Themen / Datenschutz / Videoüberwachung

Verbot der privaten Video-­Über­wa­chung öffent­li­cher Räume gefordert

01. Februar 2004

Berlin (AP) Die Bürgerrechtsorganisation Humanistische Union hat einen aktiveren Datenschutz in Deutschland gefordert. Von dem neuen Bundesbeauftragten für den Datenschutz, Peter Schaar, erwarte er intensive Öffentlichkeitsarbeit und Aufklärung über die Anliegen des Datenschutzes, sagte der Geschäftsführer der Humanistischen Union, Nils Leopold, am Sonntag der Nachrichtenagentur AP im Interview.

Nachfolgend das Interview im Wortlaut:

AP: Herr Leopold, der Bundesverband der Verbraucherzentralen hat kürzlich Alarm geschlagen und eine „unterentwickelte Datenschutzkultur“ festgestellt. Teilen Sie diese Einschätzung?

Leopold: Der Datenschutz ist in manchen Bereichen in der Tat nicht ausreichend. In Deutschland müssen wir generell überlegen, ob wir uns nicht nach der Schaffung von Datenschutzgesetzen zu früh gefreut und gehofft haben, die bloße Rechtsnorm schütze uns vor Missbrauch. Es gibt viel zu viele und zu komplizierte Gesetze, dafür aber zu wenig Kontrolle. Die Datenschutzbeauftragten müssen gestärkt werden, so dass sie wirklich kontrollieren und für die Beachtung der geseztlichen Regeln sorgen können und Werbung machen können für den Gedanken des Datenschutzes.

AP: Wo sehen Sie zur Zeit die größten Defizite?

Leopold: Eines ist die private Video-Überwachung, die im Augenblick explodiert. Die Kameras schießen wie Pilze aus dem Boden. Das Problem ist, dass die Aufsichtsbehörden mit ihrer Personalausstattung völlig überfordert sind, dazu aber auch die Gesetzesnormen windelweich sind und keine klare Richtlinie vorgeben. Die gesetzliche Regelung ist zu unbestimmt, um den Verantwortlichen die Grenzen klarzumachen.
Die Humanistische Union fordert, dass die Video-Überwachung durch Private in den öffentlichen Raum hinein deutlich vom Gesetzgeber ausgeschlossen werden muss. Private Kameras haben im öffentlichen Raum nichts zu suchen. Dazu zählen etwa Kameras vor Geschäften, die den Bürgersteig davor mit erfassen. Darunter fallen auch Fälle, in denen Eingänge von Mietshäusern per Video überwacht werden und die Kamera auch den Bürgersteig vor dem Haus erfasst. Den Hauseigentümern fehlt häufig jegliche Sensibilität für die Privatsphäre ihrer Mieter.

AP: Wird das Thema Datenschutz von der Politik bewusst kleingehalten, um etwa Sicherheitsinteressen durchzusetzen?

Leopold: Zum Datenschutz scheiden sich seit mehr als 20 Jahren die Geister in Links und Rechts. Unter Bundeskanzler Schröder allerdings scheint sich dieser Links-Rechts-Gegensatz aufzulösen. Der Hauptprotagonist dieser Auflösung ist Innenminister Otto Schily. Unter dem Banner der Sicherheitspolitik schiebt er den Datenschutz aufs Abstellgleis. Das ist aus der Sicht der Bürgerrechtler und der Menschenrechtler nicht hinnehmbar. Der Datenschutz ist eine von der Verfassung verbürgte Position. Es geht um das Menschenrecht auf Achtung der Privatsphäre und dieses Menschenrecht muss in Balance gebracht werden mit den Sicherheitsansprüchen des Staates. Wer diese Balance verweigert, und den Datenschutz nicht als zentrales Konzept unseres Rechtsstaates anerkennt, der begeht offenen Rechtsbruch. Hier ist etwas ins Ungleichgewicht gebracht worden von der Politik. Es ist Populismus. Es geht ganz gezielt darum, mit der Sicherheitspolitik Wählerstimmen zu sichern.

AP: Welche Hoffnungen knüpfen Sie an den neuen Datenschutzbeauftragten Schaar, der seit Dezember im Amt ist?

Leopold: Ich hoffe sehr, dass Peter Schaar deutlicher als sein Vorgänger konfliktbereit für die Belange des Datenschutzes eintritt, dass er intensive Öffentlichkeitsarbeit und Aufklärung über Datenschutz machen wird. Ich erwarte auch, dass er entschlossen das Gespräch mit den Sicherheitsbehörden sucht, um gezielter intervenieren zu können.
Beispiel Toll Collect: Schaars Vorgänger hat bei Toll Collect geschlafen: dort ist eine jetzt schon funktionsfähige Überwachungsstruktur auf den Bundesautobahnen entstanden. Das hätte nicht sein müssen und nicht sein dürfen. Das System fotografiert jedes Fahrzeug, nicht nur die Lkw, und erfasst sie. Das Bild soll zwar gelöscht werden, wenn das Fahrzeug unter der Mautbrücke durchgefahren ist und nicht mautpflichtig ist. Sie können jedoch mit dieser Anlage ein lückenloses Bewegungsprofil von jedem Pkw erstellen. Das ist ein Skandal. Wir hoffen, dass bei solchen Projekten der neue Datenschutzbeauftragte künftig nachhakt.

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