Publikationen / Mitteilungen / Mitteilungen Nr. 226

Zivil­cou­rage zugunsten Erwerbs­loser – Marburger Leuchtfeuer 2015 für Inge Hannemann

aus: HU-Mitteilungen Nr. 226 (2/2015), S. 10/11

Inge Hannemann erhielt das Marburger Leuchtfeuer 2015. Oberbürgermeister Egon Vaupel überreichte der „Hamburger Hartz-IV-Rebellin“ die undotierte Auszeichnung am 8. Mai 2015 im Historischen Saal des Marburger Rathauses. Die Laudatio hielt Prof. Dr. Stefan Selke von der Hochschule Furtwangen.

Breitere Bekanntheit erreichte Hannemann wegen ihrer Weigerung, Bezieher von Hartz IV nach geringfügigen Regelverstößen mit Leistungseinschränkungen zu belegen. Die Mitarbeiterin eines Hamburger JobCenters berief sich dabei auf den Ermessensspielraum des Gesetzes und den verfassungsmäßigen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die Androhung von Sanktionen könne nur das letzte Mittel sein, um Leistungsbezieher zur Einhaltung vorgegebener Regeln zu bewegen.

Für ihre Verweigerung einer Mithilfe an einem häufig unmenschlichen Sanktionsregime hat die Verwaltungsmitarbeiterin erhebliche berufliche und persönliche Nachteile in Kauf genommen. In ihrem Verhalten sieht die Jury „ein mutiges Zeichen persönlichen Engagements für die Sozialen Bürgerrechte gesellschaftlich benachteiligter Menschen“. Als Whistleblowerin zeige sie der Gesellschaft „eines Sozialen Rechtsstaats unwürdige Auswüchse der Hartz-Praxis“ auf.

Die Laudatio auf Hannemann hielt der Prodekan der Fakultät „Gesundheit, Sicherheit, Gesellschaft“ der Hochschule Furtwangen. Am Vorabend der Preisverleihung referierte Selke im Käte-Dinnebier-Saal des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) an der Bahnhofstraße unter dem Titel „Lifelogging und das Leben mit der digitalen Aura“ über die Welt der digitalen Selbstvermessung.

Hannemann ist bereits die elfte Preisträgerin des „Marburger Leuchtfeuers für Soziale Bürgerrechte“. Unter den bisherigen Leuchtfeuer-Preisträgern befinden sich Persönlichkeiten wie der katholische Sozialethiker Prof. Dr. Friedhelm Hengsbach SJ, der Devianzforscher Prof. Dr. Dr. Dr. Rolf Schwendter und der Psychiater Prof. Dr. Horst-Eberhard Richter sowie die Journalistin Ulrike Holler, die langjährige Marburger Gewerkschaftsvorsitzende Käte Dinnebier und die Behindertenpädagogin Sabrye Tenberken. Im Jubiläumsjahr 2014 ging die Auszeichnung an den Sozialpädagogen Dr. Ulrich Schneider vom Paritätischen Gesamtverband in Berlin.

In Hannemann sieht die Jury eine würdige Fortführung dieser Tradition. Der Einsatz für die gleichberechtigte Teilhabe aller Menschen ohne Ansehen ihrer gesellschaftlichen oder wirtschaftlichen Stellung sei bei ihr gepaart mit Zivilcourage und der Bereitschaft, die eigene gesellschaftliche und berufliche Position notfalls dem Eintreten für ihre Überzeugung unterzuordnen. In dieser Grundhaltung sieht die Jury ein leuchtendes Vorbild für bürgerschaftliches Engagement zugunsten des im Grundgesetz verankerten Sozial- und Rechtsstaatsgebots.

Pressemitteilung der HU Marburg vom 13.4.2015.

Weitere Informationen zur Preisverleihung unter www.hu-marburg.de/homepage/leuchtf/index.php.

nach oben