Themen / Sozialpolitik

Wirtschafts­krise, Jugendhilfe und -selbst­hilfe

30. Mai 1985

Kommentar

aus vorgänge Nr. 75 (Heft 3/1985), S. 1-5

Um den Entstehungszusammenhang alternativer Projekte in der BRD zu begreifen, genügt der Verweis auf die ökonomische Krise, die viele Arbeitslose förmlich zur Selbsthilfe zwingt, allein nicht. Vielmehr verdanken sie sich komplexen Krisen- und Protestphänomenen, deren einige im folgenden nur angedeutet werden können. Heute wird so getan — und zwar von seiten aller traditioneller Parteien —, als wären die momentanen gesellschaftlichen Probleme ganz neu, als hätte sie niemand vorhersehen, keiner frühzeitig Gegenmaßnahmen ergreifen können und so erzählen auch zur Zeit noch zahlreiche Politiker, daß Arbeitslosigkeit durch Wirtschaftswachstum zu überwinden, Abrüstung durch Aufrüstung zu erreichen sei, die Ursachen der vielfältigen ökologischen Krisen noch weithin unerforscht, soziokulturelle Brüche wie die Krise des Bildungs- und Ausbildungssystems nur von linken Intellektuellen herbeigeredet seien, Dürre und Hungerkatastrophen in der Dritten Welt auf unglücklichen Zufällen beruhten — aber im großen und ganzen doch alles in Ordnung sei.

De facto ist nichts in Ordnung und kaum ein Problem neu. Aufrüstung, wie auch immer verbrämt, hatte durch Jahrhunderte hindurch das immer gleiche Resultat: Krieg, Tod, millionenfaches Elend; und wenn die renommiertesten Friedensforscher unserer Tage von der Unvermeidlichkeit eines neuen Krieges ausgehen, und sei es »nur« aufgrund eines falsch programmierten Computers, des Ausrastens eines ideologisierten Atombombenbesitzers, z.B. in Libyen oder Pakistan, oder eines von lich der jüngsten Pershing II-Explosion bei Heilbronn, die — so »Der Spiegel« (4/1985), S. 83) »das Unvorstellbare wieder ein wenig wahrscheinlicher gemacht« hat, so weiß man, was von offiziellen Fensterreden zu halten ist. Und was passiert: neue Raketenstationierungen in Ost und West und Vorbereitungen auf den Krieg der Sterne…
Daß Haus- und Industrieschlote Gifte ausstoßen, die Boden und Gewässer ruinieren, den Wald sterben lassen und die menschliche Gesundheit beeinträchtigen, ist spätestens seit Ende des 19. Jahrhunderts bekannt und wurde bereits 1872 von dem Briten R. A. Smith beschrieben. 1896 wurde das erste deutsche Reichspatent auf ein Verfahren zur Rauchgasentschwefelung erteilt, und 1917 warnte Hofrat Julius Stocklasa aus Prag in der Vereinszeitschrift des böhmischen Forstvereins, durch die schwefeldioxydhaltigen Rauchgase und »Fabrik-Exhaltationen« würden ungeheuere Schäden in der Land- und Forstwirtschaft verursacht werden, »weshalb es schon in vielen Gegenden die höchste Zeit ist, entsprechende Maßregeln zu ihrer Beseitigung zu treffen«. Und was passiert? Die Dreckschleuder Buschhaus geht unentschwefelt ans Netz…
Daß das Problem der Arbeitslosigkeit durch Wirtschaftswachstum nicht zu beseitigen ist, war angesichts der ökonomischen und demographischen Daten bereits vor 10 Jahren klar. Was aber geschieht? Die Zahl der offiziell registrierten »Arbeitslosen« in der Bundesrepublik ist im Dezember 1984 um 136000 auf 2,325 Mio. gestiegen. Und doch erzielte die Bundesanstalt für Arbeit 1984 einen Jahresüberschuß von 3,1 Mrd DM — durch Aussonderung von Dauerarbeitslosen und deshalb nicht mehr Anspruchsberechtigten: »Von den Arbeitslosen erhielten im Dezember 1984 nur noch etwa 1,4 Mio. oder 60,6% Leistungen vom Arbeitsamt. Arbeitslosengeld erhielten noch 803 000 Männer und Frauen oder 34,6%. Im Vergleich dazu zahlten die Arbeitsämter im Dezember 1983 bei insgesamt etwa gleich hoher Arbeitslosigkeit noch an 948 400 Empfänger Arbeitslosengeld. 606000 Erwerbslose oder 26% erhalten derzeit Arbeitslosenhilfe, der Rest von 40% geht leer aus…« (Frankfurter Rundschau v. 9.1.1985). Zählt man die vom Nürnberger Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung geschätzten 1,35 Mio. nicht registrierte Arbeitslose hinzu, waren 1984 ca. 3,7 Mio. Menschen arbeitslos, von denen über 2,2 Mio. keine Leistungen des Arbeitsamtes erhielten. Was also geschieht? Die Zahl der Dauerarbeitslosen steigt beständig. Die einzige Reaktion — Sonntagsreden und Warten auf Godot, d.h. auf die vielbeschworenen Selbstheilungskräfte der Wirtschaft, die jedoch ganz anderes vorhat: große Rationalisierungsschübe stehen ja erst noch bevor…

In der Berufsbildungspolitik sieht es nicht anders aus. Bereits Mitte der sechziger Jahre war bekannt, wann geburtenstarke Jahrgänge die Schulen verlassen würden. Die Entwicklung des Ausbildungsangebots war ebenfalls Jahr für Jahr nachzuvollziehen. Nur getan wurde nichts, außer Appellen und Taschenspielertricks beim Versuch, das Problem wenigstens statistisch zu bereinigen: so verkündete Bildungsministerin Dorothee Wilms, bis Ende 1984 sei die Zahl der Jugendlichen ohne Ausbildungsstelle auf 44 500 zurückgegangen. Bis zum Jahresende werde die Zahl der Bewerber ohne Lehrstelle sogar unter 30000 sinken. Die Rechnung täuscht. Wer nach dem Ende des Berufsbildungsjahres am 30. September in den vergangenen 3 Monaten noch einen Ausbildungsplatz fand, besetzte lediglich die Stelle eines anderen Lehrlings. Der Vorgänger hat entweder die Lehrstelle von selbst aufgegeben, weil die ihm nicht paßte, oder der Meister hat ihn während der dreimonatigen Probezeit gefeuert.
Diese sogenannten Abbrecher aber verschwinden einfach aus Dorothee Wilms‘ Rechenwerk. Den Nachrücker hingegen zieht die Ministerin von der Zahl der Unversorgten ab. Ein neuer Ausbildungsplatz ist bei dieser schlichten Buchführung nicht entstanden: Lediglich die Bilanz des Jahres 1984 ist geschönt. Die Abbrecher nämlich suchen 1985 erneut eine Lehrstelle. So rechnet das Berliner Bundesinstitut für Berufsbildung für das neue Jahr wiederum mit rund 765 000 Bewerbern, davon allein 100 000 Jugendliche, die sich schon einmal beworben oder eine Ausbildung abgebrochen haben. Das Bonner Verschiebeprinzip wird an einem simplen Tatbestand deutlich: Obwohl die Zahl der Schulabgänger 1985 zurückgeht, bleibt die Nachfrage nach Lehrstellen unverändert hoch…
Neben jenen Jugendlichen, die ihre Lehre abbrechen und so zunächst aus der Statistik verschwinden, rechnet Dorothee Wilms noch eine zweite Gruppe aus ihrer Bilanz heraus: Die jungen Leute, die jedes Jahr auf Berufsschulen oder bei der Bundesanstalt für Arbeit in weiterbildenden Kursen »geparkt« werden, weil sich für sie kein Ausbildungsplatz finden läßt. Im Jahr der Kohl-Garantie waren es 29800, 1984 schon rund 36000. Diese Jugendlichen zählt die Bonner Ministerin einfach unter die Versorgten, obwohl sie keinen Ausbildungsplatz haben. In Wirklichkeit waren also Ende September nicht 58000, sondern über 94000 Bewerber ohne Lehrstelle. Der DGB schätzt darüber hinaus die Dunkelziffer derjenigen Jugendlichen, die inzwischen die Hoffnung auf eine Lehrstelle aufgegeben haben, auf bis zu 100000. Sie verschwinden aus der Statistik, leben von Gelegenheitsjobs oder werden von ihren Familien unterstützt…
Bei all diesen Zahlenspielen wird zudem zweierlei leicht vergessen: daß es sich hier nicht nur um 200000 »Unversorgte«, sondern um 200000 Einzelschicksale von Jugendlichen handelt, die um ihre Zukunft betrogen werden und daß auch viele »Versorgte« keinesfalls gut versorgt sind: »Das Nürnberger Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung hat festgestellt, daß die Arbeitslosigkeit direkt nach Abschluß der Berufsausbildung steigt. Von 1981 bis 1983 wuchs die Zahl der Arbeitslosen mit Lehre sprunghaft von 18 000 auf 54000. Vor allem Bäcker, Gärtner, Kraftfahrzeugmechaniker, Stahlbauer, Tankwarte und Frisöre finden nach der Ausbildung kaum Jobs. Für Mädchen sind die Chancen besonders schlecht, wenn sie Frisörin, Gärtnerin, Tischlerin oder Arzthelferin gelernt haben. Nach einer Untersuchung des Berliner Berufsbildungsinstituts arbeiteten 1983 nur 2 von 3 frisch ausgebildeten Arzthelferinnen in ihrem erlernten Beruf, fast 20% waren arbeitslos« (Spiegel 1/1985, S. 59 f).

Wer über die politische Behandlung nur dieser 4 Problemkreise in der BRD nachdenkt — von den anderen; eingangs Erwähnten ganz zu schweigen —, wird leicht zum Zyniker, drängt sich doch der Verdacht auf, daß sich die ökonomischen und politischen Herrschafts- und Profitinteressen einer kleinen radikalen Minderheit — und wie diese zusammenhängen, darüber kann man aus der Flick-Affäre eine Menge lernen — letztlich stets gegen die Glücks- oder einfach Überlebensinteressen der Menschen durchsetzen. Exakt dieser Verdacht ist wesentlicher Ausgangspunkt der sogenannten »No future«-Generation:

»Nichts, nichts läuft richtig! Wie soll die Jugend einen Weg finden, wo die Erwachsenen alles falsch gemacht haben?«
(Carmen, 16, in: Shell 1984, S. 55)

»Auf der Selbstmordstraße
laufen wir jetzt mit lautlosem Schreien das niemand hört…
Denken mit Grauen an die Zukunft und schreiben
No Future an die Wand«
(Bettina, 15, ebd., S. 131)

»Ich zittere bei dem Gedanken an die Zukunft… jede Nachricht von Krieg und Bomben beißt ein kleines Loch in meine Seele. So wird, nach und nach, aus ihr ein dünn gewebtes Netz, das den Zerreißproben des Lebens kaum Widerstand bietet. Ich nehme jede Gelegenheit wahr, zu hoffen, doch die Gelegenheiten werden immer weniger«.
(Lutz, ebd., S. 143)

Und auch die Jugendlichen, die den neuen sozialen und alternativen Bewegungen nahestehen, empfinden ähnlich, wie die Bundestagsenquetekommission »Jugendprotest im demokratischen Staat« feststellt: »Immer wieder wurde in den Anhörungen von seiten der Jugendlichen den Politikern Unehrlichkeit und Opportiunismus vorgehalten. Es wurde darüber Klage geführt, daß die Politiker, statt sich der Verantwortung für die Probleme zu stellen, die Justiz und die Polizei gegen die protestierenden Jugendlichen mobilisieren… Hausbesetzer würden kriminalisiert, während Spekulanten unter dem Schutz des Rechtsstaates ihr Unwesen treiben könnten… Gerade Vorgänge um die sogenannte Spendenaffäre dürften die Glaubwürdigkeit der Politik weiter erschüttert haben« (Deutscher Bundestag 1983, S. 61 f).

Gegen all diese (n) »Unehrlichkeit und Opportunismus« sind die neuen sozialen Bewegungen angetreten. Während die Friedens- und Ökologiebewegung den Widerstand gegen die globalen Vernichtungsstrategien probt, versuchen Selbsthilfeinitiativen und Alternativprojekte alternative Problemlösungen zu entwickeln — von der biologischen Landwirtschaft bis zu alternativen Technologien, von freien Schulen bis zu selbstorganisierten Ausbildungsinitiativen, von neuen Lebensgemeinschaften bis zu selbstverwalteten Betrieben. Bei zahlreichen durchaus unterschiedlichen Motiven, Inhalten und Formen werden nahezu alle diese Bestrebungen geeint durch eine Orientierung am »Sein« statt am »Haben«, sozialen und ökologisch angepaßten Gebrauchswerten, an ganzheitlichen, überschaubaren, selbstbestimmten, dezentralen statt segmentierten, fremdbestimmten und zentralistischen Lösungen.
Ausgehend von der Analyse und/oder der Empfindung, daß viele traditionelle Lösungen zu Ausbeutung, Arbeitslosigkeit, Umweltzerstörung, Krieg etc. geführt und daß viele klassische Institutionen diesen Prozeß unterstützt, zumindest nicht aufgehalten haben, hat eine Suchbewegung begonnen sowohl nach anderen Inhalten, als auch nach anderen Strukturen, zum einen in Richtung selbstbestimmter, dezentraler kleiner Einheiten, zum anderen aber auch in Richtung von Gegenmacht und alternativen Großstrukturen, wie die Partei der Grünen und Alternativen; der Öko-Bank, der »tageszeitung« oder möglicherweise auch einem alternativen Wohlfahrtsverband…

Es treffen also zur Zeit mehrere Entwicklungen zusammen: eine objektive Verschärfung politischer, ökonomischer, ökologischer, soziokultureller und anderer Krisen, das faktische Scheitern zahlreicher traditioneller Krisenbewältigungsstrategien, das strake Anwachsen neuer sozialer Bewegungen, die sich von den genannten Krisen bedroht fühlen und tradierten Institutionen und Lösungsmustern nicht mehr trauen und Versuche, alternative Antworten auf diese neue Lage zu finden.
Soll deshalb über Folgerungen aus dem verstärkten Auftreten alternativer Selbsthilfeinitiativen für traditionelle Jugendhilfeträger diskutiert werden, sollte dieser Hintergrund nicht aus dem Blick geraten. Es geht nicht allein um die Frage, ob z.B. Jugend- und Wohlfahrtsverbände, Jugendämter und Heime nun in verstärktem Maße Ausbildungs- und Arbeitsinitiativen in die Wege leiten oder unterstützen — additiv zu ihren klassischen Interventionsstrategien und vor allem unter der Fragestellung, wie »neue Problemgruppen« versorgt werden können. Vielmehr geht es auch darum, zu überprüfen, ob die überkommenen Inhalte, Methoden und Strukturen angesichts eines erstaunlich breiten Einstellungs- und Wertewandels insbesondere in ökologischen Fragen den neuen Erfordernissen und Problemen noch gerecht werden.

Denn warum sind denn die Initiativgruppen plötzlich so interessant geworden, daß das Bundesministerium für Bildung und Wirtschaft und Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit, der Deutsche Paritätische Wohlfahrtsverband und das Sozialpädagogische Institut sowie fast jeder Verlag darüber Studien publizieren — doch nicht, weil sie die Alternative zu Arbeitslosigkeit oder Ausbildungsplatzmangel darstellten, sondern weil sie zum Teil alte, zum Teil neue Bedürfnisse vieler Menschen in praktischem Handeln umzusetzen suchen: Bedürfnisse nach Vollwerternährung und einer ungiftigen Umwelt, nach solidarischen Lebenszusammenhängen, nach selbstbestimmten Arbeits-, Lern- und Wohnformen, nach einer menschlichen Gesundheits-, Kinder- und Altenversorgung, nach glaubwürdiger Politik etc. Was z.B. einige der in den letzten Jahren entstandenen selbstorganisierten Ausbildungsinitiativen anstreben, sind keine spinnerten Weltverbesserungsideen, sondern ist die für die jeweils betroffenen Jugendlichen möglicherweise letzte ernsthafte Chance, eine eigenständige Lebensperspektive zu entwickeln, und zwar — Beispiel BDP-Mädchenlehrwerkstatt Nordhessen —, weil sie eine qualifizierte Ausbildung in der Region vermittelt mit anschließender Arbeitsperspektive in einem sinnvollen, ökologisch wichtigen Bereich und dabei nicht nur auf handwerkliches „know how achtet, sondern auch die umfassende Kompetenz zu vermitteln sucht, das eigene Leben aufrechten Gangs selbst in die Hand zu nehmen. Dazu war es in der Planung dieses Projektes nötig, sowohl die Bedürfnisse von Mädchen im ländlichen Raum zu erkunden, als auch im Kontext einer »alternativen« Regionalplanung festzustellen, welche gesellschaftlich nützlichen und ökologisch angepaßten Produkte bzw. Dienstleistungen vor Ort chancenreich erschienen, die unterschiedlichsten Finanzierungsinstrumente zusammenzuführen, die traditionellen Handlungsgrenzen — Freizeit, Pädagogik und Politik — eines Jugendverbandes in Richtung Ausbildung und Arbeit zu überschreiten und die in Nordhessen bis dahin völlig unbekannte Idee der außerbetrieblichen Lehrwerkstatt eines Jugendverbandes gegen den Widerstand von Handwerkskammer und Arbeitsamt politisch durchzusetzen. Bei den »Zielgruppen« der Ausbildungswerkstatt ging es dabei nicht nur um die quantitativ Unversorgten, die keine traditionelle Lehrstelle bekommen hatten, sondern auch um die qualitativ Unversorgten, denen eine traditionelle Lehrstelle nicht bekommen wäre, weil sie nach selbstbestimmteren, sinnvolleren und perspektivenreicheren Ausbildungsverhältnissen suchten, als sie viele klassische Lehrstellen bieten.

Dieses Beispiel deutet die Richtung an, in der klassische Jugendhilfeträger Konsequenzen aus der Selbsthilfebewegung ziehen sollten: Es gilt, das klassische Ressort-, Schubladen- und Zuständigkeitsdenken zu überwinden in Richtung einer Orientierung an Problem- und Lebenslagen. Es gilt, die traditionellen Handlungsgrenzen der Jugendhilfe in ihrer einseitigen Fixierung auf gesellschaftliche Randgruppen und Randbereiche zugunsten einer Einbeziehung gerade auch der an gesellschaftlichen Veränderungen interessierten Gruppen und Initiativen und einer Einmischung in die gesellschaftlichen Ernstbereiche, wie Ausbildung, Arbeit, Regionalplanung und Politik, zu sprengen, in der das Wissen der Jugendhilfe um die gesellschaftlichen Gründe von sozialer Benachteiligung, Ausgrenzung und Unterprivilegierung als Veränderungswissen eingebracht und politisch fruchtbar gemacht wird. Es gilt, die Fixierung auf staatliche Fördervorgaben aufzugeben, die teilweise — wie etwa die zahlreichen, oft völlig perspektivlosen »Parkmaßnahmen« für arbeitslose Jugendliche zeigen — in die verkehrte Richtung weisen und problemadäquatere eigene Konzepte zu entwickeln und auf deren Grundlage staatliche Förderpolitik zu beeinflussen.
Dabei wird von den oben genannten Zielen und Strukturmerkmalen alternativer Projekte viel zu lernen sein — u.a. daß manche Aufgaben von problemnahen, selbstorganisierten Gruppen besser zu lösen sind, als von staatlichen oder parastaatlichen Lohnerziehern. Schon deshalb verbietet sich auch eine Strategie der Vereinnahmung alternativer Projekte. Vielmehr sollte eine Kooperations-, Anregungs- und Unterstützungsstruktur entwickelt werden, in der sich die jeweiligen Stärken — wie etwa die besondere Lebensweltnähe, Kreativitäts- und Innovationspotentiale von Selbsthilfeinitiativen und die Planungskompetenz, das institutionelle Wissen und die Ressourcen klassischer Jugendhilfeträger im Interesse der Unterprivilegierten und nach Alternativen zu den bekannten Holzwegen Suchenden verbinden können.

Verweise

Balon/Dehler/Hafeneger: Arbeitslosigkeit, Wider die Gewöhnung ans Elend, Frankfurt 1985
Bischoff/Damm:  Arbeitsplatze selber schaffen, finanzieren und behalten, München 1985
Damm/Müller/Rottmann:  Berufsausbildung selber organisieren, Handbuch für Ausbildungsinitiativen, Reinheim 1985
Deutscher Bundestag:  Jugendprotest im demokratischen Staat, Schlußbericht 1983 der Enquetekommission des 9. Deutschen Bundestages, Speyer 1983
Jugendwerk der Deutschen Shell (Hg.):  Jugend vom Umtausch ausgeschlossen. Eine Generation stellt sich vor, Reinbek 1984
Schultz-Wild, L.:  Arbeitslos leben, Ravensburg 1984 Verband der selbstverwalteten Betriebe in Hessen: Ökologisch leben, friedlich arbeiten in einer selbstbestimmten Gesellschaft, Frankfurt 1984

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