Publikationen / vorgänge / vorgänge Nr. 216: Rechtspopulismus / Rechtsextremismus

Volks­ge­mein­schaft und nationale Identität

Geschichte und Entwicklung des Parteienspektrums rechts der Unionsparteien, in: vorgänge Nr. 216 (4/2016), S. 5-13

Die Erfolge rechtsextremer, insbesondere rechtspopulistischer Parteien in Europa und Deutschland sind eine Herausforderung für Politik und Politikwissenschaft. Im folgenden Text ist die Geschichte und Entwicklung der Parteien rechts von CDU/CSU der Ansatzpunkt zum Verständnis gegenwärtiger Entwicklungen. Vor diesem Hintergrund skizziert Hans-Gerd Jaschke drei Szenarien, erstens: Das Zurückdrängen der AfD durch eine rechtsgerichtete Politik der Unionsparteien beruht auf historischen Vorbildern. Zweitens: Eine Stabilisierung des Rechtspopulismus in Gestalt der AfD würde von der Partei den schwierigen Weg von der Gesinnungs- zur Verantwortungsethik abverlangen. Und drittens: Eine Unterwanderung der AfD durch rechtsextremistische Kräfte ist durchaus denkbar, weil sie eine Magnetfunktion auf die rechtsextreme Szene ausübt. Auch für diese Option, die zu einem Scheitern der Partei führen würde, gibt es historische Vorbilder.

Jahrzehntelang galt der auf Franz-Josef Strauß zurückgehende, in den Unionsparteien bis heute gepflegte und gern öffentlich beschworene Imperativ, rechts von der Union dürfe es keine demokratisch legitimierte Partei geben. Das Erstarken der Alternative für Deutschland (AfD) als solche bedroht dieses Bekenntnis noch nicht wirklich, denn Rechtsaußenparteien wie die NPD, DIE REPUBLIKANER und andere haben immer wieder Wahlerfolge verzeichnet, wenn auch nur für wenige Legislaturperioden. Eine verlässliche Prognose zur Nachhaltigkeit der AfD-Wahlerfolge ist aus heutiger Sicht kaum möglich. Dennoch stellt sich die Frage danach mit großer Dringlichkeit, denn eine Reihe von zweistelligen Wahlergebnissen für die AfD in einigen Bundesländern müssen zu denken geben.

Es sind zwei Entwicklungen, die ein längerfristiges oder gar dauerhaftes Erstarken einer ernsthaften Konkurrenz für die Unionsparteien rechts außen möglich machen könnten: Da ist zum einen der langanhaltende Erosionsprozess der etablierten Parteien, die an Mitgliedern und an Wählerstimmen einbüßen. Ihr Glaubwürdigkeitsdefizit hat nachhaltige Züge angenommen und vielfältige politische, aber auch gesellschaftliche Ursachen. Man denke etwa an Prozesse der Individualisierung, die auch anderen Großorganisationen wie Kirchen und Gewerkschaften Probleme bereiten, weil Menschen heute weniger geneigt sind, sich längerfristig zu binden. Denn die naturwüchsigen politischen und sozialmoralischen Milieus, die lange Jahre die politischen Lager getragen haben, schmelzen dahin. Im Ergebnis hat auch die AfD davon profitiert: Während Rechtsaußenparteien bisher nur der Einzug in Kommunal- und Landesparlamente gelang, steht die AfD vor dem Einzug in den Deutschen Bundestag. Das ist eine Konstellation, die es seit den 1950er Jahren nicht mehr gegeben hat.

Zum anderen haben sich tiefgreifende Veränderungen im internationalen Umfeld herausgebildet. Rechtsextreme, nationalistisch-fremdenfeindliche und rechtspopulistische Parteien haben große und auch nachhaltige Erfolge in Skandinavien, den Niederlanden, Belgien, Frankreich, Österreich und in Ungarn. Sie sind dort stabile Faktoren der Politik geworden, die, wie etwa die FPÖ in Österreich oder auch der Front National in Frankreich, durchaus Chancen haben, Regierungspartei zu werden. Folgt man Minkenbergs Systematik der europäischen Rechten seit 1990, dann haben rechtsextremistische Parteien in vier europäischen Ländern dauerhafte Erfolge, ethnozentristische in sieben, rechtspopulistische in sieben und religiös-fundamentalistische in einem (2013: 15). Bei all solchen Unterschieden ist die Ablehnung von Immigranten und Immigration ihr zentrales Thema und das entscheidende Motiv für ihre Wahlerfolge (Arzheimer 2008: 373ff.). Volksgemeinschaft und nationale Identität, die zentralen Bezugskategorien des rechtsextremen Denkens schlechthin, scheinen in den 2000er Jahren wieder eine ungeahnte Bindekraft zu entwickeln. Beide Entwicklungen, Europa und die nachlassende Attraktivität der etablierten Parteien, begründen die Sorgen vor einer dauerhaften Verschiebung des deutschen Parteiengefüges nach rechts. Dies hätte tiefgreifende Folgen, nicht nur für Regierungsbildungen, sondern auch für politische Inhalte: Die etablierten Parteien müssen die Wählerschaft der Rechten bedienen, und sie tun es, indem sie deren Themen aufgreifen und Konzessionen machen.

Es gibt jedoch auch gute Gründe, an der Langfristigkeit der rechten Wahlerfolge zu zweifeln. Ein Blick auf die Geschichte und Entwicklung rechter Parteien im Nachkriegsdeutschland legt die These nahe, dass Deutschland wieder einmal einen Sonderweg geht und ein dauerhafter Erfolg rechtspopulistischer und rechtsextremer Parteien unwahrscheinlich ist. Im Gegensatz zu europäischen Nachbarn konnte der parteienförmige Rechtsextremismus in Deutschland aufgrund der Nachwirkungen des Nationalsozialismus nur zeitweilige und begrenzte Erfolge aufweisen. Das Stigma des Nationalsozialismus bewirkt starken Druck auf alle Parteien, die als rechts(extrem) gelten, und hat vielfach zu innerparteilichen Zerwürfnissen geführt, die das Scheitern dieser Parteien insgesamt eingeleitet haben. Neben dem öffentlichen Druck waren gemäßigt rechte Parteien immer auch Anziehungspunkte für extremistische Kräfte, so dass auch rechtspopulistische Parteien rasch in den Dunstkreis des Neonazismus gerieten und ihre Chancen bei Wahlen so geschmälert wurden.
 Neben diesen historisch bedingten Legitimationsdefiziten und als Folge davon weisen Rechtsaußenparteien in Deutschland weitere strukturelle Begrenzungen auf: Das Organisations- und Professionalisierungsdefizit, sichtbar etwa in den Instabilitäten der Parteiengefüge und amateurhaft auftretenden Abgeordneten, führt zu permanenten internen Auseinandersetzungen. Schließlich: Das Programmdefizit, erkennbar am Lavieren zwischen Konservatismus und Nazismus, verstärkt eher noch interne Konflikte. Deshalb sind die Parteien bis heute im Kern Protest- und nicht Programmparteien, Wähler drücken ihren Protest aus, nicht aber die Zustimmung zu tatsächlichen politischen Alternativen.

Die nachfolgenden Überlegungen gehen diesen Thesen aus einem historischen Blickwinkel nach. Zunächst wird die Parteienlandschaft rechts der Unionsparteien nachgezeichnet, bevor dann drei Szenarien möglicher künftiger Entwicklungen des Parteienspektrums rechtsaußen skizziert werden.

Nazistische und neona­zis­ti­sche Parteien (SRP, NPD)

Es gab und gibt in der Geschichte der Bundesrepublik immer wieder Parteien, die sehr eng an Auftreten und Programmatik der NSDAP orientiert waren oder sind. Zu nennen sind zunächst die Sozialistische Reichspartei (SRP), die 1952 wegen ihrer Wesensverwandtschaft mit der NSDAP vom Bundesverfassungsgericht verboten wurde. In ihr hatten sich – wenige Jahre nach Kriegsende – ehemalige Aktivisten der NSDAP versammelt, die es noch einmal versuchen wollten. Das Verbot hatte beachtliche Wirkungen, denn es dauerte lange, bis es wieder nennenswerte Versuche geben sollte, eine NS-ähnliche Partei in Deutschland zu formieren.

Die zunächst deutschnationale NPD wurde 1964 gegründet als erfolgreiche Sammlungsbewegung verschiedener kleiner Rechtsaußenparteien. Sie war keineswegs eine Partei der Modernisierungsverlierer: „Mehr als ein Viertel der Parteimitglieder (stammten) aus den Berufsgruppen Einzelhändler, Bauern und Handwerker. Akademiker mit etwa 5 Prozent und der öffentliche Dienst mit 7 Prozent waren leicht überrepräsentiert, Berufssoldaten mit 3,3 Prozent elfmal so häufig in der NPD zu finden wie in der Gesamtbevölkerung“ (Prasse 2010: 40). Die soziale Basis der NPD in den 1960er Jahren deutet darauf hin, dass zu dieser Zeit ein beachtliches autoritär-nationalistisches Milieu an den Rändern und rechts der Unionsparteien Unzufriedenheit mit der politischen Entwicklung und den demokratischen Reformen in der Bundesrepublik artikulierte.

Die NPD entwickelte sich nach vielen innerparteilichen Krisen und Auseinandersetzungen seit Anfang der 1990er Jahre zu einer mehr und mehr offen nazistischen Partei. Maßgeblich hierfür war die Wahl des Holocaust-Leugners Günter Deckert zum Parteivorsitzenden 1991 und die Öffnung der Partei für das gewaltbereite, NS-orientierte Milieu der Kameradschaften durch den Parteivorsitzenden Udo Voigt nach 1996 (Salzborn 2015: 41ff.). Maßgeblich für die innerparteiliche Radikalisierung war auch die jahrzehntelange Erfahrung parlamentarischer Misserfolge auf der Basis rechtskonservativ-deutschnationaler Konzepte. Seit 1996 ist die Partei geprägt von NS-affinen Personen, Programmen und Strategien. Der Verbotsprozess am Bundesverfassungsgericht und die öffentlichen Debatten darüber haben auch von außen die Partei in der Ecke ganz rechtsaußen, eben außerhalb der Verfassung stehend, „festgenagelt“. Obwohl sie über einige Jahre vor allem in Ostdeutschland als „Kümmerer“-Partei auftrat und auch von einem Teil der Wählerschaft so wahrgenommen wurde, kann sie heute nicht mehr als ernsthafte wahlpolitische Alternative auftreten. Nachdem die NPD in Sachsen zwei Legislaturperioden im Landtag vertreten war, schied sie im September 2016 mit 3 Prozent der Zweitstimmen auch in Mecklenburg-Vorpommern aus dem Landtag aus. Damit ist die NPD auf ganzer Linie gescheitert: Sowohl der gemäßigte deutschnationale wie auch der nazistische Weg sind keine Perspektive. Was bleibt, ist ein Beziehungsnetzwerk, das für den organisierten Rechtsextremismus immer noch bedeutend ist als Plattform, Medium und kommunikative Schnittstelle.

DIE RECHTE, 2012 unter Federführung von Christian Worch gegründet, und „Der III. Weg“, 2013 aus Abtrünnigen des NPD-Landesverbandes Rheinland-Pfalz gegründet, sind neuere Versuche von Parteigründungen in der Tradition der NSDAP. Man könnte versucht sein, beide schon jetzt als gescheitert zu betrachten, doch die skeptische, aber realistische Prognose von Wahlerfolgen im Promille-Bereich wird der Sache nicht gerecht. Plausibler erscheint die Annahme, dass nach den zahlreichen Vereinsverboten seit den 1990er Jahren nun Organisationsformen opportun sind, die eine „Ausweichstruktur für verbotene Kameradschaften“ versprechen (Kopke 2016: 79) und allgemein eine „höhere Verbotsfestigkeit“ aufweisen (Menhorn 2014: 210). Parteistrukturen eröffnen militanten Gruppen derzeit bessere propagandistische Plattformen und Mobilisierungschancen als strukturarme Kameradschaften und Vereinigungen. Das verweist zurück auf die funktionale Bedeutung der NPD für den Rechtsextremismus insgesamt: Sie verfügt über gewachsene Infrastrukturen, Kommunikations- und Mobilisierungsnetzwerke, und nicht zuletzt fungiert sie als Sozialisationsfaktor für rechtsextreme politische Karrieren.

Die „Ewig­gest­rigen“ (DVU)

Bedürfte es weiterer Beispiele für das Konzept der „politischen Generationen“ (Schelsky), so ließe sich auf die Deutsche Volksunion (DVU) verweisen. Hier versammelten sich überwiegend diejenigen, die das Dritte Reich als junge Männer erlebten, vom Nationalsozialismus angetan waren, Funktionen übernahmen und das Kriegsende und die neue Bundesrepublik als Enttäuschung, als von den Siegermächten aufgezwungene Ordnung erlebten. Der Münchener Verleger Gerhard Frey hatte in den 1950er Jahren mit der Herausgabe der National-Zeitung diese Klientel erfolgreich umworben und einschließlich Buch- und Devotionalienhandel ein kleines publizistisches Imperium aufgebaut, dem es inhaltlich und politisch darum ging, die Biographien der Ewiggestrigen reinzuwaschen. Erst spät, 1987, gründete Frey die DVU-Liste D als autoritäre, von ihm selbst geführte und finanzierte Partei. Sie erreichte den Einzug in die Landtage von Bremen (1991), Schleswig-Holstein (1992), Brandenburg (1999 und 2004) und ihr bestes Ergebnis mit 12,9 Prozent in Sachsen-Anhalt (1998). Neben den Ewiggestrigen war es zeitweise gelungen, auch die Gruppe der Wende-Verlierer anzusprechen. 2001 ging die DVU in der NPD auf, nachdem ihre Kern-Klientel nach und nach verstorben war.

Die Arbeit der DVU-Abgeordneten in den Landtagen war geprägt von „Politikunfähigkeit, ihrer fachlichen Inkompetenz sowie ihrer rhetorischen Ausfälle“, Nicht-Beteiligung an der parlamentarischen Ausschussarbeit sowie Missbrauch von Fraktionsgeldern (Hoffmann/Lepszy 1998: 8). Zerwürfnisse in den Fraktionen waren an der Tagesordnung, die beiden in Bremen und Schleswig-Holstein zerbrachen bereits nach kurzer Zeit. Insofern bestätigen sich hier besonders drastisch unsere Ausgangsannahmen von den Legitimations-, Organisations- und Professionalisierungsdefiziten von rechtsextremen Parteien in Deutschland.

Die DVU war eine Besonderheit im parteiförmigen deutschen Rechtsextremismus, denn sie bediente durch publizistisch-kulturelles Reinwaschen vor allem die Generation der „ewiggestrigen“ Mitläufer und Funktionäre der NSDAP, die nach 1945 in der Mitte der Gesellschaft durchaus sozial integriert waren, von ihren Lebensgeschichten her sich gleichwohl ausgegrenzt und diffamiert fühlten. Dabei handelte es sich nicht nur um eher unauffällige Angehörige des Kleinbürgertums und der aufstrebenden Mittelschichten im Nachkriegsdeutschland, sondern auch um Angehörige von gesellschaftlichen Eliten wie ehemalige Reichswehr-Offiziere oder auch angesehene Wissenschaftler. Ein besonders süffisantes Beispiel hierfür ist der renommierte Münchener Verfassungsrechtler und bekannte Grundgesetz-Kommentator Theodor Maunz. Nach dessen Ableben im Jahr 1993 offenbarte Gerhard Frey, dass Maunz seit Ende der 1960er Jahre sein Berater gewesen war und unter einem Pseudonym regelmäßig Artikel für die National-Zeitung verfasst hatte. [1]

Der Fall steht exemplarisch für eine NS-belastete politische Generation, die im Nachkriegsdeutschland berufliche Karriere machte, gleichwohl aber den Verführungen des Nationalsozialismus, die ihre Jugend geprägt hatten, nicht oder nicht gänzlich widerstehen konnte. Dieser Teil des rechtsextremen Nachkriegsgebäudes scheint heute, generationsbedingt, mehr als baufällig. Er ist Geschichte geworden.

Rechts­po­pu­lismus (REPUBLI­KANER, Schill-­Partei, AfD)

Bei den Landtagswahlen 2016 in Baden-Württemberg zog die AfD mit 15.1 Prozent und 23 Abgeordneten in den Landtag ein. Nur wenige Monate später spaltete sich die Fraktion, nachdem der vom Vorstand beantragte Ausschluss des Abgeordneten Gedeon gescheitert war. 13 Abgeordnete folgten dem Fraktionschef und Co-Bundesvorsitzenden Meuthen und bildeten eine eigene, neue Fraktion. Hintergrund waren antisemitische Äußerungen und Publikationen Gedeons sowie Verharmlosungen des Holocaust, die der Großteil der Mehrheitsfraktion nicht hinnehmen wollte. Der Vorgang verdeutlicht, wie sehr eine rechtspopulistische Partei, der an Distanz zum offenen Rechtsextremismus gelegen ist, unter Druck gerät, wenn sie mit eben diesem Rechtsextremismus in Verbindung gebracht werden kann.

Mehr als zehn Jahre zuvor hatte die Partei Rechtsstaatliche Offensive, besser bekannt als Schill-Partei, in Hamburg einen bemerkenswerten Aufstieg hingelegt. Bei den Bürgerschaftswahlen 2001 erreichte sie aus dem Stand 19.4 Prozent der Stimmen. Ihr Vorsitzender Ronald Schill, ein ehemaliger Amtsrichter, wurde Innensenator in einer Koalition mit CDU und FDP. Kernthema der Partei waren die harten Sprüche des als „Richter Gnadenlos“ gepriesenen Schill. Doch der Niedergang der Partei kam relativ schnell. Neben innerparteilichen Grabenkämpfen, persönlichen Verfehlungen und unprofessionellem Verhalten waren es dauerhafte Unterwanderungsversuche aus dem rechtsextremen Lager, die der jungen Partei zu schaffen machten. Damit reihte sich die Schill-Partei ein in die Problematik deutscher rechtspopulistischer Parteien, nämlich „dass sie eine unwiderstehliche Sogwirkung auf Gruppierungen und subkulturelle Milieus im rechtsextremen Lager ausüben. Selbst gemäßigte Vertreter des Rechtspopulismus sind nicht davor gefeit, durch rechtsextreme Personen und Gruppen unterwandert zu werden, die auf diese Weise aus der politischen Isolierung heraustreten wollen“ (Decker/Hartleb 2006: 202).

Die Probleme der AfD mit ihrem rechten Flügel und das Scheitern der Schill-Partei folgen einem Muster, das sich in der ersten bedeutenden rechtspopulistischen Partei in Deutschland in den Jahren 1989 bis 1994 abgezeichnet hatte. Die Republikaner waren eine Abspaltung aus der CSU, betrieben von Christsozialen, die mit dem von Franz-Josef Strauß eingefädelten Milliardenkredit an die DDR unzufrieden waren und den Kurs der rechten Mitte seitens der CSU nicht teilten. Die Republikaner setzten auf die Bierzelt-Rhetorik ihres Vorsitzenden Schönhuber. Die fremdenfeindliche Programmatik hatte Erfolg: 1989 gelangen der Einzug ins Europäische Parlament und ins Abgeordnetenhaus von Berlin. Zwischen 1992 und 2001 war die Partei im Stuttgarter Landtag vertreten. Maßgeblich für den Niedergang der Partei waren innerparteiliche Konflikte um einen moderat konservativen oder eher rechtsextremistischen Kurs, aber auch das Verblassen des Asyl-Themas Mitte der neunziger Jahre. Die Bemühungen der aus der bürgerlichen Mitte kommenden Partei um bürgerliche Akzeptanz wurden jedoch immer wieder konterkariert durch rechtsextreme Stigmata: Die Beobachtung durch den Verfassungsschutz seit 1992 rückte die Partei in das rechtsextreme Umfeld, darüber hinaus entwickelten auch die Republikaner eine Sogwirkung auf Rechtsextremisten. Schönhuber sagte beim Bundesparteitag 1988: „Aber als wir dann plötzlich drei Prozent hatten, da drängten eine Menge von Menschen in unsere Partei hinein, die davon ausgingen, nachdem sie bei anderen Parteien gescheitert sind, bei uns Staatssekretär wenn nicht gar Minister zu werden …“ (Jaschke 1994: 88). Das Scheitern der Republikaner kann auf ein Muster zurückgeführt werden, mit dem alle Parteien rechts von der Union konfrontiert sind: Organisations-, Programm- und Professionalisierungsdefizite unter den Rahmenbedingungen einer Magnetfunktion für den organisierten Rechtsextremismus.

Wie geht es weiter?

Die Zukunft des Parteienspektrums rechts der Unionsparteien
Der Aufstieg der AfD einerseits und das Verschwinden der NPD aus den Landtagen von Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern andererseits sind Meilensteine für die Entwicklung der Rechtsaußenparteien. Parteien der „Ewiggestrigen“ wie die DVU können wohl historisch als erledigt angesehen werden, sie haben es nicht vermocht, eine neue Generation für die alten Themen zu rekrutieren. Dies steht aber auch für das allmähliche Verschwinden eines stabilen rechtskonservativ-nationalistischen politischen Milieus mit offenem Anschluss an den Nazismus. Innerhalb des politischen Lagers rechts von der Union erfolgt eine Verschiebung von offen rechtsextremen Inhalten und Taktiken hin zu populistischen Methoden. Inhalte und Botschaften haben sich jedoch kaum verändert: Volksgemeinschaft und nationale Identität sind Bezugsrahmen sowohl von NPD wie auch von AfD. An die Stelle eines überschaubaren rechtsextremen Milieus tritt eine Wechselwählerschaft aus allen politischen Lagern, die ein Ventil suchen für Protest und Ressentiment. Vor diesem Hintergrund sind drei Szenarien einer künftigen Entwicklung denkbar.

Der Ansatz von CDU und CSU betont seit Jahrzehnten, es dürfe keine legitimierte Partei rechts der Union geben. Er war erfolgreich beim Zurückdrängen kleiner rechtskonservativer Parteien (Deutsche Partei, Bund der Heimatvertriebenen und Entrechteten) bis zur Bundestagswahl 1961, als aus einem Mehrparteien- ein Dreiparteiensystem wurde (CDU/CSU, SPD, FDP), das bis zum Aufstieg der Grünen nach 1980 Bestand haben sollte. Der Ansatz funktionierte ein weiteres Mal beim Zurückdrängen der NPD nach 1969, als diese Partei mit 4,3 Prozent bei der Bundestagswahl scheiterte, aber dennoch in sieben Länderparlamenten vertreten war. Die Union übernahm praktisch Themen und Deutungen der NPD, etwa in der scharfen Abgrenzung von der entspannungsorientierten Ostpolitik Willy Brandts. Auf diese Weise gelang es ihr, die verlorengegangenen Wähler zurückzugewinnen und die NPD entscheidend zu schwächen. Heute ist es die CSU, die auf diesen strategischen Ansatz setzt. Würde er intensiviert, indem auch die CDU ihm folgt, würde das einen Rechtsruck des gesamten politischen Spektrums bedeuten: Die AfD selbst würde womöglich schwächer, aber zentrale Ideen wie etwa eine restriktive Flüchtlingspolitik, ein abgeschottetes Europa und eine Politik der harten Hand in der inneren Sicherheit wären die Folgen. Ein politisches Klima des weltoffenen Miteinanders sowie der Vielfalt und nicht zuletzt der Vorrang der Menschenrechte wären in einem solchen Szenario deutlich in der Defensive.

Ein zweites Szenario geht aus von einer dauerhaften Stabilisierung der rechtspopulistischen AfD, ähnlich wie in anderen europäischen Ländern. Immerhin ist die Partei nach der erfolgreichen Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus am 18. September 2016 (14,2 Prozent) in zehn Landtagen vertreten. Eine Stabilisierung kann jedoch nur gelingen, wenn die AfD interne Konflikte überwindet und zu Geschlossenheit findet, indem sie sich von einer Protest- zu einer Programmpartei entwickelt und indem sie Stammwählerschaften wenigstens in Ansätzen bildet. Dies wäre aber auch ein Weg von einer „Gesinnungsethik“ zu einer „Verantwortungsethik“ (Max Weber), indem die Partei ihre zentrale, aber nicht nachhaltige Ressource eines Protestforums gegen die „Alt-„ oder auch „Systemparteien“ erweitert zugunsten einer Regierungsalternative. Die Grünen haben für diesen Weg von einer Protestbewegung zu einer regierungsfähigen Alternative viele Jahre gebraucht und viele Konflikte austragen müssen.

Ein drittes denkbares Szenario geht aus von schweren innerparteilichen Krisen in der AfD, die zu einem Verschwinden von der politischen Bühne in die relative Bedeutungslosigkeit führen. Krisenmomente sind neben geringer politischer Erfahrung und mangelnder Professionalität im parlamentarischen Geschäft und im Umgang mit Medien vor allem die Magnetwirkung auf die nazistische Szene. Eine auch nur ansatzweise skandalträchtige Unterwanderung durch Neonazis mit Gewalt-Biografien wäre das Ende der AfD. Die Republikaner haben ein vergleichbares politisches Schicksal zu Beginn der 1990er Jahre erlitten. Bei dieser Perspektive unseres dritten Szenarios würden Parteien rechts von der Union zwar weiterhin einen kleinen Rand überzeugter Rechtsextremisten vertreten, sie würden auch logistischer und organisatorischer Ansprechpartner für die rechtsextreme Szene werden oder bleiben, aber dieser Weg würde zu einem Erstarken des außerparlamentarisch aktiven Rechtsextremismus führen.

Welches der beschriebenen drei Szenarien der künftigen Entwicklung von Parteien rechts der Union nahekommt, kann hier nicht entschieden werden. Der zuletzt genannte Gedanke, eine Stärkung der außerparlamentarischen Rechten in Deutschland in den diversen Formen von Pegida, Hogesa, Identitärer Bewegung und diversen Internet-Aktivitäten, erscheint jedenfalls wahrscheinlich. Es gehört zu den Schattenseiten des Internets und der neuen Medien, dass rassistische und gewaltverherrlichende Inhalte weite Verbreitung finden und in kurzer Zeit mobilisiert werden können. Hier sind nicht nur die Instrumente der Sicherheitsbehörden gefragt, wenn es um Straftaten geht, hier ist die Zivilgesellschaft insgesamt herausgefordert, Gegenöffentlichkeiten zu bilden und zu stärken.

HANS-GERD JASCHKE   Prof.

Dr. phil. habil., Jahrgang 1952, ist promovierter Politikwissenschaftler und habilitierte sich 1991 mit einer Studie über Streitbare Demokratie und Innere Sicherheit. Er lehrt nach der Zeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Frankfurt (1979-1991) und am Frankfurter Institut für Sozialforschung (1992-1995), seit 1996 Politikwissenschaft am FB Polizei und Sicherheitsmanagement an der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin. Zwischenzeitlich (2002-2007) war er Leiter des Fachbereichs Rechts- und Sozialwissenschaften an der Polizei-Führungsakademie bzw. Deutschen Hochschule der Polizei in Münster. Im September 2016 übernahm er die wissenschaftliche Begleitung des Berliner Landesprogramms Radikalisierungsprävention bei der Landeskommission Berlin gegen Gewalt.

Literaturverzeichnis

Arzheimer, Kai 2008: Die Wähler der extremen Rechten 1980 – 2002, Wiesbaden.

Botsch, Gideon 2016: „Nationale Opposition in der demokratischen Gesellschaft. Zur Geschichte der extremen Rechten in der Bundesrepublik Deutschland, in: Handbuch Rechtsextremismus, hrsg. von Fabian Virchow et al., Wiesbaden, S. 43-82, Wiesbaden, S. 191-215.

Decker, Frank/Hartleb, Florian 2006: Populismus auf schwierigem Terrain. Die rechten und linken Herausfordererparteien in der Bundesrepublik, in: Frank Decker (Hrsg.), Populismus, Wiesbaden.

Hoffmann, Jürgen/Lepszy, Norbert 1998: Die DVU in den Landesparlamenten: inkompetent, zerstritten, politikunfähig, Sankt Augustin.

Jaschke, Hans-Gerd 2016: Strategien der extremen Rechten in Deutschland nach 1945, in: Handbuch Rechtsextremismus, hrsg. von Fabian Virchow et al., Wiesbaden, S. 115-134.

Jaschke, Hans-Gerd 1994 (3. Aufl.): Die Republikaner. Profile einer Rechtsaußen-Partei, Bonn.

Kopke, Christoph 2016: „Der III. Weg“, in: Friedrich Burschel (Hrsg.), Durchmarsch von rechts, Berlin, S. 79-87.

Menhorn, Christian 2014: Die Bedeutung von Parteistrukturen für das neonationalsozialistische Spektrum, in: Jahrbuch f. Extremismus- und Terrorismusforschung 2014 (I), hrsg. von Armin Pfahl-Traughber, S. 207-239.

Minkenberg, Michael 2013: Die europäische radikale Rechte und Fremdenfeindlichkeit, in: West und Ost: Trends, Muster und Herausforderungen, in: Rechtsextremismus in Europa, hrsg. von Ralf Melzer und Sebastian Serafin, Berlin, S. 9-39.

Prasse, Jan-Ole, 2010: Der kurze Höhenflug der NPD, Marburg.
Salzborn, Samuel, 2015: Rechtsextremismus. Erscheinungsformen und Erklärungsansätze, Baden-Baden.

Anmerkungen:

1 Vgl. die Hinweise in DER SPIEGEL 42/1993 (http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-13680349.html)

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