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Baden-Würt­tem­berg: „Das Versprechen der direkten Demokratie“ (Reihe Tacheles)

Mitteilungen21707/2012Seite 32

Mitteilungen Nr. 217 (Heft 2/2012), S. 32

(JP) Etwa 50 Zuhörerinnen und Zuhörer waren am 8. Mai gekommen, um dem Gespräch zwischen Frau Professor Ingeborg Villinger und Herrn Professor Uwe Wagschal zu folgen und anschließend mit ihnen über die Vor- und Nachteile direktdemokratischer Elemente zu diskutieren. Die Veranstaltung war als Auftakt zum 2. Gustav-Heinemann-Forum (siehe Bericht auf S. 18/19) mit dem Titel „Stand und Perspektiven direkter Demokratie in der Bundesrepublik Deutschland und der Europäischen Union“ konzipiert, das am darauf folgenden Wochenende in Rastatt stattfand.
Frau Villinger stellte in ihrem Impulsreferat die Vorteile einer repräsentativen Demokratie in den Vordergrund. Sie vertrat die These, dass nur die repräsentative Demokratie den Willen der Bevölkerung in legitimer Weise umsetzen könne. Werde eine Entscheidung direkt durch Volksabstimmung herbeigeführt, würde der „Volkswillen“ bereits durch die Art und Weise der Abfrage verformt; Elitestrukturen erhielten eine stärkere Entscheidungsrelevanz und es fände eine Segmentierung statt, da sich die politisch relevanten Interessen in Konkurrenz mit anderen Interessen befänden. Die zur Abstimmung gestellten Themen würden daher nur von einer kleinen interessierten Minderheit befördert. Schließlich müsse auch eine Abstimmung repräsentativ organisiert werden. Hierbei erfolge die Austragung von Konflikten verdeckt im Vorfeld der Abstimmung selbst, etwa bei der Aushandlung einer konkreten Fragestellung. Offener und lebhafter Diskurs, wie bei der repräsentativen Demokratie, ginge verloren.
Herr Wagschal setzte dagegen. Es sei ein Irrglaube, dass Abgeordnete kompetenter seien. Vielmehr sei die Fehleranfälligkeit bei einer großen Gruppe geringer (Weisheit der Masse bzw. „Schwarmintelligenz“). Schlechte Entscheidungen in der Geschichte waren zumeist Entscheidungen von Repräsentanten. Zu einem häufig behaupteten Systemzusammenbruch durch regelmäßige Volksabstimmungen komme es nicht. Dies zeigen die Erfahrungen aus Weimar, der Schweiz und auf der Landes- und Kommunalebene in Deutschland. Wagschal sprach sich dafür aus, dass jedenfalls bei wichtigen Entscheidungen das Volk unmittelbar mitreden können müsse. Von besonderer Bedeutung seien dabei die Instrumente und die Ausgestaltung der Mitbestimmung.

In der anschließenden Diskussion wurde klar, dass die von Villinger und Wagschal vertretenen Positionen gar nicht so weit auseinander liegen. Beide sahen zu repräsentativen Elementen in einer Demokratie keine Alternative. Und beide wollten die repräsentative Demokratie ergänzen durch Instrumente der direkten Demokratie. Allein der wünschenswerte Umfang und die konkrete Ausgestaltung beurteilten sie unterschiedlich. Wichtig ist dabei vor allem, dass auch bei Volksabstimmungen Minderheitenrechte geschützt und der Einfluss von Interessensgruppen begrenzt werden.

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