Themen / Bioethik / Selbstbestimmtes Sterben

Medizin und Menschen­recht

16. Dezember 1978

Urs Peter Haemmerli

aus: vorgänge 36 (Heft 6/1978), S. 47-64

Menschen­würde als „vernünf­tige Autonomie“

Der Mensch ist ein einmaliges Wesen auf dieser Welt. Gegenüber andern Lebewesen charakterisieren ihn Freiheit und Vernunft als neue Verhaltensweisen. Nicht ein Prinzip, sondern spezifisch menschliche Akte oder zumindest die Möglichkeit dazu kennzeichnen den Menschen als Person. Dass der Mensch allein Sinn sucht, erfasst, ja selbst auch setzt, darin liegt seine Würde.
Der Begriff „Menschenwürde“ wurde von Kant „als vernünftige Autonomie“ definiert. Für Kant ist nur der Mensch Person, alle andern Naturwesen sind bloße Sachen. Die Menschenwürde ist nicht in der Menschheit an sich, sondern in der Personhaftigkeit des Menschen, im Individuum, in der Einzelperson, begründet. Das Individuum stellt einen Wert an sich dar, in der Kantischen Terminologie einen Zweck, und niemals bloß ein Mittel. Als Wert ist das Individuum Träger gewisser unveräußerlicher Grundrechte und Freiheiten. Diese werden insgesamt als Menschenrechte bezeichnet. Der Kern dieser philosophischen Betrachtung ist: Menschenrechte sind Rechte der Einzelperson.

Allgemeine Menschen­rechte

Die allgemeinen Menschenrechte unserer Zeit wurden am 10. Oktober Allgemeine 1948 in einer Deklaration der Vereinten Nationen als Grundsatzerklärung Menschenrechte ohne verbindliche Rechtswirkung festgehalten. Der Europarat, gegründet am 5. Mai 1949, ging weiter. Er verfasste am 4. November 1950 eine „Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten”, welche am 3. September 1953 in Kraft trat und anschließend von allen 18 Mitgliedstaaten ratifiziert wurde. Im Gegensatz zur Uno-Deklaration ist die Europäische Menschenrechtskonvention rechtsverbindlich. Jedermann kann Klage erheben. Art 13 der Konvention lautet:… so hat der Verletzte das Recht, eine wirksame Beschwerde… einzulegen, selbst wenn die Verletzung von Personen begangen worden ist, die in amtlicher Eigenschaft gehandelt haben.” Nach Erschöpfung des innerstaatlichen Rechtszuges kann der Beschwerdeführer an die Europäische Kommission für Menschenrechte gelangen (Art 25ff).
Allgemeine Menschenrechte, dh Personenrechte, besitzt selbstverständlich auch der kranke Mensch. Ein erster Versuch einer Präzisierung erfolgte am 17. November 1972 durch die „Patients’s Bill of Rights” der American Hospital Association. Dieses Dokument ist zwar nicht rechts verbindlich, beschäftigt sich aber bereits eingehend mit den in den letzten 20 Jahren entstandenen wichtigen Problemen in der Medizin. Die schnelle technisch-apparative Entwicklung, die daraus resultierende Einführung der Reanimationstechniken und der Aufbau von Intensivbehandlungsstationen führten zu einer Priorität des technisch Machbaren und Manipulierbaren, bei welcher der Patient zum bloßen Objekt der Apparaturen werden kann. So stellte der Europarat mit Beunruhigung fest, dass der Fortschritt der medizinischen Wissenschaften Probleme und sogar eine gewisse Bedrohung der fundamentalen Menschenrechte und der Integrität der Kranken schafft. Er stellte ferner fest, dass es für Kranke vor allem in großen Spitälern häufig schwierig ist, ihre eigenen Interessen zu vertreten.
Der Europarat war deshalb der Ansicht, dass die allgemeinen Menschenrechte für die spezielle Gruppe der Kranken und Sterbenden genauer definiert werden müssten. Am 24. Januar 1974 wurde der Sozial- und Gesundheitsausschuss des Europarates mit der Bearbeitung des Problems beauftragt. Haupt-Sachbearbeiterin (Rapporteuro“) war die österreichische Juristin und Parlamentarierin Dr. Marga Hubinek. Zur Kommissionssitzung vom 14. März 1975 in Paris wurden zwei medizinische Experten eingeladen*). Nach zweijähriger intensiver Arbeit wurden der Parlamentarischen Versammlung des Europarates zwei Dokumente mit dem Titel Die Rechte der Kranken und Sterbenden (Recommendation 779/1976 und Resolution 613/1976) vorgelegt und am 29. Januar 1976 mit überwältigender Mehrheit angenommen.

Die Rechte der Kranken und Sterbenden

Der kurze Text der beiden Dokumente wird nur bei Kenntnis der umfangreichen Arbeitsunterlagen des Ausschusses ganz verständlich. Grundlage für alle Schlussfolgerungen des Europarates ist das schon lange gesetzlich geregelte Verhältnis zwischen Arzt und Patient: Juristisch besteht zwischen den beiden Partnern ein Vertragsverhältnis, auch wenn dieser Vertrag nicht schriftlich niedergelegt ist. Auftraggeber ist eindeutig der Patient. Dies geht, wie der Europarat betont, auf das Recht des Patienten auf Selbstbestimmung zurück, und zwar auf Selbstbestimmung als fundamentales Menschenrecht.
Juristisch ist auch dies keineswegs neu. Im Prinzip ist jede ärztliche Behandlung, ob sie nun chirurgisch mit dem „Messer“ oder mit einem Medikament erfolgt, ein Eingriff in die Integrität des Patienten und fällt damit nach der Rechtsprechung unter den Begriff der Körperverletzung. Der medizinische Eingriff darf deshalb nur mit Einverständnis des Patienten erfolgen, sonst ist er strafbar.
Das gleiche gilt auch vom sittlich-religiösen Standpunkt. So sagte Papst Pius XII am 24. Februar 1957: Im allgemeinen kann der Arzt nicht handeln, ohne dass ihn der Kranke ausdrücklich oder stillschweigend (unmittelbar oder mittelbar) bevollmächtigt. Für die Ärzte ist rechtlich und moralisch sogar der Wunsch desjenigen Patienten bindend, der eine erfolgversprechende Behandlung einer heilbaren Krankheit ablehnt. Ein typisches Beispiel ist ein Zeuge Jehovas, der bei einer massiven Blutung aus einem gutartigen Magengeschwür eine Bluttransfusion ablehnt und deshalb an einer heilbaren Krankheit sterben könnte. Die juristische Grundsatzformulierung lautet: Voluntas aegroti, non salus aegroti suprema lex esto (Der Wille des Kranken, nicht die Gesundheit des Kranken sei das höchste Gesetz).

Das Handeln der Ärzte „im Auftrag“ des Kranken

Im allgemeinen setzen wir Ärzte das Einverständnis des Kranken oder Verletzten zu unseren Behandlungsvorschlägen voraus und kümmern uns wenig um sein Selbstbestimmungsrecht. Zudem müssen die Ärzte in Notfallsituationen handeln, ohne dass sie den Patienten vorher hätten befragen können, z.b. bei plötzlichem Atem- oder Kreislaufstillstand. Hier hat der Arzt für eine erfolgreiche Reanimation nur wenige Minuten Zeit, da sonst irreparable Gehirnschäden entstehen. Der Arzt richtet sich dabei nach dem vermutlichen Willen des Patienten. Zivilrechtlich spricht man von „Geschäftsführung ohne Auftrag“, strafrechtlich von „mutmaßlicher Einwilligung“.
Wie lautet der ungeschriebene Auftrag jedes Patienten, sei er nun urteilsfähig oder bewusstlos? Die Antwort auf diese Frage definiert gleichzeitig die Berufspflicht des Arztes. Die Idealforderung heißt: Heilen und Leben retten. Bekanntlich aber gibt es eine Reihe von Krankheiten, bei denen Lebensrettung und Heilung auch beim heutigen Stand der Medizin nicht möglich sind. Das darf freilich nicht heißen, dass der Arzt seinem unheilbaren Patienten nicht helfend und lindernd beistehen kann oder soll. Sehr realistisch hat der berühmte Internist Sir William Osler (1849 / 1919) die Berufspflicht des Arztes definiert: To cure sometimes, to relieve often, and to comfort always (manchmal heilen, oft lindern, immer trösten).
Aus den Arbeitsunterlagen des Europarates geht hervor, dass das Selbstbestimmungsrecht des Patienten durch die Formulierung von fünf spezifischen Rechten garantiert werden soll. Wichtig ist die Definition des Begriffes Recht (im Sinne der Menschenrechte) durch den Europarat: ein Recht ist eine Option des Individuums etwas, was es ausüben kann, wenn es will, auf dessen Ausübung es aber auch verzichten kann, wenn es so will. Beispielsweise enthält die Allgemeine Menschenrechtskonvention des Europarates in Art 2, Abschnitt 1, das Recht auf Leben, die Resolution des Europarates über die Kranken und Sterbenden das Recht, nicht leiden zu müssen, auch formuliert als Recht, in Frieden und Würde zu sterben. Es besteht kein Widerspruch zwischen diesen beiden Rechten, wenn sie unter dem Begriff der Selbstbestimmung betrachtet werden. Das Individuum und nur das Individuum selber kann zwischen den beiden verankerten Rechten wählen, dh eine angemessene Verwirklichung seiner Rechte unter den gegebenen Umständen suchen.
Die Ausübung der Selbstbestimmung setzt voraus, dass das Individuum in juristischem Sinn urteilsfähig ist, Kinder und Geisteskranke sind deshalb von der Regelung des Europarates ausgeschlossen. Für ihre Behandlung gilt neben der medizinischen Indikation der Wunsch und Wille der Eltern oder des Vormundes, ohne deren Einverständnis eine Behandlung weder eingeschränkt noch abgebrochen werden darf. Die Gesellschaft darf weder bei urteilsfähigen noch bei bevormundeten Patienten das Recht auf Leben verweigern, weder bei Individuen noch bei Kategorien von Kranken, wie dies unter dem Hitler-Regime geschah.

Die Regeln des Europarats

Die fünf Rechte der Kranken und Sterbenden sind:

  • das Recht auf Freiheit, zum Beispiel das Recht auf Spitalaufnahme oder auf Entlassung aus einem Spital, das Recht auf Ablehnung einer vorgeschlagenen Behandlung oder Operation;
  • das Recht auf persönliche Würde und Integrität, z.b. das Recht auf Wahrung der Privatsphäre, das Recht auf Geheimhaltung;
  • das Recht auf Information, nicht nur über die technischen Installationen eines Spitals, sondern auch über Diagnose und Prognose der eigenen Erkrankung und über die möglichen Wirkungen und Nebenwirkungen einer vorgeschlagenen Behandlung;
  • das Recht auf angemessene Behandlung, nicht nur im medizinischen Sinn, sondern vor allem in der menschlichen Betreuung und einer dem Individuum und nicht der Krankheitsdiagnose angemessenen Behandlungsform;
  • das Recht, nicht leiden zu müssen.

Diese fünf Rechte sind im endgültigen Text des Europarates nicht mehr in der obigen Form auseinandergehalten, da sie sich in der Praxis überschneiden. Zum Beispiel bildet das Recht auf Information die Basis zur Ausübung des Rechtes über die Annahme oder Ablehnung einer vorgeschlagenen Behandlung (in der Fachsprache „informed consent” genannt). Die vom Patienten in bestimmten Fällen gewünschte volle Information über seine vielleicht tödlich verlaufende Krebskrankheit wird vom Arzt zwar korrekt gegeben, in der Form aber so, dass dem Patienten nie die letzte Hoffnung und Trost genommen werden. Dies entspricht dem Recht des Patienten auf angemessene Behandlung. Dem gleichen Recht entspricht auch die Tatsache, dass volle Information nicht Pflicht des Arztes ist, wenn der Patient diese Information gar nicht wünscht.
Einen sehr mutigen Schritt unternahm der Europarat mit der Formulierung des Rechtes, nicht leiden zu müssen. Der Europarat nimmt damit eine klare Stellung zum ganzen Euthanasie-Problem, ohne dieses Wort im Text je zu erwähnen.

Definition der Euthanasie

Der Begriff Euthanasie wurde und wird so vielfältig verwendet, dass von einer eigentlichen Begriffsverwirrung gesprochen werden muss. Viele Missverständnisse in Diskussionen und in Massenmedien entstehen allein dadurch, dass die Gesprächspartner unter dem gleichen Wort völlig verschiedene Dinge verstehen und dass damit Emotionen an die Stelle von dringend notwendiger Sachlichkeit treten.

Aktive Euthanasie

Hier sei nur die einfache Unterteilung in aktive und passive Euthanasie erwähnt, welche dem üblichen medizinischen und juristischen Sprachgebrauch entspricht. Aktive Euthanasie bedeutet Tötung des Patienten: das bewusste und oft schnelle Herbeiführen des Todes durch einen Eingriff in die körperliche Integrität des Patienten, sowohl auf den eigenen Wunsch des Patienten (juristisch: Tötung auf Verlangen) wie auch aus Mitleid mit dem Patienten (juristisch: vorsätzliche Tötung), beides entweder bei einem Sterbenden oder bei einem leidenden Menschen, welcher nicht im Sterben liegt, sei es durch einen Arzt oder durch andere Personen. Aktive Euthanasie ist strafbar, wird von den Ärzten weder akzeptiert noch praktiziert und ist moralisch nicht annehmbar, auch wenn die Tötung aus humanen Motiven des Mitleids erfolgt und mit den Worten des Stuttgarter Pfarrers A. Liebhardt – in Härtefällen verständlich ist. Vom Europarat wird die aktive Euthanasie in Punkt 7 seiner Empfehlung ebenfalls abgelehnt.
Bemerkenswert ist nebenbei die Feststellung, dass international in Strafprozessen über aktive Euthanasie, in denen ein Arzt als Täter oder Töter handelte, dieser Arzt mit einer Ausnahme nie der behandelnde Arzt des Patienten, sondern ein nächster Angehöriger der getöteten Person war.

Passive Euthanasie

Passive Euthanasie bedeutet Sterbenlassen des unrettbar verlorenen todkranken Patienten durch Verzicht des Arztes auf weitere medizinische Maßnahmen. Zu diesen gehören Medikamente, künstliche Zwangsernährung, künstliche Kreislaufstützung, künstliche Beatmung, Sauerstoffzufuhr, Bluttransfusionen, künstliche Niere, Operationen usw. wichtig – und in Laienkreisen häufig vergessen – sind zwei Aspekte dieser Definition. Einmal muss es sich bei diesen Patienten um solche mit einem unheilbaren Grundleiden handeln, welches auch beim heutigen fort-geschrittenen Stand der medizinischen Kunst weder geheilt noch gebessert werden kann und welches in absehbarer Zeit mit Sicherheit zum Tode führt. Bei Patienten dieser Art ist der Arzt nicht Herr über Leben und Tod, sondern steht machtlos einem unabwendbaren Schicksal gegenüber. Er kann höchstens das Leben verlängern, indem er das Sterben hinausschiebt, und beeinflusst damit nur den Todesort (Spital oder eigenes Heim) und den Todeszeitpunkt, nicht aber das eigentliche Los des Patienten. Der zweite wichtige Aspekt der Definition liegt im bereits begonnenen Sterbeprozess (Definition folgt unten); die Sterbehilfe darf also nicht auf schwer leidende Patienten ohne tödlich verlaufende Krankheit angewendet werden.
Passive Sterbehilfe, verstanden als Verzicht auf lebensverlängernde Maßnahmen beim Todkranken, kann unter drei konkreten äußeren Formen in Erscheinung treten: durch den Verzicht auf Spitaleinweisung eines Sterbenden (wohl die häufigste Form der passiven Euthanasie), durch den primären Verzicht auf die Einleitung lebensverlängernder Maßnahmen bei einem Krankheitsfall mit eindeutig hoffnungsloser Prognose (z.b. schwerste Schädelzertrümmerung bei einem Unfall) und durch den Verzicht der Weiterführung, dh den Abbruch früher eingeleiteter Maßnahmen; wenn diese keinen Erfolg bringen (z.b. erfolglose Reanimation).

Die Kirchen und der Eutha­na­sie-­Be­griff

Die juristisch-medizinische Grunddefinition und Unterscheidung zwischen aktiver und passiver Euthanasie wird von sämtlichen Kirchen in ihren offiziellen Stellungnahmen leider nicht übernommen. Leider  weil dies zu den häufigsten Mißverständnissen in der Presse führt. Die Kirchen nehmen mit ihrer eigenen Definition bereits eine moralische Wertung vorweg. Für sie ist passive Euthanasie im juristisch-medizinischen Sinn sittlich zulässig. Aus diesem Grund wird das Wort Euthanasie im Sinn von Sterbenlassen eines todkranken Patienten überhaupt nicht verwendet. Die deutschen Bischöfe schreiben: Hilfe im Sterben sind wir dem Kranken schuldig.
Euthanasie im Sprachgebrauch der Kirchen bedeutet immer und ausschließlich aktive Euthanasie im Sinne der bewussten Tötung. Die neueste Definition im vatikanischen Organ Osservatore Romano vom 12. September 1976 lautet wörtlich: Per eutanasia si intende ‚intervento positivo di medici o di altre persone per procurare direttamente la morte.” (Unter Euthanasie versteht man einen positiven Eingriff durch Ärzte oder andere Personen mit dem Ziel, den Tod direkt herbeizuführen.) Gleichartige Definitionen von katholischer Seite finden sich bereits in den Hirtenbriefen der englischen Bischöfe vom 8. Dezember 1974, der deutschen Bischöfe vom 15. Juni 1975 und der französischen Bischöfe vom 15. Juni 1976. Sehr klar formulierte auf protestantischer Seite die anglikanische Kirche in ihrer Stellungnahme On Dying Well vom Dezember 1974 ihre Schlußfolgerung Nr 1 auf Seite 61 mit den Worten: In its narrow current sense, euthanasia implies killing, and it is misleading to extend it to cover decisions not to preserve life by artificial means when it would be better for the patient to be allowed to die. Such decisions, coupled with a determination to give a patient as good a death as possible, may be quite legitimate. (Im heutigen engen Sinn bedeutet Euthanasie Tötung; es ist irreführend, den Begriff auf Entscheidungen auszudehnen, das Leben nicht mit künstlichen Mitteln zu erhalten, wenn es für den Patienten besser wäre, ihm das Sterben zu erlauben. Solche Entscheidungen, zusammen mit der Entschlossenheit, dem Patienten einen möglichst guten Tod zu geben, können völlig rechtmäßig sein.) Der Erzbischof von Canterbury, Dr. Donald Coggan, hat am 13. Dezember 1976 in einem bemerkenswerten Vortrag vor der Royal Society of Medicine in London betont: Zwischen Christen weit verschiedener Traditionen herrscht ein großes Maß an Übereinstimmung über das Unrecht der Lebensverlängerung von Patienten mit terminalen Krankheiten, nur um der Lebensverlängerung willen. Beide Definitionen die kirchliche wie die juristisch-medizinische haben ihre Berechtigung. Beide sind ihrem Zweck entsprechend brauchbar. Das Bestehen von zwei verschiedenen, obwohl klaren Definitionen macht aber die Begriffsverwirrung in der Bevölkerung größer und nicht kleiner. Aus diesem Grund sollte eine Einigung auf gleiche Begriffe angestrebt werden.

Definition des Sterbe­pro­zesses

Das Sterben ist die letzte große Lebensaufgabe jedes Menschen. Sterben bedeutet mit Ausnahme plötzlicher Todesfälle eine langsame Abnahme der Lebensqualität, eine zunehmende und erhebliche Beeinträchtigung der elementaren körperlichen Lebensfunktionen und schließlich den Ausfall zuerst einzelner, dann aller Organe. Der Sterbeprozess eines Kranken oder Verletzten beginnt für den Arzt, wenn er auf Grund einer Reihe klinischer Zeichen und auf Grund einer langen Beobachtung des Krankheitsverlaufes zur Überzeugung kommt, dass das Grundleiden irreversibel ist, progressiv verläuft und der Tod nur hinausgeschoben, nicht aber vermieden werden kann. Die Beobachtung des Krankheitsverlaufes ist bei der Feststellung des beginnenden Sterbens oft wichtiger als die Diagnose der Grundkrankheit.
Es empfiehlt sich deshalb, zwischen dem Todgeweihten (Moriturus) und dem Sterbenden (Moribundus) zu unterscheiden. Der Begriff Moriturus beruht auf der exakten Diagnose einer Grundkrankheit, welche bei den heutigen Mitteln der Medizin mit Sicherheit nicht heilbar ist und zum Tode führen muss. Dazu gehören gewisse Formen des Krebses. Der Patient kann trotz einer solchen Diagnose durchaus in gutem Allgemeinzustand und arbeitsfähig sein. Zudem kann ihm der Arzt häufig über die ersten Schübe seiner tödlichen Krankheit mit zeitlich beschränkter Besserung helfen, ihn relativ symptomarm halten und ihm oft noch Jahre eines würdigen Lebens ermöglichen (Begriff der Palliativtherapie).
Der Begriff Moribundus basiert nur selten auf der Diagnose der Grundkrankheit an sich. Selbstverständlich wird jeder Moriturus einmal zum Moribundus. Viel häufiger sind aber bei Sterbenden Krankheitsdiagnosen mit sehr vielen Möglichkeiten des Krankheitsverlaufes: von der völligen Erholung über die partielle Invalidität bis zum unausweichlichen Tod. Beispiele dafür sind der Herzinfarkt oder der Hirnschlag. Hier basiert die Prognose auf dem Krankheitsverlauf und dem Auftreten sekundärer Komplikationen. Endlich gibt es Patienten, bei denen der schließlich sichere tödliche Verlauf unzweifelhaft feststeht, die Diagnose der Grundkrankheit Karen Quinlan. Sterbehilfe darf nur dem Moribundus, nicht dem Moriturus geleistet werden.
Für den Patienten selbst gibt es drei prinzipielle Erscheinungsformen des aber unbekannt bleibt. Ein bekanntes Beispiel dafür ist die Amerikanerin Sterbens: das langsame, qualvolle Sterben unter Leiden bei vollem Bewusstsein, das Leiden bei Bewusstsein mit allmählichem Übergang in einen Dämmerzustand mit Bewusstseinstrübung und damit Linderung des subjektiven Leidens sowie endlich die irreversible Bewusstlosigkeit ohne subjektives Leiden. Diese Unterscheidung ist in bezug auf die verschiedenen Aspekte der passiven Sterbehilfe von Bedeutung.

Definition der irrever­si­blen Bewusst­lo­sig­keit

Jede Bewusstlosigkeit bedeutet eine Funktionsstörung des Gehirns, jede permanente, irreversible Bewusstlosigkeit einen Ausfall von Teilen oder der Gesamtheit des Gehirns. Unser Gehirn hat zwei prinzipielle Funktionen, welche im Urteil des Obersten Gerichtshofes von New Jersey vom 31. März 1976 im Fall Karen Quinlan folgendermaßen definiert werden: The brain works essentially two ways, the vegetative and the sapient (dh die vegetative Regulation und die Vernunft). Die Bewußtseins- oder Vernunftfunktion ist im wesentlichen in der Großhirnrinde, dem Cortex, lokalisiert, und kann durch keine Maschine ersetzt werden. Die vegetative Hirnfunktion liegt in tieferen Hirnzentren, vorwiegend dem Stammhirn, und übernimmt die zentrale Regulation wichtiger Körperfunktionen, z.b. von Atmung, Kreislauf, Körpertemperatur, Wachen und Schlafen. Der Ausfall der meisten außerhalb des Hirns liegenden Organe kann heute technisch durch Apparaturen oder andere Hilfsmittel ersetzt werden.
Irreversible Bewusstlosigkeit bedeutet anatomisch einen irreversiblen Ausfall der Großhirnrinde und/oder deren Verbindung zu den tieferen Hirnzentren. Da zusätzlich noch die vegetative Hirnfunktion ausfallen kann, unterscheidet man klinisch zwei Formen permanenter Bewusstlosigkeit.
Der Ausfall beider Hirnfunktionen führt zum sofortigen Tod des Patienten, falls nicht die ausgefallenen Organfunktionen, vor allem Atmung und Kreislauf, sofort technisch und maschinell auf einer Intensivbehandlungsstation ersetzt werden. Patienten dieser Art sind aber nur eine kleine Gruppe aller permanent Bewusstlosen. Meistens handelt es sich um schwere Schädelverletzungen, gelegentlich um schwere Vergiftungen, Elektrounfälle, oder um Zustände nach Reanimationsversuchen, nach Hirnoperationen oder nach Narkosezwischenfällen.
Der Ausfall der Kortex-Funktion allein, bei erhaltener Atmungs- und Kreislauffunktion, bedeutet, dass der Patient durch künstliche Zufuhr von Flüssigkeit und Nahrung am Leben erhalten werden muss. Dies ist auch auf einer normalen Krankenstation oder in einem Pflegeheim möglich. Meistens handelt es sich um Patienten mit Hirnschlägen oder andern Hirnkrankheiten, gelegentlich auch um Patienten, bei denen sich nach einem totalen Hirnausfall die vegetative Funktion wieder erholt (wie bei Karen Quinlan). Der Oberste Gerichtshof von New Jersey beschreibt einen solchen Zustand als being comatous in a chronic persistant vegetative state, having no awareness of anything and anyone around, existing at a primitive reflex level, which can never be restored to sapient and cognitive life (ein Koma in einem chronisch persistierenden Zustand des Vegetierens, ohne Wahrnehmung von irgend etwas oder irgend jemandem der Umgebung, eine Existenz auf einer primitiven Reflexstufe, welche niemals mehr in ein erkennendes und vernunftfähiges Leben zurück-geführt werden kann). Medizinisch spricht man von Decerebration, vom apallischen Syndrom, oder vom akinetischen Mutismus. In der französischen Literatur wird der Ausdruck Coma vigile, die wache Bewusstlosigkeit verwendet, da diese Personen oft die Augen öffnen, reflexartig auf Geräusche reagieren, Heullaute ausstoßen und dem medizinischen Laien durch einen Greifreflex einen Händedruck oder durch reflexartige Muskelzuckungen Körperbewegungen vortäuschen. Der Theologe H. Thielicke beschreibt diesen Zustand als Organkonserve, der Theologe A. Lienhardt als Dahinvegetieren einer Vitalkonserve.

Defini­ti­onen des Todes

In fast allen Ländern der Welt wird der Tod nach Gesetz durch einen Arzt festgestellt. Der Weltärztebund schreibt in seiner Declaration of Sydney: Statement on Death im Jahre 1968: „The determination of the time of death is the legal responsibility of the physician and should remain so. (Die Bestimmung des Todeszeitpunktes liegt in der rechtlichen Verantwortung des Arztes; dies sollte so bleiben.) Ähnlich äußerte sich Papst Pius XII. im Jahr 1957: Es ist Sache des Arztes, eine klare und genaue Wesensbestimmung des Todes und des ,Augenblicks des Todes‘ eines Kranken zu geben.
Der Arzt stellt die Diagnose des Todes nach allgemeinen klinischen Kriterien, nicht auf Grund eines Schemas oder eines Punkteprogramms. Er verwendet eine Vielzahl von Zeichen und Befunden, die schließlich ein Ganzes ergeben. Genauso diagnostiziert ein Arzt beispielsweise eine Lungenentzündung: nicht wegen Fieber, nicht wegen Hustens, nicht wegen des Röntgenbefundes, nicht wegen der Rasselgeräusche über den Lungen, sondern aus der Kombination dieser und vieler anderer Kriterien, welche alle als Einzelsymptome auch bei andern Krankheiten vorkommen können.
Früher wurde der Tod (in den Worten des Papstes: Augenblick des Todes) als Herztod definiert, heute spricht man vom Hirntod. Folgende Gründe haben zu diesem Wechsel geführt: Durch die heutige medizinische Technik können sehr viele Organfunktionen, mit Ausnahme der Bewusstseinsfunktion des Gehirns, maschinell übernommen werden. Bei einer chirurgischen Herztransplantation lebt ein Patient während etwa zwei Stunden ohne eigenes Herz und ohne eigene Lungen, weil eine Herz-Lungen-Maschine sein Gehirn am Leben erhält. Ferrier: Bei einem plötzlichen Herztod lebt das Hirn noch einige Minuten, bis es wegen fehlender Blut- und Sauerstoffzufuhr ebenfalls stirbt; der Herztod führt also zum Hirntod.
Der Begriff des Hirntodes wurde in den vergangenen 20 Jahren aus zwei Gründen aktuell. Einmal mehrte sich wegen der verbesserten technischen Möglichkeiten der Medizin die Zahl permanent bewusstloser Patienten (z.b. bei Reanimationsversuch mit partiellem Erfolg“), welche künstlich am Leben erhalten wurden und bei denen sich die Frage nach dem Sinn einer weiteren künstlichen Lebensverlängerung (oder Sterbensverlängerung) stellte. Der zweite akutere Grund lag in den Bedürfnissen der Organtransplantations-Chirurgie nach gesunden Spendeorganen, was die offizielle Genehmigung zur Tötung eines Spenders durch Abstellen der Beatmungsmaschine bei einem künstlich am Leben erhaltenen bewusstlosen Patienten erfordert.

Hirntod und Trans­plan­ta­tione

Dies führte zur Definition des Gesamthirntodes als Kriterium der ärztlichen Todesfeststellung beim biologisch noch lebenden Körper. Das für die Organtransplantation geschaffene Kriterium wird oft und unverständlicherweise als generelle und allein gültige Todesdefinition missverstanden. Unverständlich deshalb, weil die definierte Situation infolge der notwendigen Maschinen nur auf einer Intensivbehandlungsstation vorkommen kann, die meisten Menschen aber außerhalb einer solchen Station sterben. Unverständlich auch, weil hier ein offenkundiger Zusammenhang zwischen einer neuen Definition und einem bestehenden spezifischen Bedarf vorliegt.
Zur Erklärung dieser Sachlage müssen kurz die Bedürfnisse der Transplantationschirurgie geschildert werden. Das Spendeorgan muss vollständig gesund sein und stammt deshalb meist von jungen Menschen. Gleichzeitig muss der Spender tot sein. Eine prägnante Formulierung lautet: „Der Spender soll so tot wie nötig, das Transplantat aber noch so lebendig wie möglich sein. Der typische Organspender ist ein junger Mensch mit schwerster Schädelverletzung bei sonst gesundem Körper, häufig ein Motorradfahrer mit Unfall ohne Sturzhelm. Das Zeitintervall zwischen Schädelverletzung, dh Gesamthirntod, und Organentnahme, dh Abstellen der Beatmungsmaschine, darf 48 Stunden nicht überschreiten, da sonst das Spendeorgan, meist eine Niere, infolge ungenügender Durchblutung im Organempfänger nicht mehr funktionstüchtig ist. Diese äußerst kurze Zeitlimite bedingt absolut sichere, strenge und ein-schränkende Kriterien zur Todesbestimmung (in den Worten des Papstes: Wesen des Todes), da in dieser Situation das sonst wichtigste Kriterium des Arztes zur Diagnose der Irreversibilität der Bewusstlosigkeit, nämlich die lange Beobachtung des Krankheitsverlauf es, fehlt.
Diese strengen Kriterien zur Organentnahme sind in der Schweiz in den Richtlinien für die Definition und Diagnose des Todes der Schweizerischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften vom 25. Januar 1969 aufgeführt und vom Schweizerischen Bundesgericht in einem Urteil vom 28. Juni 1972 über die erste Herztransplantation in der Schweiz akzeptiert worden. Der Text der Schweizer Richtlinien basiert auf den Kriterien und Definitionen eines Ad-hoc-Komitees der Harvard Medical School in Boston vom 5. August 1968. Der Titel des Originals lautet korrekt A definition of irreversible coma und nicht Definition des Todes. Diese Kriterien sind übrigens nirgends in Europa gesetzlich verankert, in den Vereinigten Staaten nur in den Bundesstaaten Kansas (1971) und Maryland (1972) sowie in geänderter Form in Connecticut (1972).

Die sogenannten Harvard-­Kri­te­rien

Die strengen Harvard-Kriterien werden und müssen weiterhin für die Organentnahme zu Transplantationszwecken Gültigkeit haben, vorwiegend wegen der extrem kurzen Zeitlimite von 48 Stunden zwischen Beginn der Bewusstlosigkeit und Abstellen des Respirators. Die Fragwürdigkeit dieser Definition als allgemeine Todesdefinition ergibt sich aber schon aus der Tatsache, dass ein „Harvard-Toter” bei Weiterführung der Beatmung über 48 Stunden hinaus wieder „Harvardlebendig” werden kann: Nach dem ersten Stadium der völligen Reflexlosigkeit (eines der Hauptkriterien) entwickeln sich allmählich wieder Reflexe aus dem Rückenmark, und die Kriterien sind nicht mehr erfüllt. Eine partielle Erholung der vegetativen Hirnzentren ist möglich, eine Rückkehr zum Bewusstsein hingegen nie. Auch das Zusatzkriterium einer flachen Hirnstromkurve (Elektroenzephalogramm oder EEG) ist fragwürdig: Ein EEG ist auch bei hoher Dosierung von Schlafmitteln oder bei Narkose flach, also bei reversibler Bewusstlosigkeit infolge Drogenvergiftung. Ein EEG kann auch falsch normal sein: Der Neurologe Prof. Adrian Upton aus Hamilton leitete ein „normales EEG” aus einem von seiner Ehefrau hergestellten Pudding ab, welcher in einer Intensivpflegestation stand und deshalb Interferenzströme anderer elektrischer Apparate übermittelte.
Die Harvard-Kriterien genügen sicher nicht zur Erlaubnis einer Therapieeinstellung bei der weitaus häufigeren Zahl von permanent bewusstlosen Patienten, bei denen die vegetativen Hirnfunktionen partiell oder ganz erhalten sind (apallisches Syndrom). Der Fall von Karen Quinlan hat dies erneut ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gebracht. Die Harvard-Kriterien waren hier im späteren Krankheitsverlauf nicht mehr erfüllt. Trotzdem entschied der Oberste Gerichtshof, dass das Mädchen sterben dürfe. Er basierte seinen Entscheid auf dem permanenten Verlust des cognitive and sapient life, also der Person bei weiter gehendem biologischem Vegetieren.
Es ist für den Arzt irrelevant, ob der Tod des personal-menschlichen Lebens nun als eine der offiziellen Todesdefinitionen bezeichnet wird oder ob dies lediglich eines der Kriterien zur Einstellung einer sinnlos gewordenen, weil erfolglosen medizinischen Behandlung und künstlichen Sterbensverlängerung darstellt. Das Kriterium des Todes der Person ist übrigens bereits 1957 von Papst Pius XII, angedeutet worden, wenn er zur Wesensbestimmung des Todes durch den Arzt bei einem irreversibel bewusstlosen Patienten sagt: „Man kann hierfür auf den gebräuchlichen Begriff der vollständigen und endgültigen Trennung von Seele und Leib zurückgreifen. Der Weltärztebund meint dasselbe in seiner Deklaration von 1968 (dem Jahr der Harvard-Definition) in bezug auf das Einstellen weiterer medizinischer Maßnahmen bei Bewusstlosen: Clinical interest lies not in the state of preservation of isolated cells but in the fate of a person. (Das klinische Interesse liegt nicht im Erhaltenszustand einzelner Zellen, sondern im Schicksal der Person.)
Auch der Europarat verwirft die Harvard-Kriterien als alleingültige Todesdefinition, denn er fordert in Punkt 6 seiner Resolution vom 29. Januar 1976 vom Europäischen Büro der Weltgesundheitsorganisation eine neue Todesdefinition, welche „überall in der medizinischen Praxis und nicht nur in den Spitälern anwendbar ist”. Mit dieser Formulierung kann die neue Todesdefinition nur auf rein klinischen Kriterien beruhen.

Medizi­ni­sche Aspekte der passiven Sterbehilfe

Bei einem todkranken oder tödlich verletzten Patienten wird jeder Arzt bei der geringsten Aussicht auf Heilung oder Besserung alle Maßnahmen ergreifen, welche diesem Ziel dienlich sind. Ist er im Zweifel über seine Erfolgsaussichten, dann wird er sich immer für die Möglichkeit einer Heilung entscheiden. Dies gilt speziell in Notfallsituationen, bei denen der zugezogene Arzt den Patienten erstmals sieht, seine medizinische Vorgeschichte nicht kennt und auch über den bisherigen Verlauf der akuten Erkrankung nur ungenügend unterrichtet ist. Diese Situation trifft immer auf den Spitalarzt bei einer Notfalleinweisung zu.
Jeder Arzt versucht, zuerst seinen Primärauftrag, das Heilen, und damit seine Garantenpflicht gegenüber dem Patienten zu erfüllen, berücksichtigt dabei aber die Belastbarkeit des Patienten für Schmerzen oder Verstümmelung durch den heilenden Eingriff sowie den Gesamtgesundheitszustand des Kranken (Beispiel: Inoperabilität eines heilbaren Darmkrebses wegen vorbestehender schwerer Herz- oder Lungenkrankheit). Er befolgt zudem den Willen des urteilsfähigen und den mutmaßlichen Willen des bewusstlosen Patienten. Wenn sein Primärauftrag medizinisch unmöglich erfüllbar ist, dann ist das Helfen und Lindern von Leiden sein nächstes Ziel und juristisch seine nächste Garantenpflicht. Seine Hilfe ist nicht rein medizinisch-technischer Art, sondern besteht in menschlichem Beistand und einer bestmöglichen Pflege des sterbenden Patienten.
Der Arzt arbeitet unter dem Prinzip des therapeutischen Rationalismus. Er setzt alle erfolgversprechenden Maßnahmen ein. Wenn sich aber keine Besserung oder keine Linderung auf die eingesetzten Maßnahmen einstellt, dann werden sie als nutzlos und daher sinnlos wieder abgestellt. Dies entspricht dem täglichen medizinischen Usus auch beim „banal Kranken”. Bei Nichtansprechen der Erreger einer Lungenentzündung auf das eingesetzte Antibiotikum wird dieses abgesetzt und gegen ein wirksames ausgetauscht. Eine Viruskrankheit wie ein Schnupfen wird nicht mit Antibiotika behandelt, da Viren darauf nicht ansprechen.
Beim Sterbenden oder Schwerstkranken gilt analog: Bei Atemstillstand mit Bewusstlosigkeit wird ein Respirator eingesetzt, bis unter Behandlung der Grundkrankheit die Spontanatmung und das Bewusstsein wieder zurückkehren. Reanimation bedeutet, wörtlich übersetzt, Wiederbeseelung. Falls dieser Erfolg nach genügend langer Behandlungs- und Beobachtungszeit des Patienten ausbleibt, dann darf die Maschine abgestellt und der jetzt als unheilbar erkannten Krankheit der natürliche Verlauf gewährt werden. Beim leidenden Sterbenden mit erhaltenem Bewusstsein ist es eine selbstverständliche Pflicht, die Leiden zu mildern. Alles andere ist ganz einfach schlechte Medizin. Zu oft wird in der Laienpresse nur der Schmerz als Ausdrucksform des Leidens erwähnt. Andere Leiden können aber bei Sterbenden weit qualvoller sein und den Patienten sogar zum Selbstmord treiben. Dazu gehört das langsame Ersticken bei schwerst chronisch Lungenkranken, das unkontrollierbare Erbrechen, die Blockierung der Speiseröhre, die auch das Schlucken von Speichel unmöglich macht, sowie der stinkende, zerfallende Krebs im Mundraum. Sigmund Freud zum Beispiel litt 16 Jahre lang an einem solchen Geschwür. Als sein Lieblingshund wegen des Gestankes sein Zimmer nicht mehr betreten wollte, ließ er sich von seinem befreundeten Arzt zum Sterben verhelfen.

Thera­peu­ti­scher Ratio­na­lismus

Beim bewusstlosen Sterbenden ohne subjektives Leiden gilt dasselbe Prinzip des therapeutischen Rationalismus, Vitalfunktionen werden unterstützt, die künstliche Ernährung fortgeführt, Sekundärkomplikationen bekämpft, solange die Möglichkeit einer Heilung besteht. Wenn der Arzt auf Grund einer langen, oft viele Monate dauernden Verlaufsbeobachtung keinen Erfolg seiner Bemühungen, sondern eine langsame Verschlechterung sieht, dann wird er entsprechend dem mutmaßlichen Willen des Patienten die künstliche Lebensverlängerung einstellen. Der Bonner Neurochirurge Prof. P. Röttgen sagt: „Die Grenze für verpflichtendes ärztliches Handeln liegt dort, wo die Möglichkeiten von echtem Menschentum für immer verlorengegangen sind.“ Das Ziel des Arztes beim urteilsfähigen wie beim bewusstlosen Sterbenden ist es, ihm ein Sterben in Würde und Frieden zu ermöglichen.
Dieser therapeutische Rationalismus muss streng vom verwerflichen Erfolgsprinzip an sich, dem „acharnement therapeutique um jeden Preis, dem Beweisen wollen der Effizienz medizinischer Verfahren, abgegrenzt werden. Das Erfolgsprinzip, wie es in erschreckender Weise die Behandlung von General Franco demonstrierte und deshalb auch Franconasie genannt wird, macht den Patienten zum Objekt einer Behandlungsmaschinerie, die das Leiden und nicht das Leben verlängert und die dem Sterbenden jede Würde nimmt. Die medizinische Technik kann in falschen Händen von einer Lebensrettung in eine grausame Sterbensverhinderung umschlagen, zu einem Tod in Raten und einem Terror der Humanität, wie H. Thielicke sich ausdrückt. „Alles zu tun, was medizinisch-technisch heute möglich ist“, sagt der Philosoph Carl-Friedrich von Weizsäcker, „kann für den modernen Arzt ein gewissenloses Verhalten sein.“
Genaue medizinische Richtlinien über die Betreuung von Sterbenden, denen das Recht auf den eigenen Tod zuerkannt wird, finden sich im Statement on Measures Employed to Prolong Life in Terminal lllness der New York Academy of Medicine vom 20. Dezember 1972: „Measures to maintain hydration and comfort and the administration of medicines to relieve suffering“, also reine Flüssigkeitszufuhr, Schmerzmittel und Grundpflege, bei der sicher auch die psychische Betreuung inbegriffen ist. Diese Erklärung wurde zur Annahme in allen Spitälern empfohlen. Wir Ärzte müssen wieder lernen, Menschen zu behandeln und nicht Krankheitsdiagnosen. Der Arzt Maurice Millard aus Leicester sagt: „Manche Ärzte vergessen, dass sie es mit einem Menschen und nicht mit einem Präparat zu tun haben.“
Eines muss klar gesagt werden: Es gibt für den Arzt kein lebensunwertes Leben. Es gibt aber Wesen, die nicht mehr lebensfähig sind. Ihnen muss das Recht auf ihren Tod zuerkannt werden. Wir dürfen nicht zu einer Gesellschaft werden, die das Fleisch mehr achtet als den Geist.

Juristische Aspekte der passiven Sterbehilfe

Die juristische Situation beim Sterbenden ist klar geregelt. Beim Bewussten findet das Selbstbestimmungsrecht, dh der Auftrag des Patienten, Anwendung. Dieser kann eine weitere Behandlung und Ernährung ablehnen, er kann aber auch auf Einsatz aller technischen Mittel dringen, selbst wenn diese nach Ansicht des behandelnden Arztes nicht erfolgversprechend sind. Beim permanent Bewusstlosen gilt das Prinzip der Geschäftsführung ohne Auftrag (Zivilrecht), dass heißt der mutmaßliche Wunsch und Wille des Patienten (Strafrecht. Dieser mutmaßliche Wunsch wurde im Fall von Karen Quinlan vom Obersten Gerichtshof in New Jersey wie folgt formuliert: „We have no doubt, in these unhappy circumstances, that if Karen herself were miraculously lucid for an interval (not altering the existing prognosis of the condition to which she would soon return) and perceptive of her irreversible condition, she could effectively decide upon discontinuance of the life-support apparatus, even if it meant the prospect of natural death.“ (Wir haben keinen Zweifel, unter diesen unglücklichen Umständen, dass Karen selber, wäre sie durch ein Wunder für kurze Zeit bei Bewusstsein [ohne dass dies die Prognose änderte bezüglich ihres Zustandes, in den sie wieder zurückfallen würde] und könnte sie ihren irreversiblen Zustand erfassen, dass Karen dann das Einstellen der lebensverlängernden Maßnahmen beschließen würde, auch wenn das ihren natürlichen Tod bedeutete.) Ähnlich äußert sich der Zürcher Strafrechtler Prof. J. Rehberg: „Es lässt sich meines Erachtens kaum noch behaupten, es entspreche dem mutmaßlichen Willen des Patienten und der ärztlichen Berufspflicht, wenn man einen solchen, lebenden Organismus‘ durch Medikamente, künstliche Ernährung und dergleichen noch möglichst lange funktionstüchtig erhält.“ Eine andere juristische Betrachtungsweise betrifft die Berufspflicht des Arztes (als vermutlichen Auftrag des Patienten). Der Auftrag lautet heilen. Falls heilen nicht mehr möglich ist, dann entfällt dieser Auftrag und damit diese Garantenpflicht des Arztes. Dann muss er sich beim Leidenden noch seinem zweiten Auftrag und seiner zweiten Garantenpflicht, dem Lindern, zuwenden.
Die Juristen sehen das Problem aber auch aus der Sicht des medizinisch-therapeutischen Rationalismus, dh aus der Prognose, den Besserungsaussichten des Kranken. Im Urteil von New Jersey heißt es: „… the focal point of decision should be the prognosis as to the reasonable possibility of return to cognitive and sapient life, as distinguished from the forced continuance of that biological vegetative existence to which Karen seems to be doomed.“ (Der Kernpunkt des Urteils sollte auf der Prognose bezüglich der Möglichkeit einer Rückkehr zu einem erkennenden und vernunftfähigen Leben beruhen, im Unterschied zur erzwungenen Fortführung dieses biologischen Existierens, zu dem Karen verdammt scheint.)
Sinnlos gewordene, weil nicht den erwarteten Nutzen bringende medizinische Maßnahmen dürfen deshalb eingestellt werden, Prof. J. Rehberg braucht folgenden Vergleich: Wenn die Feuerwehr bei einem Hausbrand nach langen Löschversuchen den Brand nicht eindämmen kann, dann stellt sie ihre Versuche ein und lässt das Haus verbrennen. Niemand beschuldigt deswegen die Feuerwehr der Brandstiftung. Deshalb darf auch ein Arzt nicht der Tötungsabsicht beschuldigt werden, wenn er eine primär zur Rettung des Sterbenden eingesetzte, aber erfolglose Behandlung wieder einstellt, der Krankheit den natürlichen Verlauf lässt und dem Patienten seinen natürlichen und unabwendbaren Tod erlaubt. Der Strafrechtler Prof. P. Noll formuliert die Situation beim Sterbenden mit irreversiblem Personverlust noch einfacher: Einen Toten kann man nicht töten. Andere Juristen bezeichnen Sterbeerleichterung ironisch als „Delikt ohne Opfer“.

Sterbetestamente“

Einen letzten juristischen Aspekt der Sterbehilfe betrifft die Frage der  Bedeutung einer früheren schriftlichen Erklärung des Patienten, in der er für den Fall einer tödlichen Erkrankung oder Verletzung mit Bewusstlosigkeit oder Trübung der Urteilsfähigkeit den Verzicht auf lebensverlängernde Maßnahmen im voraus festlegt. Im angelsächsischen Sprachraum wird eine solche Erklärung living will, das „lebende Testament”, genannt. Das Parlament des Staates Kalifornien hat am 30. September 1976 die Anerkennung solcher Dokumente beschlossen; die Right to Die Bill trat am 1. Januar 1977 in Kraft. Die California Medical Association unterstützte das Gesetz aktiv. Ähnliche Gesetzesvorlagen liegen zurzeit in weiteren 17 amerikanischen Bundesstaaten vor dem Parlament. Im Kanton Zürich kam eine ähnliche Forderung, die Standesinitiative von Rolf Wyler, zur Volksabstimmung. In dieser Volksabstimmung bejahten 60 % der Abstimmenden die Standesinitiative zugunsten künftiger Straffreiheit der aktiven Sterbehilfe. Für den Arzt handelt es sich beim living will um eine Grundsatzerklärung (declaration of intent“), für den Juristen um ein wichtiges Indiz. Ausschlaggebend ist aber nur der gegenwärtig mutmaßliche Wille des Patienten in der momentanen Krankheitssituation. Die schriftliche Erklärung kann jederzeit widerrufen werden; der Arzt muss sich also entscheiden, ob der Patient sie unter der momentanen Krankheitssituation vernünftigerweise widerrufen würde oder nicht. Dem Patienten nahestehende Personen sind anzuhören. Der Arzt muss sich fragen, ob diese Personen wirklich den Wunsch des Patienten formulieren oder ob selbstsüchtige Motive im Spiel sind. Die letzte Entscheidung liegt rechtlich beim Arzt.

Ethische und philo­so­phi­sche Aspekte der passiven Sterbehilfe

Leiden ist für viele Ethiker und Philosophen ein Teil unseres menschlichen Daseins. Daraus darf nicht die Folgerung gezogen werden, dass Linderung von Leiden unethisch oder gar unchristlich wäre. Im Gegenteil: Beim hoffnungslos verlorenen Sterbenden bedeutet künstliche Lebensverlängerung oft künstliche Leidensverlängerung, und diese wiederum nicht selten Tortur und Folterung des Sterbenden. Solchermaßen von Menschenhand geschaffenes Leiden wird von keiner Religion gefordert. Papst Pius XII. hat schon 1957 eine genügende Dosierung von Schmerzmitteln bei Sterbenden gefordert, auch wenn dadurch eine gewisse Beschleunigung des Todeseintrittes bewirkt werden sollte.
Das Problem des permanent bewusstlosen Patienten ist philosophisch wohl am klarsten zu formulieren. Wie eingangs erwähnt, definiert Kant (1724 / 1804) Menschenwürde als vernünftige Autonomie; er billigt sie nur dem menschlichen Individuum, also der Person zu. Die älteste Definition des Begriffs Person stammt von Boetius (480 / 525); Persona est naturae rationalis individua substantia, also das rationale Individuum. Somit deckt sich die alte Definition von Person völlig mit der Kantischen Definition von Menschenwürde. Neben Individuum = Autonomie wird zur Definition Rationalität = Vernunft gefordert. Der Begriff Vernunft seinerseits ist definiert als die Fähigkeit zur Kommunikation, und zwar zur Kommunikation auf drei Ebenen: mit sich selbst (Reflexion, Denken), mit der Umwelt (durch Gespräch mit den Mitmenschen) und mit Gott oder dem All. Interessanterweise entspricht die erste Ebene der Definition des menschlichen Lebens von Descartes (1596-1650): Cogito, ergo sum; ich denke, also bin ich.
Wenn die Fähigkeit zur Kommunikation erloschen ist, dann ist die Vernunft erloschen. Wenn die Vernunft erloschen ist, dann existiert nach der obigen philosophischen Definition auch die Person nicht mehr. Mit dem Erlöschen der Person ist zugleich die Menschenwürde erloschen. Es darf also nicht von einem menschenunwürdigen Dasein gesprochen werden, sondern nur noch vom Persontod, von einem lebensunfähigen Körper.
Zu dieser Auffassung wird gelegentlich von vorwiegend emotionell veranlagten Personen gesagt, die Mediziner wüssten bekanntlich vieles nicht, und es sei durchaus möglich, dass apallische Wesen noch ein Innenleben hätten und noch empfinden könnten und dass deshalb die künstliche Lebensverlängerung weitergehen müsse. Dieser Gedankengang erscheint in seiner Konsequenz aber so grausam, dass ein Arzt dadurch sogar zur aktiven Euthanasie getrieben werden könnte. Einzelhaft in kleinstem Raum, der Tigerkäfig, ist eine der schlimmsten Folterungen. Empfindend in seinem eigenen Körper wie in einer Zwangsjacke gefangen zu sein, und dies über Monate und Jahre hin, müsste für den Patienten die unerträglichste Folterung darstellen, die ein barbarischer Sadist sich ausdenken könnte. Wer von uns würde wünschen, selber in einem solchen Zustand zu sein? Wer von uns würde einem andern einen solchen Zustand wünschen?
Dem Konzept des Persontodes schließen sich auch Vertreter der katholischen Kirche an. An den Hearings der nationalrätlichen Kommission Frau Dr. L.Spreng zur parlamentarischen Initiative über die passive Sterbehilfe von Nationalrat W. Allgöwer sagte der Moraltheologe und Ethiker Prof. A. Sustar, damals Bischofsvikar in Chur, am 1. Juli 1975 zur Frage, in welchen Grenzfällen Sterbehilfe erlaubt sei: Der Grenzfall wird wesentlich durch das irreversible Absterben des personalmenschlichen Lebens gekennzeichnet. Es wird sich also um einen Bewusstlosen handeln, bei dem nach medizinischer Erkenntnis keine Aussicht mehr besteht, dass er zu personal-menschlichem Leben zurückgerufen werden kann.

Das Kriterium: Persontod

Die Pflicht des Arztes zur Lebensverlängerung muss bei unheilbar kranken Sterbenden anderen ärztlichen Pflichten weichen, Prof. A. Sustar definiert sie wie folgt:

  • die Pflicht, den Patienten seinen menschenwürdigen Tod sterben zu lassen.
  • die Pflicht, nicht durch technische Mittel das biologische Leben beim Persönlichkeitstod sinnlos zu verlängern.
  • die Pflicht, den Willen des Patienten zu respektieren, der auf außerordentliche und unangemessene Eingriffe verzichten will, weil er seinen unausweichlichen Tod annimmt und bejaht,
  • die Pflicht, die Grenzen des technisch Möglichen der ärztlichen Kunst einzugestehen,
  • die Pflicht, den unheilbar Kranken nicht nur noch als Experimentierobjekt zu betrachten.

Im englischen Oberhaus wurde in der Debatte zur Incurable Patient Bill vorgelegt von Baroness Wootton of Abinger, dreimal der vor mehr als hundert Jahren geschriebene Vers von Arthur Hugh Clough (1819–1861) zitiert (Parliamentary Debates, House of Lords, Official Report, Vol. 368, No 31, vom 12. Februar 1976):

Thou shalt not kill;
But need’st not strive
Officiously to keep alive.

(Du sollst nicht töten; du brauchst aber nicht übereifrig nach Lebenserhaltung zu streben.)

Passive Sterbehilfe und Menschen­würde

Die passive Sterbehilfe bei unheilbar kranken Sterbenden ist also vom medizinischen, sittlichen, religiösen und juristischen Aspekt her nicht nur erlaubt, sondern unter dem Aspekt der Menschenwürde sogar geboten.
Jeder Mensch braucht Hilfe, wenn er allein und hilflos ist. Jeder Mensch ist an den äußersten Grenzsituationen seines Lebens allein: bei der Geburt und beim Tod. Bei beiden braucht er den Beistand seiner Mitmenschen. Geburtshilfe entspricht dem Recht auf Leben, Sterbehilfe entspricht dem Recht auf einen würdigen und friedlichen Tod. „Wir Ärzte”, sagt der Herzchirurg Prof. Ch. Barnard, „sind blendende Techniker geworden; wir müssen wieder lernen, human zu sein.” Der Europarat will diesen Humanismus in der Medizin fördern. In Punkt 9 seiner Recommendation verlangt er nicht nur die bestmöglichste Linderung aller Leiden des Sterbenden, sondern will dem Sterbenden auch die Möglichkeit zur psychologischen Vorbereitung auf seinen eigenen Tod geben, unter Beistand durch geschultes Personal. Von diesem Idealzustand sind wir in unseren Spitälern und Heimen noch weit entfernt. Und trotzdem stellen wir Ärzte immer wieder fest: es sind die Lebenden, die den Tod fürchten, nicht die Sterbenden.
Kehren wir zu unserem Ausgangspunkt zurück. Die Menschenwürde wird bedroht durch alles, was die als vernünftige Autonomie verstandene Freiheit in Frage stellt. Wir ermöglichen dem Kranken und Sterbenden die Erhaltung seiner Menschenwürde, wenn wir ihm seine Menschenrechte, dh Personenrechte, zuerkennen. Wir alle, ob wir Familienmitglieder, Freunde, Krankenschwestern, Ärzte, Theologen oder Politiker sind, müssen den Kranken und Sterbenden die Ausübung dieser Rechte ermöglichen. Menschenwürde als Menschenrecht ist letztlich eine Frage der Menschlichkeit.

*) Haemmerli war einer der beiden Experten. Sein dort vorgetragenes Expose ist in der „Schweizerischen Ärztezeitung“ vom 16.April 1975, 56.Jahrgang, Nr 15, S554 – 563, publiziert. (Die Redaktion)

nach oben