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Vorschläge der Arbeits­gruppe des BMJ "Patien­ten­au­to­nomie am Lebensende" (Kutzer-­Kom­mis­sion)

20. Juni 2004

Gesetzliche Regelung von Patientenverfügungen im Betreuungsrecht – unbeschränkte Reichweite und Gültigkeit von Patientenverfügungen – Betreuer hat Patientenverfügung umzusetzen

Die Kutzer-Kommission lehnt ein eigenes Gesetz über Patientenverfügungen ab. Stattdessen schlug sie vor, Regelungen zur Patientenverfügung im Betreuungsrecht durch Einführung eines neuen § 1901b BGB und Ergänzungen des § 1904 BGB zu treffen.

Reichweite und Gültigkeit von Patien­ten­ver­fü­gungen

Mit dieser Regelung soll klargestellt werden, dass der Betreuer den in der Patientenverfügung geäußerten Willen zu beachten hat. Auch die weiterhin geltende Entscheidung zur Durchführung oder Verweigerung bestimmter medizinischer Maßnahmen bei eingetretener Einwilligungsunfähigkeit des Patienten soll damit geregelt werden. Auch in diesem Fall soll der Betreuer den Willen des Patienten durchsetzen, aber nur soweit dies zumutbar ist.

Im Gegensatz zu den Vorschlägen der Enquetekommission „Ethik und Recht der modernen Medizin“ des Bundestags soll die Verpflichtung des Betreuers, den Willen des Patienten durch-zusetzen, unabhängig davon bestehen, ob es sich um ein Grundleiden handelt, das bereits einen unumkehrbaren tödlichen Verlauf genommen hat. Damit wird die Gültigkeit der Patienten-verfügung auch auf Fälle ausgeweitet, in denen das Grundleiden eines Patienten noch keinen unumkehrbaren tödlichen Verlauf genommen hat und eine Behandlung dessen Leben erhalten oder verlängern würde.

Umsetzung von Patien­ten­ver­fü­gungen

Die Kutzer-Kommission bekräftigt in ihrem Vorschlag die Aufgabe und Verpflichtung des Betreuers, die bereits in der Patientenverfügung getroffenen Entscheidungen des Betreuten durchzusetzen. Eigene Entscheidungen des Betreuers über anstehende ärztliche Behandlungen sollten nicht mehr notwendig sein. Eine entsprechende Bindung an eine Patientenverfügung soll auch für Bevollmächtigte gelten.

Die Kommission hält auch fest, dass unter gewissen Umständen dem Betreuer die Beachtung und Durchsetzung des Patientenwillens nicht zugemutet werden kann, z.B. wenn der Durchsetzung örtliche, finanzielle oder versorgungstechnische Hindernisse im Wege stehen. Sind diese Hindernisse nur unter unverhältnismäßigem Aufwand zu beseitigen oder bezieht sich der Wille des Patienten auf eine gesetzliche oder ärztlich verbotene Handlung, kann dem Betreuer die Beachtung und Durchsetzung nicht zugemutet werden.

Geneh­mi­gungs­pflicht von Patien­ten­ver­fü­gungen

Mit den Vorschlägen zur Änderung von § 1904 BGB zielte die Kutzer-Kommission auf eine klare Regelung betreffend der Einschaltung des Vormundschaftsgerichts ab. Dies bezieht sich insbesondere auf die Einschränkung der zustimmungspflichtigen Entscheidungen des Betreuers in Konfliktfällen. Auch die Stellung des Bevollmächtigten soll durch die Änderungen gestärkt werden.

Grundsätzlich sollten Betreuerentscheidungen zur Nichteinleitung oder zum Abbruch lebenserhaltener Maßnahmen unter der vorhandenen Genehmigungspflicht stehen. Damit stimmt die Kutzer-Kommission zu, dass es gerechtfertigt ist, Entscheidungen, die durch einen stattlich eingesetzten Betreuer strenger zu kontrollieren, als die eines vom Patienten eingesetzten Bevollmächtigten.

Fälle, in denen jedoch zwischen dem Betreuer und dem Arzt ein Einvernehmen darüber besteht, dass die Betreuerentscheidung mit dem Patientenwillen übereinstimmt, sollen von der Genehmigungspflicht befreit werden. Als Begründung führt die Kommission an, dass der Patientenwille und nicht die medizinischen Indikatoren maßgebend für die Entscheidung über einen Verzicht von lebenserhaltende oder -verlängernde Maßnahmen sein sollte. Bei einem Einvernehmen über den Willen des Patienten sollte dessen Durchsetzung nicht durch gesetzliche Verfahren verzögert werden.

Während eines Genehmigungsverfahrens sollte, nach Vorschlägen der Kutzer-Kommission, das Vormundschaftsgericht darüber entscheiden, ob die Entscheidung des Betreuers tatsächlich mit dem Willen des Betreuten übereinstimmt. Dies soll zum Schutz des Patienten beitragen. Stellt das Vormundschaftsgericht fest, dass die Entscheidung des Betreuers dem Patientenwillen entspricht, soll es die Genehmigung erteilen.

Um die Stellung der Bevollmächtigten – die der Patient in der Ausübung seiner grundrechtlich gewährleisteten Privatautonomie beauftragt hat – zu stärken, schlägt die Kommission vor, dass entsprechende Entscheidungen des Bevollmächtigten unter keiner Genehmigungspflicht stehen.

vollständiger Abschlussbericht der Arbeitsgruppe des BMJ „Patientenautonomie am Lebensende“ vom 10. 06. 2004

Kategorie: Patientenverfügung: Gesetzgebung

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