Beitragsbild Verfassungsschutz von unten. Ein Bürgerrechtsseminar in Düsseldorf
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Verfas­sungs­schutz von unten. Ein Bürger­rechts­se­minar in Düsseldorf

Mitteilungen215/21606/2012Seite 37

Mitteilungen Nr. 215/216 (Heft 1/2012), S. 37f.

Verfassungsschutz von unten. Ein Bürgerrechtsseminar in Düsseldorf

Zwanzig Personen folgten am 21./22. Oktober 2011 der Einladung des Regionalverbands Köln/Bonn, des Landesverband NRW und des HU Bildungswerk NRW nach Düsseldorf und diskutierten unter dem Titel „Vom Rechtsstaat zur Sicherheitsgesellschaft“ über aktuelle bürgerrechtliche Fragen.

In seinem Einführungsvortrag über die sicherheitspolitische Entwicklung der letzten zehn Jahre machte Martin Kutscha zwei Megatrends aus: Zum einen nimmt die staatliche Gewalt zunehmend Private in die Pflicht, personenbezogene Daten zu liefern. Dies hängt zum Teil mit der Privatisierung vormals staatlicher Aufgaben zusammen. Durch Änderungen im Bundesverfassungsschutzgesetz wird die häufigere Anforderung von Daten zu Reisebewegungen ermöglicht, der Bundesverfassungsschutz erhält zudem erstmals polizeiliche Befugnisse. Den zweiten Trend stellt die Lockerung rechtlicher Bindungen dar. So werden Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts von den Regierungen nicht mehr so ernst genommen wie früher. Beispiel sind die Vorratsdatenspeicherung, der Rettungsabschuss und die Umwandlung der Bundeswehr zur Armee im Einsatz. In seinem Fazit stellte Kutscha heraus, dass ein demokratisch engagiertes Volk der beste Verfassungsschutz ist („Verfassungsschutz von unten“). Für die Humanistische Union heißt das, Verfassungsbrüche anzuprangern. In der Diskussion wurde auf die Rolle des Bundesverfassungsgerichts und strategische Prozessführung eingegangen, z.B. begleitende Medienarbeit und Mobilisierung bei Verfassungsklagen. Verstärkt geht es auch darum, die Schutzpflicht des Staates gegen Private einzufordern (z.B. Arbeitnehmerdatenschutz, Facebook, private Sicherheitsdienste). Social Media und alternative Medien können als Chance für einen Verfassungsschutz von unten gesehen werden, wobei eine eingehendere Auseinandersetzung mit dem Thema „Post-Privacy“ noch aussteht. Vernetzung und interdisziplinäre Debattenführung sind für die HU wichtige Ansatzpunkte. Zudem stehen wir vor der Herausforderung, wie die HU Themen lebensnah und allgemeinverständlich darstellen und verbreiten kann, auch um neue Zielgruppen zu erreichen. Wichtige Signale nach außen sind Unabhängigkeit, Offenheit und Gesprächsbereitschaft.

Am Samstag folgten Vorträge und Debatten zu so unterschiedlichen Themen wie Drogenpolitik, Versammlungsfreiheit für und gegen Rechtsextremisten, und Strafverfolgung. Nach der Einführung von Florian Beger zur Drogenpolitik entwickelte sich eine engagierte Diskussion, beginnend mit der Frage „Was ist Sucht?“ und einer Auseinandersetzung mit den Ursachen von Sucht. Die Debatte um die Legalisierung von Drogen (ja oder nein, von welcher Form von Drogen, und wenn ja wie?) war bestimmt von Fragen der Selbstbestimmung (Lebensstil) einerseits und gesellschaftlichen Anforderungen andererseits. Stärkere Einigkeit wurde erzielt in Bezug auf Folgeprobleme der Kriminalisierung (Drogenkonsumenten im Strafvollzug) und den Zugang zu sozialen/medizinischen Diensten für Abhängige.

Im nächsten Block stellte Hartmut Aden zunächst fest, dass die Einschränkung der Versammlungsfreiheit von Rechtsextremisten auch Einschränkungen von anderen nach sich zieht und deshalb sehr kritisch zu sehen ist. Die Erweiterung des Spielraums für zivilgesellschaftlichen Protest stellt eine wichtige Alternative dar. Im Weiteren führte Hartmut Aden die Anwesenden durch eine Reihe aktueller Fälle und Rechtsentscheide. Der PowerPoint-Vortrag kann im HU-Wiki eingesehen werden. Jens Puschke machte in seinem Vortrag deutlich, dass sich im Strafvollzug sehr deutlich der im Seminartitel angedeutete Trend in Richtung Sicherheitsgesellschaft zeigt. So tritt der Schutz der Allgemeinheit zunehmend vor das Anliegen der Resozialisierung, der geschlossene Vollzug vor den offenen Vollzug, und die Sicherungsverwahrung gewinnt an Bedeutung. All dies wies Jens Puschke anhand eindrücklicher Zahlen nach, die ebenfalls im Wiki nachzulesen sind.

Ute Hausmann
ist Mitglied des Bundesvorstands

Links
Weitere Unterlagen zum Seminar auf der Wiki-Seite des Landesverbandes NRW

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