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Bald 12.000 Kameras im Berliner Nahverkehr (Korrektur!)

24. Januar 2010

Senat kündigt erschreckenden Ausbau der Videoüberwachung bei der BVG an. Welchen Nutzen dies bringt, ist ihm egal

Die Bürgerrechtsorganisation Humanistische Union ist schockiert über die jetzt bekannt gewordene Antwort des Berliner Senates auf eine zweite Kleine Anfrage zur Videoüberwachung im Öffentlichen Personennahverkehr (Drs. 16/13853). Die dort genannten Zahlen sind erschreckend und übertreffen die schlimmsten Befürchtungen der HU: Schon jetzt beobachtet die BVG durch 6404 Kameraaugen täglich rund um die Uhr die Fahrgäste. Wer, wann, wo, mit wem, wohin gefahren ist, ist bereits jetzt  nachvollziehbar. Doch der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, die die Anfrage beantwortet hat, ist dies noch nicht genug. Sie will die flächendeckende Videoüberwachung. Bis 2013 sollen in jeder U-Bahn, in jedem Bus, in jeder Tram und auf allen U-Bahnstationen mehrere Videokameras alles aufzeichnen.

Rechnet man die von der Senatsverwaltung angegebene Zahl der Kameras hoch, bedeutet dies: über 12.000 Kameras dokumentieren bald den Tagesablauf der Berliner Bürgerinnen und Bürger. Ob diese Totalüberwachung der BVG-Fahrgäste der Kriminalitätsbekämpfung nützt, ist der Senatsverwaltung dabei offenbar egal. Der Senat hält eine unabhängige wissenschaftliche Untersuchung zur Wirkung von Videoüberwachung nicht für erforderlich. Auf die kritische Nachfrage, warum die BVG 2006 eine wissenschaftliche Untersuchung der Videoüberwachung abgebrochen hat, entzieht sich die Senatsverwaltung der Verantwortung. Dabei ist die BVG eine Anstalt öffentlichen Rechts und zu 100% im Eigentum des Landes.  Die Humanistische Union hatte erwirkt, dass zumindest der Zwischenbericht der damaligen Evaluation offen gelegt wurde. Ergebnis: Keine Reduzierung der Kriminalität feststellbar.

Die HU fordert den Senat und die BVG auf, sich endlich wirklich um die Sicherheit der Fahrgäste zu kümmern. Eine Totalüberwachung befriedigt höchstens orwellsche Phantasien.

Korrektur:

In einer ersten Pressemitteilung hatten wir versehentlich von 15.000 Kameras gesprochen, die im Berliner Nahverkehr zu erwarten seien. Dies sollte keine Übertreibung sein, sondern war schlicht ein Rechenfehler unsererseits, den wir zu entschuldigen bitten. Um diese Interpolation nachvollziehbar zu gestalten, führen wir unsere Berechnungsgrundlagen näher aus. An der grundsätzlichen Kritik der flächendeckenden Videoüberwachung halten wir jedoch fest – auch 12.000 Videokameras sind nach unserer Auffassung zu viel. Wir bitten Sie um Berücksichtigung der korrigierten Angaben. (Sven Lüders)

Wie kommen wir auf die Zahl von 12.000 Kameras im ÖPNV Berlins?

In der Antwort der Senatsverwaltung auf die Kleine Anfrage des Abg. Lux (Drs. 16/13854) sind die bisherigen Kamerazahlen auf den Bahnhöfen und den verschiedenen Fahrzeugtypen der BVG angegeben (alle Angaben aus der genannten Drucksache):

Standorte / Fahrzeug

Anzahl
Kameras 

Gesamtzahl
Fahrzeuge 

davon Standorte/
Fahrzeuge mit Kamera

Grad der Kamera-Ausstattung

U-Bahnhöfe

  935

 

 

100 %

U-Bahnwagen 

  808 

1268 

  396 

  31 %

Busse

3761

1298

  889

  68 % 

Trams

  900 

  540 

  150 

  28 %

(alle Angaben aus Drucksache 16/13854, S. 1)

In seiner Antwort auf die 5. Frage der selben Anfrage bestätigt der Berliner Senat das Ziel einer Vollausstattung aller Fahrzeuge der Berliner BVG mit Videokameras. Dort heißt es: „Deshalb befürwortet der Senat die Ausstattung aller Fahrzeuge der BVG mit Videoaufzeichnungsanlagen.“ (a.a.O., S. 2)

Ausgehend von dieser Absichtserklärung haben wir berechnet, wie viele Kameras bei einer „Vollausstattung“ aller Fahrzeuge mit Kameras und bei gleicher Kameradichte (Kameras pro Fahrzeug) wie bisher zu erwarten sind:

Standorte / Fahrzeug

bisherige Anzahl
Kameras 

Berechnung

erwartete Anzahl
Kameras

U-Bahnhöfe

  935

  935 / 1,00

  935

U-Bahnwagen 

  808 

  808 / 0,31

2.606 

Busse

3.761

3.761 / 0,68

5.530

Trams

  900 

900 / 0,28 

3.214 

Das ergibt eine Gesamtsumme von 12.285 Kameras.

Für Rückfragen stehen Ihnen zur Verfügung:

  • Anja Heinrich, Landesgeschäftsführerin Berlin-Brandenburg: Tel. 030 / 204 25 04
  • Sven Lüders, Bundesgeschäftsführer der Humanistischen Union: Tel. 0152 / 0183 1627

Kleine Anfrage des Abgeordneten Benedikt Lux: „Videoüberwachung (II): Kameras statt Personal im Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV)“ Drs. 16/13854, abrufbar unter www.parlament-berlin.de:8080/starweb/adis/citat/VT/16/KlAnfr/ka16-13854.pdf

Weitere Informationen zum Thema finden sie auf unserer Internetseite hier.

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