Publikationen / vorgänge / vorgänge Nr. 216: Rechtspopulismus / Rechtsextremismus

„… nötigen­falls Vernich­tung.“ Eine Fußnote zu Carl Schmitt*

in: vorgänge Nr. 216 (4/2016), S. 77-84

Für rechte Parteien sind die Einheit des Volkes und die Einheit der Kultur auch heute noch grundlegende Voraussetzung der Nation. Diese Einheit präge auch den Umgang der Menschen, das Verhältnis der Geschlechter und das Verhalten der Eltern gegenüber den Kindern. Eine Relativierung dieser Werte gefährde den sozialen Frieden und den Fortbestand der Nation als kulturelle Einheit (siehe etwa das Grundsatzprogramm der Alternative für Deutschland, beschlossen auf dem Parteitag vom 30.4./1.5.2016, S. 47). Vor etwa 100 Jahren forderte ein rechter Denker als Grundvoraussetzung der Demokratie die Homogenität. Nach dem 30. Januar 1933 wandelte er Homogenität in Artgleichheit. Sein Name: Carl Schmitt.

1. Einleitung

Spätestens seit dem Erscheinen der Biographie von Reinhard Mehring [1] wissen wir, dass Carl Schmitt ein Mensch mit erheblichen charakterlichen Schwächen war. Hierfür sind weniger bedeutend seine vielfältigen Frauenbekanntschaften, die er auch während seiner Ehen unterhielt,[2] die er zum Teil mit einem Geldbetrag abfand [3] oder denen er – in einem Fall – gegen Sex bei der Doktorarbeit behilflich war.[4] Bedeutsamer ist, dass er Freunde und Förderer nach 1933 fallen gelassen und zum Teil sogar bekämpft hat.[5] Vor allem aber war er ein Antisemit[6] und Nazi-Anhänger[7]. Schon vor 1933 weist Mehring eine Reihe von antisemitischen Äußerungen nach.[8] Ab 1933 biederte Schmitt sich den Nazis geradezu an.[9] Er publizierte in Parteizeitungen, im „Westdeutschen Beobachter“ und im „Völkischen Beobachter“ Artikel, die unübersehbar seine nationalsozialistische Entscheidung propagierten.[10] In dem Artikel „Die deutschen Intellektuellen“ im „Westdeutschen Beobachter“ vom 31. Mai 1933 antizipierte er die gesetzliche Regelung der Strafexpatriation und bejahte die Bücherverbrennung.[11] Sein Aufsatz „Der Führer schützt das Recht“ aus dem Jahre 1934 rechtfertigte die sog. Röhm-Morde – und das, obwohl auch der frühere Reichskanzler Kurt von Schleicher, dem er angeblich nahestand, zusammen mit seiner Frau bei dieser Aktion ermordet wurde.[12] Dieser Aufsatz war ihm offensichtlich so wichtig, dass er ihn 1940 in die Sammlung „Positionen und Begriffe“ aufnahm. 1935/36 schrieb er eine Reihe von antisemitischen und nazistischen Texten[13] und rechtfertigte u.a. die Rassegesetzgebung des Nürnberger Parteitages.[14] Eine Art Höhepunkt bildete die von ihm organisierte Tagung der Reichsgruppe Hochschullehrer über „Das Judentum in der Rechtswissenschaft“ Anfang Oktober 1936. Schmitt forderte in seinen Beiträgen eine Bibliographie jüdischer Autoren, eine Säuberung der Bibliotheken und eine Zitierpraxis, wonach ein Jude, wenn er zitiert werde, als „Jude“ zitiert werden müsse.[15]

Nach 1945 fand er kein Wort des Bedauerns.[16] Auf die Frage, ob er den Aufsatz „Der Führer schützt das Recht“ noch einmal schreiben würde, antwortete er, dass es dazu nichts zu sagen gäbe.[17] Sein Schüler E. R. Huber bat ihn 1948 schriftlich, die Protokolle der Nürnberger Prozesse zu lesen, um zu erkennen, welche Verbrechen die Nazis begangen hatten. Er lehnte dies ab.[18] Er hat auch nie sein Verhältnis zu dem Reichsrechtsführer und späteren Generalgouverneur Hans Frank[19] erklärt, der 1946 in Nürnberg hingerichtet wurde und mit dem er in Sachen Antisemitismus einen engen Schulterschluss übte.[20]

Schmitt suchte die Nähe der Macht[21] und machte sich größer als er war. Er schrieb über das Vorzimmer der Macht[22] – und er sah sich wohl auch dort. Er wollte politische Entscheidungen mit beeinflussen. Aber vom Preußenschlag erfuhr er aus der Zeitung[23] und über Mitarbeiter[24] von Schleicher kam er nicht hinaus.[25] Um im Bild zu bleiben: er befand sich nicht im Vorzimmer, er stand wohl eher auf dem Flur.[26] Das hat ihn offenbar getroffen. Er war ein Getriebener.[27]

Diese Ausführungen haben nicht zum Ziel, den Autor und sein Werk zu denunzieren oder die Leser negativ auf das Werk einzustimmen.[28] Aber ich halte diese Hinweise gerade bei Carl Schmitt für erforderlich. Denn ebenso wie die Opfer dürfen auch die Täter nicht vergessen werden.[29]

Seine wissenschaftlichen Leistungen werden unterschiedlich beurteilt.[30] Von einigen wird er auch heute noch als einer der großen Denker der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts angesehen. Dabei wird u.a. auf die „Verfassungslehre“ verwiesen. Andere halten den „Begriff des Politischen“ für sein wichtigstes Werk. Ernst-Wolfgang Böckenförde bezeichnet diese Arbeit als den „Schlüssel zum staatsrechtlichen Werk Carl Schmitts“[31]. Schwächen seines Werkes werden schlicht nicht erwähnt. Die negativen menschlichen Seiten werden mit dem allfälligen Hinweis abgetan, man müsse Person und Werk trennen. Andere bezeichnen ihn als Kronjuristen[32] des 3. Reiches. Sie verweisen auf die bereits erwähnten Werke sowie auf seine Ausführungen zur völkerrechtlichen Großraumordnung, worin sie eine Grundlage für und eine Rechtfertigung der Eroberungsfeldzüge Hitlers sehen.[33]

Im Folgenden geht es nicht um eine umfassende Auseinandersetzung mit seinem Werk. Vielmehr möchte ich auf eine Stelle in der Schrift „Die geistesgeschichtliche Lage des heutigen Parlamentarismus“ hinweisen. Die 2. Auflage ist fast 100 Jahre alt, indes scheint noch keiner die Vorbemerkung gelesen zu haben; oder man hat sie gelesen und bewusst übersehen, dass darin die Rechtfertigung für den Holocaust gesehen werden kann.[34]

2. Die geistes­ge­schicht­liche Lage des heutigen Parla­men­ta­rismus

a) Die erste Fassung der „geistesgeschichtliche(n) Lage des heutigen Parlamentarismus“ erschien 1923 in der Festgabe der Bonner Juristenfakultät zum 50. Doktorjubiläum von Ernst Zitelmann, Ende Oktober 1923 geringfügig überarbeitet als Broschüre.[35] 1926 erschien die 2. Auflage mit der „Vorbemerkung über den Gegensatz von Parlamentarismus und Demokratie“. Inzwischen ist der Nachdruck dieser Auflage als 8. Auflage (1996) erschienen.

b) Die Kritik hat sich – soweit ersichtlich – bisher nur mit dem eigentlichen Text und nicht mit der Vorbemerkung befasst und dem Autor vorgehalten, er beschreibe eine Idealform des Parlamentarismus, die vorgeblich das 19. Jahrhundert bestimmt habe. Sodann stelle er fest, dass die Bedingungen für einen solchen Parlamentarismus im 20. Jahrhundert nicht mehr gegeben seien. Damit habe der Parlamentarismus als politisches Prinzip im Zeitalter von Industrie und Massenpolitik seine Legitimität verloren. Diese Verfallsgeschichte des Parlamentarismus – so die Kritik – diene dazu, das Ideal gegen die Realität auszuspielen.[36]

c) Nicht kritisiert wurden indes Schmitts Äußerungen in der Vorbemerkung. Dort heißt es:[37]

„Jede wirkliche Demokratie beruht darauf, daß nicht nur Gleiches gleich, sondern, mit unvermeidlicher Konsequenz, das Nichtgleiche nicht gleich behandelt wird. Zur Demokratie gehört also notwendig erstens Homogenität und zweitens – nötigenfalls – die Ausscheidung oder Vernichtung des Heterogenen. (…) Die politische Kraft einer Demokratie zeigt sich darin, daß sie das Fremde und Ungleiche, die Homogenität Bedrohende zu beseitigen oder fernzuhalten weiß“ (S. 13/14). [38]

Schmitt deutet nur an, worin das Ungleiche besteht. Klar ist für ihn, dass es sich bei der Frage der Gleichheit nicht um Spielereien handelt, sondern um die Substanz der Gleichheit. Diese könne in bestimmten physischen und moralischen Qualitäten gefunden werden (S. 14). In der Schrift „Schrift „Staat, Bewegung, Volk“ wird er deutlicher. Hier ist von der „Artgleichheit“ die Rede, die sich in der „Rasse“ ausdrücke. Ohne diese Artgleicheit wäre „der nationalsozialistische Staat … sofort wieder seinen – bald überlegen-kritisierenden, bald unterwürfig sich assimilierenden – liberalen oder marxistischen Feinden ausgeliefert.“ (S. 42) Im Zusammenhang mit der „Vernichtung“ fügt er in der „geistesgeschichtliche(n) Lage des heutigen Parlamentarismus“ (S. 14) als Beispiel die Vertreibung der Griechen aus der Türkei im Jahre 1922 an. Dabei erwähnt er nicht, dass u.a. Konstantinopel ausgenommen wurde und somit die konsequente Homogenisierung unterblieb. Er spricht auch nicht an, dass im Vertrag von Lausanne 1923 die Zugehörigkeit zur Religion das entscheidende Kriterium für den folgenden Bevölkerungsaustausch war, die indes nicht immer der ethnischen Zugehörigkeit entsprach. Was war also das eigentlich Heterogene? Auch die Vertreibung der Armenier und den an ihnen verübten Völkermord erwähnt er nicht. Er spricht lediglich von der „rücksichtslosen Türkisierung“ des Landes. Dabei wäre sie das treffendere Beispiel gewesen. Griechenland hatte gegen die Türkei einen Krieg verloren. Die Vertreibung war zwar hart, aber die Griechen wussten, wohin sie fliehen konnten. Die Armenier hatten keinen Krieg gegen die Türkei geführt und sie hatten keinen eigenen Staat, in den sie hätten fliehen können.[39] Warum erwähnt Schmitt den Fall nicht? Dieser Fall war der Extremfall.[40] Der Extremfall, der nicht auf dem Papier stand, sondern der praktiziert wurde: ein Völkermord. Hiergegen kann auch nicht eingewandt werden, die von Schmitt erwähnte Vertreibung der Griechen zeige, dass die Ermordung des Heterogenen nicht zwingend sei und Schmitt eine Ermordung zum Zwecke der Homogenisierung nicht wolle. Denn Schmitt spricht einerseits kryptisch von der „rücksichtslosen Türkisierung“ und andererseits zusätzlich zu der Ausscheidung von der Vernichtung. Jemand, der mit Begriffen operierte und dem die Bedeutung der einzelnen Begriffe wichtig war – wie Schmitt – musste wissen, dass Vernichtung eine weitergehende Bedeutung hat als Ausscheidung – nämlich Tod, und zwar den gewaltsamen Tod. Und Schmitt wusste das, wie die Formulierung „rücksichtslose Türkisierung“ zeigt. Hinzu kommen seine Ausführungen in „Staat, Bewegung, Volk“ (S. 5), wo er die Vernichtung der kommunistischen Partei gutheißt – zu einer Zeit, in der sie bereits in Konzentrationslagern ermordet wurden.

Carl Schmitt musste wissen, was er schrieb und wohin dies führen konnte – eben zur Vernichtung. Dennoch schrieb er es. Er konnte wohl nicht voraussehen, dass die Nazis ab Mitte 1942 die Juden fabrikmäßig ermorden würden. Aber da ihm das Parteiprogramm der NSDAP und „Mein Kampf“ bekannt gewesen sein dürften,[41] hätte er wissen können, dass die Armenier der Nazis die Juden waren. Das Parteiprogramm deklarierte: „Staatsbürger kann nur sein wer Volksgenosse ist. Volksgenosse kann nur sein, wer deutschen Blutes ist … Kein Jude kann daher Volksgenosse sein.“[42] Die Juden waren also das Heterogene, dass nötigenfalls mit unausweichlicher Konsequenz vernichtet werden musste.[43] Und nachdem die Ausscheidung nach Madagaskar gescheitert war, erfolgte die Vernichtung in den Konzentrationslagern.

Nicht nachvollziehbar ist, dass er beim Nachdruck (1961) der zweiten Auflage, die erstmals die Vorbemerkung enthielt, kein Wort zu den Formulierungen im Vorwort und den Verbrechen der Nazis verlor, während er etwa dem „Begriff des Politischen“ bei der Wiederveröffentlichung 1963 u.a. ein Vorwort voran stellte.

3. Schluss

Die Ausführungen haben gezeigt, dass über Carl Schmitt noch nicht alles gesagt ist. Dass er die Vernichtung der Juden akzeptiert (oder sogar gefordert) hat, dürfte durch die Hinweise auf die Ausführungen in der Vorbemerkung zu der „geistesgeschichtliche(n) Lage des heutigen Parlamentarismus“ und in „Staat, Bewegung, Volk“ belegt sein. Dies gilt auch für seinen Antisemitismus, wobei er selbst seine Haltung als judenkritisch bezeichnet.

Niemand von uns, die nach 1945 geboren wurden, kann die Frage beantworten, wie er sich selbst zwischen 1933 und 1945 verhalten hätte. Wir sollten deshalb mit Schuldvorwürfen vorsichtig sein. Allerdings dürfen wir von denen, die in dieser Zeit lebten, handelten und Einfluss nahmen, erwarten, dass sie sich zu ihrem Verhalten erklären. Dies hat Carl Schmitt nicht getan. Er hat es nicht für notwendig erachtet, sich z. B. von seinen Äußerungen auf der Tagung 1936 zu distanzieren oder eine Erklärung zu den Ausführungen in der Vorbemerkung zur „geistesgeschichtliche(n) Lage des heutigen Parlamentarismus“ zu geben. Wie sein Verhalten zwischen 1933 und 1945 zu bewerten ist, muss jeder für sich entscheiden. Unverzeihlich ist indes, dass er sich nach 1945 dazu trotz Aufforderung nicht geäußert hat. Dies sollten auch seine Verteidiger zur Kenntnis nehmen.

DR. HERBERT MANDELARTZ   Jahrgang 1948, war nach Studium und Promotion u.a. im Ministerium des Innern des Saarlandes (1985 bis 1999, von 1996 bis 1999 als Staatssekretär), bei einer Beratungsgesellschaft und von 2001 bis 2006 im Presse- und Informationsamt der Bundesregierung zunächst als Abteilungsleiter und ab 2002 als Stellvertretender Chef tätig. Danach war er u.a. Lehrbeauftragter an der Humboldt Universität zu Berlin.

Anmerkungen

1 Reinhard Mehring, Carl Schmitt. Aufstieg und Fall, 2009; hierzu: Lepsius, Überdokumentiert, in: Rechtsgeschichte, 2010, 226ff.

2 Mehring, Carl Schmitt, 196, 202 231, 233, 235ff, 273, 284.

3 Mehring, Carl Schmitt, 221, 222, 231.

4 Mehring, Carl Schmitt, 131ff; und er war sich nicht zu schade, in einer Fußnote der „geistesgeschichtliche(n) Lage des heutigen Parlamentarismus“ diese Arbeit als „ausgezeichnet“ zu qualifizieren, 31, Fn. 1.

5 Mehring, Carl Schmitt, 314; Rüthers, Entartetes Recht, (Taschenbuchausgabe), 1994, 138f.; ders., Carl Schmitt im Dritten Reich, 1989, 48; Jasch, Staatssekretär Wilhelm Stuckart und die Judenpolitik, 2012, 85.

6 Mehring, Carl Schmitt, 307f.; Rüthers, Entartetes Recht, 125ff.; Ders., Carl Schmitt, 72ff, 87ff.; Müller, Ein gefährlicher Geist. Carl Schmitts Wirkung in Europa, (englisch: 2003, deutsch) 2007, 51; Hoffmann, Legitimität gegen Legalität, 4. Aufl. 2002, XLIV. Schmitt selbst bezeichnete sich nach Hoffmann (2002, XXVIII) als „judenkritsch“. Böckenförde (Zum Briefwechsel zwischen Ernst Forsthoff und Carl Schmitt, in: AöR 2008, 261ff., 263) spricht von Antijudaismus. Siehe hierzu: Henning/Kestler, Die Rechtsstellung der Juden, in: Böckenförde (Hrsg.), Staatsrecht und Staatsrechtslehre im Dritten Reich, 1985, 191ff., 192. Nach Dreier (Die deutsche Staatsrechtslehre in der Zeit des Nationalsozialismus, in: VVDStRL, Heft 60, 2001, 38) war die Rasse gemeint. 

7 Mehring, Carl Schmitt, 343, 354, 359, 372; Rüthers, Entartetes Recht, 101ff.; ders., Carl Schmitt, 48ff.

8 Mehring, Carl Schmitt, 188, 194, 222.

9 Siehe etwa Carl Schmitt (Staat, Bewegung, Volk, 3. unveränderte Aufl. 1934): „…in der gewaltigen Schlußrede des Führers, in den hinreißenden Ansprachen des Führers der Deutschen Rechtsfront, Dr. Hans Frank …“ (S. 42). Gleichzeitig stellte er klar, dass die Weimarer Verfassung nicht mehr galt (S. 5) und das Ermächtigungsgesetz in Wahrheit ein vorläufiges Verfassungsgesetz des neuen Deutschland sei (S. 7). Er stimmte Heß zu, dass der Parteitag in Nürnberg 1933 ein „Reichstag“ des Dritten Reiches war (S. 8). Außerdem sei ganz klar, dass der Reichskanzler Adolf Hitler staatsrechtlich eine Stellung habe, die mit keiner Stellung irgendeines früheren Reichskanzlers vergleichbar sei (S. 10). Siehe auch Mehring, Carl Schmitt zur Einführung, 1992, 107.

10 Mehring, Carl Schmitt, 324; ders., Einführung, 103ff.

11 Mehring, Carl Schmitt, 324.

12 Mehring, Carl Schmitt, 313f, 316f; relativierend Schnur (Aufklärung, in: Der Staat, 1988, 437ff., 444ff.), es sei Carl Schmitt darum gegangen, Hitler zu überzeugen, dass die über „Röhm hinausgegangenen“ Morde bestraft werden müssen. Demgegenüber ist Rüthers (Entartetes Recht, 123) der Auffassung, dass Carl Schmitt gerade keine Bestrafung dieser Täter gefordert, sondern es bei Andeutungen gelassen habe; ders., Carl Schmitt, 53ff.; so wohl auch Hoffmann (Legitimität, 181). Schmitt selbst fühlte sich damals überlegen und wollte dem Nationalsozialismus von sich einen Sinn geben, siehe Neumann (Carl Schmitt und die Linke, Die ZEIT Nr. 28 vom 28. Juli 1983) – welch eine Naivität oder Selbstüberschätzung. 

13 Mehring, Carl Schmitt, 361.

14 In der Regel werden, um Schmitts nationalsozialistische und antisemitische Haltung zu beweisen, nur der Aufsatz „Der Führer schützt das Recht“ und seine Ausführungen auf der Tagung 1936 angeführt. Dies greift jedoch zu kurz. Seine wahre Haltung zeigt sich in seinem Gesamtwerk jener Zeit. Siehe auch Mehring, Carl Schmitt, 367, 372.

15 Mehring, Carl Schmitt, 377, 675 Fn. 117; dementsprechend war Julius Stahl für ihn nur noch Joel Stahl-Jolson, Carl Schmitt, Staat, Bewegung, Volk, 3. unveränderte Aufl. 1934, 30; im „Begriff des Politischen“ (S. 64) spricht er noch von F. J. Stahl; in der „Völkerrechtliche(n) Großraumordnung“ vom Juden Laski (S. 60). Zur Behandlung der jüdischen Autoren s. Dreier (2001), 29, Fn. 101/30, Fn. 103 sowie zum Tagungsverlauf und den verschiedenen Zitatformen 30, Fn. 105-109.

16 Mehring, Carl Schmitt, 482; ders., Einführung, 130.  

17 In dem Nürnberger Protokoll heißt es „… definitely horrible. Nothing else can be said about it“, vgl. Benderski, Carl Schmitt. Terrorist fort the Reich, 1983, 269.

18 Siehe Grothe (Hrsg.), Carl Schmitt–Ernst Rudolf Huber. Briefwechsel: 1926 – 1981, 2014, 333f; auch Grothe/Mehring, Das Problem des „geheimen Gesetzes“ und die Grenze des „Führernotrechts“, in: Der Staat, 2016, 69ff, 74; auch Mehring, Carl Schmitt, 480ff.

19 Mehring, Carl Schmitt, 325ff.

20 Mehring, Carl Schmitt, 367.

21 Nach E. R. Huber (Carl Schmitt in der Reichskrise der Weimarer Endzeit, in: Quaritsch (Hrsg.), Complexio Oppositorum. Über Carl Schmitt, 1988, 33ff.) ging Carl Schmitt nach Berlin, weil sich ihm dort die Verbindungen zu der zentralen staatspolitischen Entscheidungsmacht öffneten (S. 36). Nach Müller (Ein gefährlicher Geist, 30) wollte er an vorderster Stelle des historischen Prozesses stehen.

22 Carl Schmitt, Der Zugang zum Machthaber, ein zentrales verfassungsrechtliches Problem, in: Verfassungsrechtliche Aufsätze aus den Jahren 1924-1954, 1958, 430ff; ders., Gespräch über die Macht und den Zugang zum Machthaber, 1954, insbes. 70ff.

23 Mehring, Carl Schmitt, 289; nach Müller (Ein gefährlicher Geist, 48) war Schmitt nicht einbezogen; nach E. R. Huber (Carl Schmitt in der Reichskrise, 37f, 60) war er hingegen eingeweiht.

24 Erich Marcks jun. und Eugen Ott; zum Verhältnis zu Ott: E. R. Huber, Carl Schmitt in der Reichskrise, 62.

25 Hierzu: Pyto, Schmitts Begriffsbestimmung im politischen Kontext, in: Mehring, Carl Schmitt. Der Begriff des Politischen. Ein kooperativer Kommentar, 2003, 219ff, 224ff; über sein Verhältnis zum Reichspräsidenten, 231; siehe auch Pyta/Seibert, Die Staatskrise der Weimarer Republik im Spiegel des Tagebuchs von Carl Schmitt, in: Der Staat 1999, 423ff., 428ff. (zu Marcks und Ott) sowie 594ff. (zu Schleicher).

26 Mehring, Carl Schmitt, 289, 302, 435; nach Rumpf, Neues westliches Echo auf Carl Schmitt, in: Der Staat 1983, 381ff. – unter Berufung auf Bendersky, Carl Schmitt, Theorist for the Reich, 1983, 19 – blieb er eine Randfigur, 390f.

27 Vielleicht löste seine geringe Körpergröße bei ihm ein Minderwertigkeitsgefühl aus. Nach Alfred Adler, dem Begründer der Individualpsychologie, ist die menschliche Psyche bestrebt, diesen Zustand der Unterlegenheit durch Geltungsstreben zu überwinden.

28 Vgl. hierzu Quaritsch, Über den Umgang mit Person und Werk Carl Schmitts, in: ders. (Hrsg.), Complexio Oppositorum. Über Carl Schmitt, 1988, 13ff.; Schlink, Die Kultur des Denunziatorischen, in: Merkur 2011, 473ff.

29 Wenn Böckenförde (Was kennzeichnet das Politische und was ist sein Grund, in: Der Staat 2005, 595ff, 595) meint, nach seinem Tode könne man sich von den Vorwürfen wegen seines Verhaltens gegenüber Juden freimachen, darf dies nicht bedeuten, dieses Verhalten zu verschweigen.

30 Hierzu Rüthers, Entartetes Recht, 150ff, 159ff; ders., Carl Schmitt, 100ff. Nach Neumann, Carl Schmitt und die Linke, Die ZEIT Nr. 28, vom 8. Juli 1983 ist unumstritten, dass er zu den einflussreichsten deutschen Staatsrechtlern und politischen Denkern des 20. Jahrhunderts gehört. Allerdings hätten insbesondere marxistisch orientierte Intellektuelle ihr ursprünglich positives Urteil nach 1933 geändert.

31 Der Text wurde zunächst in: Quaritsch (Hrsg.), Complexio Oppositorum. Über Carl Schmitt, 1988, 283ff veröffentlicht; eine weitere Veröffentlichung erfolgte in: Böckenförde, Recht, Staat, Freiheit, 2. Aufl. 1992, 344ff. Meine Verweise beziehen sich hierauf, da dieser Text besser zugänglich ist. Siehe auch: Böckenförde, Was kennzeichnet das Politische und was ist sein Grund, in: Der Staat 2005, 595ff, 606f. Kritisch Rüthers, Entartetes Recht, 110ff. sowie Hoffmann (2002, Anm. 6), IX, XLf. Nach Meier, Carl Schmitt, Leo Strauss und „Der Begriff des Politischen“, 1988, 11 ist Carl Schmitt durch den „Begriff des Politischen“ berühmter und berüchtigter geworden als durch sein ganzes übriges Werk. Bis zum 10. Juni 1932 waren etwa 100 Besprechungen erschienen (Meier 1988, 16, Fn. 7).

32 M.E. war eher E. R. Huber der Kronjurist; so wohl auch Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland, Bd. 3, Staats- und Verwaltungsrechtswissenschaft in Republik und Diktatur 1914 – 1945.

1999, 347. Dreier (2001, 144) hält ihn für die überragende intellektuelle Gestalt. Meinel (Unser Jahrhundert, in: Der Staat 2015, 231ff, 233) listet die übrigen sog. „professoralen Edelnazis“ auf.

33 Böckenförde sieht sie durch die Eroberungsfeldzüge veranlasst (Interview, 384). Dies kann nicht richtig sein. Schmitt hatte seine Überlegungen zum Großraum bereits im April 1939 auf einer Tagung im Kieler Institut für Politik und Internationales Recht vorgestellt. Er lieferte damit Ideen und Kategorien, die Hitlers Absichten legitimieren konnten; hierzu Müller, Ein gefährlicher Geist, 55 und 266, Fn. 70; Rüthers, Entartetes Recht, 142ff; Ders., Carl Schmitt, 85ff. Die Auffassung von Schlink (Kultur, 474), Schmitts Begriff des Großraums umgreife mehr als nur das nationalsozialistische Europa, erscheint fragwürdig. Schmitt geht aus von der Monroe-Doktrin und setzt sich anschließend mit der britischen Seewegsicherung auseinander. Danach spricht er den Großraum an und fordert die deutsche Völkerrechtswissenschaft auf, sich dem zu stellen und stellt selbst Grundsätze auf, wobei er insbesondere das Interventionsverbot hervorhebt. M.E. kann vor dem Hintergrund der vorangegangenen Erörterung nur noch Europa gemeint sein. Denn Amerika scheidet wegen der Monroe-Doktrin aus und von Afrika, Asien und Australien war nicht die Rede. Die Hervorhebung des Interventionsverbots liegt nahe, da er davon ausgehen musste, dass Amerika nicht abseits stehen würde, wenn Deutschland ganz Europa erobern würde.

34 In der Diskussion zu dem Böckenförde-Referat auf der Speyerer Tagung – siehe Quaritsch (Hrsg.), Complexio Oppositorum. Über Carl Schmitt – las Hepp diese Passage vor. Niemand der Anwesenden reagierte hierauf (311). Auch Müller zitiert dieses Stelle, ohne näher darauf einzugehen. Er weist nur darauf hin, dass der „Andere“ theoretisch auch ein Sklave sein konnte (39). Auch Gessenharter (Gegen 1789, gegen 1968, in: Süddeutsche Zeitung vom 24. August 2016, S. 2) erwähnt die Passage nur, ohne die Bedeutung besonders hervorzuheben. Schließlich setzt sich Nagy in dem IPW Selected Student Papers 58, Oktober 2015 der RWTH Aachen unter dem Titel „Demokratie als Diktatur“ mit der Demokratietheorie von Carl Schmitt, insbesondere den Passagen aus dem Vorwort zur „geistesgeschichtliche(n) Lage des heutigen Parlamentarismus“ auseinander, ohne die Frage der Vernichtung auch nur zu erwähnen.

35 Mehring, Carl Schmitt, 158, 163.

36 Siehe Müller, Ein gefährlicher Geist, 38. Filjakowski (Die Wendung zum Führerstaat, 1958) hat dies als generelle Position Schmitts dargelegt. A.A. Mehring, Carl Schmitt zur Einführung, 1972, 75.

37 Die Vorbemerkung ist unter dem Titel, Der Gegensatz von Parlamentarismus und moderner Massendemokratie, in: Positionen und Begriffe im Kampf mit Weimar – Genf – Versailles 1923 – 1939, 52ff. aufgenommen. In: Staat, Bewegung, Volk, 3. unveränderte Aufl. 1934, 42ff., 45f. schreibt Schmitt, dass die Artgleichheit unumgängliche Voraussetzung und Grundlage des bestehenden nationalsozialistischen Staates sei, ohne die sein Rechtsleben nicht denkbar ist. In der „Verfassungslehre“ (4. Aufl., 1965, 228ff.) formuliert er nicht so scharf. Zur Artgleicheit siehe Dreier (2001, 37ff.); wenn jener schreibt, er habe den Begriff „Judenvernichtung“ in der von ihm durchgesehenen Literatur nicht gefunden (40, Fn. 150), dann übersieht er, dass „Vernichtung“ ausreicht.

38 Die folgenden Seitenangaben beziehen sich jeweils auf die genannten Texte.

39 Weitere Beispiele sind für ihn die Regelungen zur Einwanderung nach Australien, die attische Demokratie und die Situation im früheren englischen Weltreich (S. 14/15).

40 Die Zahl der Opfer schwankt zwischen 300.000 und 1,5 Mio.

41 Vgl. hierzu Staat, Bewegung, Volk, 19 mit dem Hinweis auf „Mein Kampf“.

42 Vgl. Rüthers, Entartetes Recht, 92.

43 Larenz griff dies als Vorschlag für § 1 BGB auf: Rechtsgenosse ist nur, wer Volksgenosse ist. Volksgenosse ist, wer deutschen Blutes ist (1940); vgl. Rüthers, Entartetes Recht, 92.

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