Themen / Lebensweisen / Pluralismus / Tagungsprotokoll: Wege zu einer neuen Psychiatrie

Präven­tiv­maß­nahmen, Information und Aufklärung durch Beratungs­stellen

28. Dezember 1980

Arbeitsgruppe IV

aus: Wege zu einer neuen Psychiatrie, Protokolle einer Tagung. HU-Schriften 9, München 1980, Seite 43 – 44

Die Arbeitsgruppe kam zu sehr pauschalen Forderungen, da Prävention im psychosozialen Bereich eine sehr umfassende Angelegenheit ist, die weit über den Bereich“Beratungsstellen“hinausgeht. Prävention bedeutet eigentlich die Bekämpfung von krankmachenden Faktoren wie Stress, Lärm, ungesunde Arbeitsbedingungen, gesellschaftliche Isolation u.s.w. Zu begrüßen und zu unterstützen sind die meisten Bürgerinitiativen, da sie sich unmittelbar an den Bedürfnissen des Bürgers orientieren und durch gezielte und sinnvolle Aktivität eine spontane Ventilation angestauten Unmuts ermöglichen, ein Vorgang, der nicht selten einem Selbstheilungsprozess gleichkommt. Prävention heißt aber auch eine Verbesserung zwischenmenschlicher Kommunikation. In südlichen Ländern, in denen sich das Leben stärker auf Straßen und Plätzen abspielt, ergibt sich dies sehr viel leichter. Ansätze städtebaulicher und architektonischer Art gibt es jedoch auch bei uns, z.B. durch die Zusammenlegung von Hinterhöfen und die Konzeption von Wohnstraßen. Besonders gravierend ist in unserer Gesellschaft die mangelnde Fähigkeit. zur Konfliktbewältigung. Hier könnten die Medien durch Darstellung von Modellen menschlichen Verhaltens, durch Aufzeigen von Lösungsmöglichkeiten, durch Aufklärung und Anregung zum Nachdenken eine wichtige Aufgabe übernehmen, die sie bisher vernachlässigen. Bei Konflikten in Familie und Gruppen werden die Konflikt beteiligten zumeist einfach getrennt, so wie psychisch Kranke auch aus ihrer Umgebung herausgenommen und in die psychiatrischen Kliniken abgeschoben werden. Dieser falsche Weg kann nur rückgängig gemacht werden, wenn die Konfliktpartner wieder zusammengeführt werden. Das bedeutet in letzter Konsequenz, die psychiatrischen Kliniken aufzulösen. Dies setzt jedoch voraus, dass jeder einzelne die Befähigung erwerben muss, den gestörten oder psychisch kranken Menschen zu ertragen, dass es möglich sein muss, gelegentlich von den eigenen persönlichen Problemen abzusehen, um auf den anderen einzugehen. Dabei kann es zu Konflikten zwischen den eigenen Bedürfnissen und dem Hilfsanspruch des anderen kommen. Alle bisherigen Projekte und Planungen in der Kinder und Jugendpsychiatrie, alle Maßnahmen zur Vermeidung kindlicher Verhaltensstörungen sind völlig unzureichend bzw. ganz abzulehnen. In diesem Bereich gilt es noch, ein weites Feld zu bearbeiten.

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