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Infor­ma­ti­onen zum Umgang mit Patien­ten­ver­fü­gungen

08. August 2008

Humanistische Union

Hier finden Sie Antworten auf folgende Fragen: Was ist eine Patientenverfügung? Warum sind Patientenverfügungen sinnvoll und notwendig? Was sollte ich beim Abfassen einer solchen Verfügung beachten? Welche Reichweite und Verbindlichkeit haben Patientenverfügungen? Welche besonderen Regelungen enthält die Musterverfügung der Humanistischen Union? Warum sollte ich in meiner Patientenverfügung einen Bevollmächtigten benennen?

Was ist eine Patien­ten­ver­fü­gung?

Eine Patientenverfügung ist nichts anderes als Ihr in Schriftform niedergelegter Wille für den Fall, dass Sie äußerungsunfähig sind. In der Patientenverfügung geht es um Ihre vorweg genommene Entscheidung, wie Ihr mögliches Lebensende aussehen soll – für Situationen, in denen Sie selbst nicht mehr entscheiden können. Das ist immer dann nötig, wenn Sie durch eine schwere Erkrankung oder einen Unfall bewusstlos werden oder Ihren Willen verlieren.
An die Patientenverfügung sind insbesondere die behandelnden Ärzte, aber auch Ihre nächsten Angehörigen, Verwandten und Freunde gebunden. Sie klären mit der Verfügung die möglichen Beteiligten für den Ernstfall auf. Sie hinterlassen einen verbindlich formulierten Willen, aus dem hervorgeht, unter welchen Umständen Sie welche ärztlichen Behandlungen ablehnen.

Warum sind Patien­ten­ver­fü­gungen sinnvoll und notwendig?

Viele Menschen haben ganz eigene Vorstellungen davon, wie sie in Würde sterben wollen. Die Patientenverfügung erlaubt es Ihnen, sich mit der Thematik des Sterbens vorab differenziert auseinander zu setzen.

Notwendig sind Patientenverfügungen, um mögliche Schutzvorkehrungen für die Selbstbestimmung am Lebensende zu treffen. Erfahrungen zeigen  immer wieder, dass die von Betroffenen gegenüber Verwandten, Freunden und engen Angehörigen geäußerten Wünsche von den behandelnden Ärzten nicht immer respektiert werden. Verschärft wird dieser Konflikt durch die sich dauernd verbessernden technischen Möglichkeiten der Lebenserhaltung und Lebensverlängerung.

Patientenverfügungen sind aber auch deshalb nötig, weil wir bis heute eine mangelnde Ausbildung der Ärzteschaft in ethischen, aber auch in rechtlichen Fragen des Sterbens beklagen müssen. Immer wieder werden missverständliche, oft religiös motivierte Vorstellungen von einer Pflicht zum Leben oder gar einer Pflicht zum Leiden von Sterbenden abverlangt.

Die politische Diskussion um Patien­ten­rechte

Die Bürgerrechtsorganisation Humanistische Union setzt sich seit Ende der 1970er Jahre für die Selbstbestimmung beim Sterben ein. Für uns steht das selbstbestimmte Leben jeder und jedes einzelnen Menschen – und zwar in Würde – im Mittelpunkt unserer Bemühungen. Wir haben 1978 das erste Muster einer Patientenverfügung in Deutschland vorgestellt und fordern seitdem, dass diese Willenserklärungen verbindlich anerkannt werden.
Der Gesetzgeber hat sich jahrelang geweigert, die sich aus der Rechtsunsicherheit ergebenden Probleme Sterbewilliger zu lösen. Im Frühsommer 2008 hat der Bundestag endlich mit den Beratungen eines Gesetzentwurfs (BT-Drs. 16/8442) zur gesetzlichen Absicherung der Patientenverfügung begonnen. Ob dieser Gesetzentwurf die nötigen Mehrheiten findet, ist derzeit jedoch ungewiss. Die Humanistische Union setzt sich für eine rasche Verabschiedung dieses Gesetzentwurfs ein, weil wir davon ausgehen, dass mit seiner Verwirklichung die Rechte Sterbender gestärkt werden.

Die Verbind­lich­keit von Patien­ten­ver­fü­gungen

Auch wenn es noch keine gesetzliche Regelung der Verbindlichkeit von Patientenverfügungen gibt, sind die Ärztinnen und Ärzte dennoch angehalten, Ihre Wünsche nach einer humanen Behandlung zu befolgen. Dies entspricht dem ärztlichen Selbstverständnis gemäß den Empfehlungen der Bundesärztekammer zum Umgang mit Vorsorgevollmachten und Patientenverfügungen. Sollten Ärztinnen und Ärzte den geäußerten Willen einer Patientin oder eines Patienten nicht respektieren, könnten sie wegen Körperverletzung angeklagt werden. Jede ärztliche, die körperliche Unversehrtheit nicht ganz unerheblich beeinträchtigende Behandlung stellt eine Körperverletzung dar, sofern keine Einwilligung des Betroffenen vorliegt.

Ärztinnen und Ärzte sind nicht von sich aus zur Behandlung verpflichtet, wenn die Patientin oder der Patient sie mit entsprechender Verfügung aus dieser Verpflichtung entlassen hat. Das bedeutet: Ärztinnen und Ärzte trifft bei einem wirksamen Behandlungsverzicht keine Garantenpflicht – andernfalls wäre das Selbstbestimmungsrecht der Patienten oder des Patienten nicht gewahrt.

Formvor­schriften und Muster­ent­würfe

Eine Patientenverfügung ist – juristisch betrachtet – eine im Voraus abgefasste Willenserklärung, wie sie in vielen anderen Bereichen des täglichen Lebens möglich ist. Insofern steht es Ihnen frei, Ihre Patientenverfügung formlos und mit einem eigenständig formulierten Schreiben oder Brief abzufassen. Es gibt für Patientenverfügungen keine allgemeinen Formvorschriften, Sie sind nicht an bestimmte Vordrucke oder Formulare gebunden.

Allerdings empfehlen wir Ihnen, sich bei der Formulierung einer eigenen Patientenverfügung entweder von einem qualifizierten Mediziner bzw. Rechtsanwalt beraten zu lassen oder sich an einem der zahlreichen Musterentwürfe zu orientieren. So vermeiden Sie eine juristisch unklare Formulierung, die im Zweifelsfall dazu führt, dass die Ärztinnen und Ärzte Ihre Verfügung nicht anwenden (können). Durch die Verwendung eines Mustertextes stellen Sie sicher, dass Ihre Wünsche medizinisch wie juristisch möglichst eindeutig formuliert sind. Die Mustervorlage der HU-Patientenverfügung enthält ein Freitextfeld, in dem Sie Ihre Verfügung um spezielle Wünsche erweitern oder begrenzen können. Formulierungsvorschläge für weitere Verfügungen/Einschränkungen finden Sie in dieser Handreichung des Bundesjustizministeriums.

Aufbe­wah­rung und Aktua­li­sie­rung

Sie sollten Ihre Patientenverfügung immer bei sich tragen (etwa in der Geldbörse), damit die behandelnden Ärzte diese im Notfall sofort sehen und Ihre Verfügungen berücksichtigen können.
Außerdem empfehlen wir Ihnen, Ihre Patientenverfügung etwa aller zwei Jahre durch eine erneute Unterschrift (mit Datumsangabe) zu aktualisieren. Damit zeigen Sie den behandelnden Ärzten an, dass Sie weiterhin an den in der Verfügung genannten (Nicht-)Behandlungswünschen festhalten.

Die Muster­pa­ti­en­ten­ver­fü­gung der Humanis­ti­schen Union

Die Humanistische Union stellt Ihnen einen Mustertext für eine Patientenverfügung bereit. Sie können dieses Muster:

– vorgedruckt im Online-Shop bestellen (Setpreis inkl. Informationsblatt 3.50 €)

– als PDF-Formular laden und am Rechner ausfüllen

– als PDF-Vorlage ausdrucken und handschriftlich ausfüllen.

Was die Patien­ten­ver­fü­gung der Humanis­ti­schen Union regelt:

Der Musterentwurf der HU-Patientenverfügung enthält Bestimmungen für vier typische Situationen:

  • Einen Behandlungsabbruch für den Fall der dauernden Bewusstlosigkeit oder schwerer, dauerhafter Schädigungen der Gehirnfunktionen, durch die man gehindert ist, seinen Willen zum Abbruch der Behandlung bzw. lebensverlängernder Maßnahmen zu äußern. (passive Sterbehilfe)
  • Einen Behandlungsabbruch für den Fall einer unheilbaren, zum Tode führenden Krankheit, bei der die Ärzte mit keiner Besserung des Gesamtzustandes mehr rechnen und überlebenswichtige Funktionen des Körpers auf Dauer und nicht mehr heilbar ausgefallen sind. (passive Sterbehilfe)
  • Einen Behandlungsabbruch für den Fall, dass man nur am Leben erhalten wird, um eine Organentnahme zu ermöglichen. (Dieser Teil sollte gestrichen werden, wenn man im Falle seines Todes durchaus Organe spenden will oder sogar einen Organspendeausweis hat.)
  • Die vierte Verfügung zielt darauf ab, die Linderung Ihrer Schmerzen sicher zu stellen.  Sie erklären damit gegenüber dem Arzt, dass Sie mit einer Behandlung einverstanden sind, die Ihr Leiden lindert, aber u.U. dazu führt, dass Sie Ihr Bewusstsein verlieren. Starke schmerzlindernde Mittel wirken häufig – auf den gesamten Behandlungsverlauf gesehen – lebensverkürzend. Ihr Einsatz ist deshalb in der Ärzteschaft nicht unumstritten und rechtlich gesehen rechtfertigungsbedürftig. (indirekte oder mittelbare Sterbehilfe)
Was die Patien­ten­ver­fü­gung der Humanis­ti­schen Union nicht regelt:
  • Die Patientenverfügung der HU enthält keine Bestimmungen zur umstrittenen aktiven Sterbehilfe. Da aktive Sterbehilfe in Deutschland verboten ist ( § 216 Strafgesetzbuch), wäre eine hierauf ausgerichtete Patientenverfügung unwirksam. Mit der Patientenverfügung können Sie ausschließlich zulässige (Nicht-)Behandlungswünsche festlegen, an die sich andere in künftigen Situationen halten sollen. 
  • Die Patientenverfügung der HU regelt nicht den Fall der Bestellung einer Betreuerin oder eines Betreuers. Bitte informieren Sie sich über diesen Fall gesondert, z.B. über die Verbraucherzentralen oder Ihr örtliches Amtsgericht.
Das Ausfüllen der Formulare

Bitte füllen Sie das Original der Patientenverfügung (die Faltkarte) sorgsam aus. Alle Verfügungen, mit denen Sie nicht einverstanden sind, streichen Sie einfach aus der Vorlage (und den Duplikaten!). Wenn Sie Ihre Verfügung erweitern wollen, empfehlen wir Ihnen, die erwähnten Formulierungsvorschläge des Bundesjustizministeriums oder anderer Musterverfügungen zu Rate zu ziehen. Wenn Sie das Formular ausgefüllt haben, versehen Sie die Erklärung mit Unterschrift und Datum. Dadurch dokumentieren Sie die von Ihnen gefasste Entscheidung.

Wir empfehlen Ihnen, zwei Duplikate Ihrer Verfügung bei Personen Ihres Vertrauens (Partner, Verwandte oder Freunde) zu hinterlegen. Entsprechende Vorlagen sind in den Online-Formularen bzw. dem gedruckten Set enthalten. Bitte reden Sie mit diesen Vertrauenpersonen über Ihre (Nicht-)Behandlungswünsche, damit jene auch verstehen, worum es Ihnen geht! Nur wenn die Vertrauenspersonen ausreichend über Ihren Willen informiert sind und Duplikate Ihrer Verfügung besitzen, können Sie erwarten, dass sie sich im Konfliktfall für Sie einsetzen. Tragen Sie bitte in Ihrer Patientenverfügung ein, bei wem Sie die Duplikate hinterlegt haben. Wenn Sie die Formulare handschriftlich ausfüllen, achten Sie bitte darauf, dass die Verfügungen im Original und auf den Duplikaten textlich übereinstimmen (bei dem PDF-Formular werden die Angaben in den Duplikaten automatisch aus Ihren Eingaben im Originaldokument übernommen.)

Wir empfehlen Ihnen, Ihre Patientenverfügung mit der Benennung von ein oder zwei Bevollmächtigten zu kombinieren. Diese können in Fällen, die sie nicht vorverfügt haben (weil Situationen eingetreten sind, die Sie nicht voraussehen konnten) an Ihrer Stelle entscheiden. Dadurch entsteht ein fast lückenloser Schutz bezüglich der Durchsetzung Ihrer eigenen Vorstellungen von einem würdigen Lebensende.

Wen Sie als Bevollmächtigten für sich auswählen, ist eine Frage des höchstpersönlichen Vertrauens. Bevor Sie Bevollmächtigten benennen, sollten Sie mit ihnen ausführlich über ihre Wünsche sprechen, um sicher zu gehen, dass er/sie Ihre Erwartungen kennt und versteht.

Wenn Sie einen Bevollmächtigten benennen, tritt dieser an die Stelle des gesetzlichen Betreuers, der ansonsten für Sie im Falle der Äußerungsunfähigkeit entscheiden müsste. Der Bevollmächtigte ist zunächst vollständig an den Text Ihrer Patientenverfügung gebunden. Er kann aber in all den Fällen, die Sie nicht vorbedacht haben, so entscheiden wie Sie selbst. Achten Sie bitte darauf, dass der Bevollmächtigte vom Lebensalter her so gestellt ist, dass er Sie im Ernstfall auch vertreten kann. 

Sie sind nicht verpflichtet, einen Bevollmächtigten einzusetzen. Wenn Sie sich dagegen entscheiden, streichen Sie die entsprechenden Absätze auf Ihrer Verfügung (und den Duplikaten) einfach durch. Die Wirkung Ihrer Patientenverfügung ist dann auf die von Ihnen unmittelbar beschriebenen Situationen beschränkt, in allen anderen Fällen entscheidet der staatlich eingesetzte Betreuer für Sie.

Die Humanistische Union wird ihren Mustertext einer Patientenverfügung überarbeiten, sobald durch den Gesetzgeber Änderungen notwendig oder Erweiterungen des Anwendungsbereiches von Patientenverfügungen möglich werden.

Sollten Sie weitere Fragen zum Thema Patientenverfügung/Patientenrechte haben, steht Ihnen unsere Bundesgeschäftsstelle gern zur Verfügung.

Kategorie: Patientenverfügung: Service

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