Themen / Rechtspolitik / Über Berufsverbote

"Innere Freiheit in der Demokratie - Wen schützen die Berufs­ver­bote?"

21. Februar 1976

Kongreß

veranstaltet von den Kreisverbänden der SPD, FDP, des DGB, der Gewerkschaften ÖTV und DAG und von der HUMANISTISCHEN UNION in Stuttgart am 21. Februar 1976

Der Kongreß gliederte sich wie folgt:

  • 1. Vier Eingangsreferate vor dem Plenum, die die Position der Referenten und der Partei oder Organisation, die sie vertraten, markierten;
  • 2. Arbeit in den Arbeitskreisen ‚Praxis des Verfassungsschutzes‘, ‚Disziplinierung am Arbeitsplatz‘, ‚Nichtzulassung im Öffentlichen Dienst‘, ‚Berufsverbote in Schule und Hochschule‘, ‚Politische Restauration‘ und ‚Verfassungsverständnis und Rechtsprechung‘;
  • 3. Berichterstattung aus den Arbeitskreisen;
  • 4. Stellungsnahmen der Vertreter aus den veranstaltenden Organisationen vor dem Plenum.

Die Referenten waren: Georg Benz (BV-Mitglied IGM), Prof. Horst Ehmke (MdB SPD), Dr. Burkhard Hirsch (Innenminister in NRW, FDP), und Prof.Dr. Jürgen Seifert (BV-Mitglied der HU). Ihre Ausführungen stimmten, wenn auch mit unterschiedlichen Akzentsetzungen darin überein: daß die Praxis der Handhabung der „Radikalen-Erlasse“ seit dem Ministerpräsidentenbeschluß von 1972 in der Bundesrepublik in beängstigender Weise alarmierend sei. Nach den Berichten aus den Arbeitskreisen (in denen HU-Mitglieder mehrfach als Leiter oder Berichterstatter und Experten mitarbeiteten) umrissen Vertreter der veranstaltenden Organisationen ihren prinzipiellen Standort im Einsatz für die „innere Freiheit“ in der Bundesrepublik.

Für die HUMANISTISCHE UNION sprach die Bundesvorsitzende Dr. Charlotte Maack. Sie erklärte folgendes:
„Die eben gehörten Berichte bestätigen die Position, die die Humanistische Union seit dem Bekanntwerden des ‚Hamburger Senatsbeschlusses“ vom November 1971 einnahm. Zum ersten Mal im März 1972, 1973 in verschärft präzisierender Form als Beschluß einer Deligiertenkonferenz und 1974 als Stellungnahme des Bundesvorstandes. Die Schwerpunkte dieser Stellungnahmen beinhalten:

  • 1.daß Verfassungswidrigkeit bzw. verfassungswidrige Tätigkeiten nur von den dafür zuständigen Gremien des Verfassungsgerichtes festgestellt werden dürfen;
  • 2.a) daß die politische Betätigung Meinungsäußerungen und Aktionen von Angehörigen des Öffentlichen Dienstes allein an ihrer strafrechtlichen Relevanz zu messen sind;
  • b) und daß die Bindung an das Grundgesetz, wie es das Beamtenrahmengesetz und die Bestimmungen für Angestellte und Arbeiter im Öffentlichen Dienst vorschreiben, auch für die Beurteilungen der Anwärter eines Öffentlichen Dienstverhältnisses genügen. Zusätzliche verschärfende Gesetzesregelungen sind daher abzulehnen;
  • 3.daß die Praxis der gegenwärtigen Überprüfungen verharmlosend „Anhörungen“ genannt bestätigen, daß die Verschärfungen der Bestimmungen für die Übernahme in den Öffentlichen Dienst die zu schützende „freiheitlich demokratische Grundordnung“aushöhlen, anstatt sie streitbar zu verwirklichen.
  • 4.Für die HUMANISTISCHE UNION sind die Artikel 3 Abs. 3, Artikel 33 Abs. 2 und und 3 und Artikel 5 Grundgesetz verbindlich. Obwohl sie Verfassungsgerichtsurteilen seit der Verkündung des Hochschulurteils, des Urteils zum § 218 und nicht zuletzt nach dem Urteil über die Beschäftigung von ‚Radikalen‘ im Öffentlichen Dienst vom Vorjahr kritisch gegenübersteht, hält sie an dem Prinzip der Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichtes zur Feststellung der Verfassungswidrigkeit fest. Ihre Kritik an verfassungsrechtlich angreifbaren Bundesverfassungsgerichtsurteilen aus den letzten Jahren zu artikulieren, zu veröffentlichen, erscheint ihr dringend erforderlich. Dies kann dazu beitragen, die Bundesverfassungsrichter an ihre Verpflichtung gegenüber dem Grundgesetz zu erinnern.
nach oben