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Panzer, Granaten, Sturm­ge­wehre ... "Made in Germany" für die weite Welt?

11. Juli 2012

Kriterien für Transparenz, Kontrolle und Beschränkung von Waffenexporten. Mitteilungen Nr. 217 (Heft 2/2012), S. 4-7

Panzer, Granaten, Sturmgewehre ...

(Red.) Die Militarisierung der deutschen Außenpolitik kritisieren regelmäßig „Die Himmlischen Vier”, wie hier bei einem Aufzug vor dem Reichstagsgebäude im Mai 2010. Ein als „künstlerische Aktion“ deklarierter Fahndungsaufruf gegen die Eigentümmer der Firma Krauss-Maffei Wegmann (darunter ein Mitglied der HU) war es auch, der uns herausforderte, beim Thema Waffenexporte Farbe zu bekennen. Seitdem wird in vielen Regionalgruppen dazu diskutiiert. Wie eine HU.Position aussehen könnte, erörtert Werner Koep-Kerstin im folgenden Artikel.

„Keiner weiß genau, wie viele Waffen und Rüstungsgüter deutscher Herkunft zu welchem Zeitpunkt welche Empfänger in welchen Ländern erreichen.“
Bernhard Moltmann, Vorsitzender der Fachgruppe
‚Rüstungsexporte‘ der Gemeinsamen Konferenz Kirche und Entwicklung (GKKE)

Wer meint, die Abgeordneten des Deutschen Bundestages seien nur in der Eurokrise das ohnmächtige Notariat der Exekutive, hat nie realisiert, in welchem Ausmaß die Parlamentarier bei Fragen des Waffen- und Rüstungsexports Deutschlands auf verlorenem Posten stehen, weil sie von Seiten der Bundesregierung im informativen Dunkeln gelassen werden. 12 bis 18 Monate nach einer Exportentscheidung erst erfahren sie in einem in vielerlei Hinsicht unzulänglichen Rüstungsexportbericht der Bundesregierung, welche Verkäufe von Waffen und Rüstungsgütern in die weite Welt hinaus genehmigt wurden. Ob in Nato-Ländern wie der Türkei, wo Panzer gegen Kurden auffahren; in diktatorisch regierten Staaten oder bei Empfängern von Entwicklungshilfe; in Regionen, die augenfällig Spannungsgebiete sind, und in Ländern, in denen sogar nach den eigenen Menschenrechtsberichten der Bundesregierung diese Rechte verletzt werden – überall dort finden sich Waffen und Rüstungsgüter „Made in Germany“. Wir sind Europameister und Dritter in der Welt beim Export dieser „Waren“.

„Das ist doch erfreulich“ – diesen Zuruf von der CDU/CSU verzeichnet das Protokoll des Deutschen Bundestages der 181. Sitzung vom 24. Mai 2012 auf die Feststellung des SPD- Abgeordneten Klaus Barthel, wonach der deutsche Rüstungsexport in den letzten fünf Jahren um 37 Prozent gestiegen sei, während der weltweite Rüstungshandel in dieser Zeit „nur“ um 24 Prozent zugelegt habe. Wer die überdurchschnittliche Zunahme deutscher Rüstungsexporte erfreulich findet, scheint blauäugig von der Bindung an die normativen Grundlagen für die Genehmigung deutscher Rüstungsexporte überzeugt zu sein – oder ignoriert diese einfach.

Richtig ist, dass eine Reihe gesetzlicher Vorgaben und „Politischer Grundsätze“ eigentlich eine restriktive Rüstungsexportpolitik garantieren müsste. Der Art. 26 Abs. 2 Grundgesetz stellt fest: „Zur Kriegführung bestimmte Waffen dürfen nur mit Genehmigung der Bundesregierung hergestellt, befördert und in Verkehr  gebracht werden. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.“ Maßgeblich sind weiter das Kriegswaffenkontrollgesetz (KWKG) und das Außenwirtschaftsgesetz (AWG) i.V.m. der Außenwirtschaftsverordnung (AWV). Darüber hinaus gelten „Politische Grundsätze der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern vom“ 19.1.2000, denen zufolge die „Beachtung der Menschenrechte … für jede Exportentscheidung von herausgehobener Bedeutung“ ist. Genehmigungen würden grundsätzlich nicht erteilt, wenn ein „hinreichender Verdacht“ besteht, dass die infrage stehenden Waffen oder Rüstungsgüter zur Unterdrückung im Inneren oder zu anderen „fortdauernden und systematischen Menschenrechtsverletzungen“ missbraucht werden. Und schließlich gilt der „Gemeinsame Standpunkt der EU für die Kontrolle der Ausfuhr von Militärtechnologien und Militärgütern“ vom 8.12.2008.

Offensichtlich aber funktioniert die Selbstbindung der Regierung über Grundsätze nicht. Viel zu oft setzen sich wirtschafts- und industriepolitische Interessen durch und nicht menschenrechtliche Kriterien. In einem Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zum Thema (BT-Drs. 17/9412) heißt es selbstkritisch: „Aber auch unter der großen Koalition und selbst unter Rot-Grün haben die jeweiligen Regierungen den Entscheidungsspielraum, den ihnen die Grundsätze lassen, gegen eine restriktive Rüstungsexportpolitik genutzt.“

Haupt­de­fi­zite beim Waffen- und Rüstungs­ex­port

1. Fehlende Transparenz und Mangel an verbindlich geregelten Informations- und Beteiligungsmöglichkeiten des Deutschen Bundestages

Der Deutsche Bundestag hat keine verlässliche offizielle Informationen über aktuelle Rüstungsexportentscheidungen. Die Bundesregierung lässt über besonders gewichtige Kriegswaffenexporte im Bundessicherheitsrat entscheiden. Dadurch kann weder eine parlamentarische noch eine gesellschaftliche Diskussion über das Für und Wider derartiger Exportgenehmigungen geführt werden. Eine Vorlagefrist für den jährlichen Rüstungsexportbericht der Bundesregierung existiert nicht. In den meisten europäischen Ländern werden solche Berichte wesentlich zeitnäher und in kürzeren Abständen vorgelegt als in Deutschland (hier erst 12-18 Monate nach dem Berichtszeitraum).

2. Waffenlieferungen in Spannungsgebiete und an Länder mit Menschenrechtsverletzungen/innerer Repression

Die geplanten Waffen-Deals mit Saudi-Arabien und mit Indien belegen exemplarisch, „wie weit Deutschland von einer restriktiven Rüstungsexportpolitik entfernt ist.“ (BÜNDNIS 90/Die GRÜNEN). Beim Indien-Geschäft geht es um den auch von Bundeskanzlerin Merkel vorangetriebenen Verkauf von 126 mit maßgeblichem deutschen Anteil hergestellten Eurofighter – ein 10 Milliarden-Dollar-Geschäft. Ebenso verstößt  die öffentlich gewordene offenbar beabsichtigte Lieferung von 270 und eventuell mehr Kampfpanzern des Typs Leopard 2A7+ an Saudi-Arabien gegen die „Politischen Grundsätze der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern“ vom 19. Januar 2000, wonach solche Lieferungen in Spannungsgebiete untersagt sind. Ohne Zweifel kann die Region der Arabischen Länder mit den Umbrüchen in Tunesien, Ägypten, Libyen, Syrien, Jemen und den Konflikten zwischen Iran und Saudi-Arabien als Spannungsgebiet bezeichnet werden. Für die GKKE ist klar, dass die Bundesregierung mit ihren Export-Entscheidungen Mitverantwortung für regionale Rüstungswettläufe trägt. [1]

Absurd: Obwohl die Bundesregierung in ihren eigenen Menschenrechtsberichten auf deren Verletzungen in Ägypten und Libyen hingewiesen hat, lieferte sie Rüstungsgüter dort hin. So wurde im 8. und 9. „Bericht der Bundesregierung über ihre Menschenrechtspolitik in den auswärtigen Beziehungen und in anderen Politikbereichen“ festgestellt, dass willkürliche Verhaftungen ohne richterliche Anordnung sowie Folter und Mißhandlungen vor allem in Polizeistationen in Ägypten verbreitet war. Auch wurden Rüstungslieferungen an Libyen seit Aufhebung des Waffenembargos 2004 genehmigt, obwohl die Bundesregierung in denselben Berichten die Menschenrechtslage in Libyen als „sehr unbefriedigend“ einstufte und feststellte, dass im autoritären Gaddafi-Regime politische Gegner verfolgt und weder bürgerliche und politische Freiheitsrechte noch ein unabhängiges Justizwesen existierten. [2]

Weitere Defizite

Anders als in anderen Industriestaaten findet eine effektive Endverbleibskontrolle durch deutsche staatliche Stellen nicht statt. Die Bundesregierung begnügt sich mit der sogenannten Endverbleibserklärung des jeweiligen Waffenexporteurs; der tatsächliche Endverbleib wird nicht kontrolliert. Es wären noch etliche weitere Problembereiche zu nennen wie z.B. Waffenlieferungen an Länder, in denen Kindersoldaten rekrutiert werden, die Entwicklungshilfe beziehen oder die hoch verschuldet sind. Deutschland ist der größte Waffenlieferant Griechenlands. Dass auch der „uneingeschränkte“ Waffenexport in NATO-Staaten höchst problematisch ist, zeigt das Beispiel dieses NATO-Partners, der seinen Haushalt für alles andere als Rüstungsgüter belasten sollte: Für rund 1,7 Milliarden Euro wurden Leopard-Panzer an Athen verkauft, daneben vor allem Flugzeuge und U-Boote. Die Griechen werden bedrängt, das Kampfflugzeug Eurofighter zu kaufen – ein Vorvertrag über 60 Maschinen mit einem Volumen von über einer Milliarde Euro soll abgeschlossen sein. [3]

Im Übrigen stehen auf der politischen Agenda EU-weit einheitliche Regelungen für Rüstungsexporte und Abkommen im UN-Rahmen wie die im Juli 2012 zwischen 193 Staaten erfolgten Verhandlungen über einen Arms Trade Treaty (ATT). Dieser soll u.a. regeln, dass internationale Rüstungstransfers dann zu untersagen sind, wenn ein erhebliches Risiko besteht, dass die Rüstungsgüter zu schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen oder zu Verletzungen des humanitären Völkerrechts benutzt werden.

Einige Schluss­fol­ge­rungen für eine
HU-Positionsbestimmung

Eine Positionsbestimmung der HU zum Rüstungsexport wird sich möglicherweise zwischen einem Verbot aller Rüstungsausfuhren einerseits und andererseits der Unterstützung zahlreicher Forderungen aus dem politischen Raum zur Herstellung größtmöglicher Transparenz und Schaffung verbindlich geregelter Informations-, Kontroll- und Beteiligungsmöglichkeiten des Deutschen Bundestages und der Öffentlichkeit bewegen. Dabei geht es vor allem um folgende Forderungen:

· Die Berichtspflichten der Bundesregierung müssen gesetzlich geregelt sein. Die Vorschläge zur Veröffentlichungspflicht des Rüstungskontrollberichtes reichen von spätestens drei Monate nach Ablauf des jeweiligen Kalenderjahres (SPD) bis zu vierteljährlich oder spätestens zum nächsten Quartalsende (B90/Die GRÜNEN).

· Die Inhalte und Schwerpunkte des Berichtes sollen gesetzlich geregelt werden, beispielsweise geht es um eine Ergänzung durch Angaben über Produktionslizenzen, Sammelausfuhrgenehmigungen, Ausfuhr von Dual-Use-Gütern und Informationen über Bürgschaften und Offset-Geschäfte mit Rüstungsgütern (Nebenleistungen bei Rüstungs-Deals).

· Vor einer beabsichtigten Rüstungsexportgenehmigung soll der Bundestag „bei besonders sensiblen Exporten“ unterrichtet werden und die Möglichkeit zur Stellungnahme erhalten (B90/Die GRÜNEN). Allerdings: „Das Recht der Bundesregierung, in Kenntnis einer negativen Stellungnahme des Bundestages aus wichtigen außen- oder sicherheitspolitischen Gründen eine abweichende Entscheidung zu treffen, bleibt unberührt“ (B90/Die GRÜNEN).

· Abschaffung der Geheimhaltung von Entscheidungen über Rüstungsexporte: „Ist eine Genehmigung abschließend erteilt, muss diese stets bekannt gegeben und begründet werden“ (B90/Die GRÜNEN).

· Unternehmen und Vertragsbeteiligte, die einen Antrag zur Genehmigung von Rüstungsexporten stellen, sollen im Antragsverfahren offen legen, ob – und wenn ja, in welcher Höhe – sie in den zurückliegenden fünf Jahren Parteispenden an welche Partei geleistet haben (SPD).

· Gesetzlich verankerte Exportkriterien: „Die Kriterien der Rüstungsexportrichtlinie und des Gemeinsamen Standpunktes der EU, insbesondere die Menschenrechtslage im Empfängerland und die Gefahr der inneren Repression, werden gesetzlich verankert und in das Außenwirtschaftsgesetz und das Kriegswaffenkontrollgesetz integriert.“ (B90/Die GRÜNEN).

· Die Ressortzuständigkeit für Rüstungsexporte soll dem Auswärtigen Amts übertragen werden, da dieses allein die erforderliche Sachkenntnis hat, um die Situation im Empfängerland, insbesondere die Menschenrechtslage, bewerten zu können (B90/Die GRÜNEN).

· Einführung von Verbandsklagen: Auf diese Weise könnte – ähnlich wie beim Umwelt- und Naturschutz – auch dem „Friedensschutz“ und den Menschenrechten „eine gerichtlich einklagbare Rechtsposition“ eingeräumt werden. Im Verordnungswege könnte geregelt werden, welche Verbände Klagerechte geltend machen können – etwa Amnesty International, Oxfam Deutschland u.a. (B90/Die GRÜNEN).

· Entscheidungen über Rüstungs- und Waffenexporte sollen mit einer Endverbleibsklausel versehen werden. Der Endverbleib muss regelmäßig überprüft werden. Keine Vergabe mehr von Lizenzen zur Produktion von Kriegswaffen (wie z.B. Anlagen zur Produktion von Kleinwaffen oder Munition) an Drittstaaten (B90/Die GRÜNEN und SPD).

Die Transparenz-Forderungen und die Neuordnung von Zuständigkeiten im Rüstungsexportbereich sollten aber kein Ersatz für die Diskussion der eigentlichen Frage sein, ob Rüstungsexporte überhaupt in den Kontext von Friedens-, Sicherheits- und Entwicklungspolitik passen oder nicht doch eher den Anspruch Deutschlands, Zivilmacht zu sein, konterkarieren. Dann wäre zu prüfen, welche Vorschläge und Perspektiven für eine Umwandlung/Konversion der Rüstungsindustrie mit rund 80.000 Beschäftigten in zivile Bereiche es bereits gibt.

Auch ohne eine bislang vorliegende Positionsbestimmung der HU beim Rüstungsexport gibt es durchaus Möglichkeiten, Aktionen mitzutragen. Hier sei nur das Personenbündnis genannt, das in diesen Wochen in Zusammenarbeit mit der Kampagne „Aktion Aufschrei: Stoppt den Waffenhandel“ (www.aufschrei-waffenhandel.de) um Unterstützung wirbt für deren Appell „Aufstehen gegen den Export von 270 Panzern nach Saudi-Arabien“ vom Mai/Juni 2012 [4].

Unsere Glaubwürdigkeit beim Bemühen, durch ein Verbot von Waffenexporten oder durch möglichst restriktive Exporte für Gewaltverzicht und friedliche Konfliktbearbeitung in den Krisenregionen der Welt zu werben, dürfte größer sein, wenn wir im eigenen Land für Transparenz und Kontrolle von Waffenbesitz sorgen könnten. Aber dafür müßte die HU bereit sein, sich mit Schützenvereinen und Waffen-Lobbyisten anzulegen. Schätzungsweise 10 Millionen legale und 20 Millionen illegale Schusswaffen sind in Deutschland in privater Hand; es gibt noch kein Zentralregister über legalen Besitz. [5]

Es wäre erfreulich, wenn das Thema Waffenexport in der HU-Mitgliedschaft bis zum Verbandstag im September 2012 bereits vordiskutiert würde, so dass wir uns auf dem Verbandstag über eine HU-Position verständigen können.

Werner Koep-Kerstin
ist stellvertretender Bundesvorsitzender der HU

Anmerkungen:

[1] Gemeinsame Konferenz Kirche und Entwicklung: Rüstungsexportbericht 2011 der GKKE, Januar 2012, www.gkke.org. Darin werden die Angaben des Rüstungsexportberichtes der Bundesregierung 2010 kritisch bewertet (leider steht der Bericht 2011 noch nicht auf der Homepage).

[2] S. https://www.auswaertiges-amt.de/cae/servlet/contentblob/ 344880/publicationFile/3525/MRB8.pdf und http://www.auswaertiges-amt.de/cae/servlet/contentblob/358008/publicationFile/131966/9MR-Bericht-pdf.pdf;jsessionid=8904C2292A736EB2FDD98183B44C0644

[3] S. http://www.gew.de/Vertraege_ueber_Waffenlieferungen_kuendigen.html.

[4] S. http://konfliktbearbeitung.net/node/5727.

[5] tageszeitung vom 4.7.2012

Weiterführende Informationen:

Bundestagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Rüstungsexporte kontrollieren – Frieden sichern und Menschenrechte wahren. Antrag v. 25.4.2012, BT-Drs. 17/9412 (Aufforderung zur Verabschiedung eines Rüstungskontrollgesetzes).

Bundestagsfraktion der SPD: Frühzeitige Veröffentlichung der Rüstungsexportberichte sicherstellen – Parlamentsrechte über Rüstungsexporte einführen. Antrag v. 28.3.2012, BT-Drs. 17/9188.

Bundestagsfraktion DIE LINKE: Alle Exporte von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern stoppen. Antrag v. 16.3.2011, BT-Drs. 17/5039.

Grässlin, Jürgen: Schwarzbuch Waffenhandel: wie Deutschland am Krieg verdient. München 2012 (erscheint im September 2012). Sehr lesenswert ist die Rede von Jürgen Grässlin anlässlich der Verleihung des Aachener  Friedenspreises 2011 an ihn und die Informationsstelle Militarisierung (IMI), s. http://www.juergengraesslin.com/.

Kampagne „Aktion Aufschrei: Stoppt den Waffenhandel“ unter www.aufschrei-waffenhandel.de sowie deren Appell „Aufstehen gegen den Export von 270 Panzern nach Saudi-Arabien“ vom Mai/Juni 2012, in: http://konfliktbearbeitung.net/node/5727.

Grunddaten und Trends der Praxis deutscher Rüstungs­ex­porte

Laut SIPRI (Stockholm  International Peace Research Institute) sind die deutschen Ausfuhren von Rüstungsgütern 2007-2011 im Vergleich zum Zeitraum 2002-2006 um 37 Prozent gestiegen. Deutschland hat in den vergangenen zehn Jahren mit einem Anteil von 11 Prozent am konventionellen Waffenhandel ebenso viele Rüstungsgüter exportiert wie die vermeintlich weniger restriktiven Länder Frankreich und England zusammen.
Lieferungen oder Lizenzproduktionen von Schiffen und U-Booten machen rund 50 Prozent der deutschen Rüstungsexporte aus (SIPRI). Der zweite große Posten deutscher Waffenexporte bestand in den letzten Jahren im Verkauf von Panzern und Panzerfahrzeugen.  Besonders kritisch: der relativ hohe Marktanteil Deutschlands am Export von Kleinwaffen, zugehöriger Munition und Fertigungsanlagen. Für rund 500 Mio. Euro gingen deutsche Rüstungslieferungen an Staaten, die nicht der EU oder der NATO angehören oder letzterer gleichgestellt sind (Australien, Neuseeland, Japan und die Schweiz), wie eine Studie des US-Kongresses ausweist (Conventional Arms Transfer to Developing Nations).
Tendenz: Der Anstieg der Rüstungsexporte setzt sich in besorgniserregender Weise fort.  Deutschland belegt im weltweiten Handel mit Großwaffen nach den USA und Russland den dritten Platz. Der Markt wird angekurbelt durch die Umwandlung der Bundeswehr zur Einsatzarmee; jetzt geht es um die Auslastung überschüssiger Produktionskapazitäten und den Weiterverkauf nicht mehr benötigter Waffen der Bundeswehr.
Nach Schätzungen stammen 80 bis 90 Prozent aller illegalen Waffen aus staatlich sanktioniertem Handel (Lindner / Oxfam). Für den Export sind derzeit 70 Prozent der Produkte der deutschen Rüstungsindustrie bestimmt.
Das Exportvolumen bei den Einzelausfuhrgenehmigungen für Rüstungsgüter betrug im Jahr 2010 rund 4,75 Mrd. Euro (2009: 5,04). Dabei entfielen 71 Prozent auf EU-, NATO- und NATO-gleichgestellte Länder, 29 Prozent auf Drittländer. In Entwicklungsländer gingen 7,7 Prozent aller Einzelgenehmigungen im Jahr 2012 (2009: 8,2 Prozent). Die im Bericht der Bundesregierung nur für Kriegswaffen erfassten tatsächlichen Ausfuhren (62 Positionen benennt die Kriegswaffenliste) stiegen im Jahr 2010 um fast 60 Prozent auf 2,11 Mrd. Euro (2009: 1,33).

Quellen: SIPRI Fact Sheets März 2012, www.sipri.org; Bericht der Bundesregierung über ihre Exportpolitik für konventionelle Rüstungsgüter im Jahre 2010 (Stand: Dez. 2011), abrufbar auf der Seite des Bundeswirtschaftsministeriums: www.bmwi.de.

Auszug aus dem Rüstungs­ex­port­be­richt 2010 der Bundes­re­gie­rung:

Zuständigkeiten und Verfahren bei Rüstungsexportentscheidungen

„Das KWKG bestimmt, dass der gesamte Umgang mit Kriegswaffen (Herstellung, Erwerb und Überlassung der tatsächlichen Gewalt, jede Art der Beförderung sowie Vermittlungsgeschäfte) einer vorherigen Genehmigung der Bundesregierung bedarf (vgl. §§ 2 – 4a KWKG). Für kommerzielle Geschäfte ist das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi) die Genehmigungsbehörde; die anderen Ministerien (Bundesministerium der Finanzen, Bundesministerium des Innern und Bundesministerium der Verteidigung), die in ihrem Geschäftsbereich mit Kriegswaffen umgehen, sind jeweils für die Genehmigungen in ihrem Geschäftsbereich selbst zuständig.
Nach § 6 KWKG besteht kein Anspruch auf Erteilung einer Genehmigung für die Ausfuhr von Kriegswaffen. Diese ist zwingend zu versagen, wenn die Gefahr besteht, dass die Kriegswaffen bei einer friedensstörenden Handlung verwendet, völkerrechtliche Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt werden oder aber der Antragsteller nicht die für die Handlung erforderliche Zuverlässigkeit besitzt. In allen übrigen Fällen entscheidet die Bundesregierung über die Erteilung von Exportgenehmigungen nach pflichtgemäßem Ermessen unter Beachtung des Gemeinsamen Standpunktes der EU (vormals EU-Verhaltenskodex) und der „Politischen Grundsätze der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern“.
Die Ausfuhr der so genannten sonstigen Rüstungsgüter richtet sich nach den Ausfuhrvorschriften von AWG/AWV. Nach dem der Systematik des AWG zugrunde liegenden Grundsatz der Freiheit des Außenwirtschaftsverkehrs ergibt sich für den Antragsteller grundsätzlich ein Anspruch auf Erteilung der Ausfuhrgenehmigung (§§ 1 i.V.m. 3 AWG), es sei denn, dass wegen Verletzung der in § 7 Abs. 1 AWG aufgeführten Rechtsgüter eine Genehmigung versagt werden kann. § 7 Abs. 1 Ziffer 1-3 AWG hat folgenden Wortlaut:
„(1) Rechtsgeschäfte und Handlungen im Außenwirtschaftsverkehr können beschränkt werden, um
1. die wesentlichen Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik Deutschland zu gewährleisten,
2. eine Störung des friedlichen Zusammenlebens der Völker zu verhüten,
3. zu verhüten, dass die auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland erheblich gestört werden …“
Wie auch bei den Kriegswaffen wird das Ermessen der Bundesregierung bei der Erteilung von Ausfuhrgenehmigungen für sonstige Rüstungsgüter entsprechend dem Gemeinsamen Standpunkt der EU (vormals EU-Verhaltenskodex) und den „Politischen Grundsätzen der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern“ ausgeübt.
Zuständig für die Erteilung/Versagung von Ausfuhrgenehmigungen nach AWG/AWV ist das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA), welches zum Geschäftsbereich des BMWi gehört. Vorhaben von besonderer politischer Tragweite legt das BAFA der Bundesregierung zur politischen Beurteilung vor.“

Quelle: Bericht der Bundesregierung über ihre Exportpolitik für konventionelle Rüstungsgüter im Jahre 2010  (Stand: Dezember 2011), abrufbar unter www.bmwi.de, S. 10f.

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