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Rechts­wid­rige Postkon­trollen in Hamburg und Berlin

17. April 2008

Mitteilungen Nr. 200, Seite 5

Mit Beschluss vom 28.11.2007 erklärte ein Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofes (BGH) die Art und Weise einer im Mai 2007 erfolgten Postbeschlagnahme im Hamburger Briefzentrum 20 im Wesentlichen für rechtswidrig. Die von der Humanistischen Union angestrengte Beschwerde (s. Mitteilungen Nr. 197, S. 1) eines Hamburger Rechtsanwalts selbst wurde jedoch abgewiesen, weil die Betroffenheit des Klägers nicht gegeben sei. In seiner Entscheidung stellt der Ermittlungsrichter fest, dass das Aussortieren von Postsendungen allein Aufgabe der Postbediensteten ist und „eine Mitwirkung von Ermittlungsbeamten oder auch des Richters grundsätzlich ausgeschlossen“ sei, um die „Vertraulichkeit des übrigen Postverkehrs nicht zu gefährden“. Er bestätigte damit die Rechtsauffassung der Humanistischen Union.

Am 22. Mai 2007 hatten 16 Beamte des Landeskriminalamtes Sendungen in dem Hamburger Briefzentrum nach mutmaßlichen Bekennerschreiben („maschinenschriftliche Anschrift, teilweise unter Verwendung von Adreßaufklebern, ohne Absender“) für einen kurz zuvor verübten Brandanschlag gesucht. Gegen diese Vorgehensweise legte ein Hamburger Rechtsanwalt Beschwerde ein (Az.: 1 BGs 519/2007), die von der Humanistischen Union unterstützt wurde. Später stellte sich heraus, dass jeweils zwei BKA-Beamte am 19. und 21. Mai 2007 im Berliner Briefzentrum 10 ebenfalls die Post an verschiedene Tageszeitungen nach Bekennerschreiben durchsucht hatten.

Die Humanistische Union forderte nach der Entscheidung des Ermittlungsrichters, diese Praxis einer schleichenden Aushöhlung des Brief- und Fernmeldegeheimnisses unverzüglich zu beenden. In ihrer schriftlichen Antwort vom 18.3.2008 geht die Bundesregierung davon aus, „dass der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof bei künftigen Postbeschlagnahmemaßnahmen … bei der Prüfung der Art und Weise des Vollzugs die Rechtsauffassung des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs berücksichtigen wird …“ (BT-Drs. 16/8618, S. 6).

Die Humanistische Union hat nach der richterlichen Entscheidung die Deutsche Post AG in einem Brief aufgefordert, künftig für die Einhaltung des Brief- und Postgeheimnisses Sorge zu tragen. In seinem Antwortschreiben vom 20.12.2007 verweist das Unternehmen auf die im Zuge der Postreform II erfolgte Trennung: Demnach obliege der grundrechtliche Schutz des Briefgeheimnisses nur noch staatlichen Stellen, nach der Privatisierung sei die Deutsche Post AG „heute keine Garantin für die Grundrechte Dritter mehr„.

Nach wie vor bleiben Fragen offen, wie die Postbeschlagnahme in Hamburg tatsächlich ablief. Das Bundesjustizministerium widersprach in der oben genannten Stellungnahme der Vermutung, es habe in Hamburg den Versuch einer Postbeschlagnahme ohne richterlichen Beschluss gegeben. Dagegen weist die Deutsche Post AG in ihrem Schreiben an die HU explizit darauf hin, dass ein solcher Versuch von den Postbediensteten abgewehrt wurde: „Es ist Ihnen ja bekannt, dass die ursprüngliche Forderung der Polizei, ohne richterlichen Beschluss die fraglichen Postsendungen zu erlangen, vom örtlich zuständigen Personal zunächst zurückgewiesen wurde, der förmliche Beschluss also überhaupt erst dem Widerstand unseres Personals zu verdanken ist.

Sven Lüders
ist Geschäftsführer der Humanistischen Union e.V.

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