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Vom Aussterben bedrohte Wörter: Das Amtsge­heimnis

09. April 2007

Ein Kommentarband gibt Hilfestellung zur Nutzung des Informationsfreiheitsgesetzes.

Mitteilungen Nr. 196, S. 11

Vom Aussterben bedrohte Wörter: Das Amtsgeheimnis

Ein Wort kann auf zwei Weisen sterben: Entweder es wurde gemeuchelt oder es ist altersschwach entschlafen. Das sagt zumindest der Journalist Bodo Mrozek und hat wiederbelebende Maßnahmen in Form eines „Lexikon(s) der bedrohten Wörter“ eingeleitet. Nimmt man die beiden Todesursachen Alterschwäche und Meuchelmord, so müsste sich in seinem Lexikon früher, wohl aber eher später unter dem Buchstaben A das Amtsgeheimnis nachschlagen lassen. Im Nachruf könnte man dann wie folgt lesen:
„In Deutschland hielt sich das ‚Amtsgeheimnis‘ im europäischen Vergleich ungewöhnlich lang. Während in Schweden-Finnland der Verschluss des Behördenwissens 1766 für unzeitgemäß erklärt und den Bürgern gesetzlich ein freier Informationszugang ermöglicht wurde, dauerte es noch 240 Jahre, bis in Deutschland das erste Informationsfreiheitsgesetz das Amtsgeheimnis wenn nicht abschaffte, so doch zumindest einschränkte. Zu diesem Zeitpunkt hielten innerhalb der Europäischen Union nur noch Luxemburg, Malta und Zypern an diesem Archaismus fest.
Es wäre aber falsch zu behaupten, das Amtsgeheimnis sei zu Beginn des 21. Jahrhunderts schließlich auch in Deutschland sanft an Altersschwäche entschlafen. Ob es nun ein Meuchelmord war, sei dahingestellt, aber ein Vorsatz lässt sich nicht leugnen. Nachdem bis 2002 auf Regierungsebene mehrere Vorstöße für ein Informationsfreiheitsgesetz scheiterten, bildete sich ein Ad-hoc-Bündnis aus Vertretern von Bürgerrechts- und Journalistenorganisationen. Dazu gehörten neben der Humanistischen Union die Deutsche Journalisten Union, der Deutsche Journalisten-Verband, das Netzwerk Recherche und Transparency International. Ihr gemeinsamer Plan: Wenn die Regierung das Amtsgeheimnis nicht freiwillig hergeben will, helfen wir eben nach. Das Bündnis legte einen eigenen Gesetzentwurf vor, der einen weitest gehenden Zugang zu den behördlichen Akten vorsah.
Danach sah sich die Bundesregierung gezwungen, ein eigenes Informationsfreiheitsgesetz zu erarbeiten, dass im Juni 2005 verabschiedet und am 1. Januar 2006 in Kraft trat. Jedoch enthielt das verabschiedete Gesetz so viele Ausnahmeregelungen, dass das Bündnis für sich zu dem unbefriedigenden Schluss kam: Die deutschen Amtsverwalter haben den Besitzstand des Amtsgeheimnisses noch immer nicht aufgegeben. ‚Damit das Gesetz in der Rechtswirklichkeit auch angewendet werden kann, bedarf es einer Handreichung, die dem Nutzer hilft, der vielfältigen Phantasie deutscher Behörden bei der Ablehnung von Informationsanträgen besser entgegen zu treten.’“
An dieser Stelle endet der fiktive Nachruf, denn der Status quo ist erreicht. Das erste Jahr nach dem Inkrafttreten des Informationsfreiheitsgesetzes hat gezeigt, dass bundesdeutsche Behörden sich immer noch mit den Anträgen auf Akteneinsicht schwer tun. Zahlreiche Informationsanträge von Bürgern und Journalisten wurden abgelehnt. So hatte beispielsweise ein Journalist Einsicht in den Terminkalender des ehemaligen Kanzleramtschefs Frank-Walter Steinmeier beantragt. Das Kanzleramt hätte dem Journalisten eine teilgeschwärzte Kopie des Kalenders offen legen müssen, aber es lehnte den Antrag ab.
Solche Erfahrungen veranlassten die Humanistische Union, Transparency International und die beteiligten Journalistenverbände, in einem 224 Seiten umfassenden Handbuch den Gesetzestext zu kommentieren und anhand solcher Fallbeispiele zu erläutern, was geht – und was bislang nicht.
(aw)

Wilhelm Mecklenburg & Benno H. Pöppelmann: Informationsfreiheitsgesetz. Gesetzestexte, Kommentierungen, Fallbeispiele, Erläuterungen. Hrsg. von Deutscher Journalisten-Verband e.V., Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di), Humanistische Union, Netzwerk Recherche, Transparency International – Deutsches Chapter. Berlin, Dezember 2006, 223 Seiten ISBN: 978-3-935819-22-0
Preis: 10,00 €
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