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"Ich brauche ihn, also ist er". Lesung von Peter Henkel zur Buchmesse

13. Oktober 2012

Oliver Kalldewey

„Irrtum unser. Oder wie Glaube verstockt macht“: Bestens besuchte Lesung des Religionskritikers Henkel im Rahmen der GegenBuchMasse 2012 im Frankfurter Club Voltaire.

„Irrtum unser“-Lesung: Peter Henkel und Moderator Peter Menne. Photo: Dennis Merbach

„Irrtum unser“-Lesung: Peter Henkel und Moderator Peter Menne. Photo: Dennis Merbach

Peter Henkel variierte Descartes‘ berühmte Maxime: „Ich brauche ihn, also ist er“ sei die Devise aller Gutgläubigen. Warum die sich auf keine Diskussion über Gott einlassen, sondern sich unter Hinweis auf „Religion ist privat“ ins wahlweise Gottes- oder geistiges Schneckenhaus zurückziehen, war ein wichtiges Thema von Henkels Vortrag und Lesung aus „ Irrtum unser „, das brandneu zur Buchmesse im Marburger Tectum Verlag erschienen ist.

Überzeugend erläuterte Moderator Peter Menne, warum die Humanistische Union den erklärten Atheisten eingeladen hat: Religiöse aller Couleur fordern Respekt für ihre Glaubensvorstellungen ein. Doch umgekehrt respektieren sie kaum die anderen (Glaubens-)Fraktionen und eigentlich nie die, die gottlos glücklich sind.

Das gilt nicht nur für afghanische Taliban und Burka-Fetischisten: Menne zitierte den hpd, wie an einer englischen Uni der Stand einer säkularen Studenteninitiative geräumt wurde, bloß weil die an ihrem Stand eine Ananas mit Namen Mohammed aufgestellt hatte. Auch in Deutschland wird die Meinungs- und Pressefreiheit von den finanziell bestens gerüsteten Großorganisationen Kirche gerne angegriffen. Amüsiert reichte das Publikum die Postkarten mit dem Vatileaks-Cover einer Satire-Zeitschrift weiter. Dass „die undichte Stelle gefunden“ ist, hat Papst Ratzinger ihr per einstweiliger Verfügung verbieten lassen. Als die Hauptverhandlung anstand, machte Ratzinger einen Rückzieher.

Angesichts von Machtfülle und verfassungswidriger staatlicher Finanzierung der Kirchen sei es nötig, zum Schutze unserer Freiheit über religiöse Denkgebäude aufzuklären, so Peter Menne. Der Referent Peter Henkel leistete das in klar strukturiertem Vortrag. Er erläuterte, wie heutige Gläubige das Ergebnis von Kants langem Nachdenken heute zum Ausgangspunkt nehmen, um eigenes Nachdenken gar nicht erst zu beginnen. Denn Kant kam auf der Höhe seines Forschungsstandes zum Schluss, dass es weder beweisbar sei, dass ein Gott existiert – noch dass dessen Nicht-Existenz beweisbar sei. Das wandelten heutige Gläubige zum Mantra, auch Atheisten würden ja an etwas glauben. Henkel erläuterte, mit welch dummen Trugschluß so eine Aussage zustande kommt. Dabei bezog er sich aber ausdrücklich nicht auf den ganz abstrakten, „leeren“ Gottesbegriff Kants (aufgrunddessen die Kirche seine Schriften auf den Index setzte), sondern auf das Gottesbild der Christen, Moslems, Juden, wonach ihr Jehova (Allah, Jahwe…) seine Schöpfung liebe, in sie eingreife und persönlich mit seinen Geschöpfen in Kontakt trete (ohne je seine Telefonnummer zu hinterlassen).

Mit „zehn Gründen, warum so etwas wie Gott nicht existiert“, endete Peter Henkels Vortrag. Das Bonbon hatte er bis zum Schluß aufgehoben: Henkel präsentierte zehn knappe Thesen – die das abrahamitische Gottesbild aber ausreichend widerlegen und las zu manchen auch noch die ausführlichere Begründung vor. Darauf begann die teils anspruchsvolle, teils amüsante Diskussion. Ein Freidenker brachte die „Urfrage“ auf den Punkt: jeder Mensch müsse für sich entscheiden, ob zuerst eine Idee dagewesen sei, der es irgendwie gefallen hätte, sich eine materielle Welt zu erschaffen – oder zuerst die Materie, aus der dann im Laufe langer Evolution alles andere entstanden ist. Peter Henkel merkte an, dass solch‘ philosophischer Überlegung ein ganz abstrakter Gottesbegriff – letztlich der kantische – zugrundeliege. Mit dem beschäftige er sich aber nicht – sondern nur mit den real verbreiteten des allgegenwärtigen, allgütigen, allmächtig strafenden… Ein anderer Gast stellte sich als Philosoph vor und meinte, der Glaube beanspruche gar keine Wahrheit – sondern nur Wahrhaftigkeit, ganz im Sinne von Habermas. Die These verwunderte die Mehrheit des Publikums – und Peter Henkel verwies auf die religiösen Texte: worin auch immer sich Jehova und Allah unterschieden – dass genau das nicht nur wahr, sondern absolute Wahrheit, attribuiert als „heilig“ oder „göttlich“ – neuerdings sollte man ergänzen: „nudelig„: darin gleichen sich alle Glaubensvorstellungen dann doch.

Oliver Kalldewey

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