Publikationen / vorgänge / vorgänge Nr. 171/172: Die Zukunft der Linken

Lula da Silva und die linke in Brasilien

Aufstieg und Niedergang des egalitären Populismus

aus: Vorgänge Nr. 171/172 (Heft 3-4/2005) , S.146-151

Mit dem triumphalen Wahlsieg von Lula da Silva im Oktober 2002 feierte die Linke in Brasilien den Aufbruch in eine bessere, gerechtere Zukunft. Drei Jahre später ist daraus eine Bauchlandung im Sumpf geworden. Die Arbeiterpartei PT und mit ihr der Staatspräsident Lula, der die PT einst gegründet hatte, haben nach dem Bekanntwerden schwarzer Kassen und üppiger Schmiergeldzahlungen an Abgeordnete ihr moralisches Kapital verspielt und alle politischen Reformversprechen diskreditiert. Lula könnte im Oktober 2006 gerade noch wiedergewählt werden, aber seine Partido dos Trabalhadores (PT) wird bestenfalls noch eine Rolle am Rande spielen. Viel schlimmer jedoch: Alle Hoffnungen der Linken, der organisierten Arbeiter, der Landlosen, Staatsangestellten, der Intellektuellen, Studenten und Künstler auf einen politischen und sozialen Umbruch sind nur noch Makulatur. Wie konnte es zu dieser Katastrophe kommen?

Präsident im vierten Anlauf: Lula da Silva

Luis Inäcio „Lula” da Silva musste einen langen Weg zurücklegen, bis er an die Spitze gelangte. Dreimal lag er im Wahlkampf beim Rennen um die Präsidentschaft vorne. Beim ersten Mal stellten sie ihm ein Bein, beim zweiten Mal lief er auf der falschen Bahn, beim dritten Mal ging ihm vorzeitig die Puste aus. Den Palast der Morgenröte (das 1958 von Oscar Niemeyer errichtete Präsidentenpalais) erreichte er erst beim vierten Mal. Da hatte er schon graue Haare bekommen. Aber er heimste im Oktober 2002 einen triumphalen Sieg ein, wie ihn kein anderer Präsident Brasiliens vor ihm errungen hatte.

Eine Wahl zu verlieren, mag bitter sein. Aber gegen den Makel der Herkunft, die Missgunst, den Neid, die Arroganz und das Kapital zu kämpfen, sich nach vorne zu boxen und nicht als Krüppel zu enden, das setzt schon eine besondere Kondition voraus. Die hatte dieser Lula. „Dass ein Mann aus dem Volk, dass ein Schlosser ohne Abitur — dass also ich zu Ihnen als Präsident spreche —, das kann ich kaum glauben. Das erfülltmich mit Stolz und mit Hoffnung. Von nun an soll jeder Brasilianer morgens seinen Kaffee trinken, mittags ein Mahl einnehmen und abends ohne Hunger einschlafen.” Lula konnte die Tränen kaum ersticken. Die Nation heulte vor Rührung mit.

Das war im Jahr 2002 schon eine Revolution, dass in diesem im Grunde tief konservativen Land der Metallarbeiter und Ex-Gewerkschaftsführer Lula, den die Bürger lange Zeit als „roten Teufel” gefürchtet hatten, an die Spitze gelangen konnte. Doch die internationale Finanzwelt ließ sich davon nicht rühren: je günstiger die Umfragen für Lula ausfielen, desto tiefer sanken die Ratings für Brasilien auf dem Finanzmarkt. Wall Street wollte ihn nicht. Mit Lula war Brasilien auf Bankrott gebucht. Allerdings nur für eine kurzen historischen Moment. Schon drei Monate nach Amtsantritt reißen sich die Bosse der Welt um einen Termin mit Lula, ob in Davos oder anderswo. Brasilien-Bonds steigen von 70 auf 100 – und der Dollar sinkt von 3,90 Real auf 2,90. Real. Woher dieser plötzliche Wetterwechsel?

Lula hat sich nur an sein Skript gehalten. „Die Violine nimmt man mit der Linken, aber mit der Rechten streicht man sie.” Sein Wirtschaftsminister Antonio Palocci steuerte von Anfang an den Kurs der Offenmarktpolitik weiter. Ökonomisch gesehen steht Brasilien unter Lula so stark wie lange nicht da. Aber die Hoffnungen der Massen, dass nun mit dem Sozialisten – wie versprochen – die überfälligen Reformen vorankämen und mit dem „Null-Hunger“-Programm die Armut beseitigt werden würde, wurden schon sehr bald enttäuscht. Lulas Regierung hatte Erfolg dort, wo man es nicht erwartete, und wo man kraftvolle Aktionen erwartete, da enttäuschte er. War Lula, war die PT überhaupt darauf vorbereitet, die Nation zu führen?

Die PT und die Sponta­ne­ität der Massen

Die Geschichte der Partido dos Trabalhadores ist eng mit der Biografie ihres Gründers Lula und der seiner Genossen aus der Metallarbeiterschaft von Sao Paulo verzahnt. Hier, im industriellen Herz des Schwellenlandes Brasilien, regte sich der entschlossene Widerstand gegen die Diktatur der Bosse und der Generäle, die 1964 (mit Unterstützung der Eliten und der USA) gegen eine linkspopulistische Regierung geputscht hatten. Die Repression schmiedete aus den anfangs unpolitischen Jungproletariern bärtige Klassenkämpfer, die sich einen Dreck um marxistische Orthodoxie scherten. Die Arbeiterbewegung und die daraus hervorgehende PT – sie waren authentische Gewächse aus einem industriellen Schwellenland, mit denen sowohl die Sozialdemokraten (SI) wie die Stalinisten ihre Probleme hatten. CUT (der Gewerkschaftsverband) und PT gingen ihren eigenen, dritten Weg mit einer Prise Labour, ein bisschen Anarchosyndikalismus und einem Vertrauen in die Spontaneität der Massen, die Rosa Luxemburg entzückt hätte. Letztlich war es dieser Bewegung und der sie moralisch stützenden Befreiungstheologie zu verdanken, dass die Generäle 1983 lieber wieder in die Kasernen retirierten.

Die neue brasilianische Demokratie kam nun aber wieder in den Pantoffeln der Honoratioren daher – die Militärherrscher hatten listigerweise die „politische Klasse” weiter per Diäten alimentiert. Die Folge war, dass der Übergang bruchlos erfolgte und die
PT von vorneherein von den Trögen der Macht ausgeschlossen blieb. Doch nicht mehr lange. Steter Tropfen höhlt den Stein: die PT und ihre Vertreter gewannen über die Kommunen und Bundesstaaten immer mehr Land. Und ihre Kompetenz würde vom Wähler anerkannt. Auf der Bundesebene aber blieb es bei der alten Klassenkampfrhetorik – selbst als mit Fernando Henrique Cardoso 1994 ein aufgeklärter sozialdemokratischer Professor an die Spitze kam, der (nach Jahren der Inflation) neben einer erfolgreichen, liberalen Stabilitätspolitik Brasilien so etwas wie zivile politische Umgangsformen verpasste. Dass die PT mit Lula dann 2002 doch noch siegte, war dem außergewöhnlichen Charisma des Metallers zu verdanken. Und der Professionalität seines Wahlkampfes. Woher hatte die PT auf einmal so viel Geld für diese Kampagne? Diese Frage stellte sich zunächst keiner.

Mit der Arbei­ter­partei ist dann doch kein Staat zu machen

Für Lula war der Wahltriumph der glücklichste Tag seines Lebens. Und die meisten Brasilianer sahen sich durch ihn und seine Biografie in ihren persönlichen Aufstiegshoffnungen bestärkt: man kann es schaffen. Für einige Leute aus dem PT-Apparat, an ihrer Spitze der Ex-Guerillo Jose Dirceu, der sein Leben im bewaffneten Kampf gegen die Militärdiktatur eingesetzt hatte, war es auch ein Tag der Rache: Die PT würde nun den Staat erobern und ihn nie wieder freiwillig herausgeben. Während Lula jeden Tage im Amte genoss, zog sein Kabinettschef Dirceu die Fäden. Er war der Rasputin, der Wienand und der Wehner der PT-Regierung; er war der Mann für die Drecksarbeit. Und als geschulter Zyniker des Lebens wusste er, wie man im Kongress Mehrheiten kriegt: mit dem Scheckbuch diskret in der Hand. Lula brauchte davon ja nichts zu wissen. Es traf die brasilianische Öffentlichkeit völlig unerwartet, als im Sommer 2005 durch Presseveröffentlichungen enthüllt wurde, dass die Spitzenfunktionäre der Arbeiterpartei PT von Lula mit schwarzen Kassen gearbeitet hatten und mehrere Dutzend Abgeordnete mit Schmiergeldern bestochen hatten. Das gesamte System, das darauf abzielte, dem Präsidenten im Kongress eine relative stabile Mehrheit zu sichern, beruhte auf Geldgeschenken. Und das Geld holten sich die PT-Parteibosse aus überhöhten oder fingierten Regierungsaufträgen über Werbefirmen, PR-Agenturen und halbseidenen Mittelsmänner wieder herein. Ausgerechnet die PT, die sich jahrzehntelang als Gralshüter der politischen Moral aufgeführt hatte, war dabei erwischt worden, wie sie im großen Stil Volksvertreter bestochen und eingekauft hatte! Und Präsident Lula soll davon nicht gewusst haben? Weder nach dem Selbstmord von Getulio Vargas 1954, noch nach dem Militärputsch 1964 oder der Absetzung von Präsident Collor 1992 war Brasilien in eine solch tiefe Sinnkrise geraten. Die demokratischen Institutionen des Landes erwiesen sich als morsch und mürbe, und für die meisten Brasilianer bestätigte sich nun das, was viele schon immer sagten: Die Politik ist ein schmutziges Geschäft, und wer regiert, der schmiert.

Tatsächlich legte der Skandal um die PT und Lula offen zutage, was man als einen „Webfehler” der brasilianischen Präsidialdemokratie bezeichnen muss. In ihr wird der Präsident zwar vom Volk gewählt – aber er muss wie ein zahnloser Diktator auf Zeit immer mit einem Kongress regieren, der sich meist nicht als Partner oder Gegner verhält, sondern als Fallensteller. Noch niemals hatte ein brasilianischer Präsident eine sichere Mehrheit in beiden Häusern, und keiner wird sie je haben, solange die Verfassung nicht geändert wird. Der Kongress besteht nämlich längst nicht mehr aus Volksvertretern, sondern aus Berufspolitikern mit ihren Seilschaften, die primär daran interessiert sind, ihre amigos in politischen Spitzenpositionen mit reichlichen Pfründen unterzubringen oder so viel wie möglich durch opportunistischen Einsatz ihrer Stimme für sich selbst herauszuholen. Lula hatte also ganz recht, als er, noch als Abgeordneter, seine Kollegen als „Strauchdiebe” und „Abstauber” kritisierte. Die Tragik seiner Präsidentschaft liegt darin, dass ausgerechnet seine Parteigenossen, die er allzu lange gewähren ließ, sich nicht anders verhielten.

Es bleibt festzuhalten: Die Partei des Präsidenten, die PT, hat schwarze Kassen geführt, Steuergelder veruntreut und die Legislative geschmiert. Und dies in einem gigantischen Umfang, der bis an eine Gesamtsumme von rund 30 Millionen Euro heranreicht. Persönlich bereichert hatte sich Lula dabei nicht: es ging ja alles nur um Politik, darum die Mehrheit im Kongress zu sichern.

Für die große und arme Mehrheit der Brasilianer ist trotzdem eine Hoffnung zusammengebrochen. Der Präsident steht beinahe so da wie der (nackte) Kaiser mit den neuen Kleidern aus dem Märchen. Dutzende von einflussreichen Politikern mussten ihre Ämter niederlegen — und doch wird dieser Megaskandal für Brasilien keine großen Folgen haben. Lula hat — wie bislang jeder Präsident — die schärfste Verfolgung der politischen Korruption versprochen. Aber da in dieses lukrative Geschäft Abgeordnete von beinahe allen Parteien verwickelt sind, kann man getrost davon ausgehen, dass auch dieser Skandal im Nichts endet.

Der Geruch von Pizza

In den USA musste Tom Lery, der Führer der Republikaner im Abgeordnetenhaus, zurücktreten, weil er eine schwarze Parteikasse geführt hatte – die Sache war binnen einer Woche vom Tisch. In Brasilien läuft seit vielen Monaten ein politischer Skandal, in dem mehrere Parteien und Dutzende von Abgeordneten involviert sind: Schmier- und Schwarzgelder in Millionenhöhe haben sie kassiert. Aber auf eine weitere politische Karriere wird wohl keiner der Betroffenen verzichten müssen. Brasiliens Kongress ist trotz dreier parlamentarischer Untersuchungsausschüsse unfähig, das eigene „hohe Haus” auszumisten; Brasiliens Regierung trennt sich nicht von schwarzen Schafen; der Präsident hält moralische Fensterreden – aber es bleibt alles beim Alten: Politik ist ein schmutziges Geschäft. Brasiliens Politiker beweisen das den Bürgern beinahe täglich. Als der Abgeordnete Roberto Jefferson im Mai 2005 damit herauskam, die PT besteche Abgeordnete, gehörte er selber zu den Treuesten des Präsidenten Lula, der ihm sogar einen „Blankoscheck geben würde”. Jefferson klagte an – und schonte sich selber nicht: er und seine Parteigenossen von der PT hatten Posten in Staatsbetrieben verschachert.

Nach den ersten Aufdeckungen gab PT-Schatzmeister Delübio Soares zu, es habe „nichtdeklarierte Summen”, also eine zweite, schwarze Parteikasse gegeben. Der Unternehmer und Bankier Marcos Valerio, der viele Geschäfte mit Staatsunternehmen macht, bekannte, er habe der PT Millionen überwiesen und habe für die PT gebürgt, ihr Schatzmeister sei sein bester Freund. Der PR-Chef der PT-Wahlkampagne, Dudu Mendonca, gab zu, er habe für seine Dienste Bargeld und Schecks bekommen, die über mehrere Konten im Ausland von Marcos Valerio liefen. Die Kontoauszüge der Banco Rural belegen wiederholte hohe Zahlungen des Bankiers Valerio an Abgeordnete der PT und der Parteien der sogenannten „Regierungskoalition”. Der Ex-Generalsekretär der PT, Silvio Pereira, hatte ein teures Importauto von einem Bauunternehmen „geschenkt” bekommen, das Regierungsaufträge erhielt. Pereira gab das Auto erst zurück, als der Um-stand pressewirksam wurde. Ein PT-Regionalchef wurde mit über 100.000 Real in der Unterhose vor dem Abfliegen erwischet. Lulas Sohn bekam Millionenkredite für ein Unternehmen, das nicht einmal einen Kunden hatte.

Zu all diesen und vielen weiteren Umständen hat sich Lula, wenn überhaupt, nur kryptisch geäußert. Erst habe er von „nichts gewusst”, dann fühlte er sich „hintergangen”, sodann forderte er „schonungslose Aufklärung” und dabei wolle er sogar ins „eigene Fleisch” (der PT) schneiden; später verfiel er ins Schweigen, wiegelte ab, reiste mit bestellten Claqueuren durchs Land, als wenn nichts wäre; dann beklagte er die „Denunziersucht” im Lande, und zum Schluss solidarisierte er sich noch mit den Genossen der PT, die sich die Finger schmutzig gemacht hatten. Von Lula ist kein einziger konstruktiver Beitrag zur Selbstreinigung der politischen Klasse und seiner Partei gekommen. Lula hat alles laufen lasse. Was sich nun in und um den Kongress abzeichnet, ist die Vorbereitung einer großen „Pizza”. Das ist in Brasilien gleichzeitig das Synonym für Schlamassel und für „im Sande verlaufen”. In stillschweigendem Einverständnis mit Lula, der glaubt, den Mega-Skandal letztlich „aussitzen” zu können, werden die Weichen dafür gestellt, dass die parlamentarischen Gremien alles unter den Teppich kehren, dass die ertappten Politiker höchstens mit symbolischen Verweisen rechnen müssen, dass eine strafrechtliche Verfolgung (parlamentarische Immunität!) gar nicht erst in Gang kommt.

So wie weder im parlamentarischen Raum oder bei der Exekutive wirklich klar Schiff gemacht wird — so wenig Grunderneuerung darf man bei der PT erwarten. Dass Lula, der PT-Übervater, nicht einmal zum ersten Wahlgang um die PT-Spitze erschien und sich vor den Parteigremien drückt, ist schon ein bedenkliches Zeichen. Die üblichen Flügelkämpfe in der PT setzen sich fort, die „Bolschewisten” (die Mehrheitsbeschaffer; Campo Majoritärio) werden mit Ricardo Berzoini den Karren weiterziehen. Die PT ist nur noch eine Meute, die mit der Aussicht auf Regierungsposten zusammenhält. Führende Ideologen und Parteigründer haben der PT den Rücken gekehrt. Was also bleibt vom inhaltlichen und strategischen Konzept der einst so erfolgreichen PT?

Viele Fragen — wenig Antworten

Die brasilianische Arbeiterpartei PT und die mit ihr verbündeten Gewerkschaften und anderen Massenorganisationen (wie z.B. die Landlosenbewegung MST) bildeten die in ganz Lateinamerika anerkannte Kraft der Erneuerung und politischen Umwälzung. Sie bekam mit der Wahl Lulas 2002 eine historische Chance, Brasilien vom Kopf auf die Füße zu stellen. Dabei ist sie, erstens, über ihre eigenen Beine gestolpert, die Beine, die ihr zu schnell durch zu viel Macht gewachsen sind. Die PT und ihre Kader haben an einem „heilen” Feind-Bild der Welt festgehalten und beispielsweise die Ursache für den Fall der Berliner Mauer nie ernsthaft diskutiert. Teile ihrer Führungskader, wie etwa .iose Dirceu, glaubten, mit der „Machtübernahme” könne man sozusagen per Dekret (und mit ein paar Schecks) ein neues Brasilien schaffen. Mit anderen Worten: Die PT hatte ihr „Godesberg” nie erlebt.

Zweitens: Der schnelle Machtzuwachs der PT auf allen Ebenen zog Karrieremacher an wie der Honig die Bienen. Die PT wurde eine Partei der „Neureichen” und degenerierte entsprechend. Drittens: Wer mit den Hunden heult, kriegt Flöhe. Niemals hat die PT landesweit eine stabile Mehrheit besessen. Sie war auf Bundesebene gezwungen, Koalitionen einzugehen. Die einfachsten Partner waren die billigsten. Statt mit der spröden, linksliberalen und teilweise sozialdemokratischen PSDB von Ex-Präsident Fernando Henrique Cardoso zusammenzugehen, entschied sich die PT für kommunistische und ultrakonservative Splitterparteien als Bündnisgenossen.

Viertens: Lula, der lebende Mythos, sonnte sich im Erfolg seiner Biografie, statt Führungsstärke zu zeigen. Seine Stärke ist die der Integration — aber nicht die der Exekution. Obgleich er unzweifelhaft Charisma hat, entzog er sich, einmal gewählt, den Medien — auch das schadete ihm. Wenn es in Deutschland eine entfernte Parallele zum Versagen der PT in Brasilien gibt, dann sind dies die Gewerkschaftsskandale der 1980 Jahre — man denke an die nicht endende Agonie der Neuen Heimat oder der Bank für Gemeinwirtschaft —, welche das gesamte Gewerkschaftsmilieu dem Korruptionsverdacht aussetzte. In Deutschland ließ sich dieser Schaden begrenzen, der Skandal blieb Episode. Der moralische Schiffbruch der PT und des Präsidenten Lula aber ist eine Katastrophe. Auf absehbare Zeit wird es nach Lula keinen brasilianischen Staatschef mehr geben, für den Hunger und Not Erfahrungen waren und nicht nur blasse Worte.

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