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Hessen­pre­miere von Ilona Zioks Dokumen­ta­tion "Fritz Bauer - Tod auf Raten"

01. Dezember 2010
Datum: Donnerstag, 04. November 2010

Bei der Hessenpremiere von „Fritz Bauer – Tod auf Raten“ im Frankfurter Naxos-Kino mussten viele Besucher wegen Überfüllung abgewiesen werden: der Dokumentarfilm von Ilona Ziok weckte enormes Interesse beim Publikum, weitere Vorführungen folgen.

Hessenpremiere von Ilona Zioks Dokumentation

Hessenpremiere von Ilona Zioks Dokumentation

Im Anschluß an den Film lief eine lebendiges Filmgespräch. Auf dem Podium saßen die Regisseurin Ilona Ziok, Peter Menne von der Humanistischen Union Frankfurt und der Berliner Rechtsanwalt Dr. Christian Hullmann. Anmoderiert wurde die Diskussion von Wolf Lindner vom Naxos Kino. Wer die lange Schlange an der Kasse überstanden hatte, wurde im Foyer Premieren-angemessen begrüßt: die Gäste wurden dank Unterstützung durch die IG Metall mit Sekt und Canapées empfangen. Deren Wissenschaftsstiftung Otto Brenner Stiftung hat den Film mit gefördert.

Der 97-minütige Film lief im trotz ausgeteilter Decken unterkühlten Saal – passend zum Klima im Nachkriegsdeutschland, das Fritz Bauer umgab. Anschließend traf man sich im etwas besser beheizten Foyer zum Filmgespräch.

Die Filmdo­ku­men­ta­tion über Fritz Bauer

Ilona Zioks Dokumentarfilm über den Ausnahmejuristen Dr. Fritz Bauer beginnt mit dessen Wünschen für ein besseres Nachkriegsdeutschland: schwarz-weiß-Ausschnitte aus einer alten Sendung des hr-Fernsehens. Die Regisseurin gruppiert Aussagen von Freunden, Kollegen und Zeitzeugen ganz bewußt um Ausschnitte aus dem Gespräch, das Fritz  Bauer in den 60er Jahren mit jungen Frankfurtern im „Kellerklub“ führte und in dem er seine wichtigsten ethischen Maximen formulierte. Aus über 100 Stunden Interviews und Filmaufnahmen entwickelt Ziok eine Struktur, die keine biographische Aufarbeitung ist. Sondern mithilfe der zahlreichen Mosaiksteinchen gestaltet sie themenorientiert die wichtigsten Stationen von Fritz Bauers Werk. Trotz der beabsichtigten optischen Spröde entsteht eine fesselnde Erzählatmosphäre. Der Zuschauer gewinnt ein lebendiges Bild vom Wirken Fritz Bauers, von seiner Person und von seiner Zeit.

Am Anfang steht die Ergreifung Adolf Eichmanns im Mai 1960 in Argentinien – Bauer hatte dem israelischen Mossad einen entscheidenden Hinweis auf den Aufenthaltsort des Organisators des industrialisierten Massenmords in Auschwitz und anderen KZ’s gegeben. Zeitzeugen berichten, wie Fritz Bauer angesichts der Durchsetzung der deutschen Justiz mit ehemaligen Nazis fürchtete, ein deutscher Auslieferungsantrag könne dem SS-Obersturmbannführer verraten und ihm zur Flucht verholfen werden. Erschreckend die Filmausschnitte, auf denen Eichmann während des Jerusalemer Prozesses 1961 jede Schuld bestreitet und behauptet, reiner Befehlsempfänger gewesen zu sein. Das Jerusalemer Gericht überführte ihn, wies seine aktive Rolle und seine wahre Haltung zur Judenvernichtung auch dank der Sassen-Protokolle nach.

Nächster Themenblock ist der Remer-Prozeß: der Major Otto Ernst Remer leitete das Berliner Wachbataillion, das die Attentäter vom 20. Juli 1944 festnahm. In der Bundesrepublik baute Remer die SRP – Sozialistische Reichspartei – auf, die später als verfassungswidrig verboten wurde. Remer verunglimpfte die Widerstandskämpfer als Landesverräter. In dem Braunschweiger Prozeß 1952 argumentierte Fritz Bauer, daß es keinen Verrat gegen eine verbrecherische Regierung geben kann: Weil das Nazi-Regime ein Unrechtsregime war, war jeder Widerstand dagegen rechtmäßig. Bauer hatte Erfolg: zum ersten Mal in der Geschichte Nachkriegsdeutschlands wurde das NS-Regime gerichtlich zum Unrechtsstaat erklärt, die Widerstandskämpfer des 20. Juli offiziell rehabilitert und Remer wegen Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener verurteilt. Freunde berichteten, daß es Bauer weniger auf die Verurteilung Remers ankam – in seinem Schlußplädoyer habe er sogar vergessen, ein Strafmaß zu fordern. Sondern entscheidend war ihm, daß das Gericht das Nazi-Regime als Unrechtsregime verurteilt. Auch später forderte Bauer stets Anerkennung für das Nein-Sagen gegenüber unrechten Befehlen.

Ilona Ziok blendete einige Dokumente zu Fritz Bauers Herkunft, seinem Stuttgarter Elternhaus und seiner Tübinger Studienzeit ein, um zum Auschwitz-Prozeß 1963 – 65 überzuleiten: dem ersten Verfahren gegen die ausführenden Mörder. Fritz Bauer hatte das Verfahren organisiert, die Prozeßführung aber vier Mitarbeitern übergeben. Zwei der damaligen Staatsanwälte wurden von Ilona Ziok interviewt. Die damalige Atmosphäre dokumentierte sie über Wochenschau-Auschnitte, darunter, wie fünf der angeklagten Massenmörder in den Prozeßpausen frei über die Zeil spazieren (in anderen Mordprozessen – z.B. später gegen RAF-Terroristen – wird regelmäßig Untersuchungshaft wegen Fluchtgefahr verhängt). Die Ehegattin eines der SS-Schergen berichtet, was für ein guter Familienvater der gewesen sei: sie könne sich überhaupt nicht vorstellen, daß ihr Gatte Kindern ein Leid zugefügt haben könnte … Ziok dokumentiert, wie die Nazi-Verbrechen systematisch verdrängt wurden.

Schlimmer noch: NS-Täter wurden geschützt und gelangten wieder in führende Positionen – nicht nur Hans Globke, der erst die Nürnberger Rassegesetze kommentierte und dann Staatssekretär von Kanzler Konrad Adenauer wurde. Dreher, ein anderer Nazi-Jurist, der im Nachkriegsdeutschland seine Karriere fortsetzen konnte, erarbeitete eine Strafrechtsänderung, die die weitere Verfolgung von Nazi-Verbrechen erheblich erschwerte. So wurden von den 7.000 Mitarbeitern des RSHA – Reichssicherheitshauptamtes – keine 35 angeklagt. Mit hanebüchenen Urteilen wurden NS-Mörder vom Vorwurf des Mordes freigesprochen: so sei das Erschießen polnischer Häftlinge in ihrer Zelle mit einer MP-Salve weder „heimtückisch“ noch „grausam“ gewesen – weshalb nur ein minderschwerer Fall von Totschlag vorliegen würde…

Kein Wunder, wenn Fritz Bauer in solchem Umfeld äußerte, sobald er sein Büro verlasse, betrete er „feindliches Ausland“. Bauer erhielt reichlich Drohanrufe und wurde angefeindet. Feindschaften aus dem Justizumfeld dürften noch zugenommen haben, als Bauer sein nächstes Projekt anging: die Aufarbeitung der Euthanasie. Ein Zirkel von OLG-Richtern hatte eine Anweisung an nachgeordnete Instanzen entwickelt, wonach Anzeigen und Nachfragen nach dem Verbleib psychisch Kranker nicht bearbeitet werden sollten – um jegliche Unruhe in diesem Mordprogramm zu vermeiden. Bauer sah hier eine Tatbeteiligung am Mord. Die Psychiatrie in Hadamar hatte eifrig im Euthanasie-Programm mitgewirkt. Das Landgericht Limburg war hierfür regional zuständig – und der zuständige Richter ließ Fritz Bauers Anträge anderthalb Jahre unbearbeitet. Kurz nach Bauers Tod wurden die Ermittlungen mit neun dürren Zeilen eingestellt.

Fritz Bauer starb in der Badewanne: das Wasser bis zum Hals; im Blut ein hoher Promillegehalt – obwohl er sonst nie trank. Dazu einige Schlaftabletten im Magen – dennoch fand keine Obduktion nach der Strafprozeßordnung statt. Der 65-jährige, der gerade erst erwirkt hatte, weiterarbeiten zu dürfen, solle Selbstmord begangen haben – woran manche seiner Freunde zweifeln. Die ansonsten üblichen Untersuchungen fanden nicht statt.

Das Filmge­spräch zur Hessen­pre­miere

Das Podiumsgespräch nach der Filmvorführung eröffnete Wolf Lindner mit der Frage an Ilona Ziok, wie sie zu ihrem Sujet gekommen sei? Als sie ihre Dokumentation „Der Junker und der Kommunist“ drehte, bekam Ilona Ziok erste Hinweise auf Fritz Bauer, den sie zuvor nicht gekannt hatte: Obwohl sie in Frankfurt Abitur gemacht hatte, war sie keiner Erinnerungstafel oder nach ihm benannten Straße begegnet. Ziok bedauerte, daß Bauer weder zu Lebzeiten durch Bundesverdienstkreuz o.ä. noch nach seinem Tode durch Gedenktafel oder Straßennamen gewürdigt wurde. Aus dem Publikum wurde darauf hingewiesen, daß es seit 1995 das Fritz Bauer Institut zur Erforschung von Geschichte und Wirkung des Holocaust gebe. Leider werde das Fritz Bauer Institut – so Stimmen aus dem Publikum – vorrangig im akademischen Bereich wahrgenommen, aber nicht genügend in der Breite. Gemeinsame Veranstaltungen mit der Humanistischen Union – wie die Diskussion zum NPD-Verbot oder der Kongreß „60 Jahre Grundgesetz – mehr Demokratie wagen!“, die Publizität brächten, würden das Problem nicht grundsätzlich beheben.

Im Film wurde deutlich, wie weit personelle Kontinuitäten reichten: zu viele Nazi-Juristen sprachen auch in der Bundesrepublik Recht oder wirkten an seiner Weiterentwicklung in Justizministerien mit. Die vom früheren Außenminister Jockel Fischer in Auftrag gegebene Studie über personelle Kontinuitäten im Auswärtigen Amt wurde thematisiert: jetzt erst würde erkannt, wie stark das Auswärtige Amt in Nazi-Verbrechen verstrickt gewesen sei und wieviele Altnazis weiter Dienst tun konnten. Ähnliche Erkenntnisse würden für die kommende Studie zum Finanzministerium erwartet.

Peter Menne relativierte deren Neuigkeitswert: schon Anfang der 60er Jahre erschienen im „Braunbuch“ Karten, in welchen Ländern Botschafter mit Nazi-Vergangenheit weiterarbeiteten – das waren die allermeisten. Für das BKA hatte Dieter Schenck, ehemaliger dortiger Kriminaldirektor und Fritz-Bauer-Preisträger, die braunen Wurzeln herausgearbeitet. Vor wenigen Jahren gab die Deutsche Bank sich überrascht, wie stark sie in die Finanzierung der Nazis eingebunden gewesen sei. Menne verwies auf den OMGUS-Report (Overseas Military Government of the United States), der schon 1947 die massive Verstrickung der Deutschen Bank nachgewiesen und ihre Auflösung empfohlen hatte. Hans Magnus Enzensberger hatte 1985 eine deutsche Übersetzung herausgebracht – daher sei es scheinheilig zu behaupten, man hätte das nicht früher gewußt.

Menne betonte, daß es gerade in der Justiz neben personellen noch weitere Kontinuitäten gäbe: gar manches Nazi-Gesetz gelte weiter. Die Bundesrepublik habe leider nicht sämtliche Nazi-Gesetze als Unrecht annulliert. So diente das Rechtsberatungsgesetz von 1935 dazu, den vom Anwaltsberuf ausgeschlossenen jüdischen Rechtsanwälten und entlassenen jüdischen Richtern etc. auch letzte Einkommenschancen über (nicht-anwaltliche) Rechtsberatung zu nehmen, indem es sie ausschließlich zugelassenen Anwälten vorbehielt. Das Gesetz blieb weiter in Kraft, bis der pensionierte Richter am OLG Braunschweig Dr. Helmut Kramer es vor dem Verfassungsgericht angriff – und das Nazi-Gesetz zu Fall brachte. Helmut Kramer befaßte sich schon lange mit der Aufarbeitung von NS-Unrecht und wurde dafür im September 2010 von der Humanistischen Union mit dem Fritz-Bauer-Preis geehrt.

Bauers Dictum „Nichts gehört der Vergangenheit an. Alles ist Gegenwart und kann wieder Zukunft werden“ bezog Peter Menne nicht nur auf den Faschismus. Wenn man es auf Unrecht generell beziehe, gewinne der Film seine hohe Aktualität. Daß es in der Justiz auch heute nicht immer zum Besten bestellt sei, zeige sich etwa am aktuellen Fall Buback: Michael Buback habe dank penetranter Nachforschungen aufgezeigt, daß für den Mord an seinem Vater Generalbundesanwalt Siegfried Buback wohl auch die Falschen verurteilt wurden. Manch‘ wahrer Täter hätte anscheinend mit dem Verfassungsschutz zusammengearbeitet – und sei im Gerichtsprozeß verschont worden. Wichtige Indizien wie das Tatmotorrad seien inzwischen nicht mehr auffindbar. Ihm gehe es nicht darum, das rechtlich auseinanderzunehmen, so Menne. Vielmehr stelle sich die – politische – Frage: wer kontrolliert die Kontrolleure? Genau das bleibe auch heute aktuell.

Dr. Christian Hullmann lobte die Schriften von Fritz Bauer. Seine Texte zeichneten sich durch eine schöne, dabei klare und leicht verständliche Sprache aus – was bei juristischen Texten nicht selbstverständlich sei, so der Berliner Anwalt. Leider seien manche Bücher Bauers vergriffen. Man solle sich darum bemühen, daß sie bald wiederaufgelegt würden. Aus dem Publikum wurde darauf hingewiesen, daß es beim Fritz-Bauer-Institut eine Publikationsliste gebe – doch stehen die Texte nicht online zur Verfügung. Hullmann erzählte viele interessante Details über Bauer als Juristen und Humanisten. Er plant eine Ausstellung über den großen Demokraten in der Berliner Humboldt-Universität.

Zu Beginn des Films steht eine Szene, in der Fritz Bauer meint, die demokratischen Institutionen seien jetzt vorhanden – was es aber brauche, seien die Menschen, die Demokratie leben! Seinen Wunsch nach mehr gelebter Demokratie verlieh Bauer auch organisatorische Gestalt: Peter Menne verwies darauf, daß Fritz Bauer gemeinsam mit Gerhard Szczesny 1961 die Humanistische Union gründete: eine Bürgerrechtsvereinigung, zu deren Zielen neben der Sicherung, besser noch Erweiterung der Grundrechte und der (längst überfälligen) Trennung von Kirche und Staat auch ein sinnvoller Strafvollzug gehört. Fritz Bauer war gleichermaßen wichtig, daß Täter verfolgt werden wie auch, daß sie während des Strafvollzugs ein Leben ohne erneute Straffälligkeit erlernen: er mahnte das Vollzugsziel einer Resozialisierung an.

Ilona Ziok griff den Hinweis auf die Humanistische Union (HU) auf; bei einer Veröffentlichung des Films könne sie sich einen Hinweis auf die von Fritz Bauer mitgegründete Bürgerrechtsorganisation vorstellen. Die Humanistische Union vergibt einen Preis für bürgerrechtliches Engagement – der nach dem Gründer „Fritz-Bauer-Preis“ benannt ist.

Ergänzungen & Rezeption des Films

Fritz Bauers Verhalten im Fall Eichmann wirft gelegentlich Fragen auf: Durfte er das? Wäre er nicht verpflichtet gewesen, den Instanzenweg einzuhalten – selbst wenn absehbar war, daß der SS-Obersturmbannführer Eichmann dann flüchten würde?

Jenseits juristischer Diskussionen ist zu beachten, daß ein auf effizientes Schaffen von Gerechtigkeit orientiertes Verhalten nicht ungewöhnlich ist: Erinnern wir uns nur an den Deutschen Herbst 1977: vier palästinensische Terroristen entführten die Lufthansa-Maschine „Landshut“ nach Mogadischu, um RAF-Gefangene freizupressen. Die somalische Polizei verfügte nicht über die nötige Ausrüstung und das Know-how, um die Geiseln zu befreien – das übernahm die Bundesgrenzschutz-Einheit GSG 9. Der „out of area“-Einsatz verlief erfolgreich, dennoch dankte Bundeskanzler Helmut Schmidt der deutschen Justiz, daß sie den Einsatz nicht verfassungsrechtlich untersucht hat. (Das Helmut Schmidt-Zitat steht im Vorspann von Fassbinders schwarzer Komödie „Die dritte Generation“). Auch hier erforderte eine außergewöhnliche Situation außergewöhnliche Maßnahmen. Im Interesse von Staatsraison und Geiseln wurden Überlegungen zu Hoheits- und Einsatzgebiet zurückgestellt. Bauer hatte berechtigen Anlaß zum Zweifel, ob ein deutsches Auslieferungsersuchen von Erfolg gekrönt sein könnte – doch in außergewöhnlicher Situation fand auch er einen außergewöhnlichen Weg, den Massenmörder vor ein ordentliches Gericht (incl. Berufungsverhandlung) zu stellen.

Ilona Zioks Dokumentarfilm „Fritz Bauer- Tod auf Raten“ wurde zuerst auf der Berlinale gezeigt – mit Schlangen vor den Kinokassen: an allen drei Terminen mußten Interessenten wegen Überfüllung nach Hause geschickt werden. Dasselbe passierte anläßlich der Deutschland-Premiere am 4. November 2010 im Berliner Zeughaus-Kino: mit dem Film wurde das Festival „Über Mut“ der Aktion Mensch zusammen mit der Humanistischen Union als Filmpartner eröffnet – und das Kino war wieder ausverkauft, wieder überfüllt. Zioks Art der Dokumentation kommt beim Publikum an, wie auch die überfüllte Hessenpremiere am 23. November 2010 im Frankfurter Naxos-Kino zeigte.

An Fernseh-Formate gewöhnte Kritiker streiten über den Stil: Ziok arbeitet bei diesem Film ganz bewußt mit „Talking Heads“, einer im Kino-Dokumentarfilm bekannten Form. Ilona Ziok hat die Form weiterentwickelt, ihr eine stringente Spielfilmdramaturgie unterlegt: dadurch und dank der aufwendigen Schnittechnik bleiben die Interviews durchgehend spannend. Kurt Zimmermann, Gründer von „Titel, Thesen, Temperamente“ ist begeistert: anders als so manches kurzlebige Feature seien Zioks Filme langfristig wertvoll.

Während das SWR-Fernsehen vom Biberacher Filmfestival über „Fritz Bauer – Tod auf Raten“ berichtete und Klaus Maria Brandauer darin den Film begeistert kommentierte, glänzte das HR-Fernsehen bei der Hessenpremiere durch Abwesenheit. Der Sender mit Sitz in Frankfurt: der letzten, langjährigen Wirkungsstätte des gebürtigen Schwaben Fritz Bauer, igoriert den Film. Den Verantwortlichen von „kultur aktuell“ gefällt er einfach nicht – wie man der Regisseurin und der Produktionsfirma bereits während der Berlinale mitteilte. Tatsächlich gehört „Fritz Bauer – Tod auf Raten“ zu den großen Erfolgen des Festivals. Wohin entwickelt sich das hessische Fernsehen, wenn es aufgrund persönlicher Vorlieben politisch relevante und brisante Inhalte unter den Tisch fallen läßt? Wo ist das aufklärerische Interesse geblieben, für das auch Fritz Bauer stand?

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