Gercke

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Der Mobilfunkverkehr als Ausgangspunkt für strafprozessuale Überwachungsmaßnahmen

Dr. Björn Gercke

Nahezu jeder in diesem Raum wird ein Mobilfunkgerät, ein Handy sein Eigen nennen. Nahezu jedem und jeder in diesem Raum wird auch bewusst sein, dass man ihn bzw. sie – natürlich nur rein theoretisch – auch abhören kann. Aber ist das schon alles an möglichen Überwachungsmöglichkeiten, die das Handy eröffnet? Ich werde Ihnen im Folgenden einen Überblick über den Mobilfunkverkehr als Ausgangspunkt umfassender staatlicher Überwachungsmaßnahmen geben. Nach einem kurzen Überblick über heimliche Ermittlungen im Strafprozess im Allgemeinen werde ich Ihnen die konkreten Überwachungsmöglichkeiten erläutern, die im Rahmen des Mobilfunkverkehrs möglich sind und tatsächlich angewandt werden. Anschließend werde ich einen ganz kurzen Überblick über die rechtstatsächliche Situation im Rahmen der Überwachung der Telekommunikation geben.Selbstverständlich spielt sich staatliche Überwachung mittels strafprozessualer Ermittlungsmaßnahmen nicht nur im Rahmen des Mobilfunkverkehrs ab. Allein in den vergangenen Jahres, insbesondere seit dem Gesetz zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität aus dem Jahre 1992, ist eine Fülle heimlicher Überwachungsmaßnahmen in die Strafprozessordnung integriert worden. Raster- und Schleppnetzfahndung, kurz- und längerfristige Observation, der Einsatz technischer Mittel, der die umfassende akustische und auch optische Überwachung ermöglicht, oder der Einsatz verdeckter Ermittler sind nur einige Beispiele für die stetige Ausweitung des Anwendungsbereichs verdeckter Ermittlungsmaßnahmen. Man bekommt den Eindruck, dass mit stetigem technischem Fortschritt der vom Harvard-Professor Arthur Miller festgestellte generelle Appetit der Behörden auf Daten sich mit einer gerade Parkinsonschen Gesetzmäßigkeit vergrößert. Prototyp dieser heimlichen Ermittlungsmaßnahmen, die in der Strafprozessordnung normiert sind, ist die Telefonüberwachung nach § 100 a StPO, die im Zuge des G10-Gesetzes aus dem Jahre 1968 eingeführt wurde. Nur am Rande sei hier erwähnt, dass dieses Gesetz vom Zweiten Senat des Bundesverfassungsgerichts nur mit einer 5:3-Mehrheit noch als verfassungsgemäß eingestuft wurde.Natürlich ist klar, dass die Strafprozessordnung auch vor dieser Einführung kein generelles Verbot heimlicher Ermittlungsmaßnahmen kannte und sich wohl entgegen vereinzelter Stimmen aus der Literatur ein solch allgemeines Verbot auch schwerlich aus dem Grundgesetz ableiten lässt. Allerdings war jedenfalls bei der Schaffung der Strafprozessordnung im Jahre 1877 Konsens, dass heimliche Ermittlungsmaßnahmen nur dann gestattet sein sollten, soweit sie in niemandes Rechte eingreifen. Prinzipiell hatten nach diesem begrüßenswerten Grundgedanken die Strafverfolgungsbehörden bei ihrer Ermittlungstätigkeit den Bürgerinnen und Bürgern gegenüber offen aufzutreten. Dies entspricht im Übrigen auch dem Grundsatz der Transparenz staatlichen Handelns als unerlässlicher Bedingung für die Kontrolle staatlicher Macht: ein Grundsatz, der sich direkt aus dem Rechtsstaatsgebot des Artikel 20 Abs. 3 GG ableiten lässt.Dieser Gedanke bekommt durch den Umstand eine besondere Bedeutung, dass bereits die Schaffung einer Strafprozessordnung ein wesentliches Zugeständnis an das politisch erstarkte liberale Bürgertum war, dem bereits der Begriff ?geheim‘ als Schimpfwort für polizeiliche Maßnahmen in den deutschen Nachtwächterstaaten des 19. Jahrhunderts galt. Es bleibt somit festzuhalten: Heimliche Ermittlungsmaßnahmen staatlicher Behörden waren und sind nicht generell verboten. Allerdings sind sie angesichts der Bedeutung, die einem prinzipiell erforderlichen transparenten Handeln staatlicher Behörden gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern zukommt, grundsätzlich nur mit der gebotenen Restriktion und unter strenger Beachtung der verfassungsrechtlichen Vorgaben zulässig.Im Widerspruch zu diesen Vorgaben steht die bereits angesprochene stetige Ausweitung der Überwachungspraxis, sie sich insbesondere im Bereich der modernen Telekommunikation zeigt. Gerade am Beispiel von elektronischer Datenverarbeitung und Mobilfunkverkehr, die beiderseits spätestens Ende der 90er Jahre zum festen Bestandteil zumindest bundesdeutscher Haushalte gehören, wird deutlich, wie aus Alltagsgegenständen Anknüpfungsmöglichkeiten für staatliche Überwachungsmaßnahmen werden. Hier werden die zwei wesentlichen Grundrechte der modernen Informationsgesellschaft tangiert: das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und das Fernmeldegeheimnis aus Artikel 10 GG. Dies gilt in besonderem Maße für den Mobilfunkverkehr, der mittlerweile den traditionellen Festnetzverkehr an Bedeutung weit übertroffen hat. Nahezu jeder Erwachsene in der Bundesrepublik verfügt mittlerweile über ein Handy. Nur den wenigsten Nutzern dürfte bekannt sein, dass es sich bei diesem Alltagsgegenstand mittlerweile um ein Allroundmittel zur Datenausforschung handeln kann. Das wird insbesondere deutlich, wenn man sich die tatsächliche Überwachungssituation in der Bundesrepublik ansieht. In nur wenigen anderen westlichen Staaten wird so viel abgehört wie hier – und das mit stetig steigender Tendenz. Von 1990 bis 2002 hat sich hier eine Steigerung um rund 700 Prozent abgespielt; ein Umstand, den man wohl nicht alleine mit verändertem Telefonverhalten erklären können wird.Kommen wir zu den konkreten Überwachungsmöglichkeiten im Rahmen des Mobilfunkverkehrs: Neben dem traditionellen Abhören des gesprochenen Wortes handelt es sich dabei um

den Zugriff auf die Mailbox des Handys,
die Informationserlangung bezüglich der Telekommunikationsbestandsdaten,
der Telekommunikationsverbindungsdaten,
die Lokalisierung des Handys im Standby-Betrieb und
die daraus resultierende Möglichkeit der Erstellung von Bewegungsbildern.

Schließlich ist auf den Einsatz des so genannten IMSI-Catchers hinzuweisen, auf den ich noch näher eingehen werde.Alle diese Maßnahmen tangieren verschiedene Grundrechte, im Wesentlichen das bereits angesprochene informationelle Selbstbestimmungsrecht und das Fernmeldegeheimnis. Insoweit bedürfen sie aufgrund des Gesetzesvorbehaltes einer formalgesetzlichen Ermächtigungsgrundlage:Zentraler Anknüpfungspunkt für strafprozessuale Überwachungsmaßnahmen ist, wie bereits angesprochen, § 100 a StPO und seine nächsten, allesamt sehr jungen Verwandten in den § § 100 g bis 100 i StPO. § 100 a StPO ist als Ermächtigungsgrundlage für das Abhören des traditionellen Festnetzverkehrs konzipiert. Das verwundert nicht weiter, denn 1968, also zum Zeitpunkt der Einführung der Norm, gab es zwar schon ein Mobilfunknetz, das so genannte A-Netz. Dieses war allerdings nicht im Entferntesten vergleichbar mit den heutigen Mobilfunknetzen; weder von der Qualität noch von den Kapazitäten. Ohne jeglichen Zweifel seitens der Rechtsprechung und mittlerweile auch nahezu ohne jeglichen Widerspruch in der Literatur wird auch das Abhören des Mobilfunkverkehrs unter dieser Ermächtigungsgrundlage subsumiert. Dazu ist zunächst zu sagen, dass sich das veränderte Telefonverhalten der Deutschen natürlich auch bei den angeordneten Abhörmaßnahmen widerspiegelt. So betreffen mittlerweile rund drei Viertel aller Telefonüberwachungsanordnungen den Mobilfunkverkehr. Nur vereinzelt wird dem entgegengehalten, dass das Abhören von Mobilfunkgesprächen letztlich eine von § 100 a StPO nicht erfasste Abhörrasterfahndung darstelle, da im Mobilfunkverkehr eben keine Telefonanschlüsse im eigentlichen Sinne existieren, sondern Funkzellen, die von mehreren Mobilfunkteilnehmern gleichzeitig genutzt werden, deren Geräte sich automatisch in diejenige Funkstrecke einschalten, die gerade frei ist. Der Wortlaut des § 100 a StPO lässt aber, wie der Satz 2 der Norm zeigt, an sich nur die Überwachung festgelegter Anschlüsse zu. Nun kann man dieser Argumentation entgegenhalten, dass sie ziemlich kleinkariert sei, denn schließlich scheint eine Ungleichbehandlung von Festnetz und Mobilfunkverkehr hinsichtlich des Abhörens von Telefongesprächen, gerade auch angesichts der Verbreitung des Mobilfunkverkehrs, nicht gerechtfertigt. Allerdings ist diesbezüglich immerhin zu bedenken, dass dem historischen Gesetzgeber im Jahre 1968 der Mobilfunkverkehr, wie bereits angesprochen, eben nicht unbekannt war. Hier zeigt sich bereits eine der Ungenauigkeiten, die das gesamte Normengefüge der § § 100 a ff. StPO und insbesondere deren praktische Anwendung charakterisieren. Ungenauigkeiten in einem derart brisanten Bereich, der wesentliche Grundrechte der modernen Informationsgesellschaft tangiert, sind zumindest meines Erachtens weder juristisch noch politisch so ohne weiteres zu legitimieren.Von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wird auch der Zugriff auf Nachrichten, die auf Mailboxen abgespeichert sind, grundsätzlich unter § 100 a StPO subsumiert. Dabei handelt es sich, genauer gesagt, um so genannte Voiceboxen, die für den Mobilfunkverkehr de facto die Funktion eines Anrufbeantworters übernehmen. Allgemein werden bezüglich des Zugriffs auf den soweit abgespeicherten Sprachinhalt drei Phasen unterschieden.

Phase eins ist das Absenden der Nachricht bis zum Eingang beim Mobilfunkbetreiber, also der missglückte Anruf.
Phase zwei ist das ungeöffnete Ruhen der Nachricht in der Mailbox, also quasi auf dem Server des Mobilfunkbetreibers.
Phase drei ist schließlich der Abruf der Nachricht durch den Empfänger. Das ist übrigens ein Vorgang, der sich in seinen Grundzügen mit der e-Mail-Kommunikation vergleichen lässt und insoweit dort für ähnliche strafprozessuale Probleme sorgt.

Weitestgehend unproblematisch und insoweit auch anerkannt ist, dass Überwachungsmaßnahmen bezüglich der ersten und der dritten Phase von § 100 a StPO erfasst werden, denn in diesen Phasen findet ein tatsächlicher Akt der Nachrichtenübermittlung statt, der unproblematisch unter den Begriff der Telekommunikation im Sinne des § 100 a StPO fällt – immer vorausgesetzt natürlich, dass man die Vorschrift überhaupt als taugliche Ermächtigungsgrundlage für den Mobilfunkverkehr anerkennt.Äußerst umstritten ist allerdings, ob auch der Zugriff auf die bloß ruhenden Daten, das heißt die gespeicherten Sprachnachrichten, auch unter den Anwendungsbereich des § 100 a StPO fällt. Der Bundesgerichtshof bejaht dies grundsätzlich, verkennt aber nicht, dass es sich bei einer solchen Maßnahme eben nicht um eine Telefonüberwachung im herkömmlichen Sinne handelt. So betont das Gericht, dass trotz des prinzipiellen Rückgriffs auf § 100 a StPO als Ermächtigungsgrundlage eine besondere Berücksichtigung der betroffenen Grundrechte aus Artikel 10 und 13 GG zu erfolgen habe. Der Hinweis des Bundesgerichthofs auf Artikel 13 GG, also das Recht auf die Unverletzlichkeit der eigenen vier Wände, erfolgt deshalb zu Recht, weil ein Zugriff auf den Bereich des Telekommunikationsanbieters als Mailboxbetreiber, nämlich den dortigen Server, stattfindet, der sich in einer grundsätzlich von Artikel 13 GG geschützten Sphäre befindet. § 100 a StPO ist aber eine Ermittlungsmaßnahme, die prinzipiell als Ermächtigung für Eingriffe in das Fernmeldegeheimnis aus Artikel 10 GG konzipiert ist.Aus dieser Besonderheit will nun ein Großteil der Literatur nicht etwa bloß die Subsumtion der Maßnahme unter 100 a StPO infrage stellen, sondern lässt vielmehr für den Zugriff auf die bloß gespeicherten Nachrichten einen Rückgriff auf die einfache Beschlagnahme nach § 94 StPO, also unter erheblich geringeren Eingriffsvoraussetzungen, ausreichen. Ein bloßer Rückgriff auf die einfache Beschlagnahme verkennt aber die vom BGH insoweit zu Recht festgestellte Betroffenheit von Artikel 10 GG, dass es sich immerhin um das gesprochene Wort als Produkt eines Nachrichtenübermittlungsvorgangs handelt. Insbesondere vor dem Hintergrund des Gebotes eines effektiven Schutzes des Fernmeldegeheimnisses ist es insoweit kaum vertretbar, diesen Eingriff in Artikel 10 GG letztlich vollständig zu ignorieren. Vielmehr ist meines Erachtens zu konstatieren, dass der Zugriff auf die bloß ruhenden Sprachnachrichten in der Mail- bzw. Voicebox letztlich bisher ohne Rechtsgrundlage ist.Bei der digitalen Mobilfunkübertragung fallen, das wurde schon angesprochen, über das gesprochene Wort hinaus eine Vielzahl unterschiedlichster Daten an, die höchst umfassend Auskunft über den einzelnen Mobilfunknutzer und gegebenenfalls auch über den völlig unbeteiligten Partner dieses Mobilfunknutzers geben. Dabei handelt es sich zum einen um die so genannten Bestandsdaten. Darunter werden die Daten zur Begründung sowie zur inhaltlichen Ausgestaltung oder Änderung eines Vertragsverhältnisses im Rahmen des Telekommunikationsverkehrs verstanden, also die Daten, die aufgenommen werden, wenn ein Mobilfunkvertrag abgeschlossen oder verändert wird.Ein direkter Auskunftsanspruch der Strafverfolgungsorgane sowie darüber hinaus auch gleichzeitig für die Nachrichtendienste und das Zollkriminalamt bezüglich dieser Daten folgt aus § 89 Absatz 6 Telekommunikationsgesetz (TKG). Angesichts der weiten Fassung der Norm, die über das allgemeine Verhältnismäßigkeitsprinzip hinaus keinerlei Einschränkung unterliegt, bestehen diesbezüglich erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken, die unter anderem auch vom Bundesbeauftragten für Datenschutz mehrfach geltend gemacht worden sind.Für die Strafverfolgungsorgane von noch größerem Interesse als diese Bestandsdaten sind regelmäßig die Telekommunikationsverbindungsdaten. Darunter fallen nach der Legaldefinition des neu geschaffenen § 100 g Absatz 3 StPO unter anderem

die IMEI- und IMSI-Kennung, also die Berechtigungserkennung und die Kartennummern,
die Standortkennung,
die Rufnummern sowie
Beginn und Ende der jeweiligen Verbindung sowie einige Daten mehr.

Die rasante Entwicklung der digitalen Telekommunikation, insbesondere des Mobilfunkverkehrs, hat insoweit zur Entstehung eines gigantischen Datenpotenzials geführt. Jährlich werden von deutschen Telekommunikationsunternehmen rund 100 Milliarden Verbindungsdatensätze angelegt. Insoweit besteht zumindest die Möglichkeit der Rekonstruktion der Telekommunikationsbeziehung einer ganzen Gesellschaft. Die 2001 neu eingeführten § 100 g und 100 h StPO haben die Auskunftsansprüche bezüglich dieser Telekommunikationsverbindungen umfassend neu geregelt und die alte, äußerst umstrittene Vorgängernorm des § 12 Fernmeldeanlagengesetzes (FAG) abgelöst. In § 100 g Absatz 1 Satz 3 StPO wird nunmehr explizit geregelt – auch das ein Unterschied zur Vorgängernorm – dass die Auskunft über zukünftige Telekommunikationsverbindungsdaten angeordnet werden darf. Allerdings lässt die Norm schon ihrem Wortlaut nach nur die Erfassung solcher Daten zu, die auch bei einer Verbindung, also bei einem tatsächlichen oder zumindest versuchten Gespräch anfallen.Von besonderer Bedeutung sind jedoch nicht nur diese Verbindungsdaten, sondern gerade auch die Standortdaten, die schon im Bereitschaftszustand, also im Stand-By-Betrieb eines Handys, anfallen. Ohne jetzt in den genauen technischen Ablauf einzusteigen, so sei zum Verständnis der Problematik noch einmal darauf hingewiesen, dass die derzeitigen aktuellen bestehenden Mobilfunknetze „zellular“ aufgebaut sind, das heißt, dass jedes Mobilfunknetz in so genannte Zellen (von unterschiedlicher Größe) aufgeteilt ist.Das Mobilfunkgerät schaltet sich nun in Verbindung mit der SIM-Karte immer dann, wenn es in Betrieb ist, automatisch in die Funkzelle ein, in der es sich gerade befindet. Dazu strahlt das Handy, das insoweit in technischer Hinsicht quasi ein eigener Sender ist, permanent Signale aus, die die nächste Funkfeststation aufsuchen. Somit hat der Mobilfunkbetreiber zwangsläufig die Information hinsichtlich der jeweiligen Funkzelle, um die Erreichbarkeit des Mobilfunknutzers permanent zu gewährleisten. Je nach Größe der jeweiligen Funkzelle, die von 30 bis zu mehreren 1000 Meter variieren kann, lässt sich der Handynutzer dementsprechend genau orten. Anhand dieser einzelnen Positionsbestimmung lässt sich natürlich sodann ein nahezu lückenloses Bewegungsbild erstellen. In einem Beschluss des BGH-Ermittlungsrichters aus dem Jahre 2001 wird diese Maßnahme unter § 100 a StPO subsumiert; demnach soll sie nach geltendem Recht zulässig sein.Eine Subsumtion der Standortdatenerfassung im bloßen Standby-Betrieb unter die Ermächtigungsgrundlage des § 100 a StPO muss allerdings meines Erachtens schon daran scheitern, dass sie sich dabei nicht um die Überwachung von Telekommunikation handelt, die Gegenstand und Eingriffsvoraussetzung des § 100 a StPO ist. Der Begriff der Telekommunikation ist in der Strafprozessordnung selbst nicht näher definiert. Auf die Legaldefinition des Telekommunikationsgesetzes der Telekommunikationsdatenschutzverordnung und der Telekommunikationsüberwachungsverordnung kann nicht ohne weiteres zurückgegriffen werden, einmal unabhängig davon, ob diese das überhaupt hergeben würden. Es kann jedenfalls schon deshalb nicht auf sie pauschal zurückgegriffen werden, weil sie einen unterschiedlichen Adressaten- und einen unterschiedlichen Regelungsbereich haben. Sie können allenfalls als bloße Orientierungshilfen dienen.Auch ein Rückgriff auf den Schutzbereich des Fernmeldegeheimnisses aus Artikel 10 ist entgegen dem Beschuss des BGH-Ermittlungsrichters meines Erachtens unzulässig. Zwar fällt die Erfassung der Standortdaten wohl noch in den Schutzbereich von Artikel 10 GG, da dieser nur den Kommunikationsinhalt und die näheren Umstände der eigentlichen Telekommunikation umfasst. Vom Schutzbereich eines Grundrechtes kann jedoch nicht ohne weiteres auf den Anwendungsbereich einer Eingriffsermächtigung geschlossen werden. Das ergibt sich schon aus den sich diametral gegenüberstehenden Funktionen von Grundrecht und Ermächtigungsgrundlage. Während es Bestimmung des Grundrechtes ist, Rechtspositionen des Einzelnen zu schützen, ermöglicht die Ermächtigungsgrundlage eben Eingriffe genau in dieses Grundrecht. Insoweit hat eine eigenständige strafprozessuale Auslegung des Begriffes Telekommunikation in § 100 a StPO anhand der dafür vorgegebenen klassischen Interpretationsmethoden zu erfolgen. Da wird man sagen müssen, dass die bloße Mitteilung der Standortdaten wohl kaum noch dem Wortlaut des Begriffes Telekommunikation gerecht wird, da es sich dabei um eine bloß technisch notwendige Voraussetzung für die ständige Empfangsbereitschaft des Mobilfunkgerätes handelt. Und dass nicht jede einzelne technische Voraussetzung für den eigentlichen Kommunikationsvorgang noch den Begriff der Telekommunikation unterfällt, versteht sich an sich von selbst, da der Begriff sonst völlig inhaltsleer werden würde.In letzter Konsequenz müsste dann auch das einzelne technische Material dem Telekommunikationsbegriff selbst unterfallen. Auch der BGH hatte noch in seiner Raumgesprächsentscheidung festgestellt, die einige Jahre zuvor allerdings erfolgt ist, dass nur unmittelbar mit dem Telefongespräch zusammenhängende Vorgänge, wie zum Beispiel das Anwählen, noch von dem Telekommunikationsbegriff des § 100 a StPO erfasst werden. Besondere Bedeutung kommt diesem Wortlautargument insoweit zu, als vor dem Hintergrund eines effektiven Schutzes des Fernmeldegeheimnisses grundsätzlich bereits eine restriktive Wortlautauslegung des § 100 a StPO geboten ist, was von der Rechtsprechung und der herrschenden Literatur auch immer als gegeben angesehen wird.In dem bereits erwähnten BGH-Beschluss wird nun inzidenter geltend gemacht, dass die Standortdatenerfassung quasi ein „Minus“ zum Abhören sei und daher von § 100 a StPO erfasst werde. Insofern erscheint die Subsumption der Maßnahme unter § 100 a StPO auf den ersten Blick noch als besonders grundrechtsfreundlich, weil eine vermeintlich weniger eingriffsintensivere von einer intensiveren Maßnahme unter deren Voraussetzung erfasst wird.Dieser Schluss ist jedoch aus zwei Gründen trügerisch: Zum einen handelt es sich bei § 100 a StPO nach ziemlich einhelliger Ansicht um eine abschließende Regelung, die bereits dogmatisch als solche gar keine so genannten Minusmaßnahmen zulässt. Zum anderen stellt die Standortdatenerfassung, Speicherung und Auswertung schon kein Minus für den Betroffenen dar, sondern etwas völlig anderes, also ein Aliud, was sich schlicht qualitativ nicht vergleichen lässt. Dabei ist insbesondere zu beachten, dass das Handy de facto zu einem Peilsender umfunktioniert wird, was dem Benutzer sicherlich weniger im Bewusstsein ist, als die Möglichkeit, abgehört zu werden.Dieses Auslegungsergebnis steht übrigens auch im Einklang mit einer Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der FDP-Fraktion vom 10. September 2001. Dort wird ausdrücklich festgestellt, dass eine Telekommunikation nicht stattfindet, wenn das Handy lediglich aktiv geschaltet ist, also im Standby-Betrieb ist. Dass die Bundesregierung gleichwohl § 100 a StPO als Ermächtigungsgrundlage für einschlägig hält und das dann wiederum mit einem Verweis auf den bereits ergangenen Beschluss des BGH-Ermittlungsrichters begründet, ist nur ein weiteres Beispiel für Ungenauigkeiten und Zirkelschlüsse, die das gesamte Normengefüge der § § 100 a ff. StPO – und insbesondere dessen Anwendung – charakterisieren.Anschließend werde ich nun mich der neuen ermittlungstechnischen „Wunderwaffe“ namens IMSI-Catcher widmen, die Herr Dr. Roggan bereits angesprochen hatte. Dessen Einsatz bildet geradezu ein Paradebeispiel für die zunehmende Einschränkung des Fernmeldegeheimnisses. Bei IMSI-Catchern handelt es sich um Geräte, die die feste Basisstation eines Mobilfunknetzes simulieren. Jedes eingeschaltete Handy im Empfangsbereich bucht sich daher in die vermeintliche Funkzelle des IMSI-Catchers ein, dabei erfasst das Gerät auch die Identitätsnummer des Mobilfunkgerätes, die so genannte IMSI-Nummer.Die Nutzungsmöglichkeiten des IMSI-Catchers sind vielfältig. Zum einen kann entweder anhand einer bekannten IMSI- oder IMEI-Kennung die Position des Gerätes bzw. der eingesetzten Karte bestimmt werden. Diese Standortbestimmung ist dann wesentlich genauer als die bereits aufgezeigte Standortlokalisierung anhand der Lokalisierung der Funkzelle. Zum anderen können anhand der ungefähren Kenntnis des Standortes eines Mobilfunkgerätes, bei dem die IMSI- oder IMEI-Kennungen unbekannt sind, letztere bestimmt werden. Und die Kenntnis einer solchen Identifikation ist schließlich Voraussetzung, um eine anschließende Abhörmaßnahme nach § 100 a StPO durchführen zu können. Schließlich ermöglicht der IMSI-Catcher auch die Weitervermittlung aller Telefongespräche, indem er sich dann, allerdings unter Anwendung einer entsprechenden Zusatzsoftware gegenüber dem Mobilfunkgerät, selbst wie ein Mobilfunkgerät verhält. Demnach können jedenfalls im begrenzten Maße Mobilfunkgespräche direkt vor Ort abgehört werden.Die Rechtsgrundlage für den Einsatz des IMSI-Catchers ist durch das Gesetz zur Änderung der Strafprozessordnung vom 14. August 2002 mit § 100 i StPO geschaffen worden, auch wenn die Norm den IMSI-Catcher nicht explizit nennt, sondern insoweit neutral von „technischen Mitteln“ spricht. Mit dem Gesetz hat der Gesetzgeber gegen das Zitiergebot des Artikels 19 Absatz 1 Satz 2 Grundgesetz verstoßen, indem er auf die Benennung des eingeschränkten Grundrechts aus Artikel 10 GG verzichtet hat. Artikel 10 GG gehört aber nun nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu den Freiheitsrechten, bei denen ein Eingriff zwingend einen Hinweis erfordert. Der Verstoß gegen das Zitiergebot lässt sich sicherlich mit der etwas hektisch anmutenden Gesetzgebungspraxis im Zuge der so genannten Antiterrorgesetzgebung nach dem 11. September erklären und ist im Übrigen, so viel sei hier nur am Rande erwähnt, nicht der einzige Verstoß gegen das Zitiergebot im Rahmen dieser Gesetzgebung.Auf ein Schreiben der Landesbeauftragten für Datenschutz der Länder Nordrhein-Westfalen, Berlin, Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein reagierte das Bundespräsidialamt mit der etwas knappen Antwort, dass der Bundespräsident nicht den Eindruck gewonnen habe, dass ein Verfassungsverstoß vorliege. Der Verstoß gegen das Zitiergebot ist insoweit von besonderer Bedeutung, als es bis zu Schaffung des § 100 i StPO an einer Ermächtigungsgrundlage für den IMSI-Catcher-Einsatz gemangelt hatte. Das hatte übrigens die Ermittlungsbehörden nicht davon abgehalten, den IMSI-Catcher gleichwohl schon vorher zu verwenden. So stellte allein der Spiegel im August 2001 fest, dass die bis dahin völlig ungeregelte Maßnahme in den vergangenen Jahren mindestens 30 Mal angewandt worden sei.Bezüglich der einzelnen Überwachungsmöglichkeiten bin ich bisher nur auf die formale Gesetzeslage eingegangen und habe dabei ausschließlich rechtsdogmatische Kritikpunkte an der bestehenden Rechtsanwendung geltend gemacht. Schon nach dieser Bestandsaufnahme ist sicherlich deutlich geworden, dass im Bereich der Telekommunikationsüberwachung einiges im Argen liegt. Unterstrichen, wenn nicht sogar potenziert wird diese Kritik, wenn man sich die rechtstatsächliche Situation ansieht. Geradezu angst und bange kann einem da werden, man eine Studie der Universität Bielefeld (vgl. den Beitrag von Christoph Gusy in diesem Heft) heranzieht. Danach werden offensichtlich Sinn und Zweck des Richtervorbehalts mit den Füßen getreten.Ich hoffe, dass deutlich geworden ist, dass das für uns alle alltäglich gewordene Handy seinen Nutzer quasi zum gläsernen Menschen werden lassen kann. Um es nochmals zusammenzufassen: Jeder Handynutzer muss damit rechnen, dass seine Gespräche und seine Mailbox abgehört werden können. Er muss damit rechnen, dass er permanent geortet und ein Bewegungsbild von ihm erstellt werden kann. Im Fall eines IMSI-Catcher-Einsatzes handelt es sich dabei sogar um eine äußerst präzise Ortung. Er muss damit rechnen, dass alle Daten, die für den Abschluss eines Mobilfunkvertrages erforderlich sind, an die Strafverfolgungsbehörden gelangen können. Und schließlich muss er damit rechnen, dass alle Verbindungsdaten, die bei einem versuchten oder tatsächlichen Gespräch anfallen, den Strafverfolgungsbehörden bekannt werden können. Dabei handelt es sich auch um eine Reihe von Daten, die unbeteiligte Dritte betreffen. Der Schritt zu einem umfassenden Persönlichkeitsprofil ist jedenfalls bei einer Kumulierung dieser Maßnahme nicht weit, wenn nicht sogar schon vollzogen.Fakt ist, dass die Überwachung der mobilen Telekommunikation den Strafverfolgungsbehörden einen umfassenden Einblick in das gesamte soziale Leben der Betroffenen ermöglicht. Dieser Umstand bekommt eine zusätzliche Brisanz durch den höchst ungenauen, teilweise sogar unsauberen Umgang mit Grundrechtseingriffen durch die Praxis der Gesetzgebung, insbesondere der Gesetzesanwendung und -auslegung. Natürlich wäre es naiv, die Augen vor der grundsätzlichen Problematik des Gesetzgebers und auch der Rechtsprechung zu verschließen, die auf ständig technische Veränderungen reagieren müssen. Insoweit ist es aber auch keine neue Erkenntnis, dass gerade technik-bezogene Gesetze – und dabei handelt es sich ja bei dem Normgefüge der § § 100 a ff. StPO – schnell von den tatsächlichen technologischen Entwicklungen überholt werden. Trotz dieses strukturellen Problems ist der Gesetzgeber gleichwohl stets in der Pflicht, klare formalgesetzliche Ermächtigungsgrundlagen für strafprozessuale Grundrechtseingriffe zu schaffen. Denn dies schafft die angesichts der Reichweite solcher Maßnahmen dringend notwendige Transparenz, die auch mehrfach heute schon angesprochen wurde.Insoweit gilt für die Rechtsprechung, dass sie dann, wenn sich eine Maßnahme nicht sauber unter eine bestehende Ermächtigungsgrundlage subsumieren lässt, sie eine solche auch nicht absegnet, sondern den Ball an den insoweit zuständigen Gesetzgeber weiterspielt. Diesem steht es natürlich dann im Rahmen der Verfassung frei, neue strafprozessuale Ermächtigungsgrundlagen zu schaffen, was meines Erachtens angesichts klarer Normen sicherlich immer noch einer ausufernden Rechtsprechung vorzuziehen ist. Allerdings sollte insoweit nicht schon die bloße Existenz neuer Überwachungstechniken auch zwangsläufig zu deren Anwendung führen. Das würde einen sorglosen, ja geradezu naiven Umgang mit technischen Möglichkeiten bedeuten, der eigentlich überholt ist. Für die real existierende Praxis der Strafverfolgung scheint hingegen vielfach der Grundsatz zu gelten, dass das faktisch Mögliche auch das faktisch Zulässige sei. Ich halte das angesichts des gewaltigen Überwachungs- und Ausforschungspotenzials, das sich durch diese Techniken ergibt, für ein verfassungsrechtlich, politisch und tatsächlich nicht ungefährliches Unterfangen.

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