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Muster eines Patien­ten­-Tes­ta­ments

16. Dezember 1978

Wilhelm Uhlenbruck

aus: vorgänge 36 (Heft 6/1978), S. 118-119

(vg) In der Bundesrepublik hat sich vor allem der Kölner Richter Dr. Wilhelm Uhlenbruck juristisch bemüht um die so die anscheinend nicht vermeidbare umständliche Formulierung privatatrtonome Gestaltung auf einen menschenwürdigen Tod, und hat in der Neuen Jurtristisehen Wochenschrift 1978/12 außer einem rechtlichen Kommentar den Entwurf eines Patientenbriefs veröffentlicht. Wichtig scheint uns, dass Uhlenbruck das von Rechtsexperten so hoch gespielte Problem, wie verbindlich eigentlich eine testamentarische Verfügung über den Sterbensverlauf sei (da ja theoretisch jederzeit widerrufbar) etwas tiefer hängt. Uhlenbruck schreibt:

„Sowohl in der Schweiz als auch in der Bundesrepublik herrscht in rechtlicher Hinsicht kein Zweifel darüber, dass der Wille des urteilsfähigen Patienten gegenüber der ärztlichen Hilfs- und Behandlungspflicht letztlich den Vorrang hat. Unbestritten ist auch, dass ein gesunder Mensch rechtserhebliche Erklärungen allgemeiner Art schon vor einer zum Tode führenden Erkrankung abgeben kann. Die ärztliche Aufklärung wird insoweit durch ein allgemeines Wissen über infauste Befunde und inkurable Zustände ersetzt. (…) Die Schwierigkeiten, die im Einzelfall bei der Ermittlung des Patientenwillens auftreten, sollen hier nicht verkannt werden. Sie sind aber tatsächlich nicht so groß, wie es scheint, denn der – notfalls von zwei oder drei Ärzten festzustellende hoffnungslose Krankheitszustand eines Patienten ist vielfach diagnostisch und prognostisch eindeutig zu fixieren… Die Gefahr der Fehldiagnose kann in solchen Fällen auf ein Minimum reduziert werden. Versteht sich unsere Rechtsordnung dazu, ein Patienten-Testament, Euthanasie-Testament oder besser noch einen Patientenbrief mit verbindlicher Wirkung für den Arzt zuzulassen, so sollte die Benutzung nicht an der freien Widerruflichkeit solcher Entscheidungen scheitern. Sicherlich handelt es sich bei dem Patientenbrief um eine jederzeit frei widerrufliche Willenserklärung. Es dürfte aber zu weit gehen, die Möglichkeit eines Widerrufs als Alibi zu benutzen, um die Rechtsverbindlichkeit eines schriftlich und eindeutig erklärten Willens beim bewusstlosen oder bewusstseinsgestörten moribunden Patienten schlechthin zu ignorieren. Der Kranke legt ja gerade für den Fall, dass er seinen Willen nicht zu artikulieren vermag, sein Wollen unmissverständlich durch den Patientenbrief fest (…)“

Nachfolgend geben wir den von Richter Uhlenbruck vorgelegten Entwurf eines solchen rechtsverbindlichen Patienten- Testaments wieder.

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Patienten-Brief

I. Personalien Vor- und Zuname …………………………………………………
Wohnort ………………………………………………………………………………………
Straße ………………………………………………………………………………………..
geb. am ………………………………………………………………………………………
Telefon ……………………………………………………………………………………….
Blutgruppe ………………………………………………………………………………….

II. Anatomische Angaben

1. Wichtige Vorerkrankungen ………………………………………………………………………………………………………………………………..
2. Tetanusschutzimpfungen
    Präparat ………………………………………………………………………………
    Dosis …………………………………… Datum …………………………………..
3. Sonstige Impfungen
    Präparat ………………………………………………………………………………
    Dosis …………………………………… Datum …………………………………..
4. Kontraindikationen/Empfindlichkeiten/Allergien …………………………………………………………………………………………………………………………………
5. Toleranz hinsichtlich Narkotika
a) Tablettengewöhnung                     Art ……………………………………….
b) Alkoholgewöhnung                        leicht,  mittelmäßig,  stark
c) Sonstige Suchtkrankheiten           Art ……………………………………….

III. Besondere Hinweise

1. Zu benachrichtigen ist ……………………………………………………………….
2. Auskünfte durch den behandelnden Arzt dürfen erteilt werden an ……………………………………………………………………………………………………
3. Es sind von mir folgende Personen durch nachstehende Unterschrift ausdrücklich bevollmächtigt, zu medizinisch indizierten Eingriffen für mich die Zustimmung zu erteilen ……………………………………………………………………………………………………………………………………………
IV. Unabhängig von vorstehender Ermächtigung Dritter, zu dringend indizierten ärztlichen Eingriffen im Falle meiner Bewusstlosigkeit oder Bewusstseinstrübung für mich die notwendige Zustimmung zu erteilen, erkläre ich in voller Kenntnis der medizinischen Situation und rechtlichen Bedeutung einer solchen Erklärung, dass ich im Falle irreversibler Bewusstlosigkeit, wahrscheinlicher schwerer Dauerschädigung des Gehirns (Dezerhebration) oder des dauernden Ausfalls lebenswichtiger Funktionen meines Körpers oder bei infauster Prognose hinsichtlich meiner Erkrankung mit einer Intensivtherapie oder Reanimation nicht einverstanden bin. Für den Fall, dass durch eine solche ärztliche Maßnahme nicht mehr erreicht werden kann als eine Verlängerung des Sterbevorgangs oder eine Verlängerung des Leidens, verweigere ich hiermit ausdrücklich die Zustimmung zu irgendwie gearteten ärztlichen Eingriffen, zumal wenn sie mit erheblichen Schmerzen verbunden sind.

V. Sollten Diagnose und Prognose von mindestens zwei Ärzten ungeachtet der Möglichkeit einer Fehldiagnose ergeben, dass meine Krankheit zum Tode führen und mir nach aller Voraussicht große Schmerzen bereiten wird, so bitte ich, von weiteren Medikationen sowie technischen Maßnahmen wie z.B. künstliche Beatmung, Sauerstoffzufuhr, Bluttransfusionen, Hämodialyse, künstlicher Ernährung etc, abzusehen. Ich wünsche keine ärztlichen Maßnahmen, die zu einer unnatürlichen Verlängerung des Lebens führen. Vor allem lehne ich ein Leben mit der Maschine ab wie z.B. mit einem künstlichen oder transplantierten Herz oder einer transplantierten Niere. Auch wünsche ich keine Hemikorporektomie. Sollte ich eine Hirnverletzung oder eine Gehirnerkrankung haben, die meine normalen geistigen Funktionen schwerwiegend und irreparabel geschädigt hat, so bitte ich um Einstellung der Therapie, sobald durch mindestens zwei Ärzte festgestellt wird, dass ich künftig nicht mehr in der Lage sein werde, ein menschenwürdiges Dasein zu führen.

VI. Vorstehende Erklärungen stellen keinen allgemeinen Verzicht auf eine Therapie dar. Sie beschränken vielmehr meine Einwilligung in die ärztliche Heilbehandlung auf eine Linderung von Leiden und Beschwerden für den Fall, dass ein Hinausschieben des Todes für mich eine nicht zumutbare Verlängerung des Leidens bedeuten würde und das Grundleiden mit infauster Prognose einen irreversiblen Verlauf genommen hat. Ich bin mir bewusst, dass es ein gesetzlich anerkanntes Recht auf einen aktiv herbeigeführten Tod nicht gibt, auch wenn die nur passive Sterbehilfe zu einem qualvollen Leidensdasein führen sollte. Wenn ich die Ärzte bitte, das Recht auf einen mir gemäßen Tod zu achten, so heißt das nicht, dass ich damit die ärztliche Hilfe und Behandlung in der Form ausreichender Medikation und Leidensminderung ablehne. Vielmehr setze ich mein Vertrauen in eine vom Arzt anzuordnende schmerzlindernde Medikation, auch wenn sie zur Bewusstseinsausschaltung oder wegen ihrer – vom Arzt nicht beabsichtigten – Nebenwirkungen zu einem früheren Ableben führen sollte.

VII. Zur Entlastung meiner behandelnden Ärzte weise ich darauf hin, dass auch in der juristischen Literatur überwiegend die Sterbehilfe durch Einstellung der Intensivbehandlung oder durch das Abstellen des Atemgerätes bei irreversibler Bewusstlosigkeit oder Dezerhebration für zulässig gehalten wird.

VIII. Ich verzichte durch meine Unterschrift ausdrücklich auf eine besondere ärztliche Aufklärung über meinen Zustand und die Herbeiführung einer besonderen Einwilligung. Etwas anderes soll nur dann gelten, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass ich die vorstehend niedergelegte Erklärung aufgrund eingehender ärztlicher Aufklärung widerrufen würde.

IX. Zur eigenen Absicherung sei meinen Ärzten empfohlen, diesen Patientenbrief zu den Krankenunterlagen zu nehmen und im Krankenblatt zu vermerken, dass eine Intensivtherapie oder Reanimation angesichts des Befundes nur noch der nutzlosen Sterbensverlängerung gedient hätte.

X. Für den Fall, dass die Ärzte vorstehend geäußerten Willen nicht respektieren oder hiergegen verstoßen, ermächtige ich meine Angehörigen sowie jeden Dritten, bei der zuständigen Staatsanwaltschaft Anzeige wegen Körperverletzung zu erstatten.
Für diesen Fall bin ich mit einer Obduktion nach meinem Tode zwecks Feststellung des Befundes einverstanden.

Xl. Für den Fall des klinischen Todes und der Berücksichtigung meines vorstehend geäußerten Willens bin ich mit der Entnahme von Organen einverstanden, soweit sie dazu dient, ein anderes Leben zu retten oder zu erhalten.

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(Ort)  (Datum)  (Unterschrift)

Kategorie: vorgänge: Artikel, Patientenverfügung: Service

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