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Grund­rech­te-Re­port 2012: Lange Mängelliste

03. Juni 2012
Datum: Dienstag, 22. Mai 2012

Bericht in der Süddeutschen Zeitung vom 22. Mai 2012

Karlsruhe – Die frühere Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD) reist viel herum in der Welt. Sie bemüht sich in Tunesien und Zimbabwe, in Jemen und in Vietnam um Menschenrechts- und Verfassungsfragen. Doch sie ist nicht gerade bekannt für milde Worte, deshalb ist es schon viel, dass sie Deutschland – einem Land mit hohen rechtlichen Standards und dem Bundesverfassungsgericht als Hüter – bei der Vorstellung des alljährlichen Grundrechte-Reports von acht Bürgerrechtsorganisationen „sehr gute. menschenrechtliche Standards“ und ein “ordentliches Menschenrechts-Schutzsystem“ attestierte.

Alsbald nahm sie den kritischen Ton an, der jede Präsentation des  alternativen Verfassungsschutzberichts prägt: Auch in Deutschland gebe es eine breite Kluft zwischen den Menschenrechts-Versprechungen und dem Alltag, die Mängelliste sei lang. Wie jedes Jahr seien Auswüchse der Terrorismus-Bekämpfung zu beklagen, zum Beispiel die Videoüberwachung von Demonstrationen und die Bespitzelung etwa der „Blockupy“-Demonstranten, die Bewaffnung und die Datensammelwut der Polizei.

Däubler-Gmelins eigener Schwerpunkt unter allen 42 Beiträgen: die Sicherung der sozialen Grundrechte, also der „wirtschaftlichen, kulturellen und sozialen Menschenrechte“. Diese verdienten ebenso viel Aufmerksamkeit wie die Freiheitsrechte. In Deutschland gebe es Mängel bei der Umsetzung des UN-Sozialpakts von 1976, der Gesetzeskraft habe.
Däubler-Gmelin zitierte die Kritik eines UN-Ausschusses am Umgang Deutschlands mit sozial Schwachen – etwa die Verpflichtung von Hartz-IV-Empfängern, jede zumutbare Arbeit anzunehmen. Das könne mit dem Verbot der Zwangsarbeit kollidieren. Der Report weise auch auf die Lage von „Illegalen“ hin: Es seien weder deren Recht auf eine Notfallversorgung noch die Beratung durch Vertrauenspersonen garantiert. Generell müsse mehr für die Bildung von sozial Schwachen und die Teilhabe von Behinderten getan werden. Das Bundesverfassungsgericht könne die Gesetze nicht, wie im Hartz-IV-Urteil geschehen, „sehr sorgfältig nachprüfen“.

Däubler-Gmelin thematisierte außerdem den immer wieder im Report erwähnten Datenschutz: Nicht nur der Staat dringe immer stärker ins Private ein, sondern auch die Wirtschaft – mit der Besonderheit, dass die Bürger vielfach ihre Daten aufgrund von Verlockungen wie Kundenkarten freiwillig zur Verfügung stellten. Sie teilte damit den Befund von Winfried Hassemer, dem früheren Vizepräsidenten des Bundesverfassungsgerichts. Er verweist in der Einleitung des Buchs auf die Verwandtschaft von Daten- und Verbraucherschutz. Der Staat müsse die Gefahren der Datenverarbeitung absehen und beherrschen, nur so könne er den Anspruch erfüllen, die bürgerlichen Freiheitsrechte zu achten.

Als Beispiele für neue Herausforderungen stehen im Grundrechte-Report die sozialen Netzwerke; Facebook habe sich angesichts seiner Marktmacht zu einer „Datenkrake“ entwickelt.

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