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Stellung­nahme der Humanis­ti­schen Union zum Beschäf­tig­ten­da­ten­schutz

Mitteilungen Nr. 213 (2/2011)

Die Humanistische Union hat anlässlich einer Anhörung des Bundestags-Innenausschusses am 23. Mai 2011 eine Stellungnahme zu den Gesetzentwürfen der Bundesregierung (Drs. 17/4230), der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (Drs. 17/4853) und der Fraktion der SPD (Drs. 17/69) zum Datenschutz für Beschäftigte abgegeben. Wir dokumentieren hier die Kurzfassung. Eine ausführliche Kritik zum Gesetzentwurf der Bundesregierung kann in der HU-Geschäftsstelle oder auf der Webseite abgerufen werden: www.humanistische-union.de/themen/datenschutz.

Der von der Bundesregierung vorgelegte Entwurf ist aus bürgerrechtlicher Sicht abzulehnen, weil er lediglich das Bundesdatenschutzgesetz aufbläht, ohne den Grundsatz der informationellen Selbstbestimmung der Beschäftigten im Arbeitsverhältnis wirklich einzulösen. Vorrang hat in diesem Gesetzentwurf der Ansatz der „compliance“ (Befolgung der Regeln eines Unternehmens) und der Kampf gegen Korruption sowie Überwachung der Arbeitnehmer/innen. Erneut lehnt die Bundesregierung die seit Jahrzehnten erhobene Forderung nach einem eigenständigen Gesetz für die Beschäftigten in der Privatwirtschaft und bei öffentlichen Stellen ab. Die von der Regierung vorgelegten Ergänzungen des Bundesdatenschutzgesetzes stärken nicht die Schutzrechte der Beschäftigten, sondern die Kontrollmöglichkeiten des Arbeitgebers. Aus bürgerrechtlicher Sicht sind in dem vorliegenden Gesetzentwurf der Bundesregierung insbes. abzulehnen:

1. Die weitreichenden Regelungen zugunsten der Arbeitgeber bei der Bewerbung und Einstellung der Beschäftigten. Insbesondere der neue Paragraph 32 Absatz 4 bis 6 eröffnet dem Arbeitgeber ein unzulässig breites Feld, bei der Bewerbung intimste persönliche Daten und Informationen zu sammeln. Aus Sicht der Humanistischen Union ist es unzulässig, dass ein kirchlicher Arbeitgeber zum Beispiel „die religiöse Überzeugung“ oder die „religiöse Weltanschauung“ testen und Daten darüber sammeln darf. Auch die Möglichkeiten für einen politischen Arbeitgeber verletzen den Grundsatz der Meinungs- und Koalitionsfreiheit sowie den Grundsatz eines sparsamen Umgangs mit persönlichen Daten: er darf die „politische Meinung“ erfragen und die Gewerkschaftszugehörigkeit. Abzulehnen ist auch der Zugriff des Arbeitgebers auf die sozialen Netzwerke. Hier sieht der Gesetzentwurf der Bundesregierung in einer sehr schwammigen Formulierung vor: „Bei Daten aus sozialen Netzwerken, die der elektronischen Kommunikation dienen, überwiegt das schutzwürdige Interesse des Beschäftigten; dies gilt nicht für soziale Netzwerke, die zur Darstellung der beruflichen Qualifikation ihrer Mitglieder bestimmt sind.“ Die Interpretation, wie weit das schutzwürdige Interesse überwiegt, liegt also beim Arbeitgeber. Dem Bewerber/der Bewerberin werden in dem Gesetzentwurf keinerlei Rechte auf Einsicht oder Widerspruch eingeräumt.

2. In der Praxis gehen Arbeitgeber vor allem in den Großunternehmen der Privatwirtschaft heute davon aus, dass Bewerbungen über das Internet erfolgen. Hier sind Datenschutzregelungen besonders gefordert. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung geht auf diese Praxis nicht ein. Aus bürgerrechtlicher Sicht ist eine Regelung erforderlich, wie sie der Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Paragraph 6 (vor allem im Absatz 3) vorsieht.

3. Schwammig, weitreichend und vieldeutig sind auch die Regelungen zur Videoüberwachung (§ 32f) und zu den Ortungssystemen (§ 32g). Die Zulässigkeit der Videoüberwachung zum Beispiel „zur Abwehr von Gefahren für die Sicherheit des Betriebs“ ist eine Generalvollmacht. Bei den Ortungssystemen hat der Beschäftigte kein eigenständiges Auskunfts- und Informationsrecht: Erkennbarkeit und Auswertung des Ortungssystems liegt allein beim Arbeitgeber.

4. Die Gesetzentwürfe der SPD und von Bündnis 90/Die Grünen sehen umfangreiche Einsichts-, Auskunfts- und Korrekturrechte des/der Beschäftigten vor. Sie fehlen im Gesetzentwurf der Bundesregierung, damit wird das Mitwirkungs- und das Transparenzgebot verletzt. Diese gehören aber zu den Kernbestandteilen eines wirksamen Beschäftigtendatenschutzes.

5. Aus bürgerrechtlicher Sicht erforderlich ist auch ein Maßregelungsverbot, wie es unter anderem der Gesetzentwurf der SPD-Fraktion vorsieht (§ 24).

6. Im Gesetzentwurf der Bundesregierung fehlt ein Beauftragter (eine Beauftragte) für den Beschäftigtendatenschutz. Er ist in den beiden Alternativentwürfen enthalten.

7. Völlig inakzeptabel ist aus Sicht der Humanistischen Union der geplante § 32l im Gesetzentwurf der Bundesregierung (Einwilligung, Geltung für Dritte, Rechte der Interessenvertretungen, Beschwerderecht, Unabdingbarkeit). § 32l verstößt gegen Art. 28 Abs. 4 der EG-Datenschutzrichtlinie (95/46/EG). Die in Abs. 4 des Entwurfs getroffene Regelung, dass sich Arbeitnehmer/innen erst an eine zuständige Behörde wenden können, wenn der Arbeitgeber einer entsprechenden Beschwerde nicht abgeholfen hat, verstößt gegen europäisches Recht. Gemäß Art. 28 Abs. 4 der Datenschutzricht- linie muss jeder Person vorbehaltlos das Recht eingeräumt werden, sich mit der Bitte, die Rechtmäßigkeit einer Datenverarbeitung überprüfen zu lassen, an eine Kontrollstelle wenden zu können. Die in der Richtlinie enthaltenen Vorgaben stellen eine Mindestanforderung dar, an die der deutsche Gesetzgeber gebunden ist.
Der Humanistischen Union ist es wichtig, diese Vorschrift in Zusammenhang mit § 32e des Entwurfs zu setzen (Datenerhebung ohne Kenntnis des Beschäftigten zur Aufdeckung und Verhinderung von Straftaten und anderen schwerwiegenden Pflichtverletzungen im Beschäftigungsverhältnis). Während § 32e dem Arbeitgeber die Möglichkeit gibt, Beschäftigte bei Verdacht einer Straftat heimlich zu überwachen, sollen Beschäftigte verpflichtet werden, ihren Arbeitgeber zu informieren, wenn sie das Gefühl haben, dass dieser sie überwacht. Liest ein Arbeitgeber aber zum Beispiel unberechtigt die privaten E-Mails eines Beschäftigten, so stellt dies ebenfalls eine Straftat dar (§ 202a StGB – Ausspähen von Daten).

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