Themen / Datenschutz / Videoüberwachung

BAfF begrüßt die Entschei­dung des Senats, das Volks­be­gehren für mehr Ton- und Video­über­wa­chung dem Verfas­sungs­ge­richtshof vorzulegen

16. Oktober 2018

Die Berliner Allianz für Freiheitsrechte (BAfF) begrüßt die heutige Entscheidung des Senats, den Gesetzesvorschlag des Überwachungsbündnisses „Aktionsbündnis für mehr Videoaufklärung und Datenschutz“ dem Verfassungsgerichtshof zur rechtlichen Prüfung vorzulegen. Die BAfF ist, wie der Senat, überzeugt, dass der Entwurf gegen Grundrechte und den Datenschutz verstößt. Unabhängig davon, ob die Fassung des Gesetzesvorschlags, mit dem Unterschriften gesammelt wurden, oder die nachträglich minimal veränderte Fassung geprüft wird.

David Jahn, Mitglied der FDP Fraktion in der BVV Reinickendorf und Landesvorsitzender der Jungen Liberalen Berlin, meint: „Die Orwellsche Überwachung der Berlinerinnen und Berliner mit Film und Ton kann nur verfassungswidrig sein. Der CDU geht es mit ihrer Initiative ganz offenbar nur darum, Ängste zu schüren, statt praktikable Lösungen, wie etwa eine Stärkung der Polizei, einzubringen. Die Initiative dem Verfassungsgerichtshof zur Prüfung vorzulegen ist folgerichtig.“

Sven Lüders, Bundesgeschäftsführer der Humanistischen Union sagt: „Schon der Name ‚Aktionsbündnis für mehr Videoaufklärung und Datenschutz‘ legt den Schwerpunkt eindeutig auf die Aufklärung von Verbrechen. Da fehlt dem Land Berlin die gesetzgeberische Kompetenz. Zur Prävention schweigt sich der Vorschlag allerdings aus.“

Rainer Hammerschmidt, Aktion Freiheit statt Angst, ergänzt: „Die Aufnahmen sollen einen Monat gespeichert werden. Das widerspricht allen Regeln zum Datenschutz, also dem Schutz unserer Privatsphäre. Danach sollen Daten möglichst nicht erhoben werden und, wenn doch, möglichst schnell vernichtet werden. Wenn keine Anzeigen vorliegen, müssen Aufnahmen unmittelbar nach der Veranstaltung oder zeitnah vernichtet werden. Ein Monat ist, egal wie man es sieht, keine zeitnahe Vernichtung, sondern eine anlasslose, riesige Datenerhebung auf Vorrat. “

Maximilian Blum, Sprecher der LAG Netzpolitik der Linken Berlin sagt: „Im Gesetzesvorschlag wird die Polizei verpflichtet, immer die modernste Technik einzusetzen und ‚intelligente‘ Videotechnik anzuwenden. Was das in Zukunft alles bedeutet ist unklar. Aktuell geht es dabei um Gesichtserkennung und den Einsatz von Algorithmen. Diese Algorithmen können leicht zu Diskriminierungen führen.

Um es an einem banalen Beispiel zu illustrieren: Wenn Sie bei Amazon für ihre Mutter ein Kochbuch kaufen, werden ihnen anschließend weitere Kochbücher empfohlen. Auch wenn sie überhaupt nicht kochen können. Oder wenn Sie online eine Reise nach Malta gebucht haben, werden ihnen anschließend weitere Reisen nach Malta empfohlen.

Während diese Beispiele harmlos sind, hat eine polizeiliche Kontrolle, weil Sie vielleicht ein Hertha-Fan-T-Shirt tragen, ganz andere Auswirkungen.“

Max Althoff, Rechtsanwalt und Sprecher der LAG Bürgerrechte und Demokratie der Linken Berlin sagt: „Ich halte bereits die Unterschriftenliste für die Volksinitiative für fehlerhaft. Wer nur die Erklärungen des Überwachungsbündnisses auf der Unterschriftenliste gelesen hat, wurde nicht informiert, dass auch eine Tonüberwachung geplant ist. Es gehört aber nicht nur zur Ehrlichkeit, sondern auch zu den gesetzlichen Anforderungen an die Unterschriftensammlung, dass dort über den wesentlichen Inhalt des geplanten Gesetzes informiert wird. Eine Tonüberwachung im öffentlichen Raum ist ein massiver Grundrechtseingriff und muss daher auch genannt werden. Hier hat man Menschen für ein Gesetz unterschreiben lassen, über dessen Inhalt sie belogen wurden. Eine Tonüberwachung im öffentlichen Raum wird auch, wie eine aktuelle Forsa-Umfrage zeigt, von der Mehrheit abgelehnt.“

Alexander Spies vom Landesvorstand der Humanistischen Union Berlin-Brandenburg sagt: „Die objektive Sicherheit in Berlin ist gut. Nach der aktuellen Polizeilichen Kriminalstatistik sank letztes Jahr sogar die Zahl der Straftaten. Das subjektive Sicherheitsgefühl ist dagegen anders. Hier kann mit baulichen Maßnahmen, Beleuchtung, gut ausgebildetem und höflichem Sicherheitspersonal, mit Sozialarbeitern, funktionierenden Nachbarschaften und einem Dialog mit allen Betroffenen viel getan werden. Es wird hier nicht die eine Antwort geben. In jedem Kiez wird es anders aussehen. Aber in keinem Kiez wird durch das Aufstellen von Kameras die Sicherheit gesteigert.“

Berlin, 16. Oktober 2018

Homepage der BAfF: https://www.baff.berlin/

Pressemitteilung des Senats: Senat hält Volksbegehren für Videoüberwachung für rechtlich unzulässig und beschließt Vorlage an den Verfassungsgerichtshof (16. Oktober 2018): https://www.berlin.de/rbmskzl/aktuelles/pressemitteilungen/2018/pressemitteilung.749009.php

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