Publikationen / vorgänge / vorgänge Nr. 212: Reflexhaftes Strafrecht

Der Ausbau des Terro­ris­muss­traf­rechts und die Recht­spre­chung des Bundes­ge­richts­hofs

Kritische Betrachtung des Gesetzes zur Änderung der Verfolgung der Vorbereitung von schweren staatsgefährdenden Gewalttaten

In: vorgänge 212 (4/2015), S. 36-47

Mit dem Gesetz zur Änderung der Verfolgung der Vorbereitung von schweren staatsgefährdenden Gewalttaten werden die Eingriffsbefugnisse der Sicherheitsbehörden und das materielle Strafrecht erweitert. Begründet wird dies mit allgemeinen Sicherheitsbelangen und der Gefahrenabwehr. Die Neuregelungen im Bereich des Terrorismusstrafrechts sind Teil eines Prozesses der Vorverlagerung und Erweiterung des Strafrechts insgesamt. Jens Puschke prüft die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im Hinblick auf die Einhaltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und des Bestimmtheitsgebots. Der Beitrag erschien zuerst in der Ausgabe 7/2015 der Zeitschrift Der Strafverteidiger (StV). Er wurde uns freundlicherweise von der Redaktion zur Verfügung gestellt.

A. Kritische Vorverlagerungstendenzen im Terrorismusstrafrecht

Der sog. Kampf gegen den Terrorismus ist seit Jahrzehnten eines der dominierenden Felder deutscher, europäischer und internationaler Sicherheitspolitik und hat seit Beginn des neuen Jahrtausends besonders Fahrt aufgenommen.Die Mittel der Wahl sind vor allem eine massive Erweiterung der Eingriffsbefugnisse von Sicherheitsbehörden sowie der Ausbau und die Verschärfung des materiellen Strafrechts. Nach der Strafbarkeit der Bildung einer terroristischen Vereinigung gem. § 129a StGB, die vor dem Hintergrund der terroristischen Bedrohung durch organisierte Gruppen bereits 1976 normiert wurde2, betrafen die im Jahr 2009 eingeführten §§ 89a, 89b, 91 StGB Gefahren durch terroristische Einzeltäter.3 Flankiert wurden die Erweiterungen durch die Aufnahme der Straftatbestände in den Katalog der Geldwäsche gem. § 261 Abs. 1 Nr. 5 StGB. Nunmehr steht mit dem Gesetz zur Änderung der Verfolgung der Vorbereitung von schweren staatsgefährdenden Gewalttaten4 erneut eine Erweiterung des Terrorismusstrafrechts an.

I. Hintergründe der Vorverlagerung des Strafrechts

Die Neuregelungen im Bereich des Terrorismusstrafrechts sind Teil eines Prozesses der Vorverlagerung und Erweiterung des Strafrechts insgesamt. Dieser Prozess ist gekennzeichnet durch die Einführung vielzähliger Tatbestände, die bereits eine als gefährlich beurteilte Handlung sowie die Vorbereitung eines Rechtsgutsangriffs unter Strafe stellen und nicht erst bei der Schädigung des Rechtsgutes ansetzen. Die Erweiterungen finden ganz besonders in solchen Regelungsbereichen statt, die komplexe Sachlagen betreffen, wie die Materien des Wirtschafts- und Umwelt- oder Computerstrafrechts. Beispielhaft zu nennen sind: der Kapitalanlagebetrug gem. § 264a StGB, die Bodenverunreinigung gem. § 324a StGB, die Vorbereitung eines Computerbetruges gem. § 263a Abs. 3 StGB oder die Vorbereitung des Ausspähens und Abfangens von Daten gem. § 202c StGB. Im Terrorismusstrafrecht dient die Vorverlagerung der Strafbarkeit der sog. Bekämpfung5 von Großrisiken.6 Die zuletzt eingeführten §§ 89a, 89b, 91 StGB pönalisieren die Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat (§ 89a StGB), die Aufnahme von Beziehungen zur Begehung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat (§ 89b StGB) und die Anleitung zur Begehung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat (§ 91 StGB).
Dieser Prozess der Erweiterung wird als Hinwendung zu einem Präventions- oder Gefährdungsstrafrecht7 sowie mit dem Begriff der Vorverlagerung der Strafbarkeit8 beschrieben. Die Hintergründe für diese Entwicklung des materiellen Strafrechts sind vielfältig. Das Strafrecht wird als ein funktionales Mittel gegen ein zunehmendes Gefühl von Bedrohung und für die Befriedigung eines hiermit einhergehenden Sicherheitsbedürfnisses eingesetzt. Dabei wird die Beherrschung komplexer und als problematisch beurteilter Geschehensabläufe behauptet.Hiermit geht einher, dass insbesondere das Vorbereitungsstrafrecht als Vehikel zum Einsatz strafprozessualer Maßnahmen genutzt wird, die neben dem Ziel der Aufklärung eines konkreten strafrechtlich relevanten Sachverhalts zunehmend auch die Aufdeckung von Strukturen und einen milieubezogenen Erkenntnisgewinn zum Ziel haben.Des Weiteren soll ein Vorfeldstrafrecht zur rechtzeitigen Intervention in Geschehensabläufe dienen. So sollen Schäden, etwa durch terroristische Anschläge, mit dem Mittel des Strafrechts verhindert werden, indem die Möglichkeit eines frühzeitigen Eingreifens geschaffen wird und präsumtive Attentäter mit Hilfe eines Freiheitsentzuges dauerhaft von Taten abgehalten werden können. Nicht zuletzt sind europäische Vorgaben und internationale Vereinbarungen Motor dieser Entwicklung.Die beschriebenen Tendenzen und ihre Hintergründe sind aus rechtsstaatlicher Sicht hochproblematisch. Die Bezugnahme auf die Gefährlichkeit von Handlungen als Anknüpfungspunkt für steuernde Maßnahmen weist eine systemimmanente Ausweitungstendenz auf. Wird bereits Gefährlichkeit als zu beherrschender Zustand ausgemacht, so richtet sich das Bestreben auf die Aufdeckung bzw. Produktion neuer Risiken, denen es dann zu begegnen gilt.Steht ein neuartiges Risiko im Raum, ist es aus kriminalpolitischer Perspektive rechtfertigungsbedürftig, hierauf nicht mit allen Mitteln zu reagieren, insbesondere wenn der Eintritt eines großen Schadens droht. Die Deutung des Strafrechts als Gefahrenabwehrrecht zur Intervention in Geschehensabläufe führt dazu, dass nicht Unrecht, sondern ausschließlich gemutmaßte Gefährlichkeit zum Anknüpfungspunkt der Regelungen wird.Der Gesetzgeber neigt auch aus diesem Grund zu einer Überregulierung.Dabei wird den Begrenzungen allgemeiner verfassungsrechtlicher und konkret auf das Strafrecht bezogener Garantien, wie des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, des Bestimmtheitsgebotes und des Schuldprinzips sowie des Schutzes vor Eingriffen in einen Kernbereich privater Lebensgestaltung im Vorfeldstrafrecht häufig nicht hinreichend Rechnung getragen,15 da die Eingriffskriterien vager und breiter gefasst sind und mehr Spielraum für Interpretation lassen.

II. Stand der Diskussion im Terrorismusstrafrecht

Im Bereich des Terrorismusstrafrechts war die Vorverlagerung der Strafbarkeit mit der Einführung der §§ 89a, 89b, 91 StGB zu einem vorläufigen Höhepunkt gelangt. Insbesondere die Strafbarkeit der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat gem. § 89a StGB fand in der Literatur umfassende, vornehmlich kritische Beachtung.16 Die Kritik beinhaltet vor allem verfassungsrechtliche Bedenken, die sich primär auf die Unvereinbarkeit der Norm mit dem Bestimmtheitsgrundsatz und dem Verhältnismäßigkeitsprinzip beziehen.
Nach der Entscheidung des BGH vom 08.05.201417 ist zudem klar, dass auch die höchstrichterliche Rechtsprechung Einschränkungen aus verfassungsrechtlichen Gründen für notwendig hält. Der BGH hatte zu entscheiden18, ob das Beschaffen erforderlicher Bestandteile für eine sog. Rohrbombe (etwa Treibladungen von Feuerwerkskörpern, Pulver von Zündholzköpfen, Rohrbögen aus Metall sowie Wecker und Mobiltelefon) und deren teilweiser Zusammenbau (Bohren von Löchern in die Rohrbögen, Zerlegen der Wecker und Bohren einer Öffnung in die Verschalung des Mobiltelefons zur Nutzung als Zündauslöser) gem. § 89a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 StGB strafbar ist, wenn der Angeklagte bei der Ausführung der Handlungen billigend in Kauf nimmt, die Rohrbombe in der Öffentlichkeit zum Einsatz zu bringen. Konkreter Einsatzzeitpunkt und -ort waren noch nicht näher bestimmt. In der Entscheidung wird geprüft, ob die tatbestandlichen Vorgaben des § 89a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 StGB dem Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen. Während kein Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot festgestellt wird, erfordert der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nach dem BGH eine einschränkende Auslegung des Tatbestands.19 Danach sei § 89a Abs. 2 StGB dahingehend verfassungskonform auszulegen, dass der Täter bzgl. des Ob der schweren staatsgefährdenden Gewalttat fest entschlossen sein müsse. Bedingter Vorsatz reiche hier – entgegen Hinweisen in der Gesetzesbegründung20 – nicht aus21. Trotz dieser umfassenden Bedenken gegen die bestehende Regelung in § 89a StGB sieht sich der Gesetzgeber derzeit zu einer neuerlichen Erweiterung veranlasst, die vorbereitende Ausreiseunternehmungen und bestimmte Handlungen im Vorfeld der Terrorismusfinanzierung pönalisiert.

B. Gesetz zur Änderung der Verfolgung der Vorbereitung von schweren staatsgefährdenden Gewalttaten

Nach dem Gesetzentwurf der Regierungsfraktionen22 soll zukünftig mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren gem. § 89a Abs. 2a StGB bestraft werden können, wer es unternimmt, zum Zweck der Begehung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat oder einer Vorbereitungshandlung gem. § 89a Abs. 2 Nr. 1 StGB aus der Bundesrepublik Deutschland auszureisen, um sich in einen Staat zu begeben, in dem Unterweisungen von Personen im Sinne des § 89a Abs. 1 Nr. 1 StGB erfolgen, und dadurch eine schwere staatsgefährdende Gewalttat vorbereitet. Zudem soll gem. § 89c Abs. 1 S. 1 StGB das Sammeln, Entgegennehmen oder Zur-Verfügung-Stellen von Vermögenswerten mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft werden können, wenn es in dem Wissen oder in der Absicht geschieht, dass diese von einer anderen Person zur Begehung einer in den Nummern 1-8 festgelegten Straftat verwendet werden sollen. Einschränkend wird gem. § 89c Abs. 1 S. 2 StGB verlangt, dass die Straftaten dazu bestimmt sein müssen, die Bevölkerung auf erhebliche Weise einzuschüchtern, eine Behörde oder eine internationale Organisation rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt zu nötigen oder die politischen, verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Grundstrukturen eines Staates oder einer internationalen Organisation zu beseitigen oder erheblich zu beeinträchtigen; zudem müssen sie durch die Art ihrer Begehung oder ihre Auswirkungen einen Staat oder eine internationale Organisation erheblich schädigen können. Gem. § 89c Abs. 2 StGB soll ebenso bestraft werden, wer unter diesen Voraussetzungen Vermögenswerte sammelt, entgegennimmt oder zur Verfügung stellt, um selbst eine der genannten Straftaten zu begehen.
Die Begründung für die erhebliche Erweiterung und erneute Vorverlagerung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit entspricht den eingangs beschriebenen Hintergründen für die Vorverlagerung des Strafrechts und orientiert sich an allgemeinen Belangen der Sicherheit und der Gefahrenabwehr. Konkret werden die Regelungen mit der aktuellen Sicherheitslage in Deutschland begründet.Problematisch sei die zunehmende Reisetätigkeit junger Deutscher nach Syrien, um sich dort islamistischen Gruppierungen anzuschließen sowie ihre Rückkehr nach Deutschland. Zudem müsse effektiv auch gegen den wirtschaftlichen Nährboden terroristischer Organisation vorgegangen werden, was durch die eigenständige Strafbarkeit der Finanzierung terroristischer Handlungen mit einer Mindeststrafe gewährleistet werden soll. Die durch das GVVG eingefügten Regelungen zur Terrorismusbekämpfung hätten sich bei der praktischen Ermittlungsarbeit als gewinnbringend für die Erkenntnisgewinnung erwiesen. Nicht zuletzt dienten die Regelungen der Umsetzung der UN-Resolution 2178 (2014) vom 28.09.2014 sowie Forderungen der Financial Action Task Force (FATF).Damit stellen die geplanten Neuregelungen eine nochmalige, erhebliche Vorverlagerung der Strafbarkeit dar. Bei den Ausreiseunternehmungen wird die Vorbereitung einer Vorbereitung einer terroristischen Straftat unter Strafe gestellt. Reiseunternehmungen in einen Staat, in dem Unterweisungen zur Begehung terroristischer Straftaten vorgenommen werden, ermöglichen – anders als z.B. der Umgang mit gefährlichen Stoffen gem. § 89a Abs. 2 Nr. 1 StGB – nicht unmittelbar die Ausführung einer solchen Straftat. Vielmehr ist eine Vielzahl weiterer bedeutsamer Zwischenschritte notwendig, wie das angestrebte Erlernen der Fertigkeiten oder das Besorgen der Anschlagsmittel. Die Vorverlagerung wird durch die einem Unternehmenstatbestand gem. § 11 Abs. 1 Nr. 6 StGB inhärente Erfassung der Versuchshandlung noch einmal verstärkt. Auch die in § 89c StGB geregelten Tathandlungen mit dem Ziel der Terrorismusfinanzierung betreffen das Vorfeld der Straftatvorbereitung und stellen zudem durch die Erweiterung der Straftaten, deren angestrebte finanzielle Förderung erfasst wird, eine massive Ausdehnung der Strafbarkeit gegenüber dem bisherigen § 89a Abs. 2 Nr. 4 StGB dar. Aus dieser Entfernung zwischen Tathandlungen und Rechtsgutsverletzungen folgt, dass die neuen Regelungen objektiv an Verhaltensweisen (Ausreiseunternehmung, Umgang mit Vermögenswerten) anknüpfen, die neutral sind und aus denen sich keine Rückschlüsse auf die Vorbereitung einer Straftat ergeben.

C. Verhältnismäßigkeit und Bestimmtheit der Neuregelung des Terrorismusstrafrechts

Die Neuregelung wirft die Frage auf, ob eine derartig weitgehende Vorverlagerung zu begründen und legitimierbar ist. Für die Bewertung dessen kann auf die Maßstäbe zurückgegriffen werden, die Rechtsprechung und die weithin noch kritischere Lehre zu § 89a Abs. 2 Nr. 3 StGB entwickelt haben. Diese Norm erfasst bereits das Sich-Verschaffen oder Verwahren von Gegenständen oder Stoffen, die erst nach einem Prozess der Herstellung zu Waffen, Stoffen oder Vorrichtungen die Begehung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat ermöglichen.

I. Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und Unrechtsgehalt der Tathandlung

Die Strafbarkeit der Vorbereitung einer Straftat ist nur dann verhältnismäßig und damit verfassungsgemäß, wenn sie zur Erreichung eines verfassungsrechtlich zulässigen Zwecks geeignet, erforderlich und angemessen ist.

1. Eignung und Erforderlichkeit der Normen zur Zweckerreichung

Der Zweck der strafrechtlichen Erfassung vorbereitender Ausreiseunternehmungen ist – entsprechend den Ausführungen des BGH zur Vorbereitungsstrafbarkeit des § 89a StGB – darin zu sehen, die Begehung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat zu verhindern bzw. den dahinterstehenden Schutz von Leben und persönlicher Freiheit zu erreichen.Dem BGH zufolge stellt dementsprechend auch die möglichst effektive strafrechtliche Verfolgung von organisatorisch nicht gebundenen (Einzel-)Tätern, die besonders gewichtige, staatsgefährdende Gewalttaten vorbereiten, einen legitimen Zweck der Norm dar.Ebenso liegt auch der Zweck des Verbotes bestimmter Handlungen im Vorfeld der Terrorismusfinanzierung darin, die hierdurch möglicherweise geförderten Katalogtaten des § 89c Abs. 1 StGB zu unterbinden. In Bezug auf diese Zwecke wird man Normen, die es ermöglichen, Handlungen im Vorfeld solcher Straftaten zu bestrafen, grundsätzlich als geeignet ansehen können, wenngleich damit über die Qualität der Eignung sowie über die Wirkweise des Strafrechts noch nichts gesagt ist
Problematischer unter der Prämisse des Zwecks der Verhinderung schwerer Straftaten ist die Antwort auf die Frage, ob der Einsatz des Strafrechts – zumal mit einer Strafandrohung von sechs Monaten bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe – auch erforderlich ist. Für § 89a Abs. 2 Nr. 3 StGB hat der BGH angeführt, dass zwar unterschiedliche Meinungen darüber vertreterbar seien, ob auch mildere Mittel zur Zweckerreichung existierten. Ohne diese zu diskutieren, verweist er dann jedoch auf den weiten Beurteilungsspielraum des Gesetzgebers.Zwar steht dem Gesetzgeber auch bzgl. der Behandlung von Ausreiseunternehmungen zur Vorbereitung terroristischer Straftaten sowie für den Umgang mit Vermögenswerten ein Beurteilungsspielraum zu. Allerdings ist jedenfalls für das Vorhaben des Ausreisens zu beachten, dass hierfür bereits jetzt ein Kontroll-und Regelungsregime zur Ausreisebegrenzung zur Verfügung steht, dessen Anpassung an spezifische Gefährdungslagen durchaus denkbar und zugleich weniger eingriffsintensiv erscheint.

2. Angemessenheit der Normen

Den entscheidenden Maßstab für die Beurteilung der Verhältnismäßigkeit einer Strafnorm und damit auch für ihre Legitimität bildet die Angemessenheit der Norm. Entsprechend legt auch der BGH den Schwerpunkt seiner Prüfung auf die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne. Der Eingriff in die Freiheitsrechte durch eine Strafnorm ist dann angemessen, wenn die Freiheitsbeeinträchtigung nach ihrer Art und Intensität nicht außer Verhältnis steht zu den Belangen, deren Schutz der Zweck des Grundrechtseingriffs ist.

a) Anzulegender Maßstab

Soweit das Leben und die persönliche Freiheit als die hinter § 89a StGB stehenden Rechtsgüter ausgemacht werden können, steht es außer Frage, dass ihr Schutz vor schweren Gewalttaten ein gewichtiger Belang ist. Bei einigen der in § 89c Abs. 1 S. 1 StGB aufgezählten Straftaten fällt die Bewertung der betroffenen Belange hingegen keinesfalls eindeutig aus. So wird dort etwa der Umgang mit Vermögenswerten auch im Vorfeld der Unterstützung von Vergehen, wie etwa § 224 StGB oder sogar §§ 303b, 305 und 305a StGB, kriminalisiert. Ob die Beschränkung auf Taten, die dazu bestimmt sind, in besonderer Weise auf die Bevölkerung, Organisationen oder den Staat einzuwirken (§ 89c Abs. 1 S. 2 StGB), diese relativ geringe Schwere einzelner Katalogtaten aufwiegen kann, ist fraglich, da es sich hierbei um nur schwer bestimmbare Vorgaben handelt. Diese greifen mit dem Verweis auf die Einschüchterung der Bevölkerung in erheblicher Weise oder auf die erhebliche Beeinträchtigung von politischen, verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Grundstrukturen eines Staates oder einer internationalen Organisation in noch größerem Umfang als § 89a Abs. 1 StGB auf unbestimmte Rechtsbegriffe zurück.
Zudem ist zu beachten, dass durch das mit Freiheitsstrafe bewehrte und mit einem staatlichen Unwerturteil36 verbundene Verbot nicht nur die Verletzungshandlung, sondern Handlungen, die sich weit im Vorfeld einer Rechtsgutsverletzung bewegen, betroffen sind, weshalb in besonders intensiver Weise in die allgemeine Handlungsfreiheit gem. Art. 2 Abs. 1 GG37, in das allgemeine Persönlichkeitsrecht gem. Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG sowie in das Grundrecht des Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG im Sinne antizipierter Betroffenheit eingegriffen wird. Der BGH weist insoweit zwar zu Recht darauf hin, dass das Unter-Strafe-Stellen bereits der Tatvorbereitung als solches keinen Verstoß gegen das Übermaßverbot begründet.Jedoch führt die Strafbarkeit von Vorbereitungshandlungen zu einer größeren Verbotsmenge gegenüber der Strafbarkeit von Rechtsgutsverletzungen und bezieht sich zudem auf objektive Tathandlungen, die als solche einen (wenn überhaupt) weniger ausgeprägten Unrechtsgehalt beinhalten. So knüpft der Tatbestand des § 89a StGB an eine Vielzahl von alltäglichen Verhaltensweisen an, wie das Erlernen bestimmter Fertigkeiten, die zusätzlich zu den rechtsgutsverletzenden Tötungshandlungen gem. §§ 211, 212 StGB und Handlungen gem. §§ 239a, 239b StGB pönalisiert werden, wenn sie vorbereitender Natur sind. Wegen dieses strafrechtsspezifischen Eingriffscharakters ist Voraussetzung für die Angemessenheit solcher Normen, dass die Vorbereitungstat ein besonderes Gefahrenpotenzial aufweist und strafwürdiges Unrecht darstellt. Ermittlungstaktische Erwägungen dahingehend, dass durch die Erfassung bestimmter Verhaltensweisen die strafprozessuale Intervention in einen gemutmaßt gefährlichen Geschehensablauf möglich ist, sind als Legitimation nicht ausreichend. Die normierte Tathandlung muss vielmehr in einer Gefährdungsbeziehung zu der unmittelbaren Beeinträchtigung eines Rechtsgutes durch die Haupttat – im Fall des § 89a StGB also zu den anvisierten Tötungshandlungen bzw. zu den Delikten gegen die persönliche Freiheit – stehen. Die Beurteilung dieser Beziehung zur Haupttat ist notwendiger Bestandteil einer verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsprüfung von Vorbereitungstatbeständen.
Auch aus Sicht des BGH ist der Unrechtsgehalt der erfassten Tathandlungen von entscheidender Bedeutung. Es würden zwar auch äußere, für sich genommen neutrale Handlungen von § 89a StGB erfasst. Im Zusammenhang mit dem subjektiven Kontext, den Plänen und Absichten des Täters, könne dies jedoch strafbares Unrecht begründen.41 Entscheidend sei, dass weder die genannten objektiven Tathandlungen alleine, noch der Wille zur Begehung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat alleine für die Strafbarkeit ausreichend seien. Erst aus der rechtsgutsgefährdenden Betätigung bestimmter Gedanken ergebe sich die insoweit angemessene Strafbarkeit. Diese Ausführungen treffen zunächst auch auf die Neuregelung zur Strafbarkeit von Ausreiseunternehmungen und den Umgang mit Vermögenswerten zu, die für sich genommen neutrale Handlungen sind. Dem BGH ist insoweit zuzustimmen, dass sich das Unrecht einer Vorbereitungstat erst aus einer Zusammenschau der objektiven und subjektiven Tatseite ergibt. Seine Vorgaben greifen allerdings bzgl. der Anforderungen an die objektive Tatseite zu kurz.

b) Anforderungen an die objektive Tatseite

Der Maßstab für die Beurteilung der Anforderungen an die objektive Tatseite ergibt sich aus der Beziehung zwischen der Vorbereitungstat und der unmittelbaren Rechtsgutsbeeinträchtigung durch die anvisierte Haupttat. Diese Beziehung darf sich nicht nur aus den Plänen und Absichten des Vorbereitenden ergeben, sondern muss auch in der objektiven Tathandlung zum Ausdruck kommen. Eine objektiv belanglose Handlung kann als Anknüpfungspunkt für das Strafrecht nicht ausreichen. Die strafrechtliche Verantwortlichkeit für die geplanten Folgen einer Vorbereitungshandlung kann dem Normadressaten nur zugeschrieben werden, wenn sein Verhalten einen bedeutungsvollen Grundstein für die spätere Schädigungshandlung legt und sich als typische Vorbereitungshandlung darstellt. Andernfalls fehlen der unrechtsbegründende Bezug zur unmittelbaren Rechtsgutsbeeinträchtigung und ein Anknüpfungspunkt für die auf Stärkung der Normgeltung abzielende Generalprävention.Berücksichtigt man zudem die berechtigten Interessen der Normunterworfenen an der Ausübung der sanktionsbedrohten Verhaltensweise,so wird die Notwendigkeit eines objektiven Deliktsbezuges besonders deutlich. Zwar reduziert bei Vorbereitungsdelikten der erforderliche subjektive Bezug zu einer späteren unmittelbaren Rechtsgutsbeeinträchtigung ein berechtigtes Interesse der tatvorbereitenden Person. Bei einer Bewertung der Verhältnismäßigkeit der Norm sind jedoch auch die Interessen sonstiger Personen an der Ausübung der jeweiligen Handlung, wie der Ausreise oder dem Sammeln von Vermögenswerten, unabhängig von ihrer Intention, insoweit beachtlich, als etwaige, eingriffsintensive Ermittlungsmaßnahmen bereits auf Grundlage der objektiven Handlung eingeleitet werden können.
Diesen Voraussetzungen wird bereits die der Entscheidung des BGH zugrundeliegende Regelung des § 89a Abs. 2 Nr. 3 StGB nicht gerecht. Zum einen darf der schlichte, nicht konkret gefährliche Umgang mit Alltagsgegenständen nicht zu einer Strafbarkeit führen, was nicht nur Wecker und Handys als potenzielle Zündwerkzeuge,sondern auch ein Kilogramm Nägel oder Kühlpads betrifft.Zum anderen kann ein hinreichendes objektives Gefährdungspotenzial durch die Vorbereitungshandlung allenfalls dann angenommen werden, wenn das Tatmittel ohne weitere wesentliche Zwischenschritte für die Tatausführung genutzt werden kann.Bzgl. der Neuregelungen zur Strafbarkeit von Ausreiseunternehmungen und des Umgangs mit Vermögenswerten bestehen noch weitaus größere Bedenken hinsichtlich einer angemessenen Normierung der objektiven Tatseite. Weder kann die Ausreise aus der Bundesrepublik Deutschland als eine typische Vorbereitungshandlung gedeutet werden,48 noch weist bei rein objektiver Betrachtung das Sammeln, Entgegennehmen oder Zur-Verfügung-Stellen von Vermögenswerte in Richtung einer Rechtsgutsschädigung durch eine der in § 89c Abs. 1 S. 1 StGB aufgezählten Straftaten. Eine Beschränkung z.B. auf eine bestimmte Form des Geldflusses von oder zu einer terroristischen Vereinigung kann dem Wortlaut des § 89c StGB nicht entnommen werden. Die Anknüpfung der Strafbarkeit allein an diese äußerlich neutralen Handlungen stellt daher einen unangemessenen Eingriff in die Grundrechte der Normadressaten dar.

c) Anforderungen an den Planungszusammenhang

Ein angemessener Vorbereitungstatbestand setzt zudem voraus, dass auch die subjektive Tatseite auf die unmittelbare Rechtsgutsbeeinträchtigung bezogen ist. Je weiter die objektive Tathandlung von einer Rechtsgutsverletzung entfernt ist und je stärker das nachfolgende Geschehen in der Hand des Vorbereitungstäters liegt, desto höher müssen die Anforderungen an den Planungszusammenhang sein. Für den Tatbestand des § 89a Abs. 2 Nr. 3 StGB führt der BGH diesbezüglich aus,dass zwar subjektiv die Modalitäten der schweren staatsgefährdenden Gewalttat nicht schon im Detail festgelegt sein müssten. Jedoch genüge es nicht, dass der Täter nur den allgemeinen Deliktstypus in sein Vorstellungsbild aufnehme. Dies ergebe sich bereits daraus, dass anhand der Vorstellung des Täters überprüfbar sein müsse, ob die geplante Tat eine schwere staatsgefährdende Gewalttat darstelle.Erforderlich sei zudem, dass der Täter bzgl. des »Ob« der Tat fest entschlossen sei, da § 89a StGB auch Verhaltensweisen unter Strafe stelle, die aufgrund der Vorverlagerung sehr weit von einer Rechtsgutsschädigung entfernt und für sich genommen unverdächtig seien. Nur die Verknüpfung eines unbedingten Willens des Täters zur Durchführung der schweren staatsgefährdenden Gewalttat mit den unter Umständen sozialneutralen objektiven Tathandlungen mache eine abstrakte Gefährdung gewichtiger Rechtsgüter in einem Maße erkennbar, das eine Strafverfolgung des Täters legitimieren könne. Die hohen Anforderungen an die subjektive Tatseite stellen somit im Strafverfahren, und damit auch aus Sicht der Strafverteidigung, den Dreh-und Angelpunkt bzgl. des Tatnachweises dar. Da sich ein fester Entschluss zur Begehung bzgl. der präsumtiven Tat allein aus dem äußerlichen Tatverhalten nicht ergibt, wird der Nachweis regelmäßig schwer zu führen sein,weshalb insbesondere heimliche Ermittlungsmaßnahmen in diesem Bereich von großer Bedeutung sind.
Diesem Maßstab des BGH ist zunächst entgegenzuhalten, dass auch hohe Anforderungen an den Planungszusammenhang die Erfassung eines äußerlich neutralen Tatgeschehens nicht aufwiegen können. Solchen Anforderungen im subjektiven Tatbestand kann daher nur dann legitimierende Wirkung zukommen, wenn es um die Verknüpfung einer typischen Vorbereitungshandlung mit der anvisierten Haupttat geht. Zuzustimmen ist dem BGH darin, dass auch der Planungszusammenhang spezifische Anforderungen erfüllen muss, um die angemessene Ausgestaltung einer vorverlagerten Strafnorm zu gewährleisten. Wird das Zusammenspiel zwischen objektivem und subjektivem Bezug zur schädigenden Haupttat als Prüfungsmaßstab für die Verhältnismäßigkeit der Norm betrachtet, so ist richtigerweise eine Differenzierung danach angezeigt, ob eine eigene oder eine fremde Haupttat vorbereitet wird bzw. konkreter danach, ob das Geschehen mit der vorbereitenden Tat noch in den Händen des Vorbereitungstäters liegt oder maßgeblich von Dritten bestimmt wird. Hält der Täter das Geschehen noch in den eigenen Händen, muss die Planung bzgl. der weiteren Schritte bis hin zur schädigenden Haupttat, soweit deren Ausführung durch den Täter selbst erfolgen soll, konkrete Züge tragen und der Entschluss hierzu feststehen. Keinen hinreichenden Anknüpfungspunkt für das Gefährdungsunrecht der Vorbereitungstat stellt es dar, wenn die in Blick genommene Tat völlig unbestimmt ist oder der Vorbereitende ihre Durchführung nur für möglich hält und sie billigend in Kauf nimmt.Ist demgegenüber aus Sicht des Vorbereitungstäters der Geschehensverlauf nicht mehr beherrschbar, da die Tat von Dritten ausgeführt werden soll, reicht es vorbehaltlich weitergehender Anforderungen des konkreten Tatbestandes aus, wenn sich die Vorstellung des Vorbereitenden auf die Erfüllung der tatbestandlich in den Blick genommenen Merkmale bezieht. Vorsatz bezüglich der zukünftigen Tatausführung ist daher dann zu verneinen, wenn lediglich ein allgemeines Bewusstsein der Gefährdung anderer besteht, da der Charakter einer Vorbereitungstat dann nicht hinreichend erfasst ist.Zudem reicht es in diesen Fällen aus, wenn der Täter, sei es zur Profitmaximierung oder um politischer Ideologien willen, es nur billigend in Kauf nimmt, dass Dritte die Tat ausführen.
Auf den ersten Blick scheint der Gesetzgeber diesen Vorgaben mit der Neuregelung gerecht zu werden. Für die Strafbarkeit der Ausreiseunternehmungen wird die Absicht der Begehung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat oder von Vorbereitungshandlungen gem. § 89a Abs. 2 Nr. 1 StGB verlangt. Der Umgang mit Vermögenswerten ist nur dann strafbar, wenn er in dem Wissen oder in der Absicht erfolgt, dass das Geld zur Begehung bestimmter Straftaten verwendet werden soll bzw. in der Absicht, eine solche Straftat selbst zu begehen. Entscheidend ist jedoch auch, auf welche Straftat sich die Planung des Täters beziehen muss. Insofern stellt sich die Frage, ob es genügt, wenn nur eine weitere Vorbereitungs-und nicht die Schädigungshandlung selbst angestrebt wird. Werden die erhöhten Anforderungen an den Vorsatz aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz im Zusammenspiel mit dem Tat-und Schuldprinzip abgeleitet,kann es nicht ausreichen, dass der Vorbereitende zu irgendeiner Tat fest entschlossen ist und sie in konkreten Zügen geplant hat. Es ist vielmehr nötig, dass die anvisierte Haupttat das Rechtsgut unmittelbar beeinträchtigt. So müssen auch die Vorgaben des BGH interpretiert werden, da ansonsten die sich aus der Verfassung ergebende notwendige Beschränkung des Anwendungsbereichs des Vorbereitungstatbestandes durch den subjektiven Tatbestand nicht erreicht und die erforderliche Rechtsgutsbeziehung nicht hergestellt werden können. Würde jede strafbare Handlung als Anknüpfungspunkt für den Planungszusammenhang ausreichen, würden die verfassungsrechtlichen Beschränkungen bei der Vorbereitung einer Vorbereitung ins Leere laufen.
Für die Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat, die der Täter selbst durchführen will, bedeutet dies, dass er zu dieser Gewalttat fest entschlossen sein und sie in Grundzügen konkretisiert haben muss. Das GVVG-ÄndG sieht darüber hinaus jedoch auch die Möglichkeit vor, dass die Ausreise unternommen wird, um eine weitere Vorbereitungshandlung i.S.d. § 89a Abs. 2 Nr. 1 StGB für die Gewalttat zu begehen.58 Auch für diese Tatvariante bedarf es mit Blick auf die Ausführungen des BGH eines festen Entschlusses, eine in den Grundzügen konkretisierte Gewalttat zu begehen. Hieran wird es jedoch häufig fehlen, wenn die Ausreise erfolgt, um zunächst Fähigkeiten für terroristische Anschläge zu erlernen. Im Strafverfahren ist daher der Nachweis gerade eines solchen spezifischen Vorsatzes von zentraler Bedeutung.
In ähnlicher Weise problematisch sind Teile der in Bezug genommenen Straftaten der Terrorismusfinanzierung im Entwurf für § 89c Abs. 1 StGB. Das geforderte Wissen bzw. die Absicht, dass andere Personen die gesammelten, entgegengenommenen oder zur Verfügung gestellten Vermögenswerte zur Begehung einer Katalogtat verwenden werden, bzw. die Absicht dies selbst zu tun, kann als Voraussetzung nur dann zu einer verhältnismäßigen Norm führen, wenn sich der Planungszusammenhang auf Taten erstreckt, die ihrerseits ein gewichtiges Rechtsgut unmittelbar beeinträchtigen. Daher reicht es nicht aus, wenn sich der qualifizierte Vorsatz, wie es § 89c Abs. 1 S. 1 Nr. 7 und Nr. 8 StGB vorgibt, lediglich auf eine Vorfeldtat, wie § 328 Abs. 1, 2, § 310 Abs. 1, 2 StGB oder den neu geregelten § 89a Abs. 2a StGB bezieht und nicht auch auf die in noch fernerer Zukunft liegende schädigende Haupttat. In den Fällen der Finanzierung der Vorbereitung eines Explosions- oder Strahlungsverbrechens gem. § 310 Abs. 1, 2 StGB oder der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat gem. § 89a Abs. 2a StGB ist daher zu verlangen, dass der qualifizierte Vorsatz auch die Durchführung des Explosions- oder Strahlungsverbrechen oder der Gewalttat selbst beinhaltet.

II. Hinreichende Bestimmtheit der Tathandlung

Einen zweiten gewichtigen Maßstab für die Verfassungskonformität der Normen liefert Art. 103 Abs. 2 GG. Dieser enthält für den Gesetzgeber die Verpflichtung, wesentliche Fragen der Strafwürdigkeit oder Straffreiheit im demokratischparlamentarischen Willensbildungsprozess zu klären und die Voraussetzungen der Strafbarkeit so konkret zu umschreiben, dass Tragweite und Anwendungsbereich der Straftatbestände zu erkennen sind und sich durch Auslegung ermitteln lassen. Hierzu ist es ausreichend, wesentliche und dauerhafte Bestimmungen über Voraussetzungen, Art und Maß der Strafe vorzunehmen. Die Verwendung wertausfüllungsbedürftiger Begriffe bis hin zu Generalklauseln ist nicht von vornherein ausgeschlossen.
Der BGH geht in seiner Entscheidung zu § 89a StGB davon aus, dass bzgl. der Auslegung des Begriffs der in Bezug genommenen schweren staatsgefährdenden Gewalttat auf § 120 Abs. 2 Nr. 3a und b GVG und die hierzu ergangene Rechtsprechung sowie § 92 StGB zurückgegriffen werden könne. Auch bzgl. der Vorbereitungshandlungen des § 89a Abs. 2 Nr. 3 StGB selbst sei eine hinreichende Bestimmtheit gewahrt, da die Auslegung der Tatbestandsmerkmale an die des § 310 Abs. 1 StGB angelehnt werden können.Folgt man diesen Vorgaben hinsichtlich der Bestimmtheit werden wohl auch die Neuregelungen nicht für zu unbestimmt gehalten werden. Für den Begriff der Ausreiseunternehmung gibt die Gesetzesbegründung erste Hinweise, wann mit einer solchen, differenziert nach Transportmitteln, begonnen wird.61 Zur näheren Bestimmung kann zudem auf Regelungen aus dem Aufenthaltsgesetz und dem Passgesetz sowie auf die Rechtsprechung hierzu zurückgegriffen werden. Allerdings ist zu beachten, dass das Reisen regelmäßig eine kontinuierliche Handlung ist, die zudem häufig passiv erfolgt (Passagier in einem Flugzeug, Schiff, Zug, Auto), was die Bestimmung eines Zeitpunktes, ab dem mit der Ausreise begonnen wird, erschwert. Auch das Sammeln, Entgegennehmen oder Zur-Verfügung-Stellen von Vermögenswerten ist einer Konkretisierung durch die Rechtsprechung grundsätzlich zugänglich.
Jedoch erscheint es angezeigt, nicht die rein formale Bestimmbarkeit irgendeines Verhaltens ausreichen zu lassen. Der Gesetzgeber muss vielmehr das Handlungsunrecht hinreichend bestimmt im Tatbestand umschreiben.Nur auf diese Weise kann gerade für die stark subjektiv geprägten Vorbereitungstatbestände die Unterscheidung von strafbarem und straflosem Verhalten gewährleistet werden. Die unrechtsbezogene, also typisierte Beschreibung der objektiven Tathandlung dient einerseits dazu, dass den Normunterworfenen zur Ermöglichung einer generalpräventiven Wirkung in nachvollziehbarer Art verdeutlicht wird, welche Verhaltensweisen kriminalisiert und daher mit einem Unwerturteil belegt sind. Andererseits sind auch die Akteure der staatlichen Strafrechtspflege als Normadressaten anzusehen, die auf Grundlage der materiellen Strafnormen über die Legitimität der Anwendung eingriffsintensiver Ermittlungsmaßnahmen sowie letztlich über die Frage der Schuld oder Unschuld entscheiden müssen. Die auch an sie gerichteten Tatbestandsumschreibungen müssen so präzise sein, dass die Wahrscheinlichkeit einer Verurteilung Unschuldiger und, rechtstatsächlich bedeutsamer, die Anwendung strafprozessualer Ermittlungsmaßnahmen gegenüber Tatunbeteiligten so gering wie möglich ist.66 Für Vorbereitungstatbestände erfordert dies, dass die objektive Tathandlung in einer Weise tatbestandlich erfasst ist, die auf die Planung einer Straftat hinweist und die Feststellung dieser subjektiven Tatseite zulässt. Wird diese Voraussetzung nicht erfüllt, besteht die Gefahr, dass z.B. für die Beurteilung der Frage, ob beim Versuch des Überschreitens der Grenze eine schwere staatsgefährdende Gewalttat geplant wurde, auf allgemeine Lebensumstände zurückgegriffen wird. Im Zusammenhang mit dem islamistischen Terrorismus als Anlass für die Gesetzesänderung ist die unvermeidliche Folge, dass Grenzübertritte oder der Umgang mit Vermögenswerten durch Muslime anders bewertet werden als solche von Nicht-Muslimen.
Diesen Anforderungen werden die geplanten § 89a Abs. 2a und § 89c StGB nicht gerecht, da sie äußerliche Handlungen erfassen, die gerade nicht in typischer Weise auf die Vorbereitung einer schweren Straftat und damit auf das Unrecht der Tat hinweisen. Dies führt dazu, dass die Normen weder die unrechtsverdeutlichende Wirkung gegenüber der Bevölkerung umsetzen, noch handlungsleitende Vorgaben für die an der Strafrechtspflege Beteiligten bieten.

D. Fazit

Nach dem rechtsstaatlichen Tiefpunkt des materiellen Terrorismusstrafrechts in Form der Einführung der §§ 89a, 89b und 91 StGB67 geht der Gesetzgeber mit dem GVVG-ÄndG noch einen Schritt weiter. Die Normen des § 89a Abs. 2 Nr. 2a und des § 89c StGB knüpfen objektiv an in jeder Hinsicht neutrales Verhalten an, das weit vor einer Rechtsgutsschädigung stattfindet. Die erhöhten Anforderungen an den Planungszusammenhang terroristischer Straftaten vermögen diesen Mangel nicht auszugleichen. Die Neuregelungen werden den Vorgaben des BGH zu Grenzen der Vorverlagerung des Strafrechts nicht gerecht und verstoßen gegen den verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und das Bestimmtheitsgebot gem. Art. 103 Abs. 2 GG.

DR. JENS PUSCHKE   Jahrgang 1975, ist Privatdozent und vertritt derzeit einen Lehrstuhl für Strafrecht und Kriminologie an der Philipps-Universität in Marburg. Er ist Mitglied der Humanistischen Union, deren Bundesvorstand er von 2007-2013 angehörte.

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