Beitragsbild Strafrecht ist nicht das richtige Mittel, um »Anerkennung und Respekt« einzufordern
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Strafrecht ist nicht das richtige Mittel, um »Anerkennung und Respekt« einzu­for­dern

20. März 2017

Die Große Koalition hat einen Gesetzentwurf in den Bundestag eingebracht, mit dem tätliche Angriffe auf Vollstreckungsbeamte und Rettungskräfte härter bestraft werden sollen als Angriffe auf „normale Bürger/innen“. Ziel des Entwurfes (BT-Drs. 18/11161)ist ein stärkerer Schutz von Vollstreckungsbeamten und Rettungskräften. Mit der neuen Strafnorm, die sich nicht auf Behinderungen oder Widerstände gegen das Einsatzhandeln sondern auf einen besonderen Schutz dieser Personen bezieht, soll mehr »Anerkennung und Respekt« für Polizeivollzugsbeamte und Rettungskräfte ausgedrückt werden. In einer gemeinsamen Stellungnahme* vom 20.3.2017 kritisieren die fünf unterzeichnenden Bürgerrechtsorganisationen, dass die vorgeschlagene Strafverschärfung weder angemessen noch zielführend ist. Die Arbeit von Polizei und Rettungsdiensten werden bereits mehr als ausreichend durch die Vorschriften zum Widerstandshandeln geschützt, ein Sonderstrafrecht zum zusätzlichen Schutz der Personen verstoße zudem gegen den Gleichheitsgrundsatz aus Artikel 3 Grundgesetz.

Strafrecht ist nicht das richtige Mittel, um »Anerkennung und Respekt« einzufordern

Das Gesetz soll ein ›Sonderstrafrecht zum Schutz von Polizisten/-innen‹ schaffen, das weder erforderlich ist, noch sein angestrebtes Ziel zu erreichen vermag. Die Begründung des Gesetzes ist höchst fragwürdig und das Gesetzgebungsverfahren unsachlich. Es handelt sich um reine Symbolpolitik. Das Gesetz ist daher als ungeeignet und verfassungswidrig abzulehnen.

1. Geplante Neuregelung §§ 113, 114 StGB-E

Der Entwurf sieht eine Erhöhung der Mindeststrafe (auf mindestens 3 Monate Freiheitsstrafe) bei »tätlichen Angriffen« gegen Vollstreckungsbeamte vor. Auf den Bezug zu einer Vollstreckungshandlung soll es nicht mehr ankommen. Weitere Berufsgruppen sollen Vollstreckungsbeamten gleichstehen.

Eine Unterschreitung der Mindeststrafe in sog. minderschweren Fällen ist nicht vorgesehen. Besonders schwere Fälle, die zu einer Mindeststrafe von sechs Monaten Freiheitsstrafe führen, werden dahingehend ausgeweitet, dass bereits das Mitführen eines gefährlichen Gegenstandes ohne Verwendungsabsicht genügen soll.

2. Kritik aus der Justiz und vom Rechts­aus­schuss des Bundesrats

Sämtliche zur Stellungnahme aufgeforderten Berufsverbände der Richter/-innen, Staatsanwälte/-innen und Rechtsanwälte/-innen – namentlich der Deutsche Richterbund,(1) die Neue Richtervereinigung (NRV)(2) und der Deutsche Anwaltsverein (DAV)(3) – sowie zahlreiche Rechtswissenschaftlerinnen und Rechtswissenschafter haben den Gesetzentwurf deutlich kritisiert und als ungeeignet und nicht erforderlich abgelehnt.

Der Rechtsausschuss des Bundesrates hat den Entwurf kritisiert und dem Plenum eine Stellungnahme empfohlen, die u.a. die nachfolgenden Probleme adressiert:(4) Die Neuregelung führe zu Wertungswidersprüchen. Die neuen Regeln zum tätlichen Angriff seien unstimmig, weil hierdurch eine Personengruppe privilegiert werde. Ein Regelungsbedürfnis bestehe ohnehin nicht. Aufgrund des Missverhältnisses fordert der Rechtsausschuss die Einführung eines minderschweren Falls. Die Ausweitung des besonders schweren Falls überdehne die Strafbarkeit in unverhältnismäßiger Weise. Es seien praktische Probleme zu befürchten, denn erfahrungsgemäß sei die Abgrenzung eines gefährlichen von einem sonstigen Werkzeug schwierig. Dies gelte ebenfalls für den Nachweis von Vorsatz beim des bloßen Beisichführen eines gefährlichen Gegenstandes, da Widerstandshandlungen oftmals aus einer Affektsituation erwachsen.

3. Sonder­straf­recht zum Schutz von Polizei­be­am­ten­/-innen

Durch das geplante Gesetz würde der Schutzzweck des Widerstands-Tatbestandes geändert. Der ›tätliche Angriff‹ soll aus dem bisherigen § 113 Abs. 1 StGB (Widerstand) herausgenommen und ein neuer Tatbestand §114 StGB-E (Tätlicher Angriff gegen Vollstreckungsbeamte) geschaffen werden. Es soll nicht mehr auf einen Bezug zu einer Diensthandlung ankommen. Geschütztes Rechtsgut wäre dann nicht mehr die staatliche Vollstreckungsmaßnahme, sondern die individuellen Rechtsgüter (körperliche Unversehrtheit) der handelnden Person.

Tätliche Angriffe gegen Menschen sind bereits jetzt nach den allgemeinen Strafgesetzen strafbar, sei es als Nötigung (z.B. Schubsen) oder als versuchte oder vollendete Körperverletzung. Laut dem Gesetzentwurf soll nunmehr bei einem Angriff auf die körperliche Unversehrtheit eines Menschen beim Strafrahmen danach unterschieden werden, welcher Berufsgruppe die Person angehört. Eine derartige Sonderbehandlung verstößt gegen Art. 3 GG. Einen sachlichen Grund für diese Ungleichbehandlung gibt es nicht.
Ein ›tätlicher Angriff‹ nach § 114 StGB-E ist eine unmittelbar auf den Körper zielende gewaltsame Einwirkung. Zur körperlichen Verletzung muss es nicht kommen, auch nicht zu einer Schmerzzufügung. Eine solche braucht auch nicht gewollt sein,(5) ein Anrempeln würde demnach genügen. Das geplante Sonderrecht für Polizeibeamte/-innen würde in der Konsequenz in der strafrechtlichen Praxis dazu führen, dass ein Schubser – ohne jegliche Verletzungsfolge – gegen eine/-n Polizeibeamten/-in mit einer höheren Strafandrohung versehen wäre, als ein Faustschlag ins Gesicht mit Verletzungsfolge gegen eine andere, nicht-polizeiliche Person. Der Schubser gegen den/die Polizeibeamten/-in würde sogar zu mindestens drei Monaten Freiheitsstrafe führen. Würde sich dabei zufällig noch ein Brotzeitmesser im Rucksack befinden, ohne Absicht dieses einzusetzen, betrüge die Mindeststrafe nach der Neuregelung sechs Monate Freiheitsstrafe. Dieselbe Mindeststrafe übrigens, wie beim sexuellen Missbrauch von Kindern.
Eine derartige Sonderbehandlung verstößt gegen den Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 GG). Die eklatanten Wertungswidersprüche, insbesondere der Verzicht auf einen ›minderschweren Fall‹ bei geringer Schuld, widersprechen dem Schuldprinzip und damit auch dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG).

4. Reine Symbol­po­litik

Das geplante Gesetz ist weder geeignet, mehr Schutz durch höhere Strafdrohungen zu erreichen, noch erforderlich. Das vorhandene Strafrecht reicht aus, um die strafwürdigen Verhaltensweisen schuldangemessen zu sanktionieren. Erst 2011 wurde durch eine Gesetzesänderung der Strafrahmen für ›Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte‹ erhöht, ohne dass in der Folge die Auswirkungen der Verschärfung evaluiert worden wären. Strafbarkeitslücken bestehen nicht. Es handelt sich um reine Symbolpolitik.

Mit dem Gesetz soll nach verschiedenen Begründungen die »gesellschaftliche Wertschätzung« für Polizeibeamte/-innen erhöht werden.(6) Dabei trägt diese Symbolik (»Signal des Staates«,(7) »Zeichen setzen«) dadurch obrigkeitsstaatliche Züge, dass als Mittel das Strafrecht gewählt wird. Das Strafgesetzbuch ist kein Kurznachrichten-Kanal, auf dem ›Signale‹ gesendet werden. Der Gesetzgeber ist vielmehr nur dann befugt ein Strafgesetz einzuführen, wenn dies zum Schutz eines Rechtsguts tatsächlich erforderlich ist.

5. Gesetz­ge­be­ri­sche Unkultur

Das Gesetzgebungsverfahren wurde in einem höchst fragwürdigen Tempo durchgeführt – ohne größere sachliche und gesellschaftliche Debatte. Bei der Frage nach Anlass und Grund des Gesetzes verweist die Bundesregierung auf eine Vereinbarung im Koalitionsvertrag, die vier Jahre alt ist. Dort heißt es wörtlich: »Wir verbessern den Schutz von Polizistinnen und Polizisten sowie anderen Einsatzkräften bei gewalttätigen Übergriffen«.(8) Von einer Änderung des Strafgesetzbuches ist dort keine Rede. Die SPD lehnte eine Änderung des Strafgesetzbuches zunächst (zu Recht) strikt ab; nun tritt sie im völligen Gegensatz dazu als Verfechterin eines Sonderstrafrechts zum Schutz von Polizeibeamten/-innen auf. Das Gesetz soll nun am Ende der Legislaturperiode – im laufenden Wahlkampf und hektisch kurz vor der Sommerpause – von der großen Koalition und gegen den Widerstand der gesamten Opposition verabschiedet werden.

Der Referentenentwurf des BMJV stammt vom 23. Dezember 2016, also von kurz vor Weihnachten. Einige Berufsverbände aus der Justiz erhielten (über die Weihnachtsfeiertage) sehr kurze Fristen zur Stellungnahme. Die Stellungnahmen fielen allesamt ablehnend aus (vgl. oben Ziff. 2). Der Referentenentwurf wurde von der Bundesregierung unverändert am 8. Februar 2017 als Gesetzentwurf (Drs. 18/11161) beschlossen und am 14. Februar 2017 vorgelegt. Die 1. Lesung im Bundestag fand bereits am 17. Februar 2017 statt. Obwohl es konkrete Bedenken und Empfehlungen des Rechtsausschusses des Bundesrats gab (vgl. oben Ziff. 2),(9) war der Gesetzentwurf dem Bundesrat im Plenum am 10. März 2017 eine ›Debatte‹ von 4,46 Minuten wert (bestehend aus einem Redebeitrag eines Mitarbeiters des BMJV und der Abstimmung),10 um gegen das Gesetz mehrheitlich »keine Einwände« zu erheben. Der Gesetzentwurf soll nun am 22. März 2017 im Rechtsausschuss des Bundestages behandelt werden. Bereits am 30. März 2017 soll das Gesetz in Zweiter und Dritter Lesung im Bundestag verabschiedet werden. Sozusagen ein ›3-Monats-Gesetz‹.

6. Geset­zes­be­grün­dung höchst fragwürdig

Ausweislich der Gesetzesbegründung der Bundesregierung soll mit der Verschärfung des Strafgesetzes nicht etwa eine Erhöhung der Sicherheit erreicht, sondern »Anerkennung und Respekt« für gefährliche Einsätze, für Schichtdienst, Arbeit an Wochenenden und für Überstunden von Polizeikräften ausgedrückt werden.(11) Ob die Verschärfung des Strafgesetzes überhaupt zu einer Stärkung des Schutzes führen kann, ist für die Bundesregierung ebenfalls ungewiss. Im Gesetzentwurf selbst heißt es dazu, dass eine »profunde Abschätzung« über Folgen und Wirkungen des Gesetzes »nicht möglich« sei.(12) Es geht also gar nicht darum, Polizeibeamtinnen und -beamte besser zu ›schützen‹, sondern darum, sie – rein symbolisch – zu ›schätzen‹. Der Entwurf wird von der Bundesregierung damit begründet, Polizeibeamte/-innen hätten die Gesetzesverschärfung »verdient«, das sei die Regierung ihnen »schuldig«.(13) Letztendlich geht es bei dem Gesetz ausschließlich darum, die Begehrlichkeiten der Polizeigewerkschaften zu befriedigen.

7. Desin­for­ma­ti­ons­kam­pagne der Polizei­ge­werk­schaften

Für eine angeblich ›ständige‹ und ›dramatische‹ Zunahme von Gewalt gegen Polizeibeamte/-innen gibt es keine objektiven, belastbaren Belege. Bei der angeblichen ›Zunahme der Gewalt‹ handelt es sich schlicht um eine Behauptung der Polizeigewerkschaften. Vermeintliche ›Berichte‹ zu polizeiinternen Befragungen, die vor allem durch suggestive Fragestellungen auffallen, können zunehmende Gewalt ebenso wenig belegen, wie die tendenziös kommentierten »Lagebilder« der Innenministerien.(14)

Die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) ist ebenfalls kein zuverlässiges Analyseinstrument, weil sie nur das polizeiliche Anzeigeverhalten wiedergibt. Übertriebene Zahlen sind daher systemimmanent, weil nicht erfasst wird, wenn ein Verfahren eingestellt wurde oder mit einem Freispruch endete und sich der Vorwurf nicht bestätigt hat. Aber nicht einmal aus der PKS ergibt sich die behauptete ›Zunahme‹.(15) Tatsächlich ist das Gegenteil der Fall: Die Fall-Zahlen des Delikts ›Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte‹ sind seit 2008 rückläufig. Im Jahr 2013 gab es z.B. bundesweit einen Rückgang der Fallzahlen von 8,5 Prozent und im 5-Jahresvergleich, ebenfalls bundesweit, sogar einen Rückgang von 24 Prozent. Das einzige, was zugenommen hat, ist die Dramatisierung durch die Polizeigewerkschaften.

8. Rechts­wirk­lich­keit des Delikts ›Widerstand gegen Vollstre­ckungs­be­amte‹

Die Desinformationskampagne der Polizeigewerkschaften zeichnet darüber hinaus das völlig unzutreffende Bild, dass es in hohem Maße völlig anlasslose Angriffe auf Polizeibeamte/-innen gäbe, als würden ständig Bürger/-innen ohne jeglichen Bezug zu einer Vollstreckungsmaßnahme Polizeibeamte/-innen angreifen. Dies ist völlig realitätsfern. Tatsächlich geht in den allermeisten Fällen von Konflikten zwischen Bürger/-innen und der Polizei eine polizeiliche Zwangsmaßnahme (Festnahme, Durchsuchung etc.) voraus, die dann in eine Konfliktsituation mit Eskalationsgeschehen mündet. Die Bürger/-innen sind in den allermeisten Fällen nicht autonom in Kontakt mit der Polizei getreten, sondern werden durch ein Eingreifen der Polizei erst in den Kontakt gebracht. In der Realität handelt es sich hier meist auf beiden Seiten um eine Stresssituation, wobei das Interaktionsgeschehen und wechselseitige Emotionen den Konflikt hochschaukeln.

Die Bürger/-innen treten dabei nicht einer unbewaffneten schutzlosen Person gegenüber, sondern in der Regel geschützten, bewaffneten und ausgebildeten Polizist/-innen. Neben Schusswaffen führen diese Tonfa-Schlagstock und Pfefferspray mit sich. Sie tragen Einsatzanzüge mit Schutzprotektoren und häufig auch Helme mit Visier.
Die Deutungshoheit über solche Situationen liegt schon jetzt bei der Polizei. Wann die Schwelle zum Widerstand überschritten ist, entscheiden zunächst allein die – selbst betroffenen – Beamt/-innen, die die Anzeige erstatten. Beim Delikt ›Widerstand‹ liegt die reale Handlung meist im Bagatellbereich, die tatbestandliche Schwelle des § 113 StGB ist relativ schnell erreicht, etwa durch Sperren bei einer Festnahme, Schieben, Arm-Versteifen, Körperdrehung, ›Stemmen gegen die Laufrichtung‹, Muskeln anspannen, Schubsen etc. Die Polizeibeamt/-innen sind in diesen Situationen meist die einzigen Beweismittel, vermeintliches Opfer und Zeuge zugleich. Die sonst in solchen Aussage-gegen-Aussage-Konstellationen angewendeten Grundsätze, z.B. die besonders kritische Würdigung von Belastungsaussagen beim Fehlen ›neutraler‹ Zeugen, kommen meist nicht zur Anwendung – der Polizeibeamte gilt in den Augen vieler Staatsanwaltschaften und Gerichte als per se objektiv. Diese Deutungsmacht ist vor allem dann problematisch, wenn den Polizeibeamt/-innen ein eigenes Fehlverhalten (z.B. ungerechtfertigte Gewalt gegen Bürger/-innen) vorgeworfen wird. Hier kann das zu der Tendenz führen, eigenes Fehlverhalten zu rechtfertigen oder zu vertuschen und einer Anzeige wegen ›Körperverletzung im Amt‹ durch eine eigene Anzeige wegen ›Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte‹ zuvorzukommen.(16)

9. Empfeh­lungen

Das Gesetz ist als ungeeignet und verfassungswidrig abzulehnen.

Der § 113 StGB (Widerstand) wurde ursprünglich geschaffen, um staatliche Vollstreckungsmaßnahmen und damit das staatliche Gewaltmonopol zu schützen, nicht um den ausführenden ›Staatsdiener‹ zu schützen. Sonst hätte man diesen Tatbestand nicht benötigt, weil der Individualschutz der handelnden Personen durch andere Tatbestände, nämlich Nötigung und Körperverletzung, bereits ausreichend gewährleistet ist. Da der Bürger sich zumeist nicht freiwillig in Konfliktsituationen mit Polizeibeamten und -beamtinnen begibt, wurde dieser besonderen Lage im Rahmen des § 113 StGB Rechnung getragen: durch eine geringere Höchststrafe und erweiterte Irrtumsregeln bei ungerechtfertigten Polizeieinsätzen. Dieses Ziel einer Privilegierung des Bürgers verkehrt der Gesetzentwurf in sein Gegenteil.

Es gäbe viele sinnvolle Maßnahmen, wollte man Konfliktlagen zwischen Bürger/innen und Polizei vorbeugen und entschärfen. Insbesondere wäre es wichtig, unabhängige Forschung darüber zu fördern, was zur Eskalation in Konfliktsituationen zwischen Polizeibeamten/-innen und Bürgern/-innen führt und sich wirklich ernsthaft und sachlich mit der Rechtswirklichkeit des Delikts ›Widerstand‹ auseinanderzusetzen. Um Respekt zu verbessern, ist martialisches Auftreten polizeilicher Kampfeinheiten und der unverhältnismäßige Einsatz von Pfefferspray und Schlagstock kontraproduktiv. Zudem sollte überprüft werden, wo die polizeiliche Schulung und Ausbildung für Stress- und Konfliktsituationen, deeskalierendes Verhalten und eine menschenrechtskonforme und bürgerfreundliche Polizeiarbeit verbessert werden können. In allererster Linie wird eine transparente und bürgerfreundliche Polizei Respekt erzeugen. Hierzu gehört auch das Tragen individueller Kennzeichnung, insbesondere bei geschlossenen Einheiten, was auf Bundesebene und in manchen Bundesländern noch immer abgelehnt wird.

* Gemeinsame Stellungnahme im Namen von:

  • Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V.
  • Humanistische Union e.V.
  • Internationale Liga für Menschenrechte
  • Komitee für Grundrechte und Demokratie e.V.
  • Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen e.V.

Autor der Stellungnahme: RA Marco Noli, München

Anmerkungen:

(1) Vgl. http://www.drb.de/stellungnahmen/2017/schutz-von-vollstreckungsbeamten.html. Der Deutsche Richterbund ist der größte Berufsverband der Richterinnen und Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte in Deutschland.

(2) Vgl. https://www.neuerichter.de/details/artikel/article/grundsaetzliche-stellungnahme-zum-gesetz-zur-aenderung-des-strafgesetzbuches-507.html.

(3) Vgl. https://anwaltverein.de/de/newsroom/sn-5-17-staerkung-des-schutzes-von-vollstreckungsbeamten-und-rettungskraeften.

(4) Vgl. http://www.bundesrat.de/SharedDocs/drucksachen/2017/0101-0200/126-1-17.pdf?__blob=publicationFile&v=1.

(5) Vgl. Fischer, StGB, 64. Aufl., § 113 Rn. 27.

(6) Vgl. MdB Dr. Volker Ullrich, BT-Debatte, 1. Lesung, Prot. 18/219, S. 21951 D.

(7) Vgl. MdB Dr. Jan-Marco Luczak, BT-Debatte, 1. Lesung, Prot. 18/219, Zwischenruf, S. 21939 C.

(8) Vgl. S. 146 des Koalitionsvertrages der 18. Legislaturperiode vom 16.12.2013.

(9) Vgl. Empfehlungen der Ausschüsse vom 27.02.2017, http://www.bundesrat.de/SharedDocs/drucksachen/2017/0101-0200/126-1-17.pdf?__blob=publicationFile&v=1.

(10) TOP 41 der 954. Sitzung am 10.03.2017.

(11) Vgl. MdB Dr. Stephan Harbarth, BT-Debatte, 1. Lesung, Prot. 18/219, S. 21941 C.

(12) Vgl. Ziff. VI.2. der Gesetzesbegründung, BT-Drs. 18/11161, S. 11.

(13) Vgl. BMJV Heiko Maas, BT-Debatte, 1. Lesung, Prot. 18/219, S. 21938 B.

(14) Laut ›Lagebild Gewalt gegen Polizeibeamte 2011‹ aus Bayern sind 40 % der ›Gewalt‹ Beleidigungen, nur 30 % betreffen überhaupt Körperverletzungen, die Mehrheit der Fälle fällt im Privatbereich an, Demonstrationen: 8 %, Fußball: 3 %. Laut ›Lagebild Gewalt gegen Polizeibeamte 2012‹ aus NRW gab es 15 schwerverletzte Beamte (bei 4,1 Mio. Polizeieinsätzen); Gewalt gegen Polizeibeamte kommt in einem von tausend Einsätzen vor.

(15) Vgl. Singelnstein/Puschke, NJW 2011, 3473.

(16) In der Polizeiwissenschaft wird für dieses bekannte Phänomen der Begriff ›Widerstandsbeamter‹ verwendet.

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