Themen / Informationsfreiheit

Stellung­nahme zur Novelle des Infor­ma­ti­ons­frei­heits­ge­setzes Schles­wig-Hol­stein

30. Juli 2006

Stellungnahmen zu den Gesetzentwürfen der Landesregierung Schleswig-Holstein und dem Entwurf der SSW-Wählergemeinschaft

Stellungnahmen

a) Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Freiheit des Zugangs zu Informationen für das Land Schleswig-Holstein. Gesetzentwurf der Abgeordneten des SSW – Drucksache 16/82

b)  Entwurf eines Informationsfreiheitsgesetzes für Schleswig-Holstein. Gesetzentwurf der Landesregierung – Drucksache 16/722

Die Humanistische Union vertritt ein Staats-  bzw. Demokratieverständnis, in dem Informationsrechte von Bürgern, Journalisten und Parlamentariern als zentrale Voraussetzung für eine sinnvolle Ausübung des Wahlrechtes/Abgeordnetenmandates und darüber hinausgehende politische Partizipation verstanden werden.

Die Humanistische Union tritt deshalb seit Jahrzehnten für Informationsfreiheitsgesetze (IFG) ein und gehörte zu der Gruppe von fünf Nichtregierungsorganisationen, die im Frühjahr 2004 durch die Vorlage eines eigenen Gesetzentwurfes für den Beschluss eines Bundes-IFG geworben hat.

Zu den beiden oben genannten Gesetzentwürfen zur Novellierung des IFG-SH liegen Ihnen bereits Stellungnahmen

  • des Leiters des Unabhängigen Landeszentrums für Datenschutz Schleswig-Holstein,
  • der Arbeitsgemeinschaft der anerkannten Naturschutzverbände in Schleswig-Holstein,
  • von Netzwerk Recherche und
  • von Transparency International Deutschland

vor. Der Tenor der vier Stellungnahmen ist ähnlich und wird von der Humanistischen Union geteilt. Um die mehrfach vorgetragenen Argumentationen nicht unnötig zu wiederholen, beschränke ich mich auf wenige grundsätzliche Argumente, die erläutern, weswegen aus Sicht der Humanistischen Union der Gesetzentwurf der Landesregierung abzulehnen ist. Entsprechend findet der Entwurf des SSW unsere Unterstützung.

Sofern der Innen- und Rechtsausschuss in diesem Gesetzgebungsverfahren noch eine Anhörung durchführt, wären wir Ihnen dankbar, wenn die Humanistische Union als Sachverständige geladen würde.

Das Prinzip Verwal­tungs­trans­pa­renz hat sich in Deutschland noch nicht durch­ge­setzt

In diesem Jahr haben, ausgelöst durch den Beschluss des Bundes-IFG, die Parlamentarier der Länder Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und des Saarlandes eigene IFG verabschiedet. Damit hat sich die Hälfte der deutschen Bundesländer vom Prinzip des Amtsgeheimnisses abgewandt.

Diese Entwicklung findet in Deutschland im Vergleich zur internationalen Entwicklung verspätet statt. Bei genauerem Hinsehen wird darüber hinaus deutlich, dass nicht nur aufgrund der Lücken in der IFG-Karte Deutschlands nicht davon die Rede sein kann, dass sich das mit IFG verbundene Demokratieverständnis in deutschen Amtsstuben, Ministerien und Parlamenten durchgesetzt hätte.

In allen IFG unseres Landes ist ein grundsätzlicher Widerwille gegen ein Bürgerrecht auf möglichst unbeschränkten Zugang zu Informationen des Regierungssystems und der öffentlichen Verwaltung  präsent.

Einige Beispiele sollen dies illustrieren:

  • Zur Beschränkung des durch IFGs zu gewährleistenden Informationsrechtes wird in allen IFG außer dem von Berlin mit dem Gesetz kein Mindeststandard für einen vorraussetzungslosen allgemeinen Informationszugang etabliert.
  • Mit den IFG werden die von Informationsansprüchen betroffenen Stellen zu keinen oder lediglich minimalen organisatorischen Vorkehrungen zur Gewährleitung einer zügigen Antragsbearbeitung verpflichtet.
  • In den IFG wird weitgehend darauf verzichtet, die betroffenen Stellen zur Publikation von Information zu verpflichten. Erfreulich ist, dass dies im Bremer IFG ( § 11) stärker als bislang in den deutschen IFG üblich konkretisiert worden ist.
  • Informationsansprüche werden an das Vorliegen von Informationen in Aktenform geknüpft. Dies ermöglich durch spezifische Definition des Aktenbegriffs den Umfang der zugänglichen Informationen unabhängig vom Vorliegen begründeter Ausnahmetatbestände dem Transparenzprinzip zu entziehen.

Darüber hinaus fehlt bisher auf Bundesebene und auf Landesebene in allen Ländern außer in Brandenburg eine verfassungsrechtliche Verankerung eines Bürgerrechts auf Zugang zu Verwaltungsinformationen. Solch eine Verankerung wäre angemessen, weil die Regelung der Zugangsrechte zu Informationen im Besitz der Verwaltung entscheidend den Charakter eines Regierungssystems prägt. International verfügt ca. die Hälfte der Staaten mit IFG über entsprechende Verfassungsartikel.

Auch international engagiert sich Deutschland nicht für das Etablieren von Standards für Verwaltungstransparenz. Im Europarat wird seit Jahren über eine Transparenz-Konvention verhandelt. Deutschland gehört zu den Staaten, die solch eine Konvention ablehnen.

Teilweise Wieder­ein­füh­rung des Amtsge­heim­nisses in Schles­wig-Hol­stein

Jetzt strebt die Landesregierung an, das in Schleswig-Holstein als überwunden postulierte Amtsgeheimnis teilweise wieder einzuführen. Dazu soll das geltende IFG ausgehöhlt werden.
Der Gesetzentwurf der Landesregierung sieht u. a. Folgendes vor:

  • das Informationsrecht durch eine Verengung des Anwendungsbereiches und die Ausklammerung von Information zum fiskalischen Handeln zu schwächen.
  • Das IFG soll in der Normenkonkurrenz herabgestuft werden.
  • Ein Missbrauchsverbot soll eingeführt werden.

Besondere Beachtung verdient die angestrebte Verengung des Anwendungsbereiches und die Wiedereinführung des Amtsgeheimnisses für fiskalisches Handeln. Beides ist nicht nur bei einer Orientierung am oben skizzierten Demokratieverständnisses abzulehnen. Schon ihre offensichtlich Korruption begünstigende Wirkung ist ein ausreichender Ablehnungsgrund.

Die Landesregierung versucht darüber hinaus, diese Forderung mit der aus verfassungsrechtlicher Sicht höchst problematischen These zu begründen: Eine öffentliche Stelle könne im Kontext bestimmter Handlungen, hier fiskalisches Handeln, Verpflichtungen abstreifen, hier das Transparenzgebot, die grundsätzlich mit Verwaltungshandeln einhergehen.

Sowohl die Legitimation der Informationsrechte der legislativen gegenüber der exekutiven Regierungsgewalt als auch die Legitimation der im IFG geregelten Informationsrechte für Jeden gründen sich auf die gleichen Überlegungen zur Kontrolle von Macht in demokratischen Regierungssystemen und zur Unterstützung politischer Partizipation. Es wäre deshalb nur konsequent, wenn die Landesregierung von Schleswig-Holstein den Abgeordneten des Landtags vorschlüge, auch ihre Informationsrechte entsprechend zu beschneiden.

Die Berliner Abgeord­neten haben sich anders entschieden

Die Angehörigen des Berliner Angeordnetenhauses haben im Mai dieses Jahres das Gegenteil von dem getan, was die Landesregierung von Schleswig-Holstein mit ihrem Gesetzesvorschlag anstrebt. Als Teil einer umfangreicheren Verfassungsänderung haben sie ihre Informationsrechte (Art. 45(2), Artikel 49a)  gestärkt.

Von besonderem Interesse für die Argumentation hier ist der neu eingefügte Artikel 49a. Er soll den Abgeordneten Zugriff auf Informationen über fiskalisches Handeln im Auftrag oder unter der Kontrolle der öffentlichen Hand sichern:

„(1) Das Abgeordnetenhaus kann von den auf Veranlassung des Abgeordnetenhauses oder des Senats entsandten oder gewählten Vertretern des Landes Berlin in Aufsichts- oder sonstigen zur Kontrolle der Geschäftsführung berufenen Organen einer juristischen Person des öffentlichen Rechts oder einer juristischen Person des Privatrechts, die unter maßgeblichem Einfluss des Landes Berlin öffentliche Aufgaben wahrnimmt, Auskünfte verlangen und Berichte anfordern.

(2) Die Unterrichtung über vertrauliche oder geheimhaltungsbedürftige Angaben ist gegenüber dem jeweils zuständigen Ausschuss des Abgeordnetenhauses vorzunehmen. Der Ausschuss muss die Gewähr für die Vertraulichkeit oder die Geheimhaltung der ihm anvertrauten Informationen, namentlich der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, bieten. Das Nähere wird durch die Geschäftsordnung des Abgeordnetenhauses geregelt.“

Ganz in diesem Sinne wurde aus einem Gesetzentwurf  des Berliner Senats der Punkt, mit dem in das IFG des Landes ein Ausnahmetatbestand für fiskalisches Handeln eingefügt werden sollte, gestrichen.

Für welche Position steht die deutsche Sozial­de­mo­kra­tie?

Abgeordnete der SPD streiten auf Landes- und Bundesebene für IFG, die diesen Namen verdienen. Der SPD-Bundestagsabgeordnete des Wahlkreises Plön-Neumünster, Dr. Michael Bürsch, wirbt mit dem Argument für IFG, sie seien ein ursozialdemokratisches Projekt.
Auch in ihrem geltenden Grundsatzprogramm bekennt sich die SPD zu IFG:

„Die Verwaltung soll für die Bürgerinnen und Bürger transparenter werden. Deshalb bringen wir ein Informationsfreiheitsgesetz für die Bundesbehörden ein, das dem Grundsatz des freien Zugangs zu öffentlichen Daten und Akten Geltung verschafft.“
(Grundsatzprogramm der SPD, beschlossen vom Programm-Parteitag der SPD am 20.12.1989 in Berlin geändert auf dem Parteitag in Leipzig am 17.04.1998, Bonn, SPD, S. 67.)

Sollte der Gesetzesvorschlag der Landesregierung mit Stimmen aus der SPD Fraktion beschlossen werden, würde das Engagement von SPD-Parlamentariern für IFG konterkariert. Besonders die Glaubwürdigkeit entsprechender Forderung in den Landtagen der Bundesländer ohne IFG würden nachhaltig untergraben.

Auch aus der Union gibt es Stimmen für echte Verwal­tungs­trans­pa­renz

Die CDU tut sich traditionell schwerer mit der Befürwortung von Bürgerrechten zur direkten politischen Partizipation. Es gibt aber auch aus der CDU Stimmen für Verwaltungstransparenz. Ein prominenter Befürworter von IFG war der frühere niedersächsische Kultusminister Dr. Werner Remmers. Aus einer Rede, die er 1980 vor Zeitungsverlegern hielt, stammen die folgenden Zitate:

„Ein immer größeres Heer von amtsverschwiegenen Bürokraten macht es den Bürgern immer schwerer, im Dickicht der verwalteten Welt überhaupt noch durchzublicken.“
„Auf gut Deutsch heißt dies: dem Bürger wird ein Vertrauen in die Amtsführung abverlangt, ohne ihm die Möglichkeit an die Hand zu geben, die Rechtfertigung dieses Vertrauens nachzuprüfen.“
„Ein ‚Freedom of Information Act‘ würde unserem Staatsverständnis sehr gut tun.“

(Remmers, Werner: Das Recht auf Information. Zur Veranstaltung des Verlegerverbandes im Landtag am 13. November 1980, Vorgänge: Zeitschrift für Bürgerrechte und Gesellschaftspolitik, Bd. 20, Nr. 1, 1981, S. 124-125.)

Der Gesetz­ent­wurf des SSW nimmt den Geist von Aarhus auf

Die in deutsches Recht umzusetzende neue Umweltinformationsrichtlinie der EU setzt ihrerseits eine andere Rechtsvorschrift, die Arhus Konvention, um. Die Aarhus Konvention zeichnet sich durch die Einbettung der Informationsansprüche in umfangreiche Mitwirkungsrechte aus. Hier wird das moderne Regierungsverständnis (governance) deutlich, das die Bürger unabhängig von der Aus-übung eines politischen Mandates als Kooperationspartner begreift.

Die von der Landesregierung propagierte Verbindung von IFG und UIG macht nur dann Sinn, wenn die Ausgestaltung des IFG  an die des UIG angepasst wird. Dies ist die Leitlinie des SSW Vorschlages. Im Gesetzesvorschlag der Landesregierung wird hingegen deutlich wie wenig ihr der Geist von Aarhus behagt. Die von ihr propagierte „Eins zu eins Umsetzung“ ist leider nur eine geschäftstüchtige Umschreibung für Minimalumsetzung.

Dr. Christoph Bruch

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