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Stellung­nahme gegen den Vorschlag des Dietrich-­Bon­ho­ef­fer-­Ver­eins (dbv) zur Einführung einer Kultur- und Sozial­steuer

01. Juni 2000

Mitteilung Nr. 170, S. 32

Contra Kultur- und Sozial­steuer statt staatlichem Kirchen­steu­e­r­einzug

Die Autoren des Vorschlags scheinen Karl Valentin kopieren und anwenden zu wollen. Er ärgerte sich über die leeren Theater – seines allerdings war nie leer! – und schlug darum für seine notleidenden, weil weniger erfolgreichen Kollegen, vor, die „ATBF“, die „Allgemeine Theaterbesuchspflicht“ einzuführen. Nur das der Vorschlag des dbv nicht als Scherz gedacht ist. Soll er doch offenbar den Kirchen den Weg in eine Nach-Kirchensteuerära ebnen.(Zwangsvorstellungen, in: Riesenblödsinn. Eine Auswahl aus dem Werk Fischer TB,1977, 31 f.)

1. Begründung des Vereins: In den letzten Jahren habe sich neben den staatlichen Zuständigkeiten und privaten Interessen ein „mittlerer Bereich“ herausgebildet, in dem zentrale Gemeinwohlauf-gaben wahrgenommen werden. Bei der Lösung gesellschaftlicher und internationaler Aufgaben seien Bürgerinitiativen und Nicht-Regierungsorganisationen unverzichtbar geworden. Ein typisches Merkmal dieses „mittleren Bereichs“ sei es, dass er auf eine Art Mischfinanzierung durch öffentliche und private, teilweise steuerbegünstigte Mittel angewiesen sei. Dabei gebe es keine allgemeinen Regelungen für eine verlässliche Finanzierung dieser Organisationen des „mittleren Bereichs“. Den Kirchen dagegen werde mit der Praxis des staatlichen Kirchensteuereinzugs eine Privilegierung gewährt, die in einer multikulturellen und multireligiösen Gesellschaft nicht mehr angemessen sei. Die Kirchen könnten sich weiterhin – neben ihrem Anteil an der Kultur- und Sozialsteuer – über eine von ihnen selbst eingetriebene Kirchen-steuer finanzieren. Alle Institutionen, die in den Verteilungsfonds der Kultur- und Sozialsteuer einbezogen werden wollen, müssen diesen Status zuerkannt bekommen. Viele nichtkirchliche Institutionen, die sich bislang selbst finanzieren müssen, würden durch die Kultur- und Sozialsteuer entlastet und gefördert.

2. Anders als in Italien und Spanien soll diese Kultursteuer nicht nur religiösen Institution zufließen sondern allen gemeinwohldienlichen Vereinigungen. Genannt werden beispielhaft Kindergärten, Museen, Greenpeace, Bürgerrechtsorganisationen sowie kulturelle und soziale Einrichtungen. Außerdem soll es sich dabei nicht um eine zusätzliche Steuer handeln, vielmehr soll der Staat „einen kleinen Teil der eingehenden Steuern (von der Lohn- und Einkommens- und Körperschaftssteuer) separieren und für eine Zwecksetzung bzw. Empfängerfestlegung durch die Steuerzahler freigeben.

3. Bürgerrechtliche und theologische Begründung des „Reformvor-schlags“: Zunächst wird auf die Benachteiligung nicht kirchlicher Institutionen hingewiesen. Es sei unpassend, dass die Kirchen für ihren „Modernitätswiderstand“ noch mit Privilegien belohnt werden. Unter den theologischen Begründungen ist eine, die Aufmerksamkeit verdient: Die Vorlage des dbv zitiert eine Äußerung des Referenten des Limburger Bischofs, der mit einem „Paradigmenwechsel“ rechnet, weg von der Kirchensteuer hin zur „Kultursteuer“. Dann fielen auch die Gründe für einen Kirchenaustritt weg. Diesen neuen „Paradigma“ soll das Papier offensichtlich den Weg bereiten. Wenngleich diese Vorlage gegenüber der vorherigen einen „verbesserten“ Ansatz aufweist, ist sie aus folgenden Gründen abzulehnen:

1.1 Die traditionellen Privilegien der Kirchen werden nicht nur perpetuiert, sondern durch Eröffnung einer Umgehungsmöglichkeit, soll die Kirchensteuer aus der Kritik genommen werden, um so die Kirchenaustritte zu verringern. Es handelt sich also nur um eine weitere Variante des Versuchs, zu verhindern, dass Kirchenaustritt „sich lohnt“.

1.2 Da die zu begünstigenden Einrichtungen vom „Staat anerkannt“ werden müssen, hat dieser es in der Hand dieses neue Privileg nur solchen Institutionen zu gewähren, die ihm willfährig sind. (Ob amnesty, greenpeace oder die Humanistische Union dazugehören würden, bliebe abzuwarten!) Die NRO würden damit – so sie denn einen Anteil bekommen würden, zu Quasi-Regierungsorganisationen. Ob sie ihre Freiheit überhaupt verkaufen wollen? Da hier Geld lockt, würde allerdings der Andrang riesengroß, der Wettbewerb scharf und dementsprechend werden die aufzustellenden Grundsätze für die Vergabe restriktiv sein! (Bei der Verleihung des Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts erleben wir derzeit eine völlige Verweigerung dieses Rechts auch an große religiöse internationale Organisationen, auch wenn sie die Grundsätze des Art. 137 V WRV i.V.m. Art. 140 GG. erfüllen.)          

1.3 Zudem würden dadurch die privaten Dienstleister im Sozial- und Kultursektor, die heute schon in Konkurrenz zu den Wohlfahrtsver-bänden arbeiten, benachteiligt werden, wenn sie nicht auch aus diesem „Mandats-Steuertropf“ subventioniert würden. – Wenn der Staat heute dabei ist, sich aus den Subventionen nach und nach zurückzuziehen, ist es systemwidrig ihm anzusinnen, ein neues Subventionsfeld zu erschließen.                                          

2.1. Da es sich nicht um eine eigene neue Steuer handeln soll, die politisch nicht durchsetzbar wäre, soll der Fiskus einen kleinen Teil seiner Steuereinnahmen in einen „Mandats-Steuertopf“ einbringen, aus dem dann, entsprechend den Wünschen der Steuerzahler, die verschiedenen Adressaten bedient werden sollen. Wenn jedoch nicht nur die bisher als „gemeinnützig“ anerkannten Institutionen, sondern auch kommunale Kindergärten, Theater u.ä. als zu Begünstigende anerkannt werden sollen, wird dieser Plan vollends undurchführbar. Legt man die heute als „gemeinnützig“ anerkannten Organisationen zugrunde, wären das in jedem Bundesland mindestens etliche tausend. Sollen nun die Finanzämter dem einen Verein 6-, einem anderen 7- und einem weiteren 12-tausend EURO überwiesen werden? Und das dann nicht als permanente Leistung, sondern jährlich wechselnd je nach der Entscheidung der Steuer-zahler. Wenn der Staat sich seine guten Dienste des Steuereinzugs von den Kirchen mit 2 – 3 % des Steueraufkommens bezahlen lässt, wer soll ihm dann diese nicht sehr effizienten, dafür aber aufwendigen Verteilungsleistungen bezahlen?                       

2.2 Das private Kultus- und Sozialwesen würde dadurch aufgespalten: In solche, die vom Staat aus seinem Topf bezuschusst werden, und solche, die draußen bleiben müssen. Kultur- und Sozialbereich sind heute bereits bis an die Grenze des Erträglichen staatlich reglementiert, so dass die Einführung eines Staatstropfes ebenso sinnlos wie unpraktikabel ist.                                             

2.3 Vor allem jedoch: Wer glaubt denn im Ernst, dass der Staat auf einen Teil seiner Einnahmen aus allgemeinen Steuern verzichtet und sie der Verteilung durch seine Bürger überantwortet? Sollte er es wider Erwarten tun, wird er auch diesen Bereich kontrollieren und „verstaatlichen“. Wenn die öffentliche Hand heute viele wichtige Bereiche der Daseinsvorsorge (Energieversorgung, ÖPNV, Kinder-gärten, Krankenhäuser, Museen und Universitäten) „privatisiert“ um Kosten zu sparen und Risiken zu verteilen, so läuft eine solche Idee der Teilprivatisierung von Steuermitteln zu Gunsten privater Initiativen dieser Tendenz zuwider.                                   

3.1 Es ist richtig, dass durch diesen Vorschlag die Rechte der Kirchen aus Art. 137 Abs. 6 WRV i.V.m. Art 140 GG nicht betroffen sind, gleichwohl dürfte es wenig wahrscheinlich sein, dass die Kirchen auf ihre kirchenvertraglichen Rechte verzichten. Sie wissen, was sie an diesen so gut wie unkündbaren Verträgen haben. Auch wenn dieser Vorschlag in erster Linie ein Versuch sein dürfte, den Kirchen ihre finanzielle Basis langfristig abzusichern, werden die Kirchen kaum zustimmen.                                                                                      

3.2 Die Uridee dieses Vorschlags des dbv war, durch eine „Pflicht zu freiwilligem Engagement“, das persönliche Engagement zu wecken. Nun ist eine Pflicht zur Freiwilligkeit in sich widersinnig. Das hat offenbar auch der Verein gemerkt: Durch den neuen Vorschlag jedoch würde die private Initiative im Gegenteil reduziert werden, da jede und jeder sich damit zufrieden geben wird, man leiste ja pflichtgemäß seinen Beitrag zu „kulturell-sozialem Engagement“ mit Geldern die einem ohnehin nicht zur Verfügung stehen. Darüber hinaus dürfte darin auch ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz wie die Koalitionsfreiheit liegen.– Wenn heute gefordert wird, die Bürger sollen sich engagieren, sollen als Sponsoren und Ehrenamt-liche mitarbeiten, wirkt gesetzlicher Zwang zur „Solidarität“ auf jeden Fall kontraproduktiv. Es wird empfohlen diesen Vorschlag nicht weiter zu verfolgen, da seine Realisierung in erster Linie der Sicherung kirchlicher Interessen dient. Vor allem jedoch ist er in dieser Form wenn nicht undurchführbar, so doch aus grundrecht-lichen Erwägungen, nämlich Ungleichbehandlung durch staatliche „Anerkennung“, Diskriminierung freiberuflicher Tätigkeit im Kultur- und Sozialsektor durch grundsätzlichen Ausschluß von der Förderung u.s.w. mehr als problematisch. Die vage Hoffnung vielleicht auf diese Weise die eigene Kasse etwas aufzufüllen, ist sicher kein guter Ratgeber!

Prof. Dr. Johannes W. Neumann

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