem Treffen der verschiedenen an der Asylum Working Party beteiligten Delegationen der Mitgliedstaaten am 1. und 2. Oktober 2001 kündigten sowohl Italien als auch Griechenland an, dem zentralen Artikel 10, der die Zuständigkeit von dem Ort der unerlaubten Ersteinreise in die EU abhängig macht, nicht zustimmen zu wollen (12501/01: 13). Die italienische Delegation begründete ihre Einwände mit den Worten: „Die Pflicht der Mitgliedstaaten, ihre Außengrenzen zu überwachen, darf nicht mit der Bestimmung des für die Prüfung eines Asylantrags zuständigen Staates verwechselt werden“ (12501/01: 13). Verschiedene NGOs wie Amnesty International und der Europäische Flüchtlingsrat (ECRE) unterstützen Italien und Griechenland in ihrer Kritik und forderten die Einführung der Zuständigkeitsverteilung nach dem Ort des ersten Asylantrags; auch der UNHCR machte sich hierfür stark. Anfang 2002 übernahm Spanien nach Belgien die Ratspräsidentschaft für ein halbes Jahr. In dieser Rolle schlug Spanien einen als Kompromissvorschlag betitelten Entwurf vor, der für nicht visumspflichtige Asylsuchende die Zuständigkeit von dem Ort der ersten Asylantragsstellung abhängig machte. Griechenland und Italien sprachen sich dafür aus, Deutschland, die Niederlande, Schweden sowie Großbritannien dagegen. Bis zum letzten Treffen des Rats 2002 auf Ministerebene war bei den Dublin-Verhandlungen keine Einigung in Sicht(6). Auf jenem Treffen entschloss sich die dänische Ratspräsidentschaft zu einem Abstimmungsverfahren, welches das Blatt – fast buchstäblich – in letzter Minute noch wenden sollte. Die Abstimmung sollte nicht auf einem Treffen, sondern über ein sogenanntes „Verfahren der stillschweigenden Zustimmung“ erfolgen. Dieses war eine Variante des schriftlichen Abstimmungsverfahrens. Allen Delegationen wurde ein Fax mit dem Entwurf geschickt und der Aufforderung, innerhalb von einer Woche einen Einspruch zu äußern, ansonsten würde die Nicht-Antwort als Zustimmung gewertet. Wie von den Befürworter_innen des Entwurfs erhofft, gab es nie eine Antwort auf das Fax. Damit war die Übernahme der zentralen Grundgedanken des DÜ in die Dublin II Verordnung politisch beschlossen. Dublin II wurde am 18.02.2003 vom Rat für Wirtschaft und Finanzen (ECOFIN) formal angenommen und trat im März 2003 in Kraft.
Im gleichen Zeitraum trat im Januar 2003 die Fingerabdruckdatenbank Eurodac in Kraft, welche schon im Dezember 2000 verabschiedet wurde (Eurodac-Verordnung (EG) Nr. 2027/2000, inzwischen abgelöst durch Verordnung (EU) Nr. 603/2013). Diese wurde geschaffen, um belastbares Datenmaterial für die Dublin-Verfahren zu liefern. In die Datenbank sollen Mitgliedstaaten die Fingerabdrücke von jedem Menschen einspeichern, der beim unerlaubten Übertritt der EU-Außengrenze entdeckt wird. Durch sie gelang es in vielen Fällen kaum anfechtbare Beweise für den Ort des unerlaubten Grenzübertrittes zu schaffen. Dadurch stieg die Effizienz der Dublin II-Verordnung im Vergleich zum DÜ ohne Eurodac erheblich.

Wider­sprüche in Dublin II

Im Text des Übereinkommens finden sich vor allem zwei Widersprüche: der zwischen Schutz und Kontrolle von Asylsuchenden sowie der zwischen Solidarität und Disziplinierung von Mitgliedstaaten. Ein Widerspruch, der sich nicht im Text findet, aber die Anwendung der Verordnung stark prägt, ist der zwischen selbstbestimmten Migranten_innen und souveränen Staaten.

Schutz und Kontrolle

Der Präambel zufolge soll Dublin II ein Instrument zum Schutz von Asylsuchenden sein. Tatsächlich ist die Verordnung aber so angelegt, dass sie vor allem ein Instrument zur Kontrolle und Abwehr selbstbestimmter Migrationsbewegungen ist. Schutz und Kontrolle sind in manchen Fällen vereinbar, in anderen jedoch nicht. Effektiver Schutz würde an verschiedenen Stellen die Anwendung von Gewalt verbieten, die zur Kontrolle und Abwehr selbstbestimmter Migration eingesetzt wird. Dieser Widerspruch prägt z. B. die Auseinandersetzungen um anerkannte Haftgründe während des Verfahrens, die aufschiebende Wirkung von Rechtsmitteln gegen Abschiebungen sowie die Zuständigkeitskriterien für minderjährige, unbegleitete Flüchtlinge.

In der Verordnung haben sich beide Aspekte niedergeschlagen. Stärker war jedoch die Position, die eine Kontrolle der Immigration von Asylsuchenden fordert. An verschiedenen Stellen der Verordnung geht es implizit um die Vermeidung von sogenannten Pull-Faktoren, also Anreizen zur Migration nach Europa. Aber nicht nur die Anreize zur Migration sollten durch Dublin gesenkt werden. Auch die Möglichkeiten, die Asylsysteme als Weg zu einem Aufenthalt in Europa zu nutzen, sollten eingeschränkt werden.

In der Auseinandersetzung um Dublin II konnten sich die konservativen Akteure mit ihrer Strategie der Kontrolle und Abwehr von Migration durchsetzen. Dass der Aspekt des Flüchtlingsschutzes trotzdem im Diskurs um Dublin II so stark auftaucht, hat widersprüchliche Effekte. Auf der einen Seite spielt der Schutzdiskurs eine große Rolle zur Rechtfertigung der Verordnung. Das Instrument zur Durchsetzung des partikularen und gewaltvollen Interesses einiger Staaten an Migrationskontrolle und -abwehr wird als wohltätig und an Menschenrechten orientiert verkleidet. Auf der anderen Seite hat der Schutzdiskurs in Verhandlungen und Gerichtsverfahren dafür gesorgt, dass der Inhalt und die Anwendung der Verordnung tatsächlich manchmal zum Schutz von Asylsuchenden ausgelegt wurden.

Solidarität und Disziplinierung

Der zweite große in der Verordnung angelegte Widerspruch ist der zwischen Solidarität der Mitgliedstaaten untereinander und einer Disziplinierung der Transitstaaten, ihre Grenzen geschlossen zu halten. Auf der einen Seite steht der Anspruch an eine solidarische Aufteilung der Verantwortung und „Last“ für europäische Aufgaben wie den Schutz der Außengrenzen und das gemeinsame europäische Asylsystem. Auf der anderen Seite steht die Position, dass in einem Raum ohne Binnengrenzen jeder Staat für die Menschen verantwortlich ist, deren Einreise er ermöglicht bzw. nicht verhindert. Die mit diesen widersprüchlichen Erwartungen verbundenen Ziele wurden von der Kommission in ihrer Evaluation des Dubliner Übereinkommens formuliert. Einige Akteure erwarteten von dem DÜ eine gerechte, solidarische Verteilung der Asylantragsteller_innen

[One possible objective for Dublin I is] to ensure an equitable distribution of asylum applicants between the Member States, in proportion to each Member State’s capacity to receive asylum applicants; […] (SEC(2000)522)

Andere Akteure wiederum forderten, dass die Verordnung die Verantwortung für die Asylverfahren entsprechend der Effektivität des Grenzschutzes verteilen soll:
[One possible objective for Dublin I is] to create a direct link between the allocation of responsibility for asylum applicants and the success or failure with which a Member State discharges its responsibilities (in an area without internal frontiers) to carry out effective pre-entry and entry controls on persons seeking to enter the territory of the Member States; […] (SEC(2000)522)
Diese beiden Forderungen widersprechen sich unmittelbar. Entweder wird die Verantwortung für die Asylverfahren nach Kriterien wie etwa der Aufnahmekapazität verteilt und erhebt damit den Anspruch, gerecht und solidarisch zu sein oder aber die Verteilung wird an den Grenzschutz gekoppelt. Beides zusammen geht nicht. In den Verhandlungen um Dublin I und II setzten sich die Akteure durch, die die Zuständigkeit an den Grenzschutz koppeln wollten. Trotzdem taucht die Forderung nach Solidarität im Asylbereich bei der Verhandlung um Dublin III und in den Diskursen um Dublin II immer wieder auf und spielt weiterhin eine große Rolle.

Die Akteure hinter diesem Widerspruch sind einerseits hauptsächlich die Regierungen der europäischen Transitstaaten, die kein Interesse haben an der teuren Einrichtung restriktiver Grenzschutzmaßnahmen und andererseits die Regierungen der Zielstaaten für Binnenmigration von Asylsuchenden. Letztere befürchten, dass viele der Migrant_innen, die es in den Schengenraum schaffen, auf ihr Territorium einreisen werden.

Selbstbestimmte Migration und souveräne Staaten

Der letzte große Widerspruch in Dublin II ist weder in den Zielen noch im Text wiederzufinden, weil er während der Verhandlungen gänzlich zu einer Seite hin aufgelöst wurde. Dafür spielt er in der Anwendung der Verordnung, den Dublin-Verfahren und Überstellungen eine umso größere Rolle. Es handelt sich um den Widerspruch zwischen dem Interesse der Asylsuchenden, ihren Aufenthaltsort und den Ort ihrer Asylantragstellung selbst zu wählen und dem Bestreben der europäischen Staaten, die Ein- und Ausreise sowie die Aufenthaltsbedingungen auf ihrem Territorium souverän zu verwalten. Noch vor dreißig Jahren konnten Asylsuchende ohne Visum in die heutigen Mitgliedstaaten der EU einreisen und einen Asylantrag stellen bzw. das Zielland zumindest auf legalem Weg erreichen (Cuttitta 2010: 33). Durch die Einführung eines restriktiven Visaregimes und von Sanktionen gegen Transportunternehmen, die Migrant_innen ohne die für eine Einreise notwendigen Dokumente über die Grenze transportierten, veränderte sich die Situation. Heute müssen Asylsuchende ohne für die Einreise gültige Papiere erst auf nicht legalen Wegen in die EU einreisen, bevor sie dort Asyl beantragen können. Gelingt ihnen das, werden sie durch die Dublin-Verordnung innerhalb der EU verteilt und verschickt, ohne dass ihnen dabei ein Mitspracherecht oder gar eine selbstbestimmte Entscheidung zugestanden wird.

In der Verordnung taucht dieser Widerspruch nicht auf, da das Interesse der Asylsuchenden an einer eigenen Wahl des Aufenthaltsorts und des Ortes der Asylantragstellung nicht vertreten wurde. An den Verhandlungen selbst waren weder Asylsuchende noch eine Repräsentation beteiligt. In ihrem Umgang mit dem Dublin-System verfolgen die meisten Asylsuchenden eher Escape-Strategien als gegenhegemoniale Strategien(7). Deshalb manifestiert sich der Widerspruch nicht im Gesetzestext, sondern nur in seiner Anwendung. Die Staaten müssen zur Durchsetzung der Dublin-Verfahren und der Abschiebungen aufwendige Repressionsapparate aufbauen, um den Asylsuchenden das System aufzuzwingen. Zahllose Asylsuchende verwenden Kraft und Geschick darauf, auf die eine oder andere Weise doch ihren Aufenthaltsort oder den Ort der Antragsstellung selbst zu bestimmen. So gelang es etwa jeder zweiten Person, die nach einem Dublin-Verfahren in einen anderen Mitgliedstaat abgeschoben werden sollte, ihrer Abschiebung zu entgehen. Dieser Widerstand der Asylsuchenden gegen die Verordnung stellt das Dublin-System vor ernsthafte Probleme, wie auch die Kommission in ihrer Evaluation von Dublin II bemerkte: Die Frage der Überstellung von Asylbewerber_innen könnte somit als eines der Hauptprobleme für eine wirksame Anwendung des Dublin-Systems angesehen werden. (KOM(2007)299 endg.: 4)

Aber nicht nur gegen die Abschiebungen gibt es Widerstand. Viele Menschen richteten sich in ihrer Reiseplanung auf das Dublin-System ein und vernichteten Beweise, die über die Reiseroute Auskunft geben. Nach einer Abschiebung bleiben Asylsuchende oft nicht in dem ihnen zugewiesenen Land, sondern versuchen wieder und wieder in den Staat ihrer Wahl zu reisen. Es ist gängige Praxis unter Migrant_innen, die eigenen Fingerabdrücke unkenntlich zu machen, und es migrieren zunehmend unbegleitete Minderjährige, für die unter Dublin II andere, weniger restriktive Regeln gelten. Darüber hinaus gibt es eine Fülle von Gerichtsverfahren gegen die Anwendung der Verordnung. Deshalb schaffen es nach wie vor Asylsuchende, trotz Dublin II, ihren Asylantrag in dem Land ihrer Wahl bearbeiten zu lassen. Die Reaktion der Staaten auf die Beharrlichkeit der Asylsuchenden ist der Aufbau eines umfassenden Repressionsapparats – Screening Center, routinemäßige Inhaftierungen von Asylsuchenden im Dublin Verfahren, Verstärkung von Grenzkontrollen, biometrische Verfahren zur Identitätsfeststellung sowie Eurodac. Das sind die Maßnahmen in den gemäßigteren Staaten. Die Gewalt, mit der Asylsuchende gegenwärtig in Malta oder Griechenland konfrontiert sind, kommt als Bedrohung noch hinzu. Mit der Einrichtung des Dublin-Systems haben die europäischen Mitgliedstaaten sich für ein System entschieden, das stets gegen den Willen widerständiger Asylsuchender durchgesetzt werden muss. Damit haben sie sich auch für den Aufbau eines Gewaltapparats entschieden, der sie hierzu befähigt.

Der Inhalt von Dublin II

Das Ziel von Dublin II ist in der Verordnung 343/2003 selbst folgendermaßen definiert: Diese Verordnung legt die Kriterien und Verfahren fest, die bei der Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist, zur Anwendung gelangen. (Dublin II: Artikel 1)
Um die Ziele von Dublin II umzusetzen, sind der eigentlichen Dublin II-Verordnung (Dublin II) noch andere Dokumente an die Seite gestellt worden. So gibt es neben einer Durchführungsverordnung (Verordnung (EG) Nr. 1560/2003) noch die Eurodac Verordnung (Eurodac Verordnung) und die entsprechende Durchführungsverordnung für Eurodac (Verordnung (EG) Nr. 407/2002). Zusammen werden diese Verordnungen als „Dublin-System“ bezeichnet.
Um den zuständigen Staat für die Bearbeitung eines in der EU gestellten Asylantrags zu bestimmen, definiert Dublin II eine Reihe von Zuständigkeitskriterien, die in hierarchischer Folge geprüft werden sollen. Die Kriterien werden entsprechend der Rangfolge, in der sie in der Verordnung stehen, geprüft. Das erste Kriterium, das erfüllt wird, entscheidet über die Zuständigkeit. Da es sich bei den Kriterien um das Kernstück der Verordnung handelt, werde ich sie im Folgenden zusammenfassend darstellen.
Das erste Kriterium betrifft unbegleitete minderjährige Asylsuchende. Für die Bearbeitung ihres Antrags ist der Mitgliedstaat zuständig, in dem sich ihr Vater, ihre Mutter bzw. ihr Vormund rechtmäßig aufhält. Gibt es keinen solchen, dann ist der Mitgliedstaat zuständig, in dem der Asylantrag gestellt wurde (Dublin II: Artikel 6). Das zweite und dritte Kriterium soll die Einheit der Kernfamilie sichern: Bei Asylsuchenden, die mit einer Person verheiratet sind, in einer Partner_innenschaft leben oder die minderjährige, ledige Kinder haben, ist der Staat für die Bearbeitung des Verfahrens zuständig, in dem sich die Partner_in oder das Kind aufhalten. Aber nur, wenn diese in einem Mitgliedstaat der EU als Flüchtlinge anerkannt oder sich noch im Asylverfahren befinden (Dublin II: Artikel 7-8). An vierter Stelle wird geprüft, ob ein Mitgliedstaat der_dem Asylsuchenden einen gültigen Aufenthaltstitel oder ein gültiges Visum ausgestellt hat. Ist das der Fall, dann ist dieser Mitgliedstaat zuständig (Dublin II: Artikel 9). Hat ein Asylsuchender die Außengrenze eines Mitgliedstaates von einem Nicht-EU-Staat aus unerlaubt überschritten, so ist der unerlaubt betretene Mitgliedstaat für die Bearbeitung zuständig (Dublin II: Artikel 10). Dies ist eine der zentralen und umstrittensten Regelungen der Verordnung. Artikel 11 verteilt die Zuständigkeit für das Verfahren an den Staat, der eine Einreise ohne Visum erlaubt hat, Artikel 12 an den Staat, auf dessen Flughafen im internationalen Transitbereich der Antrag gestellt wurde. Kann die Zuständigkeit durch keines dieser Kriterien festgestellt werden, ist nach Artikel 13 der erste Mitgliedstaat zuständig, in dem ein Asylantrag gestellt wurde.
Die Zuständigkeitskriterien sind zentral an dem sogenannten „Verantwortungsprinzip“ orientiert(8). Artikel 9-12 weisen die Zuständigkeit dem Staat zu, der die Einreise ermöglicht bzw. nicht verhindert hat. Damit schaffen die Kriterien einen Anreiz für Staaten, eine restriktive Grenz- und Visapolitik zu verfolgen, um nicht für einen Großteil der Asylanträge in der EU verantwortlich erklärt zu werden. Gleichzeitig werden Staaten, die keine typischen Ersteinreisestaaten in die EU sind, vom größten Teil der Verantwortung für die Verfahrensbearbeitung freigesprochen – zumindest dem Inhalt der Zuständigkeitskriterien nach. Artikel 6-8 regeln Ausnahmen von diesem Verantwortungsprinzip, um das Kindeswohl und die Einheit der Kernfamilie trotz der Zuständigkeitskriterien zu wahren. Sie versuchen Flüchtlingsrechte zu bewahren, die ohne Dublin II nicht bedroht wären. Artikel 13 soll sicherstellen, dass sich in allen Fällen zumindest ein Staat findet, der zuständig ist.
Es gibt zwei Ausnahmen von den Zuständigkeitskriterien in Dublin II. Erstens hat jeder Mitgliedstaat durch die sogenannte Souveränitätsklausel das Recht, sich für die Bearbeitung eines auf seinem Territorium gestellten Asylantrags für zuständig zu erklären (Dublin II: Artikel 3, Abs. 2). Eine solche Übernahme der Verantwortung für ein Verfahren wird als Selbsteintritt eines Staates bezeichnet. Um diesen Selbsteintritt wird es in den Auseinandersetzungen um die Aussetzung der Abschiebungen nach Griechenland zentral gehen. Das Selbsteintrittsrecht ist allerdings keine explizit humanitäre Regelung. In vielen Fällen erklären sich Staaten – vor allem Deutschland und Italien – beispielsweise für selbst zuständig, wenn abzusehen ist, dass bei sogenannten „offensichtlich unbegründeten“ Asylanträgen die schnelle Durchführung und Ablehnung eines Asylverfahrens schneller und kostengünstiger ist, als ein Dublin-Verfahren (SEC(2007)742 final: 21).

Es gibt auch eine explizit humanitäre Klausel in Dublin II. Nach dieser kann jeder Mitgliedstaat „aus humanitären Gründen, die sich insbesondere aus dem familiären oder kulturellen Kontext ergeben, Familienmitglieder und andere abhängige Familienangehörige zusammenführen, auch wenn er dafür nach den Kriterien dieser Verordnung nicht zuständig ist.“ (Dublin II: Artikel 15, Abs. 1)

Stellt ein_e Asylsuchende_r einen Asylantrag und hat der entsprechende Staat den Eindruck, dass für das Asylverfahren dieser Person nach Dublin II ein anderer Staat zuständig sein könnte, wird in einem Dublin-Verfahren geprüft, ob ein anderer Staat zuständig ist (Dublin II: Artikel 17). In solchen Fällen, wenn also die Zuständigkeit für das Asylverfahren vor dem eigentlichen Asylverfahren geprüft wird, spricht man von take-charge-Anfragen. Hat ein Mitgliedstaat schon ein Asylverfahren begonnen oder abgeschlossen und die entsprechende Person wird in einem anderen Mitgliedstaat beim unerlaubten Aufenthalt gefasst, dann ist ersterer verpflichtet, die Person wieder aufzunehmen und gegebenenfalls aus der EU abzuschieben (Dublin II: Artikel 16, Abs. 1, Buchstaben c-e). In diesen Fällen wird von take-back-Anfragen gesprochen. In den ersten Jahren von Dublin II waren etwa 75% der Anfragen für die Übernahme der Zuständigkeit take-back-Anfragen und nur 25% der Anfragen take-charge-Anfragen (SEC(2007)742 final: 17). Die Mitgliedstaaten nutzten die Verordnung in dieser Zeit also deutlich öfter für Versuche, Asylsuchende in Staaten abzuschieben, die schon ein Asylverfahren am Laufen oder abgeschlossen hatten, als für die Klärung der Zuständigkeit vor dem Verfahren. Im Zeitraum zwischen September 2003 und Dezember 2005 wurden auf der Grundlage von Dublin II etwa 55.000 Übernahmeersuche gestellt, etwa 28.000 davon auf Basis der Daten von Eurodac. Von diesen Übernahmeersuchen wurden etwa 40.000 akzeptiert und daraufhin etwa 17.000 Abschiebungen durchgeführt (SEC(2007)742 final: 16).

Die Evaluation von Dublin II und die Asylkrise in Griechenland

Im Juli 2007 veröffentlichte die Kommission einen Bericht über die von ihr durchgeführte Evaluation von Dublin II. Folgende Probleme wurden festgestellt: Das erste in dem Bericht erwähnte Problem mit dem Titel „Effektiver Zugang zu den Verfahren“ bezog sich auf die Asylkrise in Griechenland, ohne dass Griechenland explizit benannt wurde. Die griechische Verwaltung versuchte, sich der Verantwortung für Asylverfahren dadurch zu entledigen, dass sie Asylsuchende systematisch und ohne eine Prüfung ihres Antrages auf der Grundlage von verfahrenstechnischen Argumenten in andere Staaten außerhalb der EU abschob ( KOM(2007)299 endg.: 6)(9). Der Kommission waren zu diesem Zeitpunkt diese systematischen Mängel im griechischen Asylsystem bewusst. Sie erinnerte öffentlich daran, dass Asylpraxis im Sinne der Dublin-Verordnung immer dahingehend auszulegen sei, dass jede Asylbewerber_in das Recht auf die Prüfung ihres Antrags in einem europäischen Mitgliedstaat hat (KOM(2007)299 endg.: 6).

Aber nicht nur die griechische Verwaltung versuchte, die sich aus dem Dublin-System ergebenden Verantwortlichkeiten von sich zu weisen. Auch in der Anwendungspraxis von Dublin II wurden systematisch Nachweise für die Zuständigkeitskriterien von den Staaten, die die Zuständigkeit übernehmen sollten, nicht akzeptiert. Besonders die Anwendung des Kriteriums der Einheit der Familie wurde behindert (KOM(2007)299 endg.: 8).

Neben dem Bestreiten der Gültigkeit von Nachweisen versuchten einige Mitgliedstaaten zu vermeiden, belastbare Nachweise ihrer Zuständigkeit zu produzieren. So wurden in dem untersuchten Zeitraum mit 48.657 Datensätzen in Eurodac nach Einschätzung der Kommission erstaunlich wenige „illegale Einreisen“ erfasst. Die Kommission sprach von einer „systematische[n] Nichteinhaltung der Verpflichtung, illegal Eingereisten die Fingerabdrücke abzunehmen“ und drohte damit, dies bei den Verteilungskriterien verschiedener Fonds zu berücksichtigen (KOM(2007)299 endg.: 10). Ein zweites Problem: Viele Asylsuchende entzogen sich ihrer Abschiebung durch Untertauchen: Die geringe Quote der überstellten Asylbewerber im Vergleich zu den akzeptierten Überstellungen beeinträchtigt die Effizienz des Systems ganz erheblich. Die Mitgliedstaaten begründen diesen Umstand unter anderem damit, dass Asylbewerber nach Erhalt eines Überstellungsbeschlusses häufig nicht mehr auffindbar sind (KOM(2007)299 endg.: 8).

Als drittes Problem reagierten viele Mitgliedstaaten auf das Untertauchen als Widerstand gegen drohende Abschiebungen durch eine Zunahme an präventiven Inhaftierungen von Personen, die auf der Grundlage des Dublin-Systems abgeschoben werden sollen, um diese am Untertauchen zu hindern. Die Kommission forderte, Inhaftierungen nur als letztes Mittel anzuwenden (KOM(2007)299 endg.: 9).

In ihrer Evaluation von Dublin II versuchte die Kommission, die Staaten zu einer ordnungsgemäßen Anwendung der Verordnung zu bringen. Verweigerung gegenüber der Verordnung rügte sie genauso wie allzu repressive Antworten auf migrantischen Widerstand. Darüber hinaus galt ihr vordringliches Interesse der Steigerung der Effizienz der Verordnung (KOM(2007) 299 endg.: 14).

Mit ihrer positiven Einschätzung von Dublin II stieß die Kommission nicht auf die Zustimmung des Parlamentes (A6-0287/2008: 14). Im Innenausschuss des Parlamentes (LIBE) wurde am 25.06.2008 mit einer Mehrheit von 49 Ja-Stimmen, einer Nein-Stimme und einer Enthaltung ein sehr kritischer Bericht über die Evaluation der Kommission angenommen (A6-0287/2008). Dublin II wurde als unbefriedigend aus sowohl technischen als auch humanitären Gesichtspunkten beschrieben. Darüber hinaus sei es im Kontext des zeitgenössischen europäischen Asylsystems weder für die betroffenen Asylsuchenden noch für die Mitgliedstaaten ein gerechtes System gewesen. Der Innenausschuss forderte die Kommission auf, Vorschläge für einen Mechanismus zur „Lastenteilung“ zu formulieren und einen Aussetzungsmechanismus für Abschiebungen in Mitgliedstaaten zu entwickeln, in denen die angemessene und vollständige Prüfung aller Asylanträge nicht gewährleistet ist (A6-0287/2008: 6). Im Gegensatz zur Kommission intervenierte das Parlament damit nicht in Richtung einer Stärkung der Dublin-Verordnung. Mit dem Bericht brachte das Parlament die Forderung nach einer Abschaffung oder grundsätzlichen Veränderung von Dublin II in die Debatte ein.

Parallel zu der Evaluation der Kommission, im Oktober 2007, begann mit der Veröffentlichung des Berichts „The Truth may be bitter, but it must be told“ (Pro Asyl 2007) durch die deutsche NGO Pro Asyl eine europaweite Kampagne verschiedenster Akteure gegen die Bedingungen von Asylsuchenden in Griechenland und gegen Abschiebungen nach Griechenland. Dabei wurde Dublin II in öffentlichen Berichten, den Medien und vor Gericht scharf angegriffen. Diese Auseinandersetzung lief parallel zu den Verhandlungen um Dublin III ab und führte schließlich im Januar 2011 zu der fast vollständigen Aussetzung der Abschiebungen nach Griechenland.

Der Kommissionsentwurf für Dublin III und der Aussetzungsmechanismus

Im Dezember 2008 veröffentlichte die Kommission ihren in der Evaluation angekündigten Entwurf für eine Neufassung von Dublin II, für den sich bald die Bezeichnung Dublin III durchsetzte. In dem Entwurf für Dublin III blieb die Kommission der Linie ihrer Evaluation treu. Am Kern der Verordnung sollte nichts Wesentliches verändert werden. Einzelne Veränderungsvorschläge in dem Entwurf lassen sich den Positionen verschiedener Akteure zuordnen, die von der Kommission im Vorfeld des Entwurfes angehört wurden:

Aus dem Konsultationsprozess ging hervor, dass die Mehrzahl der Mitgliedstaaten die Grundprinzipien der Dublin-Verordnung beibehalten wollten, aber durchaus auch die Notwendigkeit sahen, bestimmte Aspekte, die vor allem die Leistungsfähigkeit des Systems betreffen, zu optimieren. Demgegenüber traten zahlreiche zivilgesellschaftliche Organisationen und der UNHCR für einen grundlegend anderen Ansatz ein, der eine Zuweisung der Prüfungszuständigkeit nach dem Ort der Antragstellung vorsieht. Da es jedoch am politischen Willen für eine solche Änderung fehlte, riefen sie dazu auf, die Personen, die internationalen Schutz beantragen, in der Verordnung besser zu schützen. In seinem Bericht vom 2. September 2008 über die Bewertung des Dublin-Systems schlug das Europäische Parlament eine Reihe von Verbesserungen an der derzeitigen Regelung vor, die größtenteils auf den Schutz der Betroffenen ausgerichtet sind.

Das Interesse unter den Mitgliedstaaten am Erhalt von Dublin II schlug sich in dem daraufhin vorgebrachten Entwurf nieder. Die Kritik seitens der NGOs, des UNHCR und des Parlaments wurde, solange sie sich nicht gegen die Verordnung in ihren Grundprinzipien richtete, in Form der Forderung nach besserem Schutz Asylsuchender aufgenommen. Es gab noch ein Ziel, das die Kommission mit dem neuen Entwurf verfolgte: Die Unterstützung von durch die Verordnung besonders stark „belasteten“ Mitgliedstaaten sollte verbessert werden (KOM(2008) 820 endg.: 2).

Neben der Vermittlung der verschiedenen Positionen hatte die Kommission eigene Interessen an der Überarbeitung. Die Kommission hat aufgrund ihrer Funktion im europäischen Staatsapparateensemble ein Interesse an der Europäisierung verschiedener Politikbereiche. In der Migrations- und Innenpolitik musste sie dieses Interesse immer wieder gegen den Widerstand europäischer Mitgliedstaaten und des Rates durchsetzten. Die Dublin-Verordnung, der „Eckstein des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems“ (KOM(2008) 820 endg.: 3), spielte bei der Europäisierung der nationalen Asylsysteme eine große Rolle und war zum Zeitpunkt der Verhandlungen um Dublin III ein wesentlicher Bestandteil des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS). Die Kommission wollte aufgrund ihres Interesses an der Entwicklung eines funktionsfähigen GEAS die Dublin-Verordnung robuster und effizienter gestalten.

Gleichzeitig war Dublin II zum Zeitpunkt des Kommissionsentwurfs heftiger Kritik von NGOs wie Pro Asyl oder ECRE und des UNHCRs ausgesetzt. Vor allem die Praxis der Abschiebungen nach Griechenland wurde skandalisiert. Diese Kritik führte unter anderem dazu, dass Norwegen am 7.2.2008 bis auf weiteres die Abschiebungen nach Griechenland aussetzte. Auch Verwaltungsgerichte in verschiedenen Mitgliedstaaten stoppten einzelne Abschiebungen nach Griechenland (vgl. Hartl et al. 2013).

Als Reaktion auf diese Kritik und die Forderung des Parlaments nach einer Evaluation schlug die Kommission die Einführung eines temporären Aussetzungsmechanismus für Abschiebungen vor. Abschiebungen in einen Mitgliedstaat sollten in zwei Fällen zeitweise ausgesetzt werden können. Zum einen, wenn das Asylsystem eines Mitgliedstaates durch diese Abschiebungen in einer Notsituation zusätzlich belastet würde. In diesem Fall hätte der entsprechende Mitgliedstaat die Aussetzung bei der Kommission beantragen und begründen sollen. Zum anderen sollte der Aussetzungsmechanismus anwendbar sein, wenn ein Mitgliedstaat oder die Kommission den Eindruck haben, dass in einem anderen Mitgliedstaat das Schutzniveau von Asylsuchenden nicht dem europäischen Recht entspricht. In beiden Fällen hätte die Kommission über die temporäre Aussetzung entscheiden und die Entscheidung dem Rat mitteilen sollen, der innerhalb von einem Monat mit einer qualifizierten Mehrheit eine andere Entscheidung hätte erlassen können. Mit einer Entscheidung zur Aussetzung der Überstellungen wäre für die entsprechenden Verfahren um internationalen Schutz der Mitgliedstaat zuständig geworden, in dem sich die Asylsuchenden zum entsprechenden Zeitpunkt aufhielten. Eine Entscheidung zur Aussetzung von Abschiebungen wäre ein Grund zur Beantragung von Sofortmaßnahmen aus dem Europäischen Flüchtlingsfonds des Programms „Solidarität und Steuerung der Migrationsströme“ (KOM(2005)123 endg.) gewesen. Die Abschiebungen sollten bis zu sechs Monaten ausgesetzt werden und diese Aussetzung bei Bedarf nochmal um bis zu sechs Monate verlängert werden können. Darüber hinaus sollte der Mechanismus nicht dahingehend ausgelegt werden können, dass Mitgliedstaaten sich ihren Pflichten aus den europäischen Asylvorschriften entziehen können. (KOM(2008) 820 endg.: 50-52, Art. 31)

Die Auseinandersetzungen um den Aussetzungsmechanismus waren die politisch brisantesten. Bevor sie in den entscheidenden Punkten für eine ganze Zeit blockiert waren, brachte das Parlament einen neuen Vorschlag ein. Es unterstützte den Kommissionsentwurf zu Dublin III im Wesentlichen, ging in der Frage des Aussetzungsmechanismus aber deutlich über diesen hinaus. Statt nur die Aussetzung für Abschiebungen zu fordern, schlug es ein verbindliches System zur Umverteilung anerkannter Asylsuchender vor. Folgenden Abschnitt wollte das Parlament im April 2009 in den Artikel des Aussetzungsmechanismus einfügen:

b) ein System zur Umverteilung von Personen, die Anspruch auf internationalen Schutz haben, von Mitgliedstaaten, die einer spezifischen und unverhältnismäßigen Belastung ausgesetzt sind, an andere Mitgliedstaaten im Benehmen mit dem Amt des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen, wobei gewährleistet wird, dass die Umverteilung nach nicht diskriminierenden, transparenten und eindeutigen Regeln erfolgt. (A6-0284/2009: 26-27)

Damit brachte das Parlament seine Forderung nach einem Solidaritätsmechanismus in die Verhandlungen ein. Es waren vor allem die Schlagworte „Solidaritäts- und Aussetzungsmechanismus“, unter denen das Parlament, einzelne Mitgliedstaaten und in einzelnen Punkten auch die Kommission Veränderungen an der Verordnung forderten, die einen Prozess anstoßen könnten, der die Grundprinzipien von Dublin verändert. Vor allem die Einführung eines Aussetzungsmechanismus für Abschiebungen, aber auch die von anderen Solidaritätsmechanismen unter den Mitgliedstaaten, war umstritten. Gleichzeitig wurden in den Auseinandersetzungen über diese beiden Punkte die weitestgehenden Veränderungsvorschläge an den Grundsätzen von Dublin II verhandelt, weshalb sie auch die politisch bedeutendsten Verhandlungspunkte waren. Dass die Verhandlungen hierzu auf der höchsten politischen Ebene, von den Minister_innen selbst, geführt wurden, macht die politische Brisanz dieses Punktes deutlich. Im Rat gab es eine große Mehrheit von Mitgliedstaaten, die den Aussetzungsmechanismus ablehnten und eine Minderheit von Mitgliedstaaten, die ihn befürworteten. Für den Aussetzungsmechanismus waren die Transitstaaten an der südlichen Außengrenze: Italien, Spanien, Griechenland, Zypern und Malta. Dagegen waren die Zielstaaten von EU-interner Migration von Flüchtlingen: Österreich, Belgien, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, die Niederlande, Dänemark, Finnland und Schweden. Die Delegationen im Rat waren also in ihren Positionen zu dem Aussetzungsmechanismus gespalten.

Im Januar 2009 veröffentlichten die Innenminister_innen von Griechenland, Italien, Malta und Zypern ein Quattro Paper genanntes Papier, in dem sie für mehr Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten im Asylbereich eintreten. Obwohl sie in dem Papier den Aussetzungsmechanismus nicht explizit erwähnten, wird in den Absätzen über die Umsiedlung von anerkannten Flüchtlingen klar, dass ihre Forderungen in eine ähnliche Richtung gehen wie die der Kommission und des Parlaments. Generell fordern sie eine Veränderung von Dublin II in Richtung einer gerechteren Verteilung der „Lasten”. Mit den Herausgeber_innen des Quattro Paper trat neben dem Parlament noch eine Gruppe von Akteuren auf, die Dublin II grundlegend verändern wollte. Der geforderte Umverteilungsmechanismus hätte noch tiefer in die Grundlagen der Dublin-Verordnung eingegriffen, als es der Aussetzungsmechanismus getan hätte. Die Mehrheit der Delegationen im Rat war gegen diesen Vorschlag und wollte die Aussetzungen auf der Grundlage einer schlechten Situation für Asylsuchende in einem Mitgliedstaat genauso wenig akzeptieren wie die Entscheidungshoheit der Kommission über die Aussetzung der Abschiebungen. Die schwedische Ratspräsidentschaft schlug daraufhin vor, die Aussetzungen auf Situationen zu beschränken, in denen die staatlichen Strukturen eines Mitgliedstaates durch die Dublin-Abschiebungen in einer schwierigen Situation zusätzlich belastet werden würden (7309/10). Auch dieser Vorschlag ging den Minister_innen einiger Mitgliedstaaten zu weit.

Knapp zwei Jahre nach dem Entwurf der Kommission für Dublin III steckten die Verhandlungen fest. Es war nicht klar, wie sich Parlament, Rat und Kommission auf eine gemeinsame Position zu dem Aussetzungsmechanismus hätten einigen können.

Die Aussetzung der Abschiebungen nach Griechenland

Während die Verhandlungen um den politischen Aussetzungsmechanismus in Dublin III von 2009 bis 2010 nicht weiterkamen, überschlugen sich in Bezug auf eine tatsächliche Aussetzung der Abschiebungen Anfang 2011 die Ereignisse. Durch eine im Oktober 2007 von Menschenrechts- und Asylorganisationen begonnene Kampagne gegen die Dublin-Abschiebungen wurden in mehreren Mitgliedstaaten seit 2008 einzelne Abschiebungen nach Griechenland von Gerichten ausgesetzt.(10) In Großbritannien wurde im Juli 2010 vom Court of Appeal ein Verfahren um eine Abschiebung nach Griechenland dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vorgelegt (C-411/10 und C-493/10). In Deutschland sah sich das BMI auf „Anregung“ des Bundesverfassungsgerichtes im Januar 2011 zum Selbsteintritt in allen Fällen von Abschiebungen nach Griechenland gezwungen. Am 21. Januar, wenige Tage nach dem Selbsteintritt Deutschlands, verurteilte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) sowohl Griechenland als auch Belgien wegen Verstößen gegen die Europäische Menschenrechtskonvention (M.S.S. v. Belgium and Greece). Das entsprechende Verfahren wurde im Juni 2009 von einem aus Belgien nach Griechenland abgeschobenen Afghanen begonnenen. Dabei widersprach der EGMR einem „Prinzip der normativen Vergewisserung“ genannten Rechtskonstrukt. Dieses Prinzip besagte, dass jeder europäische Mitgliedstaat durch die Ratifizierung der Genfer Konvention als sicherer Staat für Personen, die internationalen Schutz suchen, angesehen werden könne. Statt einer normativen Vergewisserung müsse ein Staat nach dem EGMR vor einer Abschiebung prüfen, ob der andere Mitgliedstaat auch in der Praxis und nicht nur dem Gesetz nach für die_den Asylsuchende_n sicher sei.(11)Die Grundannahme, dass jeder europäische Staat für Asylsuchende sicher sei, war einer der Grundpfeiler des Dublin-Systems. Ohne sie wäre es schwer zu rechtfertigen, warum nach den Zuständigkeitskriterien von Dublin II Personen ohne Prüfung ihres Antrages um internationalen Schutz in andere Mitgliedstaaten abgeschoben werden konnten. Durch das Urteil des EGMR wurde diese zentrale Grundlage der Dublin-Verordnung in Frage gestellt.

Im Anschluss an das Urteil erklärten die meisten der relevanten betroffenen europäischen Mitgliedstaaten ihren Selbsteintritt in allen Fällen von Abschiebungen nach Griechenland. Damit waren de facto die Abschiebungen nach Griechenland durch eine Kampagne von NGOs und das Urteil des EGMR ausgesetzt. Fast ein Jahr später, im Dezember 2011, urteilte der EuGH ähnlich und legte für alle Mitgliedstaaten verbindlich fest, dass diese vor Abschiebungen auf der Grundlage der Dublin-Verordnung die Situation im Zielland beachten müssen.

Die Kampagne gegen Dublin hörte damit nicht auf, sondern einige beteiligte NGOs versuchten auf der Grundlage der schon erkämpften Urteile Abschiebungen in andere Mitgliedstaaten wie Malta, Italien, Ungarn und Polen zu stoppen. Unterstützt wurden sie darin von dem antirassistischen No Border Netzwerk.(12) Aktivist_innen von No Border erstellten Länderberichte, um für Gerichtsverfahren gegen Abschiebungen verwertbares Material zu liefern. Außerdem protestierten sie in öffentlichen Aktionen und Demonstrationen gegen Dublin II. Ein Teil des No Border Netzwerkes unter dem Namen welcome to europe startete den Betrieb einer Internetseite (w2eu.info), auf der Informationen über das Dublin-System und seine neu entstandenen Schlupflöcher gesammelt werden. Ziel der Seite war und ist es, Migrant_innen in die Lage zu versetzen, in einem Mitgliedstaat ihrer Wahl internationalen Schutz zu beantragen. Das No Border Netzwerk erklärte öffentlich das Ziel, Dublin II „zu kippen“ (dublin2.info (2012)).

Dublin II war also spätestens ab Januar 2011 ernsthaft umkämpft. Die Grundannahme der Sicherheit aller Mitgliedstaaten war von den Gerichten in Frage gestellt. Die Abschiebungen nach Griechenland, einem der Haupteinreiseländer in die EU(13), waren ausgesetzt, und es gab eine Kampagne von NGOs und der antirassistischen Bewegung, mit dem erklärten Ziel, Dublin II ganz oder in Teilen abzuschaffen. Die zukünftige Existenz von Dublin war spätestens dann ernsthaft gefährdet, wenn auch die Abschiebungen in andere Mitgliedstaaten ausgesetzt werden müssten.

Die Kommission und der Rat kamen damit in die Defensive. Erstens mussten sie versuchen, die Probleme des griechischen Asylsystem möglichst schnell soweit zu beheben, dass die Abschiebungen nach Griechenland von den Gerichten wieder zugelassen würden. Zweitens musste aus der Perspektive der Befürworter_innen von Dublin dringend eine Ausweitung des Abschiebestopps auf andere Mitgliedstaaten verhindert werden.

In Bezug auf Griechenland unternahmen die Kommission und der Rat vor allem zwei Maßnahmen. die Kommission und das 2010 neu geschaffene European Asylum Support Office (EASO), versuchten zum einen, Griechenland durch Druck, Beratung und koordinierte Unterstützung dazu zu bringen, sein Asylsystem wieder aufzubauen (13004/12: 17-22) und zum anderen die Asylsuchenden in Griechenland festzusetzen. Dies geschah durch drei Maßnahmen: Erstens wurden auf Drängen des Rates die legalen Haftgründe im GEAS ausgeweitet. Zweitens wurde für Griechenland der Zugang zu Geldern aus dem „Rahmenprogramm für Solidarität und die Steuerung der Migrationsströme für den Zeitraum 2007-2013“ (KOM(2005)123 endg.) vereinfacht. Mit diesen Geldern wurden neue Gefängnisse für Migrant_innen gebaut und versucht, die schlimmsten Auswüchse der Asylkrise in Griechenland einzudämmen. Zusätzlich wurden von umliegenden Ländern und an den Flughäfen die Grenzkontrollen für Menschen aus Griechenland verschärft, um die Asylsuchenden an der Ausreise aus Griechenland zu hindern. Sowohl die Maßnahmen zum Aufbau des griechischen Asylsystems als auch die mit dem Ziel, Asylsuchende in Griechenland festzusetzen, wurden durch die Wirtschaftskrise in Europa und vor allem Griechenland massiv behindert. Die in diesem Rahmen von der Troika aus Kommission, Internationalem Währungsfond (IWF) und der Europäischen Zentralbank (EZB) dem Griechischen Staat verordneten Sparmaßnahmen hemmten den griechischen Staat deutlich in seiner Handlungsfähigkeit.

Die Entscheidung für Dublin III

Während die Zielstaaten von innereuropäischer Migration von Asylsuchenden die Grenzen dicht machten und Griechenland mit europäischen Geldern Gefängnisse baute, um die Asylsuchenden in Griechenland zu inhaftieren, brachte die Aussetzung der Abschiebungen eine neue Dynamik in die Verhandlungen um Dublin III. Das Urteil des EGMR veränderte die Situation in den Verhandlungen in zwei Punkten. Auf der einen Seite war das Parlament eher bereit, auf den Aussetzungsmechanismus zu verzichten und auf der anderen Seite stieg das Interesse des Rates an einem funktionierenden Mechanismus, um das angeschlagene Dublin-System zu stabilisieren.

Durch die Annäherung der Position des Parlamentes an die des Rates konnten die Verhandlungen fortgesetzt werden. Es war ein Vorschlag der polnischen Ratspräsidentschaft, der einen Ausweg aus der festgefahrenen Verhandlungssituation bot. Auf einem informellen Innenminister_innentreffen des Rates in Sopot am 18. Juli 2011 schlug diese vor, dass die EU in Anbetracht der aktuellen Asylkrisen zwei Mechanismen bräuchte (13930/11 ADD 1, 2): einen, um die Entstehung von Asylkrisen zu verhindern und einen um bestehende Krisen zu „managen” (13930/11, 3-4). Bisher wurden beide Mechanismen unter dem Label „Aussetzungsmechanismus” kombiniert verhandelt. Mit dem Vorschlag der Ratspräsidentschaft wurde diese Verknüpfung gelöst. Beide Mechanismen konnten getrennt voneinander verhandelt werden. Die Mehrheit der Mitgliedstaaten war nach wie vor gegen den Aussetzungsmechanismus. Der entscheidende Punkt der Trennung war, dass der Mechanismus zur Prävention von Asylkrisen angenommen werden konnte, unabhängig von dem umstrittenen Mechanismus zur Aussetzung von Abschiebungen im Fall von schon existierenden Asylkrisen.

In dieser Situation gab es zwei Initiativen, den kompletten Aussetzungsmechanismus doch noch zu retten. Die Kommission bot im April 2011 dem Rat einen Paket-Deal an: Wenn der Rat bereit wäre, den Aussetzungsmechanismus zu akzeptieren, würde die Kommission sich der Position der Mitgliedstaaten in Bezug auf die Möglichkeit des Zugriffs von Strafverfolgungsbehörden auf die Eurodac Datenbank annähern (8821/1/11 REV 1).(14) Im gleichen Monat veröffentlichten die Innenminister_innen von Griechenland, Italien, Malta, Spanien und Zypern ein zweites gemeinsames Kommuniqué über Migration im Mittelmeerraum im Kontext der Aufstände und Regierungswechsel in Nordafrika und dem Nahen Osten. In diesem Kommuniqué forderten sie auf verschiedenen Ebenen europäische Unterstützung für die südlichen Grenzstaaten. Unter anderem forderten sie eine Beschleunigung der Verhandlungen um Dublin III und die Aufnahme des Aussetzungsmechanismus in die neue Verordnung (Joint Communiqué).

Beide Versuche, den Aussetzungsmechanismus zu retten, funktionierten nicht. Die Mehrheit der Mitgliedstaaten des Rates sprach sich auf einem Innenminister_innentreffen des Rates im Mai 2011 gegen den vorgeschlagenen Eurodac-Deal aus (BMI 17(21)0551). Auf dem darauf folgenden Ratstreffen der Innenminister_innen im September 2011 sprach sich eine Mehrheit der Minister_innen für den Frühwarnmechanismus, aber gegen den Aussetzungsmechanismus aus (BMI 17(21)0726). Auf einem Treffen der Justiz- und Innenminister_innen am 8. März 2012 wurde sowohl eine Erklärung mit dem Titel „Council Conclusions on A Common Framework for genuine and practical solidarity towards Member States facing particular pressure on their asylum systems, including through mixed migration flows“ (7485/12) verabschiedet als auch eine Einigung über die Einführung des Frühwarnmechanismus unter den Mitgliedstaaten erreicht. Es liegt nahe, dass diese Erklärung ein Kompromissangebot an die Minderheit der vor allem südlichen Grenzstaaten war, die bis dahin auf einen Aussetzungsmechanismus als Ausdruck europäischer Solidarität im Asylbereich bestanden hatten.

Im April 2012 erteilte der Coreper-Ausschuss der Ständigen Vertreter (AStV) der Ratspräsidentschaft das Mandat, auf der Basis der so erreichten Ratsposition Verhandlungen mit dem Parlament und der Kommission zu beginnen (8595/12). Nach diesen Verhandlungen formulierte der AstV am 18. Juli 2012 einen Kompromisstext (12746/2/12 REV 2) für Dublin III, der am 19. September 2012 vom LIBE-Ausschuss des Parlamentes angenommen wurde (14520/12). Der Kompromisstext enthält eine ganze Reihe von Änderungen, die das Parlament in den Verhandlungen durchsetzen konnte. Dabei wurden einzelne Aspekte des Verfahrens verändert, ohne die Grundidee von Dublin zu berühren. Diese Änderungen betreffen Punkte wie die aufschiebende Wirkung von Einsprüchen gegen Abschiebungen, die zulässigen Gründe für Inhaftierungen, den Rechtsschutz und die Informationspolitik im Verfahren, die Eindeutigkeit der Bestimmungen zu den einzelnen Verfahrensschritten, die Fristen und die Schutzrechte der Antragsteller_innen um internationalen Schutz, vor allem der unbegleiteten Minderjährigen. In Dublin III ist weder ein verbindlicher Solidaritätsmechanismus zwischen den Mitgliedstaaten noch der temporäre Aussetzungsmechanismus für Abschiebungen enthalten, stattdessen als Artikel 31 der sogenannte „mechanism for early warning, preparedness and crisis management“ (12746/2/12 REV 2, 87-89, Art. 31). Dieser war eine Reaktion der europäischen politischen Staatsapparate auf die Krise von Dublin. Damit war nach fast vier Jahren Verhandlungen die politische Entscheidung für Dublin III gefallen. Die Verordnung (EU) Nr. 604/2013 wurde verabschiedet. Die grundlegendste Veränderung ist die Einführung des Frühwarnmechanismus, dessen Funktionsfähigkeit in Bezug auf die Verhinderung von Krisen des Dublin-Systems, sich in Zukunft zeigen wird.

Der Frühwarnmechanismus

Der Frühwarnmechanismus sollte die Funktionsfähigkeit des Dublin-Systems in Reaktion auf die Aussetzungen der Abschiebungen nach Griechenland in Zukunft sichern (13930/11 ADD 1: 3; 12746/2/12 REV 2: 87). Er sah eine kontinuierliche statistische Analyse der Asylsysteme der Mitgliedsländer und der Migrationsbewegungen in die und innerhalb der EU durch EASO vor. Auf Basis dieser Statistiken sollten problematische Konstellationen, welche die Funktionsfähigkeit des Dublin-Systems gefährden könnten, möglichst schnell erkannt oder vorhergesagt werden. Wie ist das Konzept für diesen Frühwarnmechanismus?

Wenn eine problematische Konstellation entdeckt wird, ist der entsprechende Staat aufgefordert, einen präventiven Aktionsplan zu entwerfen. Der Mitgliedstaat soll die Kommission und den Rat in regelmäßigen Berichten über die Umsetzung des präventiven Aktionsplanes informieren und alle nötigen Schritte unternehmen, um zu verhindern, dass die Situation sich verschlimmert. Wo dies nicht gelingt, kann die Kommission den entsprechenden Mitgliedstaat auffordern, einen Plan zum Krisenmanagement zu entwerfen. Dieser soll die Konformität mit dem EU-Asylrecht und die Einhaltung der Grundrechte der Antragsteller_innen um internationalen Schutz gewährleisten. Der Rat und das Parlament können während des gesamten Prozesses Beratung zu Solidaritätsmaßnahmen leisten. (12746/2/12 REV 2: 87-89, Art. 31)

Dieser Frühwarn-, Bereitschafts- und Krisenmanagementmechanismus war ein Kompromiss zwischen den verhandelnden Parteien, der vor allem durch die Position des Rates geprägt wurde. Diese war bestimmt durch die Interessen der Zielstaaten für innereuropäische Migration von Asylsuchenden. Aus deren Perspektive war es die Lösung der aktuellen Krise des Dublin-Systems, alle Mitgliedstaaten, vor allem die an der südlichen Außengrenze, dazu zu disziplinieren, das EU Asylrecht umzusetzen. Es musste zumindest so weit umgesetzt werden, dass diesen nicht in Zukunft „systematische Mängel“ nachgewiesen werden können, auf deren Basis Gerichte die Abschiebungen in diese Mitgliedstaaten aussetzen würden. Das versuchte der neue Artikel 31 zu erreichen. Mit ihm werden eine kontinuierliche Evaluation der nationalen Asylsysteme und eine „Risikoanalyse“ institutionalisiert. Darüber hinaus werden mit ihm potentielle und tatsächliche Krisensituationen offiziell festgestellt werden können, und es gibt ein Verfahren, um Druck auf den entsprechenden Mitgliedstaat aufzubauen und diesem gleichzeitig Beratung und Unterstützung zu einem europarechtskonformen Umgang mit der Situation anzubieten. Damit wird auch die staatliche Verweigerung der Umsetzung von Dublin III voraussichtlich schwieriger als bei Dublin II. Aber der Frühwarnmechanismus bleibt trotz der Dominanz des Rates ein Kompromiss zwischen den verschiedenen Institutionen oder Interessengruppen.

Die Stimmung im Parlament gegenüber dem Frühwarnmechanismus war verhalten positiv, da er aus dessen Sicht nicht schadet und vielleicht tatsächlich Asylkrisen wie die in Griechenland in Zukunft verhindern kann. Vor allem gab es Zweifel, ob er ausreicht, um die Situation der nationalen Asylsysteme zu verbessern. Deshalb hätte man sich im Parlament einen stärkeren Mechanismus gewünscht.

Auch die Kommission befürwortete den Frühwarnmechanismus. Der von ihr vorgeschlagene Aussetzungsmechanismus hätte in seinen ersten Phasen einen vergleichbaren Ablauf gehabt, nur dass es am Ende noch die Möglichkeit gegeben hätte, die Abschiebungen auszusetzen. Diese Option wurde gestrichen und der verbliebene Mechanismus in den Verhandlungen entschärft. Es liegt nahe, dass vor allem die Transitstaaten an den Außengrenzen in den Verhandlungen starke Eingriffe in ihre Asylsysteme verhindern wollten und deshalb auf eine Entschärfung der Formulierungen des Frühwarnmechanismus bestanden. Es gab den Versuch einzelner Mitgliedstaaten, im Gesetzestext auszuschließen, dass auf der Basis der statistischen Analysen Vertragsverletzungsverfahren der Kommission gegen die entsprechenden Staaten eröffnet werden können. Dieser wurde allerdings durch die Kommission verhindert. Im Endeffekt wurde ein – wenn auch weicher – Mechanismus zur europäischen Überwachung der nationalen Asylsysteme geschaffen.

Die Auseinandersetzung um europäische Solidaritätsmechanismen war mit der Aufgabe der Forderung nach einem Aussetzungsmechanismus nicht zu Ende. Sie wurde nur auf einem anderem Feld als auf dem der Dublin III-Verhandlungen ausgetragen. Mittlerweile hatten alle drei Akteure öffentlich zu dem Thema Position bezogen. Erst veröffentlichte die Kommission im Dezember 2011 ihren Bericht „Communication from the Commission to the European Parliament, the Council, the European Economic and Social Committee and the Committee of the Regions on enhanced intra-EU solidarity in the field of asylum. An EU agenda for better responsibility-sharing and more mutual trust“ (COM(2011)835 final). Dann folgte der Rat mit den „Council Conclusions on A Common Framework for genuine and practical solidarity towards Member States facing particular pressure on their asylum systems, including through mixed migration flows“ (7485/12) im März 2012. Schließlich verabschiedete das Parlament im Juli 2012 den „Bericht über verstärkte EU-interne Solidarität im Asylbereich“ (A7-0248/2012) des linken, zyprischen Berichterstatters Kyriacos Triantaphyllides.

Alle drei Berichte waren sich einig darin, dass es europäische Solidarität im Asylbereich geben muss. Umstritten war, wie diese Solidarität konkret aussehen sollte. Es ging vor allem um drei Bereiche der Solidarität: finanzielle, technische und personelle. Bei der finanziellen Solidarität ging es um Ausgleichszahlungen für die Übernahme von Verantwortung im Asylbereich. Unter technischer Solidarität wurden Maßnahmen der organisatorischen oder logistischen Unterstützung beim Aufbau oder dem Unterhalt von Asylsystemen verstanden. Personelle Solidarität bedeutete die Aufnahme von Asylsuchenden oder anerkannten Flüchtlingen durch einen Mitgliedstaat. Der Bericht des Rates beschrieb vor allem schon existierende Maßnahmen als Solidaritätsmechanismen und blieb ansonsten unverbindlich. Finanzielle und technische Solidarität sollte es nach Ansicht des Rates geben, personelle Solidarität nur, wenn sich Mitgliedstaaten freiwillig dazu entscheiden. Der Bericht des Parlamentes fordert alle drei Sorten der Solidarität, aber vor allem forderte er die Kommission auf, einen Legislativvorschlag über verpflichtende personelle Solidarität in Form eines „EU-internen Übersiedlungsmechanismus“ durch einen „EU-Verteilungsschlüssel[…] für die Übersiedlung von Personen unter internationalem Schutz“ zu prüfen (A7-0248/2012: 13). Das Besondere dieses Berichtes war, dass er während der Verhandlungen um Dublin III gegenüber der Dublin-Verordnung eine sehr kritische Haltung einnahm und eine starke Position in der Solidaritätsdebatte bezog, aber trotzdem von einer breiten Mehrheit des Parlaments über die Fraktionen hinweg getragen wurde. In der Abstimmung im LIBE-Ausschuss gab es einundvierzig Ja-Stimmen, vier Nein-Stimmen und zwei Enthaltungen (A7-0248/2012: 19). Damit wurde eine gemeinsame Position des Parlamentes formuliert, die sehr stark von der des Rates abweicht. Im Parlament gab es die Hoffnung, dass diese Position in kommenden Verhandlungen berücksichtigt werden würde:

And that’s exactly where your report [on enhanced intra-EU solidarity in the field of asylum] comes in as well, because on the one hand you see the pragmatic approach to negotiations, you need to accept a compromise, but on the other, through the own-initiative report, you kind of express your wish list, and you hope that this wish list will be – will do its work, slowly, slowly, and will be taken into consideration in the next phase of negotiations again.(15)

Der Bericht der Kommission zu Solidarität bewegte sich zwischen der Position des Rates und der des Parlamentes. Er war konkreter als der des Rates, ging aber nicht so weit, verpflichtende personelle Solidarität zu fordern. Die Debatte um europäische Solidarität im Asylbereich wird mit Sicherheit weiterhin für die Zukunft des GEAS eine wichtige Rolle spielen.

Fazit

Am 1. Januar 2013 trat Dublin III in Kraft. Trotz einiger Änderungen blieben die Grundzüge der Dublin II-Verordnung erhalten. Damit wurde in den Verhandlungen die Chance vertan, die desaströse Geschichte der stark umkämpften und kritisierten Verordnung zu beenden. Folgerichtig gehen die Kampagnen, Gerichtsverfahren und Proteste gegen die Verordnung unvermindert stark weiter. Im Jahr 2014 gab es so viele Kirchenasyle zum Schutz von Asylsuchenden gegen Dublin-Überstellungen wie noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik. Die Geschichte wird zeigen, wie lange die Befürworter_innen der Dublin-Verordnung in den Regierungen der Mitgliedstaaten noch an diesem krisengeschüttelten und repressiven System festhalten können werden.

DAVID LORENZ lebt in Frankfurt am Main und schloss sein Studium in Philosophie und Soziologie an der Goethe Universität Frankfurt mit einer Arbeit zu den Verhandlungen um die Dublin III-Verordnung ab. Aktuell arbeitet er an der Universität Osnabrück in einem Forschungsprojekt zu Protesten gegen Abschiebungen.

Literatur

Aus, Jonathan (2006): Logics of Decision-making on Community Asylum Policy – A Case Study of the Evolvement of the Dublin II Regulation. Oslo.

Buckel, Sonja; Georgi, Fabian; Kannankulam, John; Wissel, Jens (2013): Staat, Europa und Migrationskontrollen – Theoretische Grundlagen einer materialistischen Perspektive – (Manuskript März 2013), in: Staatsprojekt Europa (Hg.): Kämpfe um Migrationspolitik. Theorie, Methode und Analysen kritischer Europaforschung. Bielefeld, i. E.

Cuttitta, Paolo (2010): Das europäische Grenzregime: Dynamiken und Wechselwirkungen, in: Hess, Sabine; Kasparek, Bernd (Hg.): Grenzregime – Diskurse | Praktiken | Institutionen in Europa. Berlin/Hamburg, S. 23-42.

Hartl, Uli; Lorenz, David; Meyerhöfer, Andreas; Neumann, Sebastian; Oeser, Adrian (2013): »Dublin II kippen!« Kämpfe um selbstbestimmte Migration in Europa, in: Staatsprojekt Europa (Hg.): Kämpfe um Migrationspolitik. Theorie, Methode und Analysen kritischer Europaforschung. Bielefeld.

Kloth, Karsten (2000): The Dublin Convention on Asylum – An Introduction, in: Marinho, Clotilde (Hg.): The Dublin Convention on Asylum: Its Essence, Implementation and Prospects. Maastricht, S. 7-16.

Kloth, Karsten (2001): The Dublin Convention on Asylum: A General Presentation, in: Faria, Cláudia (Hg.): The Dublin Convention on Asylum – Between Reality and Aspirations. Maastricht, S. 7-26.

Lorenz, David (2013): Die Verhandlungen um Dublin III. Eine historisch-materialistische Analyse der Auseinandersetzung um die Zuständigkeit für Asylverfahren in Europa. (Magisterarbeit) Frankfurt am Main: Johann Wolfgang Goethe-Universität.

Mouton, Didier (2001): Les perspectives futures de la Convention de Dublin, in Faria, Cláudia (Hg.): The Dublin Convention on Asylum – Between Reality and Aspirations. Maastricht, S. 191-202.

Oeser, Adrian (2012): „Strategien marginalisierter Akteure im Kampf um Hegemonie im Recht – am Beispiel des Verhaltens der NGO Pro Asyl in der Auseinandersetzung um die Dublin-II-Verordnung“. Bachelorarbeit am Fachbereich Gesellschaftswissenschaften der Goethe-Universität Frankfurt am Main.

Papadimitriou, Panayiotis; Papageorgiou, Ioannis (2005): The New ‘Dubliners’: Implementation of European Council Regulation 343/2003 (Dublin-II) by the Greek Authorities, in: Journal of Refugee Studies Vol. 18, No. 3. Oxford, S. 299-318.

Tömmel, Ingeborg (2008): Das politische System der EU. München.

Dokumente, Berichte und Websites

12501/01: Beratungsergebnisse der Gruppe „Asyl“ vom 1. und 2. Oktober 2001. Betr.: Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist.

12746/2/12 REV 2: Revised outcome of proceedings of Permanent Representatives Committee on 18 July 2012. Subject: Proposal for a Regulation of the European Parliament and of the Council establishing the criteria and mechanisms for determining the Member State responsible for examining an application for international protection lodged in one of the Member States by a third-country national or a stateless person (Recast) [First reading].

12746/2/12 REV 2: Revised outcome of proceedings of Permanent Representatives Committee on 18 July 2012. Subject: Proposal for a Regulation of the European Parliament and of the Council establishing the criteria and mechanisms for determining the Member State responsible for examining an application for international protection lodged in one of the Member States by a third-country national or a stateless person (Recast) [First reading].

13004/12: Cover note from: Mr. Robert K. Visser, Executive Director of the European Asylum Support Office to Mr. Rafael Fernandez-Pita, Deputy Director General for Justice and Home affairs, General Secretariat of the Council of the European Union. Subject: 2011 Annual Report on the Situation of Asylum in the European Union and on the Activities of the European Asylum Support Office.

13930/11 ADD 1: Addedum to Note from Presidency to JHA Council. Subject: Common European Asylum System = State of play/guidance on further negotiations on CEAS.

13930/11 ADD 1: Addedum to Note from Presidency to JHA Council. Subject: Common European Asylum System = State of play/guidance on further negotiations on CEAS.

13930/11: Note from Presidency to Permanent Representatives Committee/Council. Subject: Common European Asylum System = State of play/guidance on further negotiations on CEAS.

14520/12: Note from Presidency to Permanent Representatives Committee (Part II). Subject: Proposal for a Regulation of the European Parliament and of the Council establishing the criteria and mechanisms for determining the Member State responsible for examining an application for international protection lodged in one of the Member States by a third-country national or a stateless person (Recast).

7309/10: Note from Presidency to Strategic Committee on Immigration, Frontiers and Asylum. Subject: Common European Asylum System – State of Play / Certain Issues.

7485/12: Outcome of Proceedings of Council (Justice and Home Affairs) on 8 March 2012. Subject: Council Conclusions on a common framework for genuine and practical solidarity towards Member States facing particular pressures due to mixed migration flows.

8595/12: Note from Presidency to Council (Justice and Home Affairs on 26 – 27 April 2012). Subject: Common European Asylum System = State of play.

8821/1/11 REV 1: Note from Presidency to JHA Counsellors on 14 April 2011. Subject: Proposal for a Regulation of the European Parliament and of the Council establishing the criteria and mechanisms for determining the Member State responsible for examining an application for international protection lodged in one of the Member States by a third-country national  or a stateless person (recast).

A6-0284/2009: Bericht über den Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Neufassung). Ausschuss für bürgerliche Freiheit, Justiz und Inneres. Berichterstatterin: Jeanine Hennis-Plasschaert.

A6-0287/2008: Bericht über die Bewertung des Dublin-Systems (2007/2262(INI)). Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres. Berichterstatterin: Jean Lambert.

A7-0248/2012: Bericht über verstärkte EU-interne Solidarität im Asylbereich (2012/2032(INI)). Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres. Berichterstatter: Kyriacos Triantaphyllides.

BMI 17(21)0551: Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union – Ausschussdrucksache 17(21)0551: Nachbericht zum Rat der Justiz- und Innenminister am 12. Mai 2011 in Brüssel.

BMI 17(21)0726: Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union – Ausschussdrucksache 17(21)0726: Nachbericht zum Rat der Justiz- und Innenminister am 22./23. September 2011 in Brüssel.
BMI 17(21)0961: Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union – Ausschussdrucksache 17(21)0961: Vorbericht zum Rat der Justiz- und Innenminister am 8. März 2012 in Brüssel.

COM(2011)835 final: Communication from the Commission to the European Parliament , the Council, the European Economic and Social Committee of the Regions on enhanced intra-EU solidarity in the field of asylum – An EU agenda for better responsibility-sharing and more mutual trust.

Dublin II: Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist.

dublin2.info (2012): Blogeintrag: Dublin II kippen! Aktionstag an den fünf größten deutschen Abschiebeflughäfen. Im Internet abrufbar unter http://dublin2.info/2012/04/459/; 04.02.2013.

Joint Communiqué: Gemeinsame Erklärung der Innenminister_innen von Zypern, Griechenland, Italien, Malta und Spanien. Im Internet abrufbar unter https://migrantsatsea.wordpress.com/2011/04/21/cyprus-greece-italy-malta-spain-issue-joint-communique-regarding-response-to-north-african-migration/; 06.12.13.

KOM(2001)447 endg.: Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Festlegung von Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines Asylantrags zuständig ist, den ein Staatsangehöriger eines dritten Landes in einem Mitgliedstaat gestellt hat.

KOM(2005)123 endg.: Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament – Aufstellung eines Rahmenprogramms für Solidarität und die Steuerung der Migrationsströme für den Zeitraum 2007-2013.

KOM(2007)299 endg.: Bericht der Kommission zur Bewertung des Dublin-Systems.

KOM(2008) 820 endg.: Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist.

Pro Asyl (2007): „The Truth may be bitter, but it must be told“ – Über die Situation von Flüchtlingen in der Ägäis und die Praktiken der griechischen Küstenwache. Frankfurt am Main. Im Internet abrufbar unter: http://www.proasyl.de/ fileadmin/proasyl/fm_redakteure/Kampagnen/Stoppt_das_Sterben/Griechenlandbericht_Endf.pdf; 13.03.2013.

SEC(2000)522: Commission staff working paper – Revisiting the Dublin Convention: developing Community legislation for determining which Member State is responsible for considering an application for asylum submitted in one of the Member States.
SEC(2007)742 final: Commission staff working document accompanying document to the Report from the Commission to the European Parliament and the Council on the evaluation of the Dublin system – Annex to the communication on the evaluation of the Dublin system.

Anmerkungen:

(1) Tömmel 2008: 28-29

(2) Vgl. Kloth 2000: 7-8; Mouton 2001: 191

(3) Vgl. Kloth 2000: 8

(4) Kloth 2001: 17; Mouton 2001: 193

(5) Kloth 2001: 24

(6) Zu dem gesamten Prozess vgl. auch Jonathan Aus 2006

(7) Vgl. Buckel/Georgi/Kannankulam/Wissel 2013:  51-53. Sie streben eher danach der Kontrolle zu entgehen, sich nicht abschieben zu lassen, ihre Fingerabdrücke unkenntlich zu machen und nicht erwischt zu werden, als zu versuchen den herrschenden Konsens über Migrationskontrollpolitik zu verändern und an den Auseinandersetzungen um Gesetzestexte mitzuwirken.

(8) Das „Verantwortungsprinzip“ geht davon aus, dass Staaten Verantwortung für den von ihnen „ver­ur­sachten“ Aufenthalt von Migrant_innen in der EU tragen. Die Idee, dass ein Staat den Aufenthalt einer migrierenden Person auf europäischem Territorium verursacht, ist dabei theoretisch nicht haltbar. Selbstverständlich können Staatsgrenzen mehr oder weniger durchlässig sein, aber es ist nicht plausibel, die Ursache beispielsweise für einen unerlaubten Grenzübertritt allein bei einem Staat und nicht bei der migrierenden Person selbst zu verorten. Dennoch ist das Konzept der staatlichen „Verursachung“ von Migration tief in die Struktur der Dublin-Verordnung eingeschrieben und dadurch äußerst wirksam.

(9) vgl. auch Papadimitriou/Papageorgiou 2005

(10) Eine ausführlichere Darstellung der gesellschaftlichen und juridischen Auseinandersetzung um die Abschiebungen auf der Grundlage von Dublin II finden sich in Oeser 2012 und in Hartl/Lorenz/Meyerhöfer/Neumann/Oeser 2013

(11) Ein Urteil des EGMR ist nicht direkt bindend für alle Mitgliedstaaten. Allerdings müssen alle Mitgliedstaaten nach dem Urteil damit rechnen in vergleichbaren Fällen auch verklagt zu werden, wenn sie einen Asylsuchenden ohne entsprechende Prüfung der Situation im Zielland abschieben.

(12) Das No Border Netzwerk ist ein Zusammenschluss von Aktivist_innen, die sich für ein Recht auf globale Bewegungsfreiheit und ein Recht zur freien Wahl des Aufenthaltsortes einsetzen.

(13) Die griechisch-türkische Grenze war zusammen mit der Grenze zwischen Nordafrika und Italien der Brennpunkt illegalisierter Migration in die EU (Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union – Ausschussdrucksache 17(21)0961). Die Aussetzung der Abschiebungen nach Griechenland betraf demnach einen großen Anteil der Menschen, die in die EU mit dem Ziel einreisten, internationalen Schutz zu beantragen.

(14) Parallel zu den Verhandlungen um Dublin III wurde auch die Eurodac Verordnung verhandelt. Der Rat wollte die Eurodac Verordnung insofern ändern, dass es nationalen und europäischen Strafverfolgungsbehörden möglich sein soll, auf die Fingerabdrücke der Datenbank zum Zweck der Bekämpfung von organisierter Kriminalität und Terrorismus zuzugreifen.

(15) Interview Europäisches Parlament 2012

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