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Soziale Menschen­rechte – keine Rechte zweiter Klasse!

in: vorgänge Nr. 219 (2/2017), S. 23

Der Internationale Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (UN-Sozialpakt) beinhaltet eine ganze Bandbreite sozialer Rechtsansprüche, beispielsweise das Recht auf Arbeit, das Recht auf soziale Sicherheit, das Recht auf Gesundheit oder das Recht auf Bildung.[1] All diese Rechte wurden bereits 1976 für Deutschland mit der Ratifikation des Paktes verbindlich.[2] Der folgende Beitrag von Claudia Mahler beleuchtet die Gleichwertigkeit wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Rechte mit den bürgerlichen und politischen Rechten. Darüber hinaus stellt er die Prüfverfahren dar, mit denen die Umsetzung der Rechte in Deutschland kontrolliert wird, und geht auf die unmittelbare Anwendbarkeit und Justiziabilität der Rechte des UN-Sozialpaktes ein.[3]

1. Einführung

Im Jahre 1948[4] wurde die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte (AEMR) beschlossen, um ein Bekenntnis gegen die Gräueltaten nach dem Zweiten Weltkrieg zu manifestieren. Die Allgemeine Erklärung enthält sowohl wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte als auch bürgerliche und politische Rechte. Die Vereinigung aller Menschenrechte in diesem Dokument manifestiert die Gleichwertigkeit und Unteilbarkeit der Menschenrechte. Aufgrund der sehr unterschiedlichen politischen Positionen während des Kalten Krieges konnte sich die Staatengemeinschaft nicht auf einen einheitlichen verbindlichen Vertrag einigen.

Im Jahre 1966 verabschiedete die Generalversammlung der Vereinten Nationen sowohl den UN-Sozialpakt, der von den sozialistischen Staaten favorisiert wurde, als auch den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte (UN-Zivilpakt), der von den Staaten des Westens vorangetrieben wurde. In Deutschland gelten beide Pakte seit 1976.

Die Einhaltung der Verpflichtungen aus den beiden Pakten wird durch ein sogenanntes Staatenberichtsverfahren überprüft. Am Ende des Berichtszyklus stehen Empfehlungen (Abschließende Bemerkungen/Concluding Observations), die der prüfende Ausschuss dem Vertragsstaat als „Hausaufgaben“ mit auf den Weg gibt, wie die Umsetzung der Rechte aus dem Pakt bis zum nächsten Staatenbericht verbessert werden kann.

Dennoch zeigt sich bereits bei der Entstehung der beiden Pakte, dass es bedeutende Unterschiede geben soll. Beispielsweise war für den UN-Zivilpakt bereits von Anfang an ein Fakultativprotokoll (Zusatzprotokoll) ausgehandelt worden. Durch die Ratifikation dieses Fakultativprotokolls haben die Staaten ein Individualbeschwerdeverfahren für bürgerliche und politische Rechte zugelassen. Das heißt der/die Einzelne kann sich nach der Erschöpfung des nationalen Rechtswegs an ein Gremium bei den Vereinten Nationen wenden und sich beschweren, dass seine/ihre Menschenrechte durch den Vertragsstaat verletzt worden sind. Für den UN-Sozialpakt gab es zunächst kein Fakultativprotokoll, was zu einem Ungleichgewicht zwischen den beiden Pakten geführt hat.

Erst am 10. Dezember 2008 verabschiedete die UN-Generalversammlung nach intensiven Verhandlungen eine Resolution für ein Fakultativprotokoll zum UN-Sozialpakt.[5] Spanien ratifizierte als erster europäischer Staat dieses Fakultativprotokoll.[6] Die zum In-Kraft-Treten erforderliche zehnte Ratifikation wurde von Uruguay am 5. Februar 2013 hinterlegt,[7] wodurch das Protokoll am 5. Mai 2013 in Kraft trat. Das hat die Justiziabilität für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte deutliche verbessert.[8] Deutschland hat sich auf UN-Ebene stark für das Fakultativprotokoll eingesetzt, es trotzdem noch immer nicht ratifiziert.[9]

2. Das Staaten­be­richts­ver­fahren

Nach Artikel 18 des UN-Sozialpaktes müssen die Vertragsstaaten – also auch Deutschland – alle vier Jahre einen umfassenden sogenannten periodischen Bericht (Periodical report) zum Stand der Umsetzung des UN-Sozialpakts in ihrem Land vorlegen. In Deutschland hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales dafür die Federführung. Der derzeit aktuelle 6. Staatenbericht der Bundesrepublik Deutschland wurde im Februar 2017 in Genf beim zuständigen Ausschuss eingereicht. Die nächste Station im Staatenberichtsverfahren ist das Zusammenstellen von wichtigen Fragen zur Ergänzung oder Klarstellung des Staatenberichts, der von Deutschland vorgelegt worden ist.

Der Bericht der Bundesregierung wird zunächst von einer vorbereitenden Arbeitsgruppe des Ausschusses ausgewertet. Auf dieser Grundlage stellt der Ausschuss dann in einem nächsten Schritt die sogenannte List of Issues and Questions zusammen. Diese enthält Rückfragen zum Bericht an Deutschland. Der List of Issues kommt eine besondere Bedeutung zu, denn damit kann die Darstellung der Regierung kritisch hinterfragt und können gezielt weitere Erklärung zu bestimmten Punkten eingefordert werden. Auch Nichtregierungsorganisationen können dem Ausschuss zu diesem Zeitpunkt Themenvorschläge für die List of Issues liefern. Die Fragen der zivilgesellschaftlichen Akteure mussten bis Mitte August 2017 in englischer oder französischer Sprache beim Ausschuss-Sekretariat eingegangen sein.[10] Durch die Fragen der zivilgesellschaftlichen Akteure können auch neue Themen angesprochen werden, wie beispielsweise Armut in Deutschland, oder die Verbindung zwischen den Sustainable Development Goals (SDGs, Nachhaltigkeitsziele) und sozialpolitischen Maßnahmen bzw. Indikatoren in Deutschland.

Die ergänzenden Fragen an Deutschland wurden auf der Sitzung der Vorbereitungsgruppe des UN Ausschusses zur Überprüfung der Umsetzung des UN Sozialpaktes im Oktober 2017 ausgearbeitet. Dabei wurden auch die Eingaben aus der Zivilgesellschaft berücksichtigt. Mit diesen Fragen will der Ausschuss klärende Antworten auf Lücken oder Unklarheiten im Staatenbericht erhalten.

Schließlich wird der Staatenbericht bei einer Sitzung des Ausschusses in Genf ausführlich geprüft. Dies wird für Deutschland im September bzw. Oktober 2018 soweit sein. Das kann an einem Tag aber auch an zwei halben Tagen geschehen. Dazu stellt der Ausschuss Fragen an eine Delegation der Bundesregierung. Nach diesem kritischen Dialog mit Frage- und Antwortmöglichkeiten zieht sich der Ausschuss zu Beratungen zurück und entwirft im Anschluss seine Empfehlungen an den Vertragsstaat.

Wenn das Überprüfungsverfahren beendet ist, spricht der Ausschuss die sogenannten Abschließenden Bemerkungen (Concluding Observations) aus. Positive Entwicklungen in der Umsetzung des UN-Sozialpaktes werden ebenso dargestellt wie Problembereiche, und auf dieser Grundlage Empfehlungen für Maßnahmen gegeben, die der Staat ergreifen sollte, zum Beispiel die Änderung von Gesetzen, politische Maßnahmen oder Programme. Dabei hebt der Ausschuss einzelne Empfehlungen hervor, die er für besonders wichtig hält. Zu den anderen Empfehlungen wird ein Bericht des Staates im folgenden Staatenbericht nach vier Jahren erwartet. NGOs können die Empfehlungen für ihre Arbeit nutzen.
Abschließende Bemerkungen sind für die Bundesregierung nicht rechtsverbindlich, aber geben Handlungsanweisungen für die bessere Umsetzung des UN-Sozialpakts. Der Ausschuss verdeutlicht damit seine Ansicht zu den Zielen der Konvention, zu den in ihr festgelegten Rechten und Pflichten sowie zur Zulässigkeit oder Unzulässigkeit bestimmter Handlungen. Dies kann von der Zivilgesellschaft und dem Parlament als Grundlage menschenrechtspolitischer Arbeit genutzt werden, um gegebenenfalls die Umsetzung konkreter Empfehlungen voranzutreiben.

3. Wirtschaft­liche, soziale und kulturelle Rechte in der deutschen Rechts­ord­nung

Im Jahr 1976 ist der UN-Sozialpakt  für die Bundesrepublik Deutschland in Kraft getreten. Die materiell-rechtlichen Bestimmungen des Paktes betreffen die Bereiche Arbeitsleben (Art. 6-8), soziale Sicherheit (Art. 9), Schutz der Familie (Art. 10), angemessener Lebensstandard (Art. 11), Gesundheitsschutz (Art. 12) sowie Bildung (Art. 13 und 14) und Kultur (Art. 15). Der UN-Sozialpakt wurde von Deutschland ratifiziert und ist dadurch gemäß Art. 59 Abs. 2 GG verbindlicher Bestandteil der deutschen Rechtsordnung im Range einfachen Bundesrechts  geworden. Gemäß Art. 20 Abs. 3 GG sind die Normen des UN-Sozialpaktes als einfaches Bundesrecht von allen staatlichen Organen des Bundes und der Länder zu beachten. Die in Deutschland in Kraft getretenen menschenrechtlichen Verträge müssen bei der Rechtsanwendung berücksichtigt werden. Dies gilt auch für den UN-Sozialpakt. Verletzungen von unmittelbar anwendbaren oder unmittelbar wirksamen Rechten aus dem Pakt können vor innerstaatlichen Gerichten geltend gemacht werden.

Aufgrund der Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes ist eine völkerrechtskonforme und menschenrechtsfreundliche Auslegung sowohl des einfachen Rechts als auch des Grundgesetzes geboten. Dies gilt für Menschenrechtsverträge der Vereinten Nationen ebenso wie für die Europäische Menschenrechtskonvention.

Weitere Aufschlüsse über die Anerkennung der Justiziabilität[11] der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte kann auch die Ratifikation und die innerstaatliche Anwendbarkeit der UN-Behindertenrechtekonvention (UN-BRK) geben. In ihr sind sowohl bürgerliche und politische als auch wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte vereint. Alle Rechte der UN-BRK können mittels Individualbeschwerdeverfahren geltend gemacht werden. Dies gilt ebenso für die UN-Kinderrechtskonvention und die UN-Frauenrechtskonvention. Deutschland hat im Zusammenhang mit diesen Menschenrechtkonventionen das Individualbeschwerderecht vollumfänglich anerkannt. Daraus kann man ableiten, dass Deutschland die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte, die in diesen Konventionen verbürgt sind, für justiziabel hält. Bezüglich der UN-BRK gibt es auch schon einige Beispiele aus der nationalen Rechtsprechung, die zeigen, dass menschenrechtliche Normen geeignet sind, die nationalen Rechtspositionen von Interessengruppen zu stärken.

4. Justiziabilität und unmittelbare Anwendbarkeit der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte

Es gibt viele Definitionen zur Justiziabilität;[12] die nachfolgende enthält viele Aspekte, die auch andere Definitionen umfassen.
Der Expertenausschuss zur Überprüfung der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte hat sich in einigen seiner Allgemeinen Bemerkungen, in denen er den Sozialpakt autoritativ auslegt, sehr ausführlich zur Frage der Justiziabilität und der unmittelbaren Anwendbarkeit der Paktrechte geäußert. Er zeigt hier sehr deutlich auf, dass die Normen direkt zur Anwendung kommen können.[13] Jeder Staat muss zumindest den Kerngehalt jedes Rechtes unmittelbar umsetzen. Diese Verpflichtung wird auch nicht durch den „Ressourcenvorbehalt“ gemäß Art. 2 Abs. 1, wonach der Staat „unter Ausschöpfung aller seiner Möglichkeiten“ die Paktrechte umzusetzen hat, ausgesetzt.[14] Eine Norm aus einem innerstaatlich geltenden völkerrechtlichen Vertrag ist unmittelbar anwendbar, wenn aus ihr Rechtsfolgen für konkrete Einzelfälle abgleitet werden können. Dies liegt dann vor, wenn die inhaltliche Bestimmtheit der Norm zur Rechtsanwendung ausreichend ist.[15]

Von der Frage der unmittelbaren Anwendbarkeit zu unterscheiden ist die Frage, ob eine Norm unmittelbare Wirkung, ein subjektives Recht, entfaltet.[16] Zweifel bezüglich der unmittelbaren Wirkung sind durch die Einführung eines Individualbeschwerdeverfahrens durch das Fakultativprotokoll zum Sozialpakt endgültig ausgeräumt. Durch das subjektive Recht kann sich der/die Einzelne vor jedem nationalen Gericht unmittelbar auf das Recht berufen, unter der Voraussetzung, dass dieses unmittelbar anwendbar ist. Die Auffassung, der UN-Sozialpakt beinhalte ausschließlich Programmsätze, gilt auf der internationalen Ebene als überwunden, da die Normen gänzlich oder in Teilen direkt anwendbar sind.[17] Hierfür gibt es neben dem Fakultativprotokoll, das eine internationale Beschwerdeinstanz eingeführt hat, auch schon deutliche Hinweise aus der Rechtsprechung anderer Staaten[18] sowie aus Deutschland[19].

5. Wirtschaft­liche, soziale und kulturelle Rechte in der Recht­spre­chung

Bislang nehmen deutsche Gerichte ausgesprochen selten auf internationale wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte Bezug und überprüfen deren Anwendbarkeit auf den konkreten Fall. Geschieht dies doch einmal, wie etwa in Entscheidungen zu den Studiengebühren, scheint eine kritische Distanz gegenüber den Gewährleistungen des Paktes durch.[20] Aus den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zu „Hartz IV“ und zum Asylbewerberleistungsgesetz, die nachfolgend kurz behandelt werden, ist jedoch eine positive Tendenz abzulesen.

Das Grundrecht auf Gewähr­leis­tung eines menschen­wür­digen Existenz­mi­ni­mums

In seiner Entscheidung vom 9. Februar 2010 (1 BvL 1/09) hat das Bundesverfassungsgericht seine Rechtsprechung zum Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums für alle in Deutschland lebenden Menschen fortentwickelt. Das eigenständige Recht gründet sich auf Art. 1 Abs. 1 GG (Menschenwürde) in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG (Sozialstaatsprinzip).[21] Es besteht damit grundsätzlich unabhängig von der Staatsangehörigkeit oder dem Aufenthaltsstatus einer Person.[22] Aus dem Grundrecht leitet sich eine objektiv-rechtliche Verpflichtung des Staates verbunden mit einem subjektiv-rechtlichen Leistungsanspruch des hilfebedürftigen Grundrechtsträgers ab.[23] Es sichert jedem Hilfebedürftigen diejenigen materiellen Voraussetzungen zu, die für seine physische Existenz und für ein Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben unerlässlich sind.[24] Den individuellen Anspruch auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums besitzt jedes Mitglied einer Bedarfsgemeinschaft. Dies trifft auch auf Kinder zu.[25] Die Ausgestaltung der Norm muss auf die Deckung der existenznotwendigen Bedarfe jedes individuellen Grundrechtsträgers ausgerichtet sein. Die Bedarfsbemessung muss transparent und nachvollziehbar sein und die Höhe der Bedarfe muss regelmäßig überprüft werden. Diese Kriterien werden in ganz ähnlicher Weise auch vom Sozialpaktausschuss zum Recht auf soziale Sicherheit herangezogen.

Seine Rechtsprechung zum menschenwürdigen Existenzminimum bekräftigte das Bundesverfassungsgericht mit seiner Entscheidung vom 18. Juli 2012 zum AsylbLG (1 BvL 10/10). In diesem Urteil wies es den Gesetzgeber explizit darauf hin, dass bei der Anpassung des Gesetzes an das Urteil auch die völkerrechtlichen Vorgaben beachtet werden müssen. In Randnummer 94 führt es dazu aus: „Zu den Regeln über das Existenzminimum, die in Deutschland gelten, gehören auch der Internationale Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte vom 19. Dezember 1966 (IPwskR, in Kraft getreten am 3. Januar 1976, UNTS Bd. 993, S. 3; BGBl. II 1976, S. 428), dem der Deutsche Bundestag mit Gesetz vom 23. November 1973 (BGBl. II S. 1569) zugestimmt hat. Der Pakt statuiert in Art. 9 ein Recht auf Soziale Sicherheit und in Art. 15 Abs. 1 Buchstabe a das Menschenrecht auf Teilhabe am kulturellen Leben.“

6. Zusam­men­fas­sende Bewertung der wirtschaft­li­chen, sozialen und kulturellen Rechte

Wie die Beispiele aus der jüngsten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gezeigt haben, hat der UN-Sozialpakt im Bereich des Sozialrechts Potential, das es zu nutzen gilt. Die deutsche Rechtsprechung zeigt sich inzwischen gegenüber völkerrechtlichen Menschenrechtsnormen aus dem UN-Sozialpakt und anderen menschenrechtlichen Verträgen deutlich aufgeschlossener, als noch vor einigen Jahren. Diesen Trend gilt es für nationale Verfahren einzusetzen, beispielsweise für Fälle, die das SGB II betreffen. Jenseits der nationalen Anwendung gilt es, sich dafür einzusetzen, dass das Fakultativprotokoll zum UN-Sozialpakt gezeichnet und ratifiziert wird. Hierbei geht es darum jenen Rechten eine stärkere Gültigkeit (und Wirksamkeit) zu verleihen, die seit 1976 in Deutschland anerkannt sind und für diese Rechte einen internationalen Beschwerdeweg zu eröffnen, der für bürgerliche und politische Rechte seit langem anerkannt ist.

Im Oktober 2018 wird Deutschland neue Empfehlungen des Sozialpaktausschusses erhalten. Es liegt auch an zivilgesellschaftlichen Akteuren, einen Dialog über die konkreten Maßnahmen zur besseren Umsetzung dieser Empfehlungen einzufordern. Die aufgegebenen „Hausaufgaben“ können durchaus zu zusätzlichen Argumenten und Anreizen für die nationalen Diskussionen führen, damit die sozialen Rechte endlich ihren angemessenen Stellenwert erhalten.

DR. CLAUDIA MAHLER   ist als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Deutschen Institut für Menschenrechte zuständig für die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte. Sie studierte Rechtswissenschaften in Innsbruck mit den Schwerpunkten Völkerrecht und Europäisches Recht. 2000 promovierte sie an der Universität Innsbruck, wo sie auch Strafrecht und Strafprozessrecht lehrte. Ab 2001 forschte sie am MenschenRechtsZentrum der Universität Potsdam, war Lehrbeauftragte an der Humboldt Universität und Beraterin bei den Vereinten Nationen; zahlreiche Veröffentlichungen zu sozialen Menschenrechten für verschiedene Betroffenengruppen.

Anmerkungen:

1 Ähnliche Rechte sind auch in der Sozialcharta des Europarates geregelt, die für Deutschland auch Gültigkeit hat – BGBl. II 1965/1264 und BGBl. II 1965/1122. Ausführlich hierzu Krennerich, Soziale Menschenrechte. Zwischen Recht und Politik, Schwalbach 2013.

2 BGBl. II 1976/428. Die DDR ratifizierte den UN-Sozialpakt – mit Vorbehalten – bereits am 8.11.1973.

3 BGBl. II 1976/428.

4 UN – Generalversammlung, Resolution 217 A (III) vom 10. Dezember 1948.

5 UN – Generalversammlung, Resolution 63/117 vom 10. Dezember 2008.

6 S. http://treaties.un.org/Pages/ViewDetails.aspx?src=TREATY&mtdsg_no=IV-3-a&chapter=4&lang=en

7 Ebd.

8 Ausführlich Aichele (2009), Ein Meilenstein für die Unteilbarkeit: Das neue Fakultativprotokoll zum UN-Sozialpakt, Vereinte Nationen 57 (2), S. 72–78.

9 Mahler, Deutsches Institut für Menschenrechte – aktuell: Das Fakultativprotokoll zum UN-Sozialpakt– Warum die Ratifikation durch Deutschland notwendig ist, Berlin 2011.

10 Die Eingaben der zivilgesellschaftlichen Akteure zur List of Issues sind zu finden unter: http://tbinternet.ohchr.org/_layouts/treatybodyexternal/SessionDetails1.aspx?SessionID=1177&Lang=en.

11 „Justiziabilität ist die Eignung eines Rechts per se zur gerichtlichen oder quasi-gerichtlichen Überprüfung, geleitet von der Möglichkeit, innerhalb einer bestimmten Rechtsordnung ein Recht bzw. zumindest einige seiner Dimensionen einzuklagen, mit dem Ziel, in einem angemessenen Zeitraum eine Entscheidung erwirken zu können, die die Verletzung als solche feststellt, die Wiedergutmachung des entstandenen Schadens ermöglicht und Maßnahmen anordnet, um der Wiederholung einer solchen Verletzung vorzubeugen.“ (Suárez Franco, Die Justiziabilität wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Rechte, Frankfurt/M. u.a. 2009, S. 50). Weitere Nachweise bei Schneider, Die Justiziabilität der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte, Hrsg. v. Deutschen Institut für Menschenrechte, Berlin 2004; Scheinin, Economic and Social Rights as Legal Rights, in: Eide/Krause/Rosas (Ed.), Economic, social and cultural Rights, 2. Aufl. 2001, S. 29-54; Coomans (Ed.), Justicability of Economic and Social Rights: Experiences from Domestic Systems, Antwerpen 2006.

12 Schneider 2004, a.a.O. (Anm. 11); Scheinin 2001, a.a.O. (Anm. 11); Coomans 2006, a.a.O. (Anm. 11).

13 Die stärkste Ausprägung haben die Allgemeinen Bemerkungen Nr. 9 zum Recht auf soziale Sicherheit (Ziff. 10). Ausführungen hierzu finden sich auch in UN-Fachausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte: General Comment no. 4: The right to adequate housing, UN Dok. E/1992/23 v. 13.12.1991, Ziff. 8; UN-Fachausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte: General Comment no. 11: Plans of action for primary education (art. 14), UN Dok. E/C.12/1999/4 v. 10.5.1999, Ziff. 10; UN-Fachausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte: General Comment no. 12: The right to adequate food (art. 11), UN Dok. E/C.12/1999/5. v. 12.5.1999, Ziff. 16; UN-Fachausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte: General Comment no. 13: The right to education (art. 13), UN Dok. E/C.12/1999/10 v. 8.12.1999, Ziff. 31 und 43.

14 Klee, Die progressive Verwirklichung wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Menschenrechte – eine Interpretation von Art. 2 Abs. 1 des Internationalen Paktes für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, München 2000, S. 65; Sepulveda, The Nature of the Obligations under the International Covenant on Economic, Social and Cultural Rights., Antwerpen 2003.

15 Schneider 2004, a.a.O. (Anm. 11), S. 39.

16 Craven, The Domestic Application of the International Covenant on Economic, Social and Cultural Rights, Netherlands International Law Review 1993, Vol. XL, S. 378.

17 Dazu Schneider 2004, a.a.O. (Anm. 11) m.w.N..

18 Beispielsweise Entscheidung des Rumänischen Verfassungsgerichts zu Arbeitslosengeld, Entscheidung no 81, 19.05.1998, Zusammenfassung zu finden in: Centre on Housing Rights and Evictions Mahler: Soziale Menschenrechte – keine Rechte zweiter Klasse! vorgänge #219 (COHRE), 50 leading cases on economic, social and cultural rights: summaries, 2003, S. 58; Entscheidungen zu sozialer Sicherheit s. beispielsweise „Benefits case“, (1994) Ungarisches Verfassungsgericht, Entscheidung No. 43/1995, zitiert nach und Zusammenfassung in: COHRE, a.a.O., S. 47; Lettisches Verfassungsgericht, No. 2000-08-0109 (2000), 13.03.2001, Volltext der Entscheidung: http://www.satv.tiesa.gov.lv/upload/2000-08-0109E.rtf, zusammengefasst in: COHRE, a.a.O., S. 56f.

19 „Hartz IV“-Entscheidung: BVerfG, 1 BvL 1/09 vom 09.02.2010 (=BVerfGE 125, S. 175-260); Entscheidung zum Asylbewerberleistungsgesetz: BVerfG, 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 vom 18.07.2012 (=BVerfGE 132, S. 134-179).

20 Das BVerwG geht in seinem Urteil vom 15.12.2010 nur knapp auf den Sozialpakt ein und führt aus: „[Der] Landesgesetzgeber war nicht durch Art. 13 Abs. 2 Buchst. c des Internationalen Paktes vom 19. Dezember 1966 über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (IPwskR) an der Einführung allgemeiner Studiengebühren gehindert. Aus dieser Vorschrift könnten selbst im Fall ihrer unmittelbaren Anwendbarkeit keine Rechte hergeleitet werden, die nicht bereits auf der Ebene des nationalen Verfassungsrechts durch das – hier gewahrte – Recht auf Teilhabe an den staatlichen Ausbildungsressourcen gewährleistet sind. Da der Landesgesetzgeber durch die Einführung der allgemeinen Studiengebühren das System einer von finanziellen Ausgrenzungen freien Hochschulbildung nicht verlassen hat, scheidet auch ein Verstoß gegen ein etwa aus Art. 2 Abs. 1 IPwskR ableitbares Verbot regressiver Maßnahmen aus.“ (BVerwG 6 C 10.09 vom 15.12.2010, Rdnr. 30)

21 BVerfG 1 BvL 1/09, a.a.O. (Anm. 19), Rdnr. 133.

22 S. auch Hohm, Menschenwürdiges Existenzminimum für Leistungsberechtigte nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, ZFSH SGB 5/2010, S. 269-277 (271); Janda/Wilksch, Das Asylbewerberleistungsgesetz nach dem „Regelsatzurteil“ des BVerfG, SGb 10/10, S. 565-574 (569).

23 BVerfG 1 Bvl 1/09, a.a.O. (Anm. 19), Rdnr. 134.

24 Ebd., Rdnr. 135.

25 Ebd., Rdnr. 159.

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