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Innen­mi­nis­te­rium plant Verschlei­e­rungs­verbot für Beamte

21. Dezember 2016

Sven Lüders

in: vorgänge Nr. 216 (4/2016), S. 85/86

Das Bundesministerium des Innern (BMI) hat Anfang November den Referentenentwurf zur Änderung zahlreicher Gesetze vorgelegt, mit dem ein Verschleierungsverbot im öffentlichen Dienst, bei der Bundeswehr, im Straßenverkehr (!) und weiteren Orten eingeführt werden soll. Kirsten Wiese gab für die Humanistische Union dazu am 29.11.2016 eine schriftliche Stellungnahme ab.

Im Einzelnen sieht der Entwurf vor: Für alle Beamte des Bundes wird die Vollverschleierung im Dienst verboten, indem im Bundesbeamtengesetz (§ 61 Abs. 1 S. 4) bzw. im Beamtenstatusgesetz (§ 34 S. 4) jeweils folgender Satz angefügt wird: „Sie dürfen insbesondere keine Kleidungsstücke tragen, die eine offene Kommunikation unmöglich machen oder erschweren.“

Des weiteren soll das Soldatengesetz geändert werden (§ 4 Abs. 3 S. 2), um SoldatInnen sowohl bei Einsätzen als auch in den Kasernen die Verschleierung verbieten zu können. Im Personalausweisgesetz wird die Ausweispflicht in § 1 Abs. 1 S. 2 dahingehend erweitert, dass sie ggf. nicht nur Besitz und Vorlage des Ausweises, sondern auch den Abgleich des Gesichts mit dem Lichtbild umfasst. Etwaige Weigerungen zum Lichtbildabgleich werden künftig als Ordnungswidrigkeit (§ 32 Abs. 1 Nr. 2) geahndet. Analog soll auch das Aufenthaltsgesetz durch einen neuen § 47a erweitert werden, der Ausländer dazu verpflichtet, sich gegenüber entsprechenden Behörden zu identifizieren, indem sie einen Abgleich von Pass-/Ausweis-Dokumenten mit ihrem Gesicht zulassen. Das Gleiche soll auch für alle EU-BürgerInnen gelten; dazu werden Ergänzungen des Freizügigkeitsgesetzes/EU  (§ 8 Abs. 1a) vorgeschlagen.  

Ein Verschleierungsverbot soll darüber hinaus auch für alle Mitglieder der Wahlorgane (Wahlausschüsse, Wahlvorstände etc.) gelten (§ 10 Abs. 2 Bundeswahlgesetz).

Schließlich soll die Verschleierung auch für alle Auto-, Motorrad- und Radfahrer verboten werden: „Wer ein Kraftfahrzeug führt, darf sein Gesicht nicht so verhüllen oder verdecken, dass er nicht mehr erkennbar ist.“ (§ 23 Abs. 4 Straßenverkehrs-Ordnung) Die Helmpflicht für Motorräder und Motorroller bleibt davon unberührt.

Zentrale Begründung des Gesetzentwurfs ist die Gewährleistung einer offenen Kommunikation in der Gesellschaft: „Wenn das Gesicht im Verborgenen bleibt, sind die Möglichkeiten des Kennenlernens und des Einschätzens der Persönlichkeit stark eingeschränkt. Gesicht zu zeigen ist unverzichtbare Grundlage kommunikativer Interaktion und eines gesellschaftlichen Zusammenlebens sowie Grundvoraussetzung für das Gelingen von Integration.“ (S. 1) Die Vollverschleierung widerspreche dem gesellschaftlichen Konsens und transportierte eine frauenverachtende Symbolik (ebd.).

Die HU-Stellungnahme kritisiert, dass im Entwurf zwar erkannt werde, dass es sich bei dem geplanten Verschleierungsverbot um Eingriffe in die Religionsfreiheit handle (soweit es gegen Burka/Nikab gerichtet ist), die rechtliche Begründung dieser Eingriffe aber lückenhaft bleibt. So benennt der Entwurf weder die kollidierenden Grundrechte Dritter, die mit dem Verbot geschützt werden sollen, noch die anderen schützenswerten Rechtsgüter, die das Vorhaben verfassungsrechtlich legitimieren könnten. Dieses Defizit kommt umso mehr zur Geltung, als der Gesetzentwurf eine Reihe von Ansprüchen an BürgerInnen formuliert („offene Kommunikation“, „Gesicht zeigen“, „integratives Verhalten“, Kameradschaft), deren grundrechtlicher Stellenwert sehr vage bleibt. In sich sei der Entwurf widersprüchlich, weil er sich lt. Begründung eindeutig gegen religiöse Formen der Verschleierung richte (dies z.T. mit Verweis auf die staatliche Neutralität in Religions- und Weltanschauungsfragen), die gesetzliche Regelung andererseits aber am Prinzip des offenen Gesichts ansetze. Das führe im Ergebnis zu wenig Normenklarheit, weil „unklar bleibt, was eine ‚offene Kommunikation‘ ist. Eine Kommunikation erschweren könnten – abhängig vom Einzelfall – auch Kopftuch, Hut, Kappe, Sonnenbrille, Rollkragenpullover, Halstuch.“ (Wiese S. 2)

Auch bei der Frage, ob die teilweise sehr weitreichenden Verschleierungsverbote angemessen und verhältnismäßig sind, bleibe der Gesetzentwurf manche Antwort schuldig: warum etwa Beamte, die während ihrer Arbeit keinen Bürgerkontakt haben, dennoch keinen Schleier bei ihrer Arbeit tragen dürfen; warum sich SoldatInnen auch in ihrer Freizeit nicht verschleiern dürfen … Einige Regelungen – etwa zur Identitätsfeststellung – sind nach Ansicht der Autorin verzichtbar, weil bereits bestehende Regelungen dahingehend ausgelegt werden können, dass eine unverschleierte Identifikation möglich sein muss.

Dr. Kirsten Wiese: Stellungnahme zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundesbeamtengesetz und weiterer Vorschriften v. 29.11.2016, abrufbar unter humanistische-union.de/fileadmin/hu_upload/doku/2016/HU2016-11-29_Gesichtsschleier_Wiese.pdf.

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