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Ungleich­be­hand­lung durch das Finanzamt

19. September 2002

Presseerklärung vom 14. August 2002

HU fordert: Einkommenssteuererklärung

geschlechtsneutral formulieren!

Mitteilungen Nr. 179, S.59-60

Die Bürgerrechtsorganisation HUMANISTISCHE UNION (HU)
mahnt in einem Brief an Bundesfinanzminister Eichel
sowie die Finanzministerinnen und -minister der Länder
eine formale Gleichbehandlung von Mann und Frau auch in
der Einkommenssteuererklärung an. Nach Auffassung der
HU werden Artikel 2 und 3 des Grundgesetzes durch das
bisherige Steuerformular missachtet:
1. Der Name des Ehemannes ist an erster Stelle des Formulars
anzugeben, die Ehefrau folgt erst an zweiter Stelle. Auch
wird von der Ehefrau nur dann die Angabe einer Adresse
gefordert, sofern diese sich von der Adresse des Mannes
unterscheidet. Diese Regelung deutet auf eine nachrangige
Verwaltung der Frau unter der Adresse des Ehemannes.
2. Die Kategorisierung nach dem Namen des Ehemannes
folgt einem längst überkommenen patriarchischen Leitbild:
Immanent wird unterstellt, dass die Ehefrau über
kein oder ein geringeres Einkommen im Vergleich zum
Ehemann verfügt, was in vielen Fällen nicht zutrifft. Überholte
Rollenklischees dürfen durch das Formular nicht gefestigt werden.
3. Einige Kästchen zur Angabe des Güterstandes und zur Art
der steuerlichen Veranlagung sind „nur von Ehegatten
auszufüllen“. Der für beide Partner gültige Begriff „Gatte“ ist im Formular missverständlich, weil eingangs aufgefordert
wird: „bei Ehegatten: Ehemann“ einzutragen, weshalb
sich durch diese Formulierung vorrangig Männer angesprochen
fühlen dürften, die entsprechenden Angaben zu machen.
4. Es ist nicht ersichtlich, warum gleichgeschlechtliche Lebenspartner
ihre Angaben auf einem gesonderten Formular
machen sollen (Einkommenssteuererklärung, Zeile 8).
Hierzu schlägt die HUMANISTISCHE UNION einige sprachliche
Verbesserungen vor, die dem Anspruch auf Gleichberechtigung
von Mann und Frau deutlich besser gerecht würden. So sollten zum Beispiel neben „steuerpflichtige Person“ (Zeile
1) weitere Kategorisierungen wegfallen, an Stelle von „Ehefrau“
(Zeile 9) stünde die Bezeichnung: „steuerpflichtige
Person/ Ehepartner/ -in“.
Im Gleichstellungsgesetz heißt es unter § 1 Abs. 2: „Rechts- und
Verwaltungsvorschriften des Bundes sollen die Gleichstellung
von Frauen und Männern auch sprachlich zum Ausdruck bringen.“ Die HU betrachtet es als legitim, diese Forderung auch an die staatlichen Steuerformulare zu richten.
Die Einkommenssteuererklärung als eines der auflagenstärksten
Druckerzeugnisse des Bundes darf in ihrer Symbolkraft nicht unterschätzt werden.

HU–Bundesgeschäftsstelle, Tobias Baur

Anmerkung der Redaktion:
Hierzu ging ein entsprechendes Schreiben an alle Finanzministerien
in Bund und Ländern sowie verschiedene Fachausschüsse. Unter den bisherigen Rückäußerungen gab es einige Zustimmung zu unserem Anliegen sowie Zusagen, eine Initiative zu ergreifen.

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