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EU-fi­nan­zierte Gewalt gegen Flüchtende durch Libysche Küstenwache beenden!

23. Juni 2017

Liebe Freundinnen und Freunde,
 
bitte unterzeichnet folgende Petition von Sea Watch an die Bundeskanzlerin:
 
https://sea-watch.org/?gclid=CMHn6Jm00dQCFaQW0wodRzUD3

EU-finanzierte Gewalt gegen Flüchtende durch Libysche Küstenwache beenden!

Am 21. Okober 2016 enterten Mitglieder der Libyschen Küstenwache (LCG) ein vollbesetztes Schlauchboot, schlugen auf die Menschen ein und hielten die Sea-Watch Crew davon ab, Rettungswesten zu verteilen. Durch das brutale Vorgehen, beim Versuch das Boot zurück nach Libyen zu schleppen, wurde eine Luftkammer des Bootes zerstört und an Bord brach eine Massenpanik aus.

Fast alle 150 Insassen fielen ins Meer und etwa 30 Menschen ertranken vor den Augen unserer Crew.

Die Europäische Union trainiert seit mehreren Monaten dieselbe Libysche Küstenwache und rüstet sie mit 200 Millionen Euro aus. Der Fokus der Europäischen Unterstützung liegt jedoch nicht auf der Verbesserung der Situation Flüchtender in Seenot. Im Gegenteil: Völkerrechtswidrige Rückführungen und Waffengewalt sind vor der Libyschen Küste an der Tagesordnung und passen in das Konzept Europäischer Abschottung. Solange es in Libyen keine legitimen demokratischen Strukturen gibt, die dazu in der Lage sind die Einhaltung von Grundrechten zu garantieren, muss die Kooperation mit der sogenannten Libyschen Küstenwache auf den Prüfstand.

Die humanitäre Katastrophe an Europas Grenzen verlangt eine humanitäre Antwort. Wir fordern die Bundesregierung deshalb auf, von weiterer Militarisierung und Abschottung Abstand zu nehmen und ihren Einfluss innerhalb der EU maximal geltend zu machen, damit

  1. eine staatliche humanitäre Mission mit dem ausdrücklichen Mandat zur Seenotrettung eingerichtet wird.
  2. jede Kooperation mit der Libyschen Küstenwache an ein Monitoring und Sanktionssystem geknüpft wird, welches sicherstellt, dass internationales Recht von der Libyschen Küstenwache eingehalten wird. Dazu gehört das Nichtzurückweisungsprinzip, welches verbietet, dass Flüchtende aus internationalen Gewässern zurück nach Libyen gebracht werden.
  3. dass die Kooperation mit der LCG bei wiederholten Verstößen gegen das Völkerrecht umgehend auf Eis gelegt wird.
  4. die LCG dazu ausgebildet wird, die Regeln auf hoher See zu befolgen, um Rettungsmissionen zu unterstützen anstatt Flüchtende und zivile Rettungskräfte zu gefährden.
  5. die LCG dazu ausgebildet wird, internationales See- und Völkerrecht, darunter das Nichtzurückweisungsprinzip, zu respektieren.
  6. die Pläne eines neuen Seenotrettungszentrums (MRCC) in Libyen gestoppt werden. Es ist inakzeptabel, die Kontrolle über Rettungseinsätze einem Bürgerkriegsland zu überlassen, das über keinerlei Rechtsstaatlichkeit verfügt.

Reasons

Die europäische Abschottungspolitik will Menschen, die ein Recht auf Schutz vor Gewalt und Verfolgung haben, daran hindern, Europa zu erreichen. Dafür arbeitet die EU auch mit repressiven Regimen zusammen. Besonders fragwürdig ist die Kooperation mit der Libyschen Küstenwache, deren Mitglieder internationales Seerecht und die Genfer Flüchtlingskonvention missachten – und das, obwohl sie seit Monaten von europäischen und deutschen Marinesoldaten ausgebildet werden.

Die Lage auf dem Mittelmeer spitzt sich täglich weiter zu, unter anderem, weil die von der EU trainierte Küstenwache immer aggressiver auftritt. Am 23. Mai und am 15. Juni fielen während Rettungseinsätzen von SOS MEDITERRANEE, Jugend Rettet und Proactiva Open Arms außerhalb libyscher Territorialgewässer Schüsse. Am 10. Mai brachte außerdem die Besatzung des Patrouillenboots 206 unsere eigene Crew in Lebensgefahr. Der Kapitän nahm der Sea-Watch 2 in einem riskanten Manöver die Vorfahrt, um schnellstmöglich ein vollbesetztes Holzboot zu erreichen. Mit vorgehaltener Waffe zwang er die MigrantInnen zurück nach Libyen, wo ihnen Folter, Ausbeutung und Vergewaltigungen drohen. „Höchst bedenklich” nennt Human Rights Watch die EU-Strategie, libysche Behörden damit zu beauftragen, Bootsmigration nach Europa zu verhindern. Die UN sprach im Juni von einer „Menschenrechtskrise“ in Libyen, wo es keinen sicheren Hafen gibt.

Dubiose Milizen mit europäischen Steuergeldern gefördert

Wie unberechenbar die verschiedenen Milizengruppen sind, die sich „Libysche Küstenwache” nennen und von der EU gefördert werden, macht auch eine Reportage von Michael Obert deutlich. Der Journalist beschrieb für das SZ-Magazin, wie Kommandant Al-Bija in einem blutigen Gefecht die Macht über den Hafen der Stadt libyschen Zawiya erlangte. “Dann kreierten sie ein eigenes Wappen, verliehen sich militärische Dienstgrade, nannten sich ‘Libysche Küstenwache von Zawiya’ und fuhren hinaus aufs Mittelmeer.”

Mitglieder der LCG stehen außerdem immer wieder im Verdacht, selbst in das Geschäft der Schlepper verwickelt zu sein. Auch aus diesem Grund drängen wir die Bundesregierung, die Kooperation auf den Prüfstand zu stellen. Es muss ausgeschlossen werden können, dass Fördergelder aus Deutschland dem illegalen Menschenhandel zugute kommen und damit die diejenigen Strukturen fördern, deren Bekämpfung eigentlich der Fokus der Kooperation sein sollte. Der Bundesregierung ist die Vernetzung zwischen der LCG und den Schleppern bekannt. Dies geht aus einem vertraulichen Vermerk des Europa-Staatsministers im Auswärtigen Amt Michael Roth (SPD) hervor. Dass die Bundesregierung trotzdem mit einem immensen Budget an der Kooperation und Finanzierung der LCG festhält, ist schockierend.

EU muss Verantwortung für Menschenrechte an Außengrenzen übernehmen

Momentan folgen alle zivilen Rettungseinsätze den Anweisungen des Maritime Rescue Coordination Center in Rom. Menschenrechtsorganisationen haben scharfe Kritik an den europäischen Vorhaben geübt, die Koordination von Seenotfällen bald an Libyen zu übertragen. Durch diese Pläne „stehen Leben auf dem Meer auf dem Spiel”, heißt es im jüngsten Report von Amnesty International. Solange es keine Aussicht auf Rechtsstaatlichkeit in Libyen gibt, ist es absolut inakzeptabel, der LCG die Verantwortung für Rettungen in den internationalen Gewässern vor der libyschen Küste zu überlassen.

Die Europäische Union hat entschieden, die Migrationsabwehr an dubiose Bündnispartner abzugeben. Gerade deswegen trägt sie aber die Verantwortung für die Konsequenzen dieser Politik. Völkerrechtlerin Nora Markard erklärt im ARD-Interview: „Der Europäischen Union und der Bundesregierung sind die Verhältnisse in Libyen natürlich bekannt. […] Indem sie dazu Unterstützung leisten, sind sie auch völkerrechtlich mit haftbar und machen sich mitschuldig.“

Was es braucht, um die humanitäre Krise an Europas Grenzen zu beenden, ist ein EU-Mandat für eine nicht-militärische Rettungsmission. Wir brauchen ein klares Bekenntnis zur Seenotrettung von Europa, und von Ihnen, Frau Bundeskanzlerin!

Quellen/Links:

Human Rights Watch Bericht 19.06: www.hrw.org/news/2017/06/19/eu-shifting-rescue-libya-risks-lives

UN Bericht (Final Report of the Panel of Experts on Libya) 01.06: undocs.org/S/2017/466

Amnesty Bericht 22.05: www.amnesty.org/en/documents/eur30/6319/2017/en/

Bericht von Michael Obert im SZ-Magazin 08.06: www.sueddeutsche.de/panorama/fluechtlinge-in-libyen-die-menschenfaenger-1.3537527

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