Themen / Staat / Religion / Weltanschauung

Bündnis 90/Die Grünen und die Religi­ons­ge­mein­schaften

19. Oktober 2008

Im Rahmen ihrer Landesversammlung am 18. und 19. Oktober 2008 in Rosenheim haben die bayerischen Grünen sich schwerpunktmäßig des Themas „Verhältnis Staat/Kirche“ angenommen – ein Bericht von Johann-Albrecht Haupt.

Bereits die Eingangsreferate zweier grüner Bundestagsab-geordneter ließen ein erstaunlich breites Meinungsspektrum innerhalb dieser Partei erkennen. Während Jerzy Montag, MdB, die Auffassung vertrat, dass der Staat, insbe-sondere die Länder, und die christlichen Kirchen in vielen Bereichen eine viel zu in-tensive Verbindung pflegten und Privilegien genössen, die mit den Vorgaben der Verfassung kaum zu vereinbaren seien, erklärte Christine Scheel, MdB, angesichts der geschichtlichen Entwicklung und der sozialen Wirklichkeit in Deutschland sei die gute und dichte Zusammenarbeit von Staat und Kirchen zu begrüßen und im Kern nicht zu beanstanden.

Es schloss sich eine Podiumsdiskussion an unter Leitung des Redakteurs Tilmann Klein-jung vom Bayerischen Rundfunk, an der je ein Vertreter der evangelischen Kirche (Wolfgang Schürger), der katholischen Kirche (Michael Benz), der Muslime (Bekir Al-boga, DITIB), der israelitischen Kultusgemeinde München (Michael Fischbaum) und der Humanistischen Union (Johann-Albrecht Haupt) teilnahmen. Dabei standen vor allem die Themen Theologie an Hochschulen, Religionsunterricht, Staatsleistungen, Konkordate und kirchliches Arbeitsrecht im Mittelpunkt. Die Vertreter der Religions-gemeinschaften hielten erwartungsgemäß die geltende religionsrechtliche und reli-gionspolitische Lage für gut und erhaltungswürdig. Der islamische Vertreter kritisierte die Benachteiligung der muslimischen Glaubensgemeinschaften. Der HU-Vertreter konzentrierte seine kritischen Bemerkungen auf die Bereiche kirchliche Arbeitnehmer und Staatsleistungen.

In der folgenden Diskussion mit den Parteitagsdelegierten (die bemerkenswert diszipliniert verlief!), wurde das erwähnte breite Meinungsspektrum sehr deutlich. Viele christlich verwurzelten Delegierten brachten ihre  Sorge vor kirchenfeindlichen Ten-denzen bei einer stärkeren Trennung von Staat und Kirchen zum Ausdruck, während andere christliche Privilegien anprangerten. Gemessen an dem jeweiligen Beifall wa-ren die Sympathien für die unterschiedlichen Positionen etwa gleichmäßig verteilt. Gezielte Fragen der Diskussionsteilnehmer an die Religionsgemeinschaften zu ihrem Verhältnis zu  den Frauen, zu Schwulen und Lesben brachten die Kirchenvertreter in einige Verlegenheit.

Deutlich wurden auch Nachwehen aus dem Wahlkampf zur bayerischen Landtags-wahl, bei welcher der Fraktionsvorsitzende der Grünen, Sepp Dürr, sich für ein Ende der Bezahlung der bayerischen Bischöfe durch den Freistaat Bayern ausgesprochen hatte (Süddeutsche Zeitung vom 23.8.2008). Das hatte auch parteiintern zu Ausei-nandersetzungen geführt, weil man negative Auswirkungen auf das Wahlergebnis befürchtete. Mutmaßungen darüber, ob die Partei sich selbst geschadet habe, be-schäftigten auch  jetzt noch die Delegierten der Landesversammlung.

Der scheidende Landesvorsitzende Sepp Daxenberger kündigte an, dass der Lan-desvorstand ein Parteigremium einberufen werde, welches sich vertieft mit dem Ver-hältnis von Staat und Religionsgemeinschaften in Bayern befassen soll. Es dürfte sich für die bayerische HU empfehlen, hieran mitzuwirken und nicht den Kirchenvertretern das Feld zu überlassen.

nach oben