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Gemeinsame Erklärung zum Zensus 2011: Stoppt die Voller­fas­sung!

06. April 2011

Der Arbeitskreis Zensus (“AK Zensus”) und die Bündnispartner dieses Aufrufs warnen gemeinsam vor der bevorstehenden Volkszählung, von den Behörden als “Zensus 2011” bezeichnet.

Ohne dass die Bevölkerung auch nur annähernd ausreichend darüber aufgeklärt worden wäre, erfolg(t)en bereits seit 2008 zentrale Zusammenführungen und Vernetzungen zahlreicher sensibler personenbezogener Daten und Informationen über alle Einwohner Deutschlands.

Derzeit erfolgt die Erstellung einer in Deutschland bislang noch nie dagewesenen Datenbank über alle Einwohner und jede Aufenthalts- bzw. Wohngelegenheit. Darin werden für einen Zeitraum von bis zu vier bzw. sechs Jahren, d.h. bis 2015 bzw. 2017, nicht anonymisierte Daten über die gesamte Bevölkerung sowie ihre Beziehungen untereinander gespeichert.

Diese zentral gespeicherte Datenbank mit einer vollumfänglichen Erfassung aller Einwohner Deutschlands halten wir alleine durch ihre Existenz für ein unhaltbares Risiko. Die Gefahr des Datenmissbrauchs oder Datendiebstahls mit oder ohne neue staatliche Verordnungen oder durch kriminelles Eindringen bereitet uns große Sorgen. Bezogen auf den angeblich zu erwartenden Nutzen durch die Erhebung dieser Daten halten wir die Erschaffung dieser neuartigen Datensammlung für völlig unverhältnismäßig.

Wir empören uns darüber, dass im Rahmen dieser Volkszählung einige spezielle Bevölkerungsschichten in unerträglicher Art und Weise behandelt und erfasst werden sollen:

Die in der Haushalteerfassung gestellten Fragen zum Migrationshintergrund, zur Religionszugehörigkeit und zum persönlichen Glauben gehen über die zugrunde liegende EG-Richtlinie weit hinaus und widersprechen damit dem Grundsatz der Datensparsamkeit. Warum sollen Menschen islamischen Glaubens in detailierter Art und Weise über ihre Weltanschauung Auskunft geben? Warum wird ein etwa bestehender Migrationshintergrund sowie der unserer Väter und Mütter in so außergewöhnlicher Form per Zwang erfragt?

Durch die besondere Befragung der sogenannten “Sonderbereiche” wird für eine hundertprozentige persönliche Einzelbefragung bzw. Listenerfassung sämtlicher Gefängnisinsassen, Obdachlosen, Bewohner von psychiatrischen Anstalten, Klöstern, Flüchtlings- und Erziehungsheimen sowie aller Einwohner von Behinderten-, Alten- und Studenten-wohnheimen gesorgt. Bereits diese Tatsache und die mangelhafte Aufklärung darüber halten wir für einen Skandal.

Aufgrund der nachgewiesenen großen Gefahr einer Re-Identifizierung anhand ungenügend anonymisierter Daten, verbunden mit Kosten von mehr als 750 Millionen Euro, der offensichtlich mangelhaften oder gänzlich fehlenden Schulung von Mitarbeitern der Statistikämter und Erhebungsstellen, sowie der fehlerhaften praktischen Umsetzung von Abschottungs- und Rückspielgebot, halten wir das Vorhaben “Zensus 2011” insgesamt für sehr bedenklich.

Wir fordern:

  • den sofortigen Stop des Zensus 2011 und die unverzügliche Löschung aller bislang zentral erfassten und verarbeiteten Daten im Zusammenhang mit dem Zensus- und dem Zensusvorbereitungsgesetz.
  • die Erarbeitung alternativer Volkszählungsmethoden, die eine unverzügliche und nicht wieder rückgängig machbare Anonymisierung der erhobenen Daten beinhalten.
  • eine rechtzeitige, umfassende und ehrliche Aufklärung der Bevölkerung.
  • eine wirklich moderne “Volkszählung”, die auf eine mit Androhung und Verfügung hoher Buß- und Zwangsgelder durchgesetzte “Auskunftspflicht” verzichten kann.
  • die Gleichbehandlung aller Menschen auch im Zusammenhang mit Befragungen und Erfassungen des Zensus.
  • Transparenz über Kosten des Zensus und den Sinn und Zweck der einzelnen Erhebungsmerkmale.

AK Zensus und Bündnispartner

Folgende Gruppen unterstützen bislang diese Gemeinsame Erklärung (in alphabetischer Reihenfolge):

  • AStA der Universität Frankfurt/Main
  • bpm – Bündnis für Politik- und Meinungsfreiheit
  • Flüchtlingsrat Hamburg
  • Flüchtlingsrat Niedersachsen
  • Freifunk Jena
  • Grüne Jugend
  • Humanistische Union
  • Internationale Liga für Menschenrechte
  • Linksjugend [solid] Köln
  • Piratenpartei Niedersachsen
  • Rote Hilfe, Ortsgruppe Bielefeld
  • u-asta der Universität Freiburg

Das Bündnis freut sich über jeden weiteren Unterstützer und jede weitere Unterstützerin der Erklärung.
Dann bitte einfach per E-Mail beim AK Zensus melden:

kontakt@zensus11.de

http://zensus11.de/bundnis/

Weitere Informationen zum Zensus 2011 unter: http://www.zensus11.de

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