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Verfas­sungs­be­schwerde gegen die Bundespost

05. September 1970

vorgänge 9/1969, S. 367

Die Humanistische Union hat beim Bundesverfassungsgericht Verfassungsbeschwerde erhoben. Sie richtet sich gegen zwei Verwaltungsakte der Post, die aus der 1964 in Kraft getretenen Bundespostordnung resultieren. Deren §§ 13 und 59 untersagen Versand und Zustellung von Postsendungen, „deren Inhalt gegen strafgesetzliche Bestimmungen, gegen das öffentliche Wohl oder die Sittlichkeit verstößt, insbesondere, wenn sie wegen des offenen Versandes anstößig wirken” und „Sendungen mit Vermerken politischen oder religiösen Inhalts auf der Anschriftseite”. § 59 ermächtigt zudem jeden Postboten, bereits beförderte Sendungen, von denen er annimmt, sie fielen unter das in § 13 ausgesprochene Beförderungsverbot, dem Empfänger nicht zuzustellen.

Posttransport und -zustellung von bestimmten inhaltlichen Voraussetzungen der Postgüter abhängig zu machen, verstößt nach Meinung der Humanistischen Union gegen das „Zensurverbot” (Art. 5 GG) und gegen die Grundrechte der „Freiheit der Meinungsverbreitung” (Art. 5 GG), der „Freiheit der Information” (Art. 5 GG) und der „freien Entfaltung der Persönlichkeit” (Art. 2 GG). In der Praxis müssen die Verordnungen außerdem zwangsläufig zu ständiger Verletzung des Post und Briefgeheimnisses (Art. 10 GG), führen, da die Postbeamten die der Post zugegangenen Schriften ja lesen müssen, um die in § 13 eingeführten Maßstäbe anlegen und die Beförderungswürdigkeit beurteilen zu können. Dazu sind sie aber weder bei offenen noch bei verschlossenen Sendungen rechtlich befugt. Im übrigen verstoßen die Formulierungen des § 13 gegen das Verfassungsprinzip der Rechtsstaatlichkeit, das erfordert, daß aus den Gesetzestexten klar erkennbar sein muß, was rechtens ist.

Die Humanistische Union, die satzungsgemäß zur Verteidigung der Grundrechte verpflichtet ist, hält es nachwievor für einen Skandal, daß Grundrechte der Verfassung von einem Ministerium auf dem Verordnungsweg eingeschränkt werden können.

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