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Mainz: Verbän­de­an­hö­rung zum neuen ZDF-Staats­ver­trag – Staatsferne bei der Besetzung der Aufsichts­gre­mien

27. Februar 2015

Die Ministerpräsidenten der Länder einigten sich im Januar 2015 auf den Entwurf eines neuen ZDF-Staatsvertrags, der vor allem die Zusammensetzung der beiden Aufsichtsgremien des Senders neu regelt. Die Reform war nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (vom 25.3.2014) notwendig, das eine zu hohe Staatsnähe in diesen Gremien feststellte. Die HU kritisiert die vorgeschlagenen Änderungen als unzureichend – die geforderte Staatsferne werde damit nicht erreicht.

Mainz: Verbändeanhörung zum neuen ZDF-Staatsvertrag – Staatsferne bei der Besetzung der Aufsichtsgremien

Das Bundesverfassungsgericht hatte mit seiner Entscheidung einer Beschwerde der beiden Bundesländer Rheinland-Pfalz und Hamburg statt gegeben (1 BvF 1/11 und 1 BvF 4/11) und u.a. die Zusammensetzung der ZDF-Aufsichtsgremien (Fernsehrat und Verwaltungsrat) kritisiert: in ihnen sei der Anteil staatlicher bzw. staatsnaher Vertreter_ innen zu hoch, was gegen das Gebot der Staatsferne des Rundfunks (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG) verstoße.

In seiner Entscheidung benannte das BVerfG zwei Kriterien, denen die Besetzung der ZDF-Gremien Genüge leisten muss: Die Zusammensetzung der Gremien habe sicher zu stellen, dass die Vielfalt gesellschaftlicher Interessen(-gruppen) angemessen berücksichtigt werde. Dazu sei es geboten, neben größeren Verbänden und Interessengruppen (wie Kirchen oder Gewerkschaften) auch kleinere Organisationen sowie „nicht kohärent organisierte Perspektiven“ zu beteiligen (Leitsatz 1a). Darüber hinaus sei das Gebot der Staatsferne des Rundfunks zu beachten. Um dies durchzusetzen, beschränkte die Mehrheit der Richter/innen den Anteil der staatlichen bzw. staatsnahen Mitglieder in den ZDF-Gremien auf 1/3 und legte fest, dass die übrigen Mitglieder „konsequent staatsfern“ zu besetzen sind, was durch gesetzliche Inkompatibilitätsregeln sowie dadurch sicherzustellen ist, dass die Exekutive keinen bestimmenden Einfluss auf die Auswahl jener staatsfernen Mitglieder haben dürfe (Leitsatz 2). Der Verfassungsrichter Paulus forderte in seinem abweichenden Votum zur Entscheidung eine weitergehende Staatsferne durch einen kompletten Ausschluss von Vertretern der Exekutive aus den ZDF-Gremien. Der Fernsehrat und damit das entscheidende Gremium für die Programmaufsicht sei in der Vergangenheit zum „Spielfeld von Medienpolitikern aus den Ländern“ geworden, die „ihre medienpolitischen Konzepte in Fernseh- und Verwaltungsrat zu verwirklichen suchen“. (Rn. 119)

In ihrer Stellungnahme vom 27.2.2015 kritisiert die Humanistische Union den Entwurf als völlig unzureichend, weil er die gebotene Staatsferne in der Kontrolle des öffentlich-rechtlichen Senders keineswegs umsetze: „Zwar wird die Anzahl der staatlichen VertreterInnen im Fernsehrat reduziert, aber die Präsenz der beiden größten Parteien bleibt gesichert. Nach Auffassung der HU sorgt die im neuen Staatsvertrag getroffene Lösung für die Gremienbesetzung nicht für weniger ‚Staatsnähe’ und auch nicht für mehr politische Vielfalt.“ (S. 4) Die Bürgerrechtsorganisation fordert deshalb (in Anlehnung an das abweichende Votum des Verfassungsrichters Paulus), keine Vertreter der Exekutive in den Gremien des ZDF zuzulassen. Alternativ sollte der ZDF-Fernsehrat nach dem Vorbild der Rundfunkräte von WDR und NDR gestaltet werden, in denen Vertreter_innen des Parlaments, nicht aber der Landesregierung sitzen.

Daneben gebe die Zusammensetzung der sonstigen Interessengruppen nicht die gesellschaftliche Pluralität wieder, wenn etwa der Lesben- und Schwulenverband (LSVD) keinen festen Sitz im Fernsehrat habe, die Kirchen und Religionsgemeinschaften aber überproportional vertreten seien und atheistische Gruppierungen ganz fehlten. Der starre Schlüssel bei der Besetzung der Interessenvertreter_innen im Fernsehrat lasse zudem jene Flexibilität und Beteiligung kleiner Gruppen vermissen, die das Bundesverfassungsgericht zur Gewährleistung der Vielfalt gefordert hatte. Die HU schließt sich deshalb dem Vorschlag der Bundestagsabgeordneten Tabea Rößner (Bündnis 90/Die Grünen) an, die eine unabhängige Kommission fordert, welche geeignete Kriterien für die Besetzung der Interessensgruppen-Sitze entwickeln soll.

Den ausführlichen Text der Stellungnahme finden Sie im Anhang.

Bezug:
Entwurf der Ministerpräsidenten der Länder zu einem neuen Staatsvertrag für das Zweite Deutsche Fernsehen (ZDF) vom Januar 2015

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